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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Ernst Schwanhold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie brauchen keine Angst zu haben, ich habe weder Lincoln noch irgend jemand anders in der Zettelkiste. Völlig unabhängig davon, ob es paßt oder nicht, wenn es nun gerade zuoberst gefunden wird, muß das Zitat auch gebraucht werden.
    Wir beraten heute den Antrag zur Änderung des Gesetzes über Stabilität und Wachstum. Ich will Ihnen den restlichen Text des Titels ersparen. Wir sind der festen Überzeugung, daß es dringend notwendig ist, dieses Gesetz an die veränderte Situation anzupassen. Ich komme zu einem späteren Zeitpunkt, Frau Sehn, aber auch Herr Ost und Herr Hinsken, auf Ihren Ansatz von Ökologie noch einmal zurück, der sich immer als ein nachbereitender Ansatz ökologischen Vorgehens darstellt und dabei eigentlich nur Reparatur oder end of the pipe meint und nicht eine ökologische Umstrukturierung dieser Industriegesellschaft wirklich ins Auge faßt.
    Ich will mich auseinandersetzen mit den als Zielen definierten Aufgaben dieses Gesetzes und ihrer Einhaltung durch die jetzige Bundesregierung und die vorherigen Bundesregierungen seit 1982.
    Die vier Ziele des Stabilitätsgesetzes sind nämlich Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum sowie außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Wenn ich das einmal kritisch überprüfe, so ist in den vergangenen zehn Jahren, zumal in den letzten zweieinhalb keines dieser Ziele erreicht worden. Wir waren von allen diesen Zielen noch nie so weit entfernt wie zur Zeit.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der F.D.P.: Das hat auch einen Grund!)

    Der eigentliche Auftrag dieses Gesetzes, den Sie aber verschweigen, lautet auch, aktive Wirtschaftspolitik zu betreiben. Mindestens die tiefe Rezession, in die wir jetzt hineinschlittern — Herr Ost, wir sind uns darin einig, daß die Zahlen, die bisher vorliegen, nur einen Teil der Wahrheit wiedergeben —, ist Beleg dafür, daß weder Instrumente noch Auftrag des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von Ihnen in hinreichendem Maße angewendet und verfolgt worden sind.
    Ich will bei den Ursachen dafür nicht jenen Anteil verschweigen, den die von Ihnen hausgemachten Fehler bei der deutschen Einheit, die falschen Umtauschkurse und die Konzeptionslosigkeit bis zum heutigen Tag ausmachen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will auch nicht verschweigen, daß die 40jährige kommunistische Planwirtschaft ein völlig marodes Erbe hinterlassen hat. Auch dieses gehört dazu, aber man darf die Fehler bis in die heutigen Tage hinein dabei ebenfalls nicht vergessen.

    (Beifall bei der SPD — Friedhelm Ost [CDU/ CSU]: Aber auch nicht die Erfolge!)

    Der Antrag zum Stabilitäts- und Wachstumsgesetz gibt uns den Auftrag, etwas grundsätzlicher darüber nachzudenken, wie die Wirtschaft in den nächsten Jahren aussehen kann, wohin die Wirtschaft steuert. Dabei ist der entscheidende Ansatzpunkt, daß wir mindestens vier Ziele zur Zeit nicht mehr zueinander bringen können — diese nicht einmal mehr verfolgen —, daß wir keine Verzahnung dieser Ziele erreichen. Das ist eigentlich der Ansatz: die Verzahnung dieser Ziele.
    Dazu gehört zunächst einmal, daß wir nach meiner Einschätzung völlig zu Recht eine Standortdebatte in der Bundesrepublik haben. Diese ist nicht auf soziale Wohltaten oder andere Dinge zurückzuführen — die von Ihnen immer wieder angeführt werden —, sondern insbesondere auf drei Elemente, und zwar erstens auf die mangelnde demokratische Akzeptanz unseres Wirtschaftsstandortes.
    Die Ursache dafür ist, daß für die Menschen, für die Bevölkerung nicht einsichtig ist, welche qualitativen, welche strukturellen Veränderungen wir in wirtschaftlichen Fragen anstreben, wohin die Wirtschaft steuert, wann endlich der Umweltschutz integrierter Teil bei der Entwicklung, Planung und Vorausschau



    Ernst Schwanhold
    von Wirtschaft wird. Ökodesign am Anfang von Produkten ist das Schlagwort dazu. Wir müssen der Wirtschaft für die nächsten Jahre verläßliche Rahmendaten geben, damit ein „sustainable development", eine nachhaltige Entwicklung wirklich vorangetrieben werden kann. Insofern gibt es die Debatte um den Standort völlig zu Recht.
    Zweitens. Der eigentliche stabile Faktor bisher — ich befürchte, Sie sind gerade dabei, auch diesen noch zu zerstören — für den Standort Bundesrepublik Deutschland ist der soziale Friede. Das, was Sie jetzt vorgelegt haben, geht nachhaltig an die Grundfesten des sozialen Friedens.

    (Beifall bei der SPD)

    Der dritte Faktor, von dem ich glaube, daß er wesentlich zur Berechtigung der Standortdebatte beiträgt, ist, daß wir längst dabei sind, durch aufgepfropften Umweltschutz am Ende eines Produktionsprozesses die erwirtschafteten Gewinne wieder aufzufressen. Daraus resultiert übrigens auch, daß wir seit längerer Zeit sozial nichts mehr zu verteilen haben, weil alles aufgefressen wird. Dabei ist das kein Umweltschutz, sondern eigentlich nur die Überführung eines Schadstoffaustrages von einem Medium in das andere. Das hat nichts mit nachhaltiger Entwicklung zu tun.
    Deshalb ist unser Auftrag — darüber sind sich übrigens auch die Fachpolitiker über alle Fraktionen hinweg einig; Sie müßten nur einmal die Diskussion mit Ihren Kolleginnen und Kollegen suchen —,

    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das tun sie ja nicht! — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das können sie nicht!)

    dafür zu sorgen, daß wir erstens Stoffflüsse minimieren und daß wir zweitens den Schadstoffaustrag minimieren, und zwar am Anfang der Produktion und auch durch das Produkt, welches zunehmend zum Problem wird.
    Sie tun so, Herr Hinsken — ich will ausdrücklich noch einmal auf Sie und auch auf Frau Sehn zu sprechen kommen —, als ob wir im Bereich des Umweltschutzes wirklich etwas erreicht hätten, weil wir den Ausstieg bei den FCKW ins Auge gefaßt haben. Dabei wissen wir überhaupt noch nicht, welche Konsequenzen die längere Verweildauer des FCKW in den Kühlanlagen und dessen Freisetzung am Ende dieses Prozesses mit sich bringen.
    Wir steigen heute in eine Ersatzstoffproduktion ein, völlig undiskutiert und ohne politische Vorgabe, entschieden von Anwendern und Herstellern und mit hohen Risiken mit Blick auf die Klimakatastrophe, nämlich mit einem Faktor 3 000 jenes Ersatzstoffes R 134 a, verglichen zum CO2, und mit den gleichen Auswirkungen auf das Klima. Das hat nichts mit nachhaltiger Entwicklung zu tun, sondern ist die Irreleitung der Industrie in eine Ersatztechnologie, von der wir heute schon wissen, daß wir den Ausstieg für übermorgen organisieren müssen. Es wäre besser, darüber nachzudenken, wie wir diese Zwischenstufe verhindern können, um gleich zu einer nachhaltigen Entwicklung zu kommen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Dieses Ziel des Zusammenbindens und des Diskussionsprozesses zwischen unterschiedlichen Fachpolitiken, die nebeneinander agieren, müßte sich auch im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz wiederfinden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich freue mich eigentlich auf die Diskussionen. Sie haben ja Ansätze dazu gemacht, wie wir nachhaltige Entwicklung für die Zukunft definieren.
    Ich bin der festen Überzeugung, daß wir heute schon darüber nachdenken müssen, wie Stoffströme insgesamt minimiert werden können und wie wir jenen Ländern, die an der Schwelle zur Industrialisierung stehen oder die einen berechtigten Anspruch an uns formulieren, auch industrialisiert zu werden, die Möglichkeit eröffnen können, diesen Weg zu gehen. Wir europäischen Industrienationen verbrauchen heute den größten Teil der Ressourcen. Wir schädigen die Umwelt weit mehr als alle Entwicklungsländer und die Mehrheit der Menschen zusammen. Stellen Sie sich einmal vor, diese Schwellenländer würden nur an 10 % unseres Industrialisierungsgrades heranreichen: Es gäbe von einem auf den anderen Tag den vollständigen Zusammenbruch unseres Ökosystems.

    (Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Vor allem, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen!)


    (Vor s i t z : Vizepräsident Helmuth Becker)

    Also können wir doch nicht auf Dauer so weitermachen und in Sonntagsreden sagen, die Schwellenländer und die Länder der Dritten Welt sollen Chancen bekommen, während wir in Wahrheit eine Verhinderungspolitik betreiben, weil wir bei uns selber den Stoffstrom und den Energiestrom, der dazugehört, nicht mindestens um den Faktor 10 reduzieren. Ansonsten ist eine ökologisch verträgliche Entwicklung jener Länder gar nicht möglich. Das ist längst zur Überlebensfrage geworden.
    Wenn wir dieses Instrumentarium nicht anwenden, um zu einer kurzfristig, mittelfristig und langfristig abgestimmten Politik in diesen von mir skizzierten Bereichen zu kommen, dann vertun wir heute diese Chance, die wir dringend für die Zukunft nötig haben.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Dr. Uwe Jens [SPD]: Leider haben sie zuwenig zugehört!)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist unser Kollege Rainer Haungs.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rainer Haungs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem SPD-Antrag über die neuen Herausforderungen merkt man an einigen Stellen an, daß er nicht mehr ganz so taufrisch ist. Er ist immerhin vor eineinhalb Jahren der Presse vorgestellt worden. Richtig ist allerdings, daß nach über 25 Jahren das Gesetz zur Förderung von Stabilität und Wachstum auf den Prüfstand gehört.
    Es kann und muß heute die Frage gestellt werden, ob dieses Gesetz hilfreich ist, unsere Schwierigkeiten im vereinten Deutschland zu beheben; denn dieses Gesetz — darüber herrscht Übereinstimmung — war



    Rainer Haungs
    ein typisches Beispiel des wirtschaftlichen Denkens jener Zeit: Der Einfluß des Staates wurde überschätzt — ich hoffe, daß die Opposition in dieser Richtung in der Zwischenzeit dazugelernt hat —, man glaubte, durch kreditfinanzierte Nachfrage jede Wachstumsschwäche zu beheben, und man hat hinterher gemerkt, daß dies nicht geht.
    Allerdings geht der Ansatz der SPD in der vorliegenden Form in die falsche Richtung. Wie schon meine Vorredner gesagt haben — da muß nichts wiederholt werden —: Die anspruchsvollen Ziele dieses Gesetzes — Preisstabilität, Beschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wachstum — wurden selten erreicht, weder von der vorhergehenden Regierung noch von der jetzigen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie wollen es gar nicht erst versuchen!)

    Dieses magische Viereck ist nicht zu erreichen. Das kann man zwar schön ins Gesetz schreiben, aber es ist eine Leerformel und würde, wenn Sie es auch noch erweitern, wie von der Opposition vorgetragen, völlig unpraktikabel werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht nicht darum, das Umweltziel zu vernachlässigen. Ich stimme mit vielen überein — das wurde von meinen Vorrednern auch betont —, daß wir bei den Produktionsmethoden, aber auch bei den Umweltprodukten eine Herausforderung haben und daß dies durchaus — Herr Professor Jens, ich stimme Ihnen zu
    — ein Wachstumsfeld der Zukunft ist. Produkte, die weltweit für die Umwelt geeignet sind, können in den nächsten Jahren und Jahrzehnten als Exportschlager
    — damit wir zumindest beim außenwirtschaftlichen Gleichgewicht wieder etwas zulegen — der Bundesrepublik Deutschland dienen.
    Aber wir müssen in einer wirtschaftlichen Debatte hinzufügen, daß es auch viele Unternehmen gibt — Chemie und andere —, die wegen der hohen Umweltstandards andere Standorte als die Bundesrepublik Deutschland sehen. Deshalb muß unsere politische Forderung sein, daß dies nur europaweit durchgesetzt werden kann. Gerne können wir der Vorreiter sein, aber Alleingänge, etwa nach dem Spruch „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen", sind ökonomisch völlig unsinnig und dienen auch nicht dazu, unsere Probleme hier zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun hat der Kollege Schwanhold vorhin von einem Fehlen demokratischer Akzeptanz in bezug auf den Wirtschaftsstandort Deutschland gesprochen. Wir machen uns um den Wirtschaftsstandort Deutschland große Sorgen. Nur, eine Anhörung der CDU/CSU-Fraktion hat gezeigt, daß es bei nüchternem Abwägen derjenigen, die weltweit Investitionen vornehmen, neben den zugegebenermaßen guten Bedingungen in der Bundesrepublik — ich wende mich immer dagegen, sie herabzuwürdigen — eben einige Faktoren gibt, die Sie so gut keimen wie wir — hohe Personalkosten, hohe Energiekosten, hohe Umweltstandards, kurze Arbeitszeit —, die dazu führen, daß in den letzten Jahren erheblich mehr Unternehmen an anderen Standorten investiert haben und die Bundesrepublik Deutschland aus anderen als den von Ihnen genannten Gründen kein begehrter Industriestandort ist. Dies macht uns im Hinblick auf die Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und das seit zehn Jahren Kohl-Regierung, eigenartig! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ich versuche ja, es zu erklären.
    Ich komme zur prinzipiellen Kritik an dem Antrag. Er ist, wie ich schon sagte, veraltet. Die Verfasser akzeptieren nicht, daß wir heute zu einer ganz anderen Bewertung des Wachstums gelangen. Sie schätzen das Wachstum geringer ein als wir. Dies erscheint mir Anfang 1993 absolut ungeeignet, um unsere Probleme im vereinten Deutschland zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir alle wissen, daß Wachstum kein Selbstzweck ist; da brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht. Wir alle wissen, daß die statistischen Zahlen Mängel aufweisen, daß ökologische Gesichtspunkte auch statistisch erfaßt werden müssen, daß eine strenge Umweltgesetzgebung notwendig ist und daß umweltverträgliche Arbeits- und Produktionsbedingungen
    — aber nicht, indem man entsprechende Regelungen gesetzlich fixiert, sondern indem man andere Maßnahmen ergreift — von uns eingeführt werden müssen.

    (Beifall bei der F.D.P. — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Welche denn?)

    Aber alle Wirtschaftspolitiker — vor allem die Wirtschaftspolitiker in den neuen Bundesländern, aber auch die Wirtschaftspolitiker bei uns — machen sich doch derzeit Gedanken und zerbrechen sich den Kopf, wie wir mit wettbewerbsfähigen Produkten und Dienstleistungen neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen können, und zwar nicht einige hunderttausend, sondern -- meine Vorredner haben es gesagt — Millionen. Wenn Sie mir sagen könnten, wie Sie dies ohne Wachstum schaffen wollen, dann würden Sie wahrscheinlich wieder einmal den Nobelpreis bekommen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Lesen Sie doch einmal Ihren Antrag! Sie haben ihn nicht gelesen, aber es ist entschuldbar; denn Sie brauchen ihn auch nicht zu lesen. Es steht nichts Neues drin.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben ihn nicht gelesen!)

    — Ich habe ihn sehr wohl gelesen.
    Jeder Ökonom weiß, daß sich im Abschwung oder in der Rezession, in der wir uns heute befinden, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme multiplizieren. Um es positiv zu formulieren — auch das haben meine Vorredner schon angesprochen —: Eine wachsende Wirtschaft entlastet das Sozialbudget, ermöglicht schärfere Umweltbedingungen, verbessert die Einkommensverteilung und modernisiert die Produktionspalette.



    Rainer Haungs
    Ich will nur einen Satz zur Einkommensverteilung sagen, weil die Statistik hier eben auch in die Irre führt. Wenn man das Einkommen aus Zinsen und das Einkommen aus Unternehmertätigkeit zusammenfaßt und sagt, daß der Lohnanteil auf der einen Seite sinkt, während der Anteil der Erträge aus Unternehmertätigkeit auf der anderen Seite steigt, dann zeigt dies, da die meisten Haushalte Arbeitnehmerhaushalte sind, die aúch Vermögen besitzen, das sie rentierlich anlegen, doch nur, daß die Kombination aus Vermögenserträgen und Unternehmererträgen statistisch nicht weiterführt. Auch hier müßte man etwas ändern, um die richtigen und nicht, wie Sie es oft tun, die falschen Schlußfolgerungen zu ziehen.
    Es wurde darauf hingewiesen, daß in Ihrem Antrag so schön steht, Bund, Länder und Gemeinden sollten ihre Ausgaben verstetigen. Im Gegenteil, meine Damen und Herren, sie sollen sie zurückführen. Sie sollen sie nicht verstetigen, sondern sie sollen ihre Quote zurückführen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Warum denn?)

    — Weil sie ihre Verschuldung zurückführen sollen. Wir wollen in den Ländern doch keine Zunahme der Verschuldung von 5 oder 6 % haben, während wir uns im Bund bemühen, die Zunahme auf 2,5 oder 3 % zu begrenzen. Wir wollen doch umschichten. Das wissen Sie doch ganz genau. Das Problem ist also keineswegs die Verstetigung, sondern das Problem ist die Rückführung und auch die Reduzierung der Staatsquote. Wir haben bei den staatlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung eine Zwischenphase erreicht, aber dies kann nicht die Zukunft sein.