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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge der Koalition haben gezeigt: Sie haben die Zeichen der Zeit wirklich nicht erkannt. Wir leben — auch wenn Sie Fritjof Capra zitieren, Herr Ost — nicht in einer Wendezeit. Diese Wendezeit haben Sie, glaube ich, zehn Jahre lang gehabt.
    Sie haben es geschafft, diese Gesellschaft zu wenden, daß jetzt nur noch ein Drittel oben steht, daß wir tatsächlich eine pervertierte Zweidrittelgesellschaft haben. Wir erleben doch die Vermögensentwicklung. Das hat Professor Jens, glaube ich, sehr deutlich gezeigt. Die Vermögensentwicklung weist das ganz deutlich nach: 57 % der privaten Haushalte in der Bundesrepublik haben mehr als die zwei Drittel der anderen zusammen.

    (Marita Sehn [F.D.P.]: Das stimmt nicht, Herr Schulz! Das ist aber eine komische Rechnung!)

    — Ich habe jetzt keine Lust, darüber im Detail mit Ihnen zu diskutieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, Sie haben keine Ahnung! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU)

    — Das könnte ich auch. Aber es ist schade um meine Zeit. Vielleicht ist es auch schade um Ihre Zeit.
    Wenn Sie wirklich Capra gelesen hätten, dann wüßten Sie: Wir leben in einer Zeitenwende. Vielleicht müssen wir in dieser Bundesrepublik noch ein Stück darauf warten, weil die Regierung Kohl diese Probleme aussitzt — zwar in einem fliegenden Wechsel, aber auch das sind wir gewohnt.
    Wir führen heute eine Debatte über einen Antrag der SPD-Fraktion, der eine zeitgemäße Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes zum Ziel hat. Dies ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert.
    Bevor man sich mit der Novellierung dieses Gesetzes beschäftigt, sollte man vielleicht ein Wort über die bisherige Praxis sagen. Da ist festzustellen, daß die Regierung Kohl dieses Gesetz in wesentlichen Teilen seit langem ignoriert.
    Um die Verwirklichung zweier Ziele dieses Gesetzes hat sich die Bundesregierung nie geschert. Statt ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht, also eine ausgeglichene Leistungsbilanz anzustreben, betrieb sie, solange dies möglich war, eine Politik der Maximierung von Exportüberschüssen, eine Politik des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts.
    Statt ein hohes Beschäftigungsniveau anzustreben, betrachtet sie offenbar eine Arbeitslosigkeit von etwa zwei Millionen im Westen — in der Schizophrenie der Bundesregierung wird das ja aufgeteilt: 2,1 Millionen West und 1,1 Millionen Ost — als Normalfall.

    (Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Das macht die Bundesanstalt für Arbeit!)

    Wenn es mehr zu werden drohen, frisiert sie die Statistik und eilt der tatsächlichen Situation in der Darstellung hinterher.
    Wenn wir also das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz novellieren wollen, sollten wir als erstes Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Nichtbeachtung einführen. Was sollen sonst die Bürger — namentlich in den neuen Bundesländern — von einem Rechtsstaat halten, in dem sich alle an die Gesetze halten müssen, nur nicht die Kapitalanleger und die Bundesregierung?
    Der SPD-Antrag geht auf einen Gesetzentwurf zurück, den in der vergangenen Legislaturperiode vor der deutschen Einheit die Fraktion der GRÜNEN in den Bundestag eingebracht hat. Es hat einen gewissen



    Werner Schulz (Berlin)

    Symbolwert, daß die SPD ihren auch nicht mehr ganz neuen Antrag gerade jetzt aus der Schublade zieht;

    (Manta Sehn [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!)

    gerade jetzt, wo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Zusammenschluß für alle sichtbar die Grundlage für ihren Wiedereinzug in den Bundestag gelegt haben.
    Ein zentraler Bestandteil des Gesetzentwurfs der GRÜNEN war die Kritik des Wachstumsziels. Die zerstörerische Wirkung ungehemmten Wirtschaftswachstums wird zwar auch in sozialdemokratischen Kreisen mitunter eingeräumt, doch haben Sie in Ihrem Antrag der Vorlage der GRÜNEN diesen Zahn gezogen. Das macht die Kopie nicht eben besser als das Original.
    Es geht mir nicht darum, Wirtschaftswachstum unter allen Umständen zu verhindern. Im Osten ist es ja dringend erforderlich.

    (Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Aha!)

    Aber wir wissen doch alle auch, daß das Wachstum des Sozialprodukts häufig nichts über Wohlfahrtsgewinne, aber viel über Umweltzerstörung aussagt.
    Es muß daher gelingen, wirtschaftlichen Zuwachs ohne zusätzlichen Umweltverbrauch zu realisieren und einen Begriff der Wirtschaftsleistung zu entwikkeln, der die ökologischen Kosten einbezieht und dem gesellschaftlichen Nutzen des Wirtschaftens näher kommt, eben das Ökosozialprodukt.
    Es ist aus unserer Sicht unabdingbar, das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zu verbessern, namentlich die Erhaltung der Umwelt und die Bekämpfung der Armut in den Zielkatalog aufzunehmen, die Politikberatung wie auch die Abstimmung der Gebietskörperschaften untereinander zu verbessern. Aber was würde ein so verbessertes Gesetz in den Händen dieser Koalition nützen?

    (Dr. Uwe Jens [SPD]: Die muß natürlich weg!)

    Das hieße nicht etwa Eulen nach Athen tragen, es hieße leider — verzeihen Sie den Ausdruck —, Perlen vor die — — Na, Sie wissen schon.
    Mit dieser Regierung wird das Programm einer ökologischen und sozialverträglichen Wirtschaftspolitik nicht zu verwirklichen sein. Es mag Sie verunsichern, wenn Ihnen jetzt auch aus den USA entgegenschallt, daß eine Politik auf Kosten der Armen, der sozial Schwachen und der Umweltschutz zerstörerisch und ohne jegliche Perspektive ist. Aber dieser Regierung fehlen der Esprit, die Einsicht und die Kraft, das Ruder herumzureißen. Dabei wären gerade jetzt die Rahmenbedingungen deutlich verbessert, auch auf der internationalen Ebene ökologischem Denken im wirtschaftlichen Handeln zum Durchbruch zu verhelfen.
    Kein Land der Erde, auch nicht größere und stärkere als die Bundesrepublik, kann eine wirklich nachhaltige Ökologisierung seiner Wirtschaft im Alleingang verwirklichen. Deshalb ist es ja von so entscheidender Bedeutung, die Europäische Gemeinschaft auf dieses Ziel zu verpflichten und möglichst schnell über Maastricht hinauszukommen.
    Deshalb muß bei der nächsten Verhandlungsrunde im GATT die ökologische Regulierung des Welthandels ganz oben auf der Agenda stehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Und wenn Europa der Regierung Clinton, die dafür ja aufgeschlossen zu sein scheint, den Rücken stärkt, kann dies auch zum Erfolg führen.
    Erst im Zusammenwirken von einzelstaatlichem Vorangehen und internationalen Verbesserungen läßt sich eine umweltgerechte Umgestaltung der Weltwirtschaft und damit auch der europäischen und deutschen Wirtschaft realisieren. In einem solchen Kontext macht auch eine ökologische Novellierung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes erst wirklich Sinn.
    Meine Damen und Herren, das Programm einer ökologischen Strukturpolitik, das überfällig ist und das dringend auf den Weg gebracht werden muß, ist in diesem Lande nur in einer Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu verwirklichen. Die amtierende Bundesregierung tut alles, um einer solchen Konstellation bei den nächsten Wahlen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Verfall der Koalition und der sie tragenden Parteien ist für jedermann in diesem Lande offensichtlich. Tun wir das Unsrige, um die einzig produktive und vorwärtsgewandte Alternative zur Regierung Kinkel/Kohl auf die Beine zu stellen.
    In diesem Sinne wünsche ich dem vorliegenden Antrag eine konstruktive Beratung in den Ausschüssen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Ernst Hinsken das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Bemerkung zu einem meiner Vorredner. Lieber Kollege Professor Jens, ich glaube, auch heute gilt es festzustellen, daß es unseren Bundesbürgern noch nie so gut gegangen ist wie zur Zeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zuruf von der SPD: Mit Ausnahme von 5 Millionen!)

    In den letzten zehn Jahren sind die Einkommen der einzelnen Familienhaushalte real um über 63 % gestiegen, während die Inflationsrate nur bei 25,7 % liegt. Man soll nicht alles niedermachen, man soll nicht alles schlechtmachen, sondern man soll auch einmal bereit sein anzuerkennen, was sich an Positivem bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere seit Übernahme der Regierung durch Helmut Kohl, entwickelt hat und vorzeigen läßt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, in der Themenreihe „Zur Sache — Themen parlamentarischer Beratungen" schreibt zum Titel „Ökologie und Wachstum" der ehemalige Vorsitzende unseres Wirtschaftsausschusses Dr. Unland:



    Ernst Hinsken
    Woran mißt man den Wohlstand oder das Wohlbefinden eines Landes? In der öffentlichen Diskussion wird meist das vom Statistischen Bundesamt mit Hilfe der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelte Bruttosozialprodukt verwendet. Aufgabe der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in der Bundesrepublik ist es, ein quantitatives Gesamtbild des Wirtschaftsablaufs zu geben. Ob allerdings ein so ermitteltes Wachstum den echten Wohlfahrtsgewinn korrekt wiedergibt, wird mit Recht bezweifelt, da z. B. qualitative Aspekte nur insofern Eingang in die Berechnung des Sozialprodukts finden, als sie im Marktpreis der gehandelten Güter und Dienstleistungen berücksichtigt werden. Somit entstehen Kosten und auch Nutzen, die im Sozialprodukt nicht ausgewiesen werden.
    Und so weiter, usf. Ich empfehle jedem der anwesenden Kollegen, dieses Buch „Zur Sache" einmal genau zu lesen.
    Wir haben gerade auch im Wirtschaftsausschuß im Jahre 1989 zu dieser Themenstellung ein Hearing durchgeführt. Ich nehme schon mit Verwunderung zur Kenntnis, daß sich jetzt in dem Antrag der SPD zwei damals eingebrachte Anträge der GRÜNEN in gewisser Hinsicht wiederfinden. Man hat anscheinend nichts hinzugelernt, sondern dieses wieder aufgegriffen.

    (Marita Sehn [F.D.P.]: Abgeschrieben!)

    Ich möchte es mir ersparen, näher darauf einzugehen oder eine Wertung vorzunehmen.

    (Otto Schily [SPD]: Aber Sie haben doch gerade etwas Richtiges zitiert!)

    Heute setzen wir uns nun mit einem Antrag von Ihnen, der SPD-Fraktion, auseinander, den Sie am 13. November 1991 eingebracht haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber die Feststellung, daß sich nicht einmal die SPD-geführten Länder im Bundesrat — jetzt bitte ich Sie, genau aufzupassen — mit dem vorgelegten Entwurf einverstanden erklären können. Er geht nämlich weit über das von den SPD-geführten Ländern im Bundesrat mehrheitlich Beschlossene hinaus.
    Ich bin überzeugt, daß unsere Vorstellungen realitätsnäher als dieser Ihr SPD-Vorschlag sind. Ich stelle deshalb fest, daß die Bundesregierung wiederholt zu Recht dargelegt hat, sie strebe in dieser Legislaturperiode die Verankerung des Umweltschutzes als Staatsziel im Grundgesetz an.

    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist schon acht Jahre alt!)

    Hierin soll zum einen der hohe politische Rang des Umweltschutzes als Solidarauftrag an die Politik zum Ausdruck kommen. Zum anderen entspricht eine solche generelle Regelung der Tatsache, daß Umweltpolitik ein breites Spektrum von Sachpolitiken betrifft.
    Beide Anforderungen würden einer Aufnahme des Umweltziels in das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nicht gerecht. Im übrigen haben alle konjunkturpolitischen Maßnahmen, die im Rahmen dieses Gesetzes ergriffen werden, von jeher ohnehin die geltenden
    Umweltnormen zu erfüllen. Ich meine deshalb, daß das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nicht geeignet ist, dem im Antrag des Bundesrates und der SPD-Fraktion formulierten Umweltziel verstärkt Ausdruck zu verleihen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei ihren wirtschaftspolitischen Maßnahmen berücksichtigen die Bundesregierung und die sie fragenden Parteien, also auch meine Fraktion, schon bisher das Umweltziel wie auch die anderen zusätzlich formulierten Ziele. Zudem muß immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, daß die besagten Ziele am besten bei stetigem und angemessenem Wachstum erreicht werden.
    Im Hinblick z. B. auf das Umweltziel bedeutet angemessenes Wirtschaftswachstum zugleich auch ökologisch verträgliches Wachstum. Wir, meine Freunde und ich, meinen, die für eine Anpassung an eine neue umweltpolitische Rahmenbedingung erforderliche Umstrukturierung der Wirtschaft und Verhaltensveränderungen der Verbraucher lassen sich in einer wachsenden Wirtschaft, die sich dem Strukturwandel stellt, ihren Produktionsapparat mit entsprechenden Investitionen bestätigt, ihn modernisiert und neue, umweltschonende Produkte hervorbringt, sowie mit einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die umweltbedingte Belastungen durch Entlastungen an anderer Stelle ausgleicht, am ehesten erreichen.
    Meine Damen und Herren, bei einer Erweiterung des Zielkatalogs des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes wäre auch das grundsätzliche Problem zu beachten, daß die Bedeutung eines jeden Einzelziels mit der Gesamtzahl der Ziele sinkt. Schon die mit dem magischen Viereck gemachten Erfahrungen unterstreichen diesen Aspekt. Kollege Ost hat vorhin in seiner Rede bereits umfangreich auf diese Themenstellung hingewiesen. Ich meine, das magische Viereck der Wirtschaftspolitik würde zu einem imaginären Ziel. Aus dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz würde eine Mischung aus Konjunktur- und Strukturgesetz, das wegen innerer Widersprüche inoperatibel für die praktische Wirtschaftspolitik würde.

    (Dr. Uwe Jens [SPD]: Das haben Sie ja noch nie angewendet!)

    Im übrigen verstärkt jedwede Erweiterung des Zielkatalogs des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes das Risiko, daß antizyklisch gedachte Maßnahmen infolge einer wesentlich längeren Konservierungsphase prozyklisch wirken.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Falsch!)

    — Das ist nicht falsch, Herr Kollege Schwanhold. Ich bitte Sie, das einmal genau vertiefend zu überlegen und nachzulesen. In dem von mir erwähnten Band „Zur Sache" steht viel; aus dem ist das überwiegend entnommen.

    (Otto Schily [SPD]: Sie haben es doch zitiert!)

    Für uns ist auch völlig inakzeptabel, daß nach den Anträgen die Verpflichtung der Wirtschaftspolitik, sich im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu bewegen, wegfallen soll. Dies ist doch eine bedenkliche ordnungspolitische Schieflage, in der Sie



    Ernst Hinsken
    sich, meine lieben Kollegen von der SPD, als Antragsteller befinden, und widerspricht auch allen Erfahrungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Ernst Schwanhold [SPD]: Eine eher wirtschaftliche als ordnungspolitische Schieflage!)

    Gerade erst jetzt wieder wird doch die Erkenntnis belegt, daß vorzeigbare ökonomische, soziale und umweltpolitische Leistungen nur im und nur durch den Wettbewerb, also im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu erzielen sind. Das interessiert Sie offensichtlich in keinster Art und Weise.
    Die Umsetzung konkret vorgegebener ökologischer Zielwerte erfordert ein umfassendes Instrumentenbündel. Eine verbindliche Festlegung ökologischer Zielwert kann nach unserer Meinung nicht mehr bedeuten als die Mahnung, Wirtschaftspolitik und ihre konjunkturpolitischen Instrumente umweltfreundlich zu gestalten. Dabei ist immer an das finanziell Machbare zu denken.
    Der Antrag, der uns vorliegt, sollte eigentlich überschrieben werden mit dem Titel: Berichte, Berichte, Berichte. Werden doch neben dem Jahreswirtschaftsbericht und dem Subventionsbericht als Bestandteil einer Gesamtbilanz jährlich zusätzlich ein Folgekostenbericht, ein Umweltbericht, ein Arbeitsmarktbericht, ein Verteilungsbericht und ein Strukturbericht gefordert.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist doch gai nicht so schwierig!)

    — Liebe Kollegin Fuchs, zum Berichteschreiben sind Sie gut, aber das ist zuwenig. Sie müssen akzeptable Vorstellungen entwickeln, die Sie uns an die Hand geben können, und dann sind wir zu guter Letzt gerne bereit, diese auch überzubringen.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Dann verzichten wir auf die Berichte und machen das Instrumentarium!)

    Ich meine nämlich, daß das, wenn es umgesetzt werden würde, zu einer Berichtsbürokratie führen würde, und die wollen wir nicht; denn uns ist klar: Herausforderungen kann man mit einer Flut von Berichten einfach nicht beikommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was die Darlegung der ökologischen Folgekosten der Wirtschaft anbelangt, will ich nicht bestreiten, daß das umweltstatistische Informationssystem verbessert werden muß, um diese vermehrt erfassen zu können. Ich begrüße deshalb ausdrücklich die diesbezüglichen Bemühungen des Statistischen Bundesamtes.
    Von einer umfassenden Bewertung der ökologischen Folgekosten sind wir jedoch noch weit entfernt. Es sollten keine Erwartungen und Wunschvorstellungen gesetzlich eingefordert werden, die wegen ungenügender statistischer Basis und wissenschaftlicher Erkennungsgrenzen derzeit nicht erfüllt werden können.
    Wir werden sowieso demnächst durch die Stellungnahme des Beirates „Umweltökonomische Gesamtrechnungen" nähere Aufschlüsse darüber erhalten, was in absehbarer Zeit möglich ist. Das ist ein entsprechendes Vorhaben des Statistischen Bundesamtes.

    (Dr. Uwe Jens [SPD]: Wir kommen ja nicht voran!)

    Ich meine darüber hinaus, daß sich die Vorschläge zur Stärkung des Konjunkturrates bei gutem Willen aller Beteiligten einvernehmlich auch ohne Gesetzesänderung verwirklichen lassen, z. B. durch einfache Absprache oder Briefwechsel.
    Im übrigen ist es jetzt schon grundsätzlich möglich, Experten z. B. aus dem Bereich von Umweltschutz oder Arbeitsverwaltung zu den Sitzungen des Konjunkturrates einzuladen. Allerdings warne ich vor einer zu starken Ausweitung des Teilnehmerkreises, weil darunter die Formulierung praktischer Wirtschaftspolitik zu schwerfällig werden würde.
    Das Postulat, die Ausgabentätigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden mittelfristig zu verstetigen, ist grundsätzlich positiv zu bewerten, wenn das mit Ausgabendisziplin verbunden ist. Keinesfalls darf es je zu einer Verstetigung expansiver Ausgabenpolitik kommen.
    Da aber Ihr Antrag, meine Kollegen von der SPD, die Ausgabenverstetigung mit der Forderung verbindet, die Bundesbankgewinne — Herr Kollege Professor Jens, Sie haben vorhin noch einmal darauf verwiesen — in eine Konjunkturausgleichsrücklage bei der Bundesbank einzubringen, aus der auch Länder und Gemeinden für strukturpolitische Zwecke Mittel erhalten würden, dürfte der eigentliche Zweck dieses Vorschlages darin bestehen, ein Vehikel zu erhalten,

    (Zuruf von der F.D.P.: Das wollen sie!)

    mit dessen Hilfe finanzschwache SPD-Länder aus den Bundesbankgewinnen Finanzhilfen erhalten.

    (Dr. Uwe Jens [SPD]: Thüringen und Sachsen z. B!)

    Einer expansiven Ausgabenverstetigung würde durch den Zugriff auf den Bundesbankgewinn geradezu Vorschub geleistet.
    Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß weitere Forderungen im Hinblick auf eine Verstetigung der Ausgabentätigkeit der Länder und Gemeinden als Fragen der Finanzverfassungen im Zusammenhang mit einem Novellierungsbegehren zum Stabilitäts- und Wirtschaftsgesetz artfremd sind.

    (Otto Schily [SPD]: Was bitte?)

    — Artfremd. Ich kann mir vorstellen, Herr Schily, daß Sie das Wort ungern zur Kenntnis nehmen. Aber ich schaue gern im Duden nach und übermittle Ihnen eine genaue Zerlegung dieses Wortes, damit Sie es kapieren.

    (Otto Schily [SPD]: Danke, ich kenne das Wort!)

    Hier ist zu bemerken, daß das richtige Diskussionsforum die Verfassungsreformkommission gemäß unserem Einigungsvertrag wäre.
    Meine Damen und Herren, vorhin wurde der amerikanische Präsident, der vor zwei Tagen in Amt und Würden trat, zitiert. Ich erlaube mir, zum Abschluß



    Ernst Hinsken
    meiner Rede Abraham Lincoln, den 16. Präsidenten der USA, zu zitieren,

    (Otto Schily [SPD]: Der arme Lincoln!) — weil er einfach recht hat —:

    Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht helfen, indem ihr diejenigen ruiniert, die sie bezahlen. Ihr werdet keine Brüderlichkeit schaffen, indem ihr Klassenkampf und Klassenhaß schürt. Ihr werdet den Armen nicht helfen, indem ihr die Reichen ausmerzt. Ihr werdet mit Sicherheit in Schwierigkeiten kommen, wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient. Ihr werdet kein Interesse an öffentlichen Angelegenheiten und keinen Enthusiasmus wecken, wenn ihr dem einzelnen seine Initiative und seine Freiheiten nehmt. Ihr könnt den Menschen nie auf Dauer helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selber für sich tun sollten und könnten.
    Soweit Lincoln.
    Ich möchte hinzufügen: Überzogene Bürokratie macht die Wirtschaft und einen Staat kaputt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ökologie und Wachstum müssen im Einklang stehen.
    Ich glaube, daß dem im großen und ganzen gesehen nichts hinzuzufügen ist. Auch bei der Beratung dieses Antrages sowie aller wirtschaftlichen, sozialen, aber auch ökologischen Fragen sollte das, was Lincoln gesagt hat — auch wenn es schon 130 Jahre alt ist — immer wieder Eingang finden. Wir haben die Möglichkeit und Gelegenheit, in weiteren Beratungen des Wirtschaftsausschusses näher darauf einzugehen.
    Ich darf mich für die Aufmerksamkeit herzlich bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)