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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Marita Sehn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Aufmerksamkeit habe ich den vorliegenden SPD-Antrag zur Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen am letzten Wochenende studiert. Vor noch nicht einmal zwei Stunden hat ein Kollege Ihrer Fraktion — jetzt zitiere ich wörtlich — „die dramatische Situation der Gesamtwirtschaft" beklagt. Deshalb kann ich nicht glauben, daß Sie die hier aufgestellten Forderungen der gesamtwirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland noch für angemessen erachten. Wir wollen Ihnen aber zugute halten, daß diese Drucksache vom 13. November 1991 datiert ist.
    Ich empfehle wirklich jedem Mitglied dieses Hauses, dieses Papier doch einmal in aller Ruhe zu lesen. Zwei Stunden debattieren wir heute über einen Antrag, der so angelegt ist, als ob wir in einer Zeit lebten, in der alle gravierenden wirtschaftlichen Probleme gelöst sind und wir noch eins draufsetzen könnten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Otto Schily [SPD]: Das ist das alte Mißverständnis! Sie haben wirklich nichts verstanden!)

    Die deutsche Einheit und die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Folgen vor dem Hintergrund eines weltweit zu beobachtenden Konjunkturrückgangs scheinen manchen Mitgliedern dieses Parlaments, vor allem wenn ich auf die linke Seite blicke, noch immer nicht bewußt zu sein.

    (Otto Schily [SPD]: Das ist die Trostlosigkeit des Gegensatzes von Ökologie und Ökonomie!)

    Das Gesetz Herr Schily, vielleicht hören Sie mir einmal zu —, daß Sie, meine Damen und Herren, zu novellieren beabsichtigen und das der Bundesrat mit der Stimmenmehrheit der SPD-regierten Länder unterstützt, stammt aus dem Jahre 1967 und ist von einem Wirtschaftsminister unterschrieben, dessen Kompetenz — darin sind wir uns bestimmt einig — nicht in Frage zu stellen ist. Deshalb wundert es mich um so mehr, daß Sie diesen Antrag zum jetzigen Zeitpunkt stellen. Immerhin hat selbst der Bundesrat einen Antrag beschlossen, der gegenüber dem ursprünglichen Entschließungsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen deutlich eingeschränkt ist.
    Das im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft verankerte magische Viereck — Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und, Herr Müller, angemessenem Wirtschaftswachstum — ist — hier werden Sie mir sicherlich zustimmen — ein sehr hochgestecktes Ziel. Aus der Erfahrung wissen wir, daß es nicht gelingt, die vier genannten Ziele gleichzeitig zu erfüllen, zumal die Tarifpolitik nicht unberücksichtigt bleiben darf.
    Die Geometrie des magischen Vierecks war und ist schwierig. Die Lehren der 70er Jahre — Herr Jens, meine Nachforschungen haben zu einem anderen Ergebnis geführt als Ihre —, die sowohl Inflation als auch Arbeitslosigkeit und erlahmendes Wachstum brachten, haben gezeigt, daß die angestrebte Globalsteuerung in allen ihren Zielsetzungen versagt. Oder sind die Worte des früheren Bundeskanzlers Helmut



    Marita Sehn
    Schmidt „Lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit" schon vergessen?

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war auch richtig! Jetzt haben wir beides! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Mit der Erweiterung des Zielkatalogs des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, wie in diesem Antrag gefordert, besteht die Gefahr, daß die Ausgewogenheit in den Wechselwirkungen der vier Einzelkomponenten des magischen Vierecks noch stärker zu Fall gebracht wird.
    Meine Damen und Herren, ich frage mich, ob das magische Viereck des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes wirklich um das Ziel „Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen" erweitert werden muß.
    Der Umweltschutz nimmt in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht einen hohen politischen Rang ein.

    (Otto Schily [SPD]: Eine schöne Dekoration!)

    Alle konjunkturpolitischen Maßnahmen unterliegen ohnehin bereits den geltenden Umweltnormen. Die Aufnahme des Umweltzieles in das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz macht einfach keinen Sinn.
    Dies wurde im übrigen auch von Ihrer Parteifreundin, der nordrhein-westfälischen Ministerin Frau Ilse Brusis, in ihrer im Bundesrat am 29. November 1991 zu Protokoll gegebenen Rede richtig erkannt. Scheinbar hat der Bundesrat dem Antrag keine sonderlich große Beachtung geschenkt.
    Ohnehin strebt die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode die Verankerung des Umweltschutzes als Staatsziel im Grundgesetz an. I-tier erwarten wir Ihre Unterstützung.
    Damit wird endlich eine Forderung realisiert, die die Liberalen als erste Partei bereits 1971 in den Freiburger Thesen aufgestellt haben.

    (Otto Schily [SPD]: Die Freiburger Thesen werden doch heute von Ihrer Partei nicht mehr vertreten!)

    Ebenso inakzeptabel ist der Verzicht auf die Verpflichtung der Wirtschaftspolitik, sich im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu bewegen.
    Wachstum ist das Ergebnis eines spontanen Koordinierungsprozesses auf einer Vielzahl von Einzelmärkten. Entscheidend sind die Bedingungen, die das einzelne Wirtschaftssubjekt in die Lage versetzen, so viel mehr zu leisten, wie es kann und will.
    Es ist Aufgabe des Staates, den erforderlichen Ordnungsrahmen durch Gebote und Verbote, durch Steuern und durch komplementäre Leistungen zu schaffen. Diese Vorgaben sind nötig und sinnvoll; denn sie bestimmen, wieviel Wachstum sich einstellen kann.

    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)

    Auch von der Ausweitung der Berichterstattung über die Wirtschaftspolitik hat die nordrhein-westfälische Landesregierung im Bundesrat bereits wieder Abstand genommen. Gleiches gilt für Brandenburg.
    Meine Damen und Herren, ich denke, wir verfügen über eine gut ausgebaute Berichterstattung über die Wirtschaftslage, ihre künftigen Perspektiven und die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik. Dennoch lassen Sie mich sagen: Quantität steht nicht für Qualität. Mehr Information muß nicht zwangsläufig zu einer besseren Beurteilungsgrundlage führen. Die Berichterstattung über die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf alle Ziele der Wirtschaftspolitik wollen Sie in Ihrem Antrag ausbauen.
    Die Bundesregierung soll jährlich ein umfassendes Gesamtbild der ökonomischen, ökologischen, verbraucherpolitischen und sozialen Lage abgeben. Darunter verstehen Sie die Erstellung folgender Berichte:
    Erstens: eines Jahreswirtschaftsberichts. Hier verweise ich auf das BMWi und den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
    Zweitens: eines Folgekostenberichts. Hier verfügen wir zur Zeit noch nicht über eine ausreichende statistische Basis, und ich warne davor, Erwartungen bzw. Wunschvorstellungen gesetzlich einzufordern, die derzeit einfach noch nicht erfüllt werden können.
    Drittens: eines Umweltberichts. Hier verweise ich auf das BMU und den Sachverständigenrat für Umweltfragen.
    Viertens: eines Arbeitsmarktberichts. Hier verweise ich u. a. auf die Bundesanstalt für Arbeit, die die aktuellen Daten sogar monatlich liefert.
    Fünftens: eines Verteilungsberichts. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage in West- und Ostdeutschland paßt der Gedanke eines Verteilungsberichts besonders gut.
    Nachdem wir Politiker in den letzten Jahren — aus welchen Gründen auch immer — unsere Bürger dazu verleitet haben, all die Wohltaten des Sozialstaates in Anspruch zu nehmen,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Verleitet? — Otto Schily [SPD]: Wir haben sie verleitet? Die Sozialhilfeempfänger sind verleitet worden! Die Arbeitslosen sind verleitet worden!)

    geht es nunmehr darum, auf ein realistisches und machbares Niveau zurückzufahren. In diese Landschaft paßt ein Verteilungsbericht ganz und gar nicht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Hier kann nur gelten, daß Leistung, sprich: Arbeit sich wieder lohnen muß und nicht umgekehrt. Aus diesen Gründen lehnt die F.D.P. einen solchen Bericht ab.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Deswegen besteuern Sie auch noch das Existenzminimum! Otto Schily [SPD]: Deswegen werden in Mecklenburg-Vorpommern die Forstleute entlassen!)

    Weiterhin fordern Sie einen Struktur- und einen Subventionsbericht.
    Ich frage Sie in aller Offenheit: Haben Sie wirklich die Zeit, weitere Berichte neben den bereits vorhan-



    Marita Sehn
    denen zu lesen? Oder haben Sie vielleicht Sorge, daß
    die Mitarbeiter in den Ministerien ohne Arbeit sind?
    Hier verweise ich erneut auf das Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 29. November 1991, in der Ihre Kollegin, Frau Brusis, zu Protokoll gab — ich zitiere wörtlich —:
    Andererseits ist aber auch die Sorge verständlich, Politik und Verwaltung könnten in einem Übermaß an Berichten ersticken. Hier wird man einen Mittelweg finden müssen. Von einer Ausweitung der Berichterstattung soll die Beschlußfassung über den vorliegenden Antrag nicht abhängig gemacht werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist deshalb damit einverstanden, wenn der Bundesrat jetzt keine neuen Berichte für die Wirtschaftspolitik fordert.
    Ihre Forderung nach einer gemeinsamen Konjunkturausgleichsrücklage dürfte in der gegenwärtigen Situation wohl nicht ganz ernst gemeint sein.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich schlage vor, daß Sie sich künftig mit Ihren in der Regierungsverantwortung stehenden Parteikollegen in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz usw. über das Wesentliche und Machbare abstimmen. Dann gelingt es uns ganz bestimmt, gemeinsam das zu tun, was unser aller Aufgabe ist, uns für das Wohl des Volkes einzusetzen und die parteipolitischen Auseinandersetzungen in der Sache zu führen.

    (Horst Kubatschka [SPD]: Haben Sie das hiermit getan?)

    Ihre Vorschläge zur Stärkung des Konjunkturrates können wir bei gutem Willen durch einfache Absprache einvernehmlich ohne Gesetzesänderung verwirklichen.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns im Ausschuß mit diesem Antrag weiter auseinandersetzen und feststellen, daß wir leider oder Gott sei Dank nicht in einer Traumwelt leben, sondern sehr schnell in der Diskussion auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
    Vielleicht stellen wir dann gemeinsam fest, wo und wie die wirklichen Probleme angegangen werden müssen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Otto Schily [SPD]: Das war ja trostlos!)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nun der Abgeordnete Werner Schulz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge der Koalition haben gezeigt: Sie haben die Zeichen der Zeit wirklich nicht erkannt. Wir leben — auch wenn Sie Fritjof Capra zitieren, Herr Ost — nicht in einer Wendezeit. Diese Wendezeit haben Sie, glaube ich, zehn Jahre lang gehabt.
    Sie haben es geschafft, diese Gesellschaft zu wenden, daß jetzt nur noch ein Drittel oben steht, daß wir tatsächlich eine pervertierte Zweidrittelgesellschaft haben. Wir erleben doch die Vermögensentwicklung. Das hat Professor Jens, glaube ich, sehr deutlich gezeigt. Die Vermögensentwicklung weist das ganz deutlich nach: 57 % der privaten Haushalte in der Bundesrepublik haben mehr als die zwei Drittel der anderen zusammen.

    (Marita Sehn [F.D.P.]: Das stimmt nicht, Herr Schulz! Das ist aber eine komische Rechnung!)

    — Ich habe jetzt keine Lust, darüber im Detail mit Ihnen zu diskutieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, Sie haben keine Ahnung! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU)

    — Das könnte ich auch. Aber es ist schade um meine Zeit. Vielleicht ist es auch schade um Ihre Zeit.
    Wenn Sie wirklich Capra gelesen hätten, dann wüßten Sie: Wir leben in einer Zeitenwende. Vielleicht müssen wir in dieser Bundesrepublik noch ein Stück darauf warten, weil die Regierung Kohl diese Probleme aussitzt — zwar in einem fliegenden Wechsel, aber auch das sind wir gewohnt.
    Wir führen heute eine Debatte über einen Antrag der SPD-Fraktion, der eine zeitgemäße Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes zum Ziel hat. Dies ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert.
    Bevor man sich mit der Novellierung dieses Gesetzes beschäftigt, sollte man vielleicht ein Wort über die bisherige Praxis sagen. Da ist festzustellen, daß die Regierung Kohl dieses Gesetz in wesentlichen Teilen seit langem ignoriert.
    Um die Verwirklichung zweier Ziele dieses Gesetzes hat sich die Bundesregierung nie geschert. Statt ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht, also eine ausgeglichene Leistungsbilanz anzustreben, betrieb sie, solange dies möglich war, eine Politik der Maximierung von Exportüberschüssen, eine Politik des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts.
    Statt ein hohes Beschäftigungsniveau anzustreben, betrachtet sie offenbar eine Arbeitslosigkeit von etwa zwei Millionen im Westen — in der Schizophrenie der Bundesregierung wird das ja aufgeteilt: 2,1 Millionen West und 1,1 Millionen Ost — als Normalfall.

    (Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Das macht die Bundesanstalt für Arbeit!)

    Wenn es mehr zu werden drohen, frisiert sie die Statistik und eilt der tatsächlichen Situation in der Darstellung hinterher.
    Wenn wir also das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz novellieren wollen, sollten wir als erstes Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Nichtbeachtung einführen. Was sollen sonst die Bürger — namentlich in den neuen Bundesländern — von einem Rechtsstaat halten, in dem sich alle an die Gesetze halten müssen, nur nicht die Kapitalanleger und die Bundesregierung?
    Der SPD-Antrag geht auf einen Gesetzentwurf zurück, den in der vergangenen Legislaturperiode vor der deutschen Einheit die Fraktion der GRÜNEN in den Bundestag eingebracht hat. Es hat einen gewissen



    Werner Schulz (Berlin)

    Symbolwert, daß die SPD ihren auch nicht mehr ganz neuen Antrag gerade jetzt aus der Schublade zieht;

    (Manta Sehn [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!)

    gerade jetzt, wo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Zusammenschluß für alle sichtbar die Grundlage für ihren Wiedereinzug in den Bundestag gelegt haben.
    Ein zentraler Bestandteil des Gesetzentwurfs der GRÜNEN war die Kritik des Wachstumsziels. Die zerstörerische Wirkung ungehemmten Wirtschaftswachstums wird zwar auch in sozialdemokratischen Kreisen mitunter eingeräumt, doch haben Sie in Ihrem Antrag der Vorlage der GRÜNEN diesen Zahn gezogen. Das macht die Kopie nicht eben besser als das Original.
    Es geht mir nicht darum, Wirtschaftswachstum unter allen Umständen zu verhindern. Im Osten ist es ja dringend erforderlich.

    (Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Aha!)

    Aber wir wissen doch alle auch, daß das Wachstum des Sozialprodukts häufig nichts über Wohlfahrtsgewinne, aber viel über Umweltzerstörung aussagt.
    Es muß daher gelingen, wirtschaftlichen Zuwachs ohne zusätzlichen Umweltverbrauch zu realisieren und einen Begriff der Wirtschaftsleistung zu entwikkeln, der die ökologischen Kosten einbezieht und dem gesellschaftlichen Nutzen des Wirtschaftens näher kommt, eben das Ökosozialprodukt.
    Es ist aus unserer Sicht unabdingbar, das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zu verbessern, namentlich die Erhaltung der Umwelt und die Bekämpfung der Armut in den Zielkatalog aufzunehmen, die Politikberatung wie auch die Abstimmung der Gebietskörperschaften untereinander zu verbessern. Aber was würde ein so verbessertes Gesetz in den Händen dieser Koalition nützen?

    (Dr. Uwe Jens [SPD]: Die muß natürlich weg!)

    Das hieße nicht etwa Eulen nach Athen tragen, es hieße leider — verzeihen Sie den Ausdruck —, Perlen vor die — — Na, Sie wissen schon.
    Mit dieser Regierung wird das Programm einer ökologischen und sozialverträglichen Wirtschaftspolitik nicht zu verwirklichen sein. Es mag Sie verunsichern, wenn Ihnen jetzt auch aus den USA entgegenschallt, daß eine Politik auf Kosten der Armen, der sozial Schwachen und der Umweltschutz zerstörerisch und ohne jegliche Perspektive ist. Aber dieser Regierung fehlen der Esprit, die Einsicht und die Kraft, das Ruder herumzureißen. Dabei wären gerade jetzt die Rahmenbedingungen deutlich verbessert, auch auf der internationalen Ebene ökologischem Denken im wirtschaftlichen Handeln zum Durchbruch zu verhelfen.
    Kein Land der Erde, auch nicht größere und stärkere als die Bundesrepublik, kann eine wirklich nachhaltige Ökologisierung seiner Wirtschaft im Alleingang verwirklichen. Deshalb ist es ja von so entscheidender Bedeutung, die Europäische Gemeinschaft auf dieses Ziel zu verpflichten und möglichst schnell über Maastricht hinauszukommen.
    Deshalb muß bei der nächsten Verhandlungsrunde im GATT die ökologische Regulierung des Welthandels ganz oben auf der Agenda stehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Und wenn Europa der Regierung Clinton, die dafür ja aufgeschlossen zu sein scheint, den Rücken stärkt, kann dies auch zum Erfolg führen.
    Erst im Zusammenwirken von einzelstaatlichem Vorangehen und internationalen Verbesserungen läßt sich eine umweltgerechte Umgestaltung der Weltwirtschaft und damit auch der europäischen und deutschen Wirtschaft realisieren. In einem solchen Kontext macht auch eine ökologische Novellierung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes erst wirklich Sinn.
    Meine Damen und Herren, das Programm einer ökologischen Strukturpolitik, das überfällig ist und das dringend auf den Weg gebracht werden muß, ist in diesem Lande nur in einer Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu verwirklichen. Die amtierende Bundesregierung tut alles, um einer solchen Konstellation bei den nächsten Wahlen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Verfall der Koalition und der sie tragenden Parteien ist für jedermann in diesem Lande offensichtlich. Tun wir das Unsrige, um die einzig produktive und vorwärtsgewandte Alternative zur Regierung Kinkel/Kohl auf die Beine zu stellen.
    In diesem Sinne wünsche ich dem vorliegenden Antrag eine konstruktive Beratung in den Ausschüssen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)