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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Bernd Henn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach der Rede des Kollegen Ost, in der er sich meines Erachtens als erster Umweltschützer der CDU profiliert hat, kann Herr Töpfer eigentlich nur froh sein, daß die Kabinettsumbildung schon vorbei ist und er keine Angst um seinen Sessel haben muß.

    (Heiterkeit und Beifall bei der PDS/Linke Liste und der SPD)

    Kolleginnen und Kollegen, für den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zu novellieren, gibt es auch aus unserer Sicht plausible Gründe. Das gilt sowohl für die Erweiterung des Zielkatalogs wie für die Forderung nach ökologischen Zielwerten, der Erweiterung der Berichtspflicht, der Forderung nach besserer Koordinierung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden und nach Schaffung einer Konjunkturausgleichsrücklage. Das alles sind sinnvolle und nützliche Forderungen für einen ordnungspolitischen Rahmen, innerhalb dessen Wirtschaftspolitik stattzufinden hätte. Ich möchte daran erinnern, daß auch DIE GRÜNEN in der letzten Wahlperiode auf Drucksache 11/7607 einen kompletten Gesetzentwurf zu diesem Thema eingebracht haben. Auch wir werden im Rahmen eines noch einzubringenden Gesetzentwurfs zur sozialen Grundsicherung ähnliche Forderungen verarbeiten. Ich glaube allerdings, daß niemand im Saal wirklich ernsthaft erwartet, daß die Regierung und die sie tragenden Fraktionen sich auf solche Novellierungsvorstellungen einlassen werden,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das machen wir 1994!)

    — ja —, während sie in der aktuellen Praxis das direkte Gegenteil tun.
    Die Forderung nach einer gleichmäßigen Einkommens- und Vermögensverteilung ist berechtigt, sie gehört in einen Zielkatalog, insbesondere nach zehn Jahren Umverteilung von unten nach oben. Aber das sogenannte föderale Konsolidierungsprogramm, das uns jetzt seit zwei Tagen auf dem Tisch liegt, will noch mehr Verteilungsungerechtigkeit, als wir ohnehin schon haben.



    Bernd Henn
    Die Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen gehört in den Zielkatalog, aber die Regierung schreibt in das sogenannte Solidarpaktangebot weniger Umweltschutz hinein. Deshalb frage ich mich, ob es sinnvoll ist, zum jetzigen Zeitpunkt einen Antrag einzubringen, der einen so komplexen ordnungspolitischen Rahmen beschreibt, von dem man zwar sagen kann, daß er inhaltlich in die richtige Richtung zielt, der aber in diesem Hause mit Sicherheit abgeschmettert wird — das geht anderen Anträgen auch so — und wegen seiner komplexen Struktur den Bürgern im Lande nicht unmittelbar aufzeigen keim, wie sich ihre aktuellen Sorgen dadurch auflösen ließen.
    Richtig ist, wir brauchen eine andere Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Wir brauchen auf Vollbeschäftigung orientierte Wirtschaftspolitik, die zugleich auch notwendige ökologische Zielvorstellungen realisiert. Dafür gibt aber auch das geltende Stabilitäts- und Wachstumsgesetz schon einiges her, denn es verpflichtet Bund und Länder schon jetzt auf eine Politik, die zumindest auch einen hohen Beschäftigungsstand herbeizuführen hat, und davon kann nun absolut keine Rede sein.
    Nun hat die Bundesregierung auf dem Hintergrund des bestehenden Gesetzes meines Erachtens drei Möglichkeiten, die aktuelle Lage zu erklären. Erstens: mit der Unmöglichkeit, die vier in § 1 des Stabilitätsgesetzes genannten Ziele auch nur annähernd in Übereinstimmung bringen zu können, weil das in einer Marktwirtschaft prinzipiell unmöglich erscheint. Dann wäre allerdings die logische Konsequenz: Verabschiedung von der Vorstellung eines sozial temperierten Kapitalismus, mithin Verabschiedung von diesem Gesetz.
    Zweitens kann sie der Auffassung sein, daß das geltende Gesetz unzureichend ist. Dann wäre die Alternative, sich auf eine Novellierung einzulassen, möglicherweise mit anderen Inhalten.
    Drittens kann man die grundsätzliche Möglichkeit, mit dem geltenden gesetzlichen Rahmen die wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen, bejahen. Dann allerdings müßte das Eingeständnis folgen, daß die Bundesregierung selbst versagt hat. Allerdings würde — das will ich auch sagen — dieses Versagen auch für Vorgängerinnen dieser Bundesregierung gelten, bis tief in die sozialdemokratische Ära hinein. Denn wann hatten wir in den letzten 25 Jahren einmal außenwirtschaftliches Gleichgewicht? Von stetigem und angemessenem Wachstum kann man ja angesichts zweier tiefer Wirtschaftskrisen — 1974/75 und 1981/82—und der Krise, in der wir jetzt stecken, wirklich nicht sprechen.
    Preisstabilität, deren Durchsetzung institutionelle Aufgabe der Bundesbank ist, die sich zeitweise einen Dreck darum geschert hat, wie ihre Politik auf andere Stabilitätsziele wirkt, hatten wir trotz des harten Kurses der Frankfurter Währungshüter in vielen Jahren dennoch nicht.
    Ein hoher Beschäftigungsgrad — wie immer man diesen auch definieren will — ist spätestens seit 1975 ein Fremdwort. Denn die Massenarbeitslosigkeit lag seitdem immer in der Höhe von ungefähr einer
    Million, seit 1982 sogar an der Zwei-MillionenGrenze.
    Mit anderen Worten: Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz war spätestens seit Mitte der 70er Jahre Makulatur, sieht man einmal davon ab, daß Jahreswirtschaftsbericht, Subventionsbericht, der mittelfristige Finanzplan und der Finanzplanungs- und Konjunkturrat als Institutionen überlebt haben.
    Meine Meinung ist, daß die jetzige Bundesregierung den Kern des Gesetzes überhaupt nicht braucht. Denn im Gegensatz zu der Forderung nach Erweiterung der wirtschaftspolitischen Ziele und Instrumente hat sie den § 1 des Gesetzes längst aufgeschnürt und einen zentralen Punkt für den sozialen Ausgleich im Kapitalismus, die Durchsetzung eines hohen Beschäftigungsstandes, seit langem aufgegeben.
    Allerdings habe ich die Sorge, daß auch die Sozialdemokratie im Begriff ist, die Forderung nach Vollbeschäftigung fallenzulassen bzw. dieses Ziel umzudefinieren.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Diese Sorge ist unbegründet!)

    — Zumindest ist die Formulierung in Ihrem Antrag mißdeutig, wenn es zur Kritik des Bruttosozialprodukts als Indikator für gesellschaftliche Wohlfahrt — eine Kritik, die ich selbstverständlich teile — heißt: „Unentgeltlich geleistete Arbeit im Haushalt, in der Freizeit oder ehrenamtliche Arbeit werden ebensowenig erfaßt wie der individuelle Gewinn an Freizeit durch die zunehmende Verkürzung der bezahlten Arbeitszeit". Das erinnert mich an Lafontaine und den Nürnberger Parteitag. Ich hoffe, wir gehen noch gemeinsam davon aus, daß das Recht auf Arbeit in unserer Gesellschaft auch ein Recht auf Erwerbsarbeit bleiben muß, ein Recht auf Sicherung des Lebensunterhalts kraft eigener Leistung und nicht durch private oder staatliche Alimentation.
    Ich habe eingangs bezweifelt, oh der heutige Antrag Sinn macht, und will das näher erläutern. Sosehr die einzelnen Ziele zu begrüßen sind: Dieser Antrag für eine Gesetzesnovelle ist meines Erachtens leider nicht kampagnenfähig. Ich würde mich gern revidieren, wenn es Ihnen gelänge, mit dem, was Sie heute vorgelegt haben, Druck auf die Bonner Politik auszuüben. Es würde mich freuen, wenn die Wirtschaftspolitik davon angestoßen würde. Ich fürchte, das wird leider nicht so sein.
    Aber da wir nichts dringlicher brauchen als eine kräftige Kurskorrektur von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, muß mehr Druck von Betroffenen im Lande ausgehen. Dieser kann meines Erachtens nur von unmittelbar nachvollziehbaren Politikvorschlägen erzeugt werden. Ich denke, da ist der Hinweis von dem Kollegen Jens heute und auch von Wolfgang Roth in dem von Stratmann, Hickel und Priebe herausgegebenen Buch „Wachstum — Abschied von einem Dogma" auf die ökonomische Rentabilität von Umweltschutzmaßnahmen wichtig. Wenn es richtig ist, daß mit 1 Milliarde DM wirksam eingesetzter Umweltschutzgelder 2,5 Milliarden DM Umweltschäden vermieden werden können, dann müssen sich auch die aufgeschlossenen und innovativen Unternehmen finden lassen, bei denen Unternehmer und

    Bernd Henn
    Arbeitnehmer ihr Interesse in die Waagschale werfen, um Politik auf einen besseren Weg zu helfen.
    Konkret hieße das, viele Projekte zu popularisieren, die einerseits Arbeit schaffen und bei denen andererseits dieser sinnvolle Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie deutlich wird. Wir haben in der letzten Woche über die ökologische Sicherheit auf den Weltmeeren diskutiert. Inzwischen sind wieder zwei Tanker zusammengestoßen. Wenn dieses Problem tatsächlich so konsequent angepackt würde, wie es das Europäische Parlament jetzt fordert, dann könnte z. B. die Erzwingung eines höheren Sicherheitsstandards für Tanker auch mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu viel Arbeit auf europäischen Werften führen, mit allen Auswirkungen auf Zulieferer wie Stahl usw.
    Oder denken wir an das Thema Energievermeidung. Wieso läßt sich eigentlich das Interesse des Bauausbaugewerbes und seiner Unternehmer und Arbeitnehmer nicht gegen die bayerische Ziegelindustrie mobilisieren, die, wie man hört, sich gegen eine sinnvolle Wärmeschutzverordnung querlegt?

    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Die Familie Dollinger!)

    — Ich kann die personellen Hintergründe leider nicht nachvollziehen. Aber wenn Sie das sagen, glaube ich Ihnen das. Ich meine also, daß man hier wirklich auch andere mit mobilisieren muß, in diesem Fall das Bauausbaugewerbe, das natürlich an einer solchen Regelung Interesse haben müßte. Ich denke, es gibt viele Ideen und Initiativen in dieser Richtung. Sie müßten meines Erachtens aber eine größere Rolle spielen.
    Ein ganzes Bündel von konkreten Vorschlägen für eine alternative Wirtschaftspolitik wäre sinnvoller als der heute vorliegende Antrag, der sicher abgeschmettert wird und dem dann leider viel zu wenige nachweinen werden. Wir brauchen also etwas Konkreteres — wie 1977 das Zukunftsinvestitionsprogramm — als alternativen Politikentwurf. Das, was heute von Ihnen vorgelegt worden ist, sollte wieder auf die Tagesordnung kommen, wenn die politischen Mehrheitsverhältnisse in diesem Land wieder in Ordnung gebracht worden sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das wird aber lange dauern!)

    Schönen Dank fürs Zuhören.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter, zunächst einmal wird der Antrag an die Ausschüsse überwiesen. Das sei nur am Rande vermerkt.
Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete Frau Marita Sehn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Marita Sehn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Aufmerksamkeit habe ich den vorliegenden SPD-Antrag zur Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen am letzten Wochenende studiert. Vor noch nicht einmal zwei Stunden hat ein Kollege Ihrer Fraktion — jetzt zitiere ich wörtlich — „die dramatische Situation der Gesamtwirtschaft" beklagt. Deshalb kann ich nicht glauben, daß Sie die hier aufgestellten Forderungen der gesamtwirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland noch für angemessen erachten. Wir wollen Ihnen aber zugute halten, daß diese Drucksache vom 13. November 1991 datiert ist.
    Ich empfehle wirklich jedem Mitglied dieses Hauses, dieses Papier doch einmal in aller Ruhe zu lesen. Zwei Stunden debattieren wir heute über einen Antrag, der so angelegt ist, als ob wir in einer Zeit lebten, in der alle gravierenden wirtschaftlichen Probleme gelöst sind und wir noch eins draufsetzen könnten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Otto Schily [SPD]: Das ist das alte Mißverständnis! Sie haben wirklich nichts verstanden!)

    Die deutsche Einheit und die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Folgen vor dem Hintergrund eines weltweit zu beobachtenden Konjunkturrückgangs scheinen manchen Mitgliedern dieses Parlaments, vor allem wenn ich auf die linke Seite blicke, noch immer nicht bewußt zu sein.

    (Otto Schily [SPD]: Das ist die Trostlosigkeit des Gegensatzes von Ökologie und Ökonomie!)

    Das Gesetz Herr Schily, vielleicht hören Sie mir einmal zu —, daß Sie, meine Damen und Herren, zu novellieren beabsichtigen und das der Bundesrat mit der Stimmenmehrheit der SPD-regierten Länder unterstützt, stammt aus dem Jahre 1967 und ist von einem Wirtschaftsminister unterschrieben, dessen Kompetenz — darin sind wir uns bestimmt einig — nicht in Frage zu stellen ist. Deshalb wundert es mich um so mehr, daß Sie diesen Antrag zum jetzigen Zeitpunkt stellen. Immerhin hat selbst der Bundesrat einen Antrag beschlossen, der gegenüber dem ursprünglichen Entschließungsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen deutlich eingeschränkt ist.
    Das im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft verankerte magische Viereck — Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und, Herr Müller, angemessenem Wirtschaftswachstum — ist — hier werden Sie mir sicherlich zustimmen — ein sehr hochgestecktes Ziel. Aus der Erfahrung wissen wir, daß es nicht gelingt, die vier genannten Ziele gleichzeitig zu erfüllen, zumal die Tarifpolitik nicht unberücksichtigt bleiben darf.
    Die Geometrie des magischen Vierecks war und ist schwierig. Die Lehren der 70er Jahre — Herr Jens, meine Nachforschungen haben zu einem anderen Ergebnis geführt als Ihre —, die sowohl Inflation als auch Arbeitslosigkeit und erlahmendes Wachstum brachten, haben gezeigt, daß die angestrebte Globalsteuerung in allen ihren Zielsetzungen versagt. Oder sind die Worte des früheren Bundeskanzlers Helmut



    Marita Sehn
    Schmidt „Lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit" schon vergessen?

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war auch richtig! Jetzt haben wir beides! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Mit der Erweiterung des Zielkatalogs des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, wie in diesem Antrag gefordert, besteht die Gefahr, daß die Ausgewogenheit in den Wechselwirkungen der vier Einzelkomponenten des magischen Vierecks noch stärker zu Fall gebracht wird.
    Meine Damen und Herren, ich frage mich, ob das magische Viereck des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes wirklich um das Ziel „Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen" erweitert werden muß.
    Der Umweltschutz nimmt in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht einen hohen politischen Rang ein.

    (Otto Schily [SPD]: Eine schöne Dekoration!)

    Alle konjunkturpolitischen Maßnahmen unterliegen ohnehin bereits den geltenden Umweltnormen. Die Aufnahme des Umweltzieles in das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz macht einfach keinen Sinn.
    Dies wurde im übrigen auch von Ihrer Parteifreundin, der nordrhein-westfälischen Ministerin Frau Ilse Brusis, in ihrer im Bundesrat am 29. November 1991 zu Protokoll gegebenen Rede richtig erkannt. Scheinbar hat der Bundesrat dem Antrag keine sonderlich große Beachtung geschenkt.
    Ohnehin strebt die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode die Verankerung des Umweltschutzes als Staatsziel im Grundgesetz an. I-tier erwarten wir Ihre Unterstützung.
    Damit wird endlich eine Forderung realisiert, die die Liberalen als erste Partei bereits 1971 in den Freiburger Thesen aufgestellt haben.

    (Otto Schily [SPD]: Die Freiburger Thesen werden doch heute von Ihrer Partei nicht mehr vertreten!)

    Ebenso inakzeptabel ist der Verzicht auf die Verpflichtung der Wirtschaftspolitik, sich im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu bewegen.
    Wachstum ist das Ergebnis eines spontanen Koordinierungsprozesses auf einer Vielzahl von Einzelmärkten. Entscheidend sind die Bedingungen, die das einzelne Wirtschaftssubjekt in die Lage versetzen, so viel mehr zu leisten, wie es kann und will.
    Es ist Aufgabe des Staates, den erforderlichen Ordnungsrahmen durch Gebote und Verbote, durch Steuern und durch komplementäre Leistungen zu schaffen. Diese Vorgaben sind nötig und sinnvoll; denn sie bestimmen, wieviel Wachstum sich einstellen kann.

    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig!)

    Auch von der Ausweitung der Berichterstattung über die Wirtschaftspolitik hat die nordrhein-westfälische Landesregierung im Bundesrat bereits wieder Abstand genommen. Gleiches gilt für Brandenburg.
    Meine Damen und Herren, ich denke, wir verfügen über eine gut ausgebaute Berichterstattung über die Wirtschaftslage, ihre künftigen Perspektiven und die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik. Dennoch lassen Sie mich sagen: Quantität steht nicht für Qualität. Mehr Information muß nicht zwangsläufig zu einer besseren Beurteilungsgrundlage führen. Die Berichterstattung über die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf alle Ziele der Wirtschaftspolitik wollen Sie in Ihrem Antrag ausbauen.
    Die Bundesregierung soll jährlich ein umfassendes Gesamtbild der ökonomischen, ökologischen, verbraucherpolitischen und sozialen Lage abgeben. Darunter verstehen Sie die Erstellung folgender Berichte:
    Erstens: eines Jahreswirtschaftsberichts. Hier verweise ich auf das BMWi und den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
    Zweitens: eines Folgekostenberichts. Hier verfügen wir zur Zeit noch nicht über eine ausreichende statistische Basis, und ich warne davor, Erwartungen bzw. Wunschvorstellungen gesetzlich einzufordern, die derzeit einfach noch nicht erfüllt werden können.
    Drittens: eines Umweltberichts. Hier verweise ich auf das BMU und den Sachverständigenrat für Umweltfragen.
    Viertens: eines Arbeitsmarktberichts. Hier verweise ich u. a. auf die Bundesanstalt für Arbeit, die die aktuellen Daten sogar monatlich liefert.
    Fünftens: eines Verteilungsberichts. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage in West- und Ostdeutschland paßt der Gedanke eines Verteilungsberichts besonders gut.
    Nachdem wir Politiker in den letzten Jahren — aus welchen Gründen auch immer — unsere Bürger dazu verleitet haben, all die Wohltaten des Sozialstaates in Anspruch zu nehmen,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Verleitet? — Otto Schily [SPD]: Wir haben sie verleitet? Die Sozialhilfeempfänger sind verleitet worden! Die Arbeitslosen sind verleitet worden!)

    geht es nunmehr darum, auf ein realistisches und machbares Niveau zurückzufahren. In diese Landschaft paßt ein Verteilungsbericht ganz und gar nicht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Hier kann nur gelten, daß Leistung, sprich: Arbeit sich wieder lohnen muß und nicht umgekehrt. Aus diesen Gründen lehnt die F.D.P. einen solchen Bericht ab.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Deswegen besteuern Sie auch noch das Existenzminimum! Otto Schily [SPD]: Deswegen werden in Mecklenburg-Vorpommern die Forstleute entlassen!)

    Weiterhin fordern Sie einen Struktur- und einen Subventionsbericht.
    Ich frage Sie in aller Offenheit: Haben Sie wirklich die Zeit, weitere Berichte neben den bereits vorhan-



    Marita Sehn
    denen zu lesen? Oder haben Sie vielleicht Sorge, daß
    die Mitarbeiter in den Ministerien ohne Arbeit sind?
    Hier verweise ich erneut auf das Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 29. November 1991, in der Ihre Kollegin, Frau Brusis, zu Protokoll gab — ich zitiere wörtlich —:
    Andererseits ist aber auch die Sorge verständlich, Politik und Verwaltung könnten in einem Übermaß an Berichten ersticken. Hier wird man einen Mittelweg finden müssen. Von einer Ausweitung der Berichterstattung soll die Beschlußfassung über den vorliegenden Antrag nicht abhängig gemacht werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist deshalb damit einverstanden, wenn der Bundesrat jetzt keine neuen Berichte für die Wirtschaftspolitik fordert.
    Ihre Forderung nach einer gemeinsamen Konjunkturausgleichsrücklage dürfte in der gegenwärtigen Situation wohl nicht ganz ernst gemeint sein.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich schlage vor, daß Sie sich künftig mit Ihren in der Regierungsverantwortung stehenden Parteikollegen in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz usw. über das Wesentliche und Machbare abstimmen. Dann gelingt es uns ganz bestimmt, gemeinsam das zu tun, was unser aller Aufgabe ist, uns für das Wohl des Volkes einzusetzen und die parteipolitischen Auseinandersetzungen in der Sache zu führen.

    (Horst Kubatschka [SPD]: Haben Sie das hiermit getan?)

    Ihre Vorschläge zur Stärkung des Konjunkturrates können wir bei gutem Willen durch einfache Absprache einvernehmlich ohne Gesetzesänderung verwirklichen.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns im Ausschuß mit diesem Antrag weiter auseinandersetzen und feststellen, daß wir leider oder Gott sei Dank nicht in einer Traumwelt leben, sondern sehr schnell in der Diskussion auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
    Vielleicht stellen wir dann gemeinsam fest, wo und wie die wirklichen Probleme angegangen werden müssen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Otto Schily [SPD]: Das war ja trostlos!)