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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte geglaubt, wir könnten diese Debatte unter Anwesenheit des neuen Wirtschaftsmi-



    Dr. Uwe Jens
    nisters, Herrn Rexrodt, führen. Aber das ist wohl ein Irrtum.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wo ist er?)

    Der Staatssekretär ist uns auch sehr lieb; aber lieber wäre uns der Wirtschaftsminister.
    Der letzte Appell, meine Damen und Herren, des ehemaligen Wirtschaftsministers Möllemann, um den anhaltenden Konjunktureinbruch zu überwinden, lautet: Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, geringe Lohnerhöhungen. Dies ist jedoch aus meiner Sicht ein Nachhutgefecht einer ideologiebeladenen, einseitig angebotsorientierten Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Politik würde unweigerlich die deflationären Tendenzen in unserer Wirtschaft verstärken. Sie würde die wirtschaftliche Situation nicht verbessern, sondern verschlechtern. Diese einseitige Orientierung gehört nach meiner Meinung der Vergangenheit an.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!)

    Mit dem Antrag auf Drucksache 12/1572, Anpassung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, wollen wir Sozialdemokraten eine Debatte über die Notwendigkeit einer makroökonomischen Wirtschaftspolitik anregen. Dabei geht es uns um verbesserte Informationen, eine wirksamere Koordination der Politik und sowohl um die Angebots- wie auch vor allem um die Nachfragebedingungen in der Volkswirtschaft.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Die deutsche Wirtschaft leidet zur Zeit an einem besonderen Strukturproblem — wer wollte das leugnen? —, nämlich an der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ostdeutschland. Um dieses Problem zu lösen, benötigen wir aus meiner Sicht erstens ein wirklich glaubwürdiges Konzept für die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Bundesländer,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!)

    zweitens eine ökologisch verträgliche Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik insgesamt

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    und drittens eine sich besser entwickelnde Weltwirtschaft.

    (Beifall bei der SPD)

    Selbstverständlich haben wir Sozialdemokraten die Erfahrungen aus der Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967 bis 1980 gut in Erinnerung behalten. Eine konjunkturelle kurzfristige Keynesianische Steuerung kann in einer parlamentarischen Demokratie kaum richtig funktionieren. Antizyklische Maßnahmen haben nicht selten prozyklische Effekte gehabt. Die Begierden der Politiker waren zum Teil so groß, daß Wohltaten verteilt wurden, wenn Sparen angebracht war.

    (Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Dies und anderes muß man bei einer neuen Makropolitik sehr wohl in Erinnerung behalten.
    Tatsache ist aber auch, Herr Kollege Ost, daß die Ziele der Wirtschaftspolitik, stabile Preise, hohe Beschäftigung, Wirtschaftswachstum, in den siebziger Jahren unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung im internationalen Vergleich wesentlich besser erreicht wurden als etwa in den achtziger Jahren.
    Die in den achtziger Jahren unter CDU-Herrschaft praktizierte Angebotspolitik hat aus unserer Sicht schwerwiegende Mängel gezeigt:
    Erstens. Die Einkommensverteilung hat sich einseitig zugunsten der Unternehmen und zu Lasten der Arbeitnehmer entwickelt.
    Zweitens. Trotz Schaffung zusätzlicher Beschäftigung blieb die Anzahl der Arbeitslosen stets auf hohem Niveau.
    Drittens. Die Preissteigerungen waren bei scharfer Geldmengensteuerung der Bundesbank hoch, und unsere international gute Position in der Preisentwicklung haben wir seit langem eingebüßt.
    Viertens ist vor allem die Verschuldung nicht langsamer, sondern viel schneller gestiegen.
    Diese Politik dieser Regierung hat es geschafft, den Schuldenberg, der bis 1982 in 33 Jahren angehäuft war, in nur sieben Jahren zu verdoppeln. Bis 1994 wird er vervierfacht worden sein. So — das sage ich Ihnen allen Ernstes — kann es nicht weitergehen. Die verfehlte Politik schreit geradezu nach einer Wende.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, deshalb und auch auf Grund der weltwirtschaftlichen Schwächen gibt die OECD in ihrem neuen Bericht vom 1. Januar 1993 den Regierungen den Rat, wieder Überlegungen zur Makropolitik anzustellen. Steigende Arbeitslosigkeit, schwaches Wirtschaftswachstum und zum Teil deflationäre Entwicklungen bilden die Voraussetzung für eine makroökonomische Nachfragepolitik.
    Unabhängig davon sollen selbstverständlich die mittelfristigen Angebotsbedingungen nicht vergessen werden. Notwendig ist aber auf alle Fälle, daß die Bundesbank sofort, ohne Verzögerung ihren Diskont- und Lombardsatz deutlich senkt. Ich füge hinzu: Ich finde, es ist nahezu ein Skandal, daß Herr Waigel gestern zum Zentralbankrat nach Frankfurt gefahren und mit leeren Händen zurückgekommen ist, sich also nichts getan hat.

    (Beifall bei der SPD — Eckart Kuhlwein [SPD]: Er ist ja auch mit leeren Händen hingefahren!)

    Ich sage Ihnen allen Ernstes: Jeder neue Arbeitslose, den wir in Zukunft zu verzeichnen haben werden, ist ein Arbeitsloser der Deutschen Bundesbank.

    (Zustimmung bei der SPD — Dr. Peter Struck [SPD]: Der Bundesregierung!)

    Die Sozialdemokraten wollen auch in Zukunft eine rationale und nicht eine ideologiebeladene Wirtschaftspolitik betreiben. Wir werden auch in Zukunft aus Fehlern lernen. Mit unserem Antrag wollen wir eine besondere Wirtschaftspolitik. Wir wollen, daß die



    Dr. Uwe Jens
    Institutionen verbessert sowie die Information und der Zielkatalog erweitert werden.
    Gestatten Sie mir einige wenige Sätze zu den Institutionen. Wenn ich es richtig sehe, dann wäre eine Konzertierte Aktion heutzutage dringend angebracht. Vor allem muß die Wirtschaftspolitik aber stärker als bisher zwischen Bund, Ländern und Gemeinden koordiniert werden. Deswegen verlangen wir, daß der Konjunkturrat der öffentlichen Hand ergänzt und zu neuem Leben erweckt wird. Das gleiche gilt übrigens auch für die im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz bereits enthaltene Konjunkturausgleichsrücklage, die nach unserer Meinung obligatorisch sein muß und der in Zukunft in bestimmten Zeiten auch die Bundesbankgewinne zugeführt werden sollten.
    Bessere Informationen, die dringend notwendig sind, verlangen wir mit unserem Antrag u. a. insbesondere über strukturelle Probleme der Volkswirtschaft, über den Arbeitsmarkt und vor allem über die Umweltsituation in unserem Lande.
    In erster Linie ist jedoch der Zielkatalog des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes nicht mehr zeitgemäß. Die Forderung nach stetigem Wirtschaftswachstum kann nach dem herkömmlichen Maßstab des Bruttosozialprodukts nicht mehr sinnvoll sein. Es wäre höchste Zeit, daß das Statistische Bundesamt mit der Veröffentlichung eines Ökosozialprodukts rüberkommt. Dies war eine gemeinsame Forderung aller Parteien im Wirtschaftsausschuß. Ich mahne die Veröffentlichung des Ökosozialprodukts hier ausdrücklich an. Wir brauchen dringend einen besseren Maßstab für die Wohlfahrtsentwicklung in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Zuruf von der SPD: Das ist überfällig!)

    In Zukunft ist es notwendig, bei allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen neben den ökonomischen Notwendigkeiten gleichberechtigt oder gar mit höherer Priorität die ökologischen Notwendigkeiten zu beachten. Nach unserem Antrag müssen in Zukunft die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu einem ökologisch verträglichen Wachstum beitragen.
    Das heißt aber auch, daß die rein quantitative Betrachtung der Ziele aufgehoben wird. Sie wird aus unserer Sicht ersetzt durch eine qualitative Orientierung. Das ist deshalb notwendig, weil wir nach sozialdemokratischer Auffassung nicht nur für andere Länder auf dieser Erde, sondern auch für die Generationen, die nach uns kommen, Verantwortung haben. Die bisherige Wirtschaftspolitik hat weitgehend kurzfristige Geschaftelhuberei betrieben.
    Es besteht durchaus die Gefahr eines Rückfalls in den punktuellen Interventionismus: Man kümmert sich um die Sorgen einzelner Unternehmen und vergißt die Sorgen der gesamten Volkswirtschaft. Das kann nicht so weitergehen.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Das ist vorige Woche von Ihnen gefordert worden!)

    Ich sehe in der ökologischen Ergänzung des Zielkatalogs für die deutsche Volkswirtschaft eine große Chance, die wir Sozialdemokraten, wenn wir 1994 die Regierung übernehmen, nutzen werden. Die OECD schätzt, daß der Weltmarkt für Umweltgüter und für Umweltdienstleistungen 1990 mehr als 300 Milliarden DM betrug. Dieser Markt soll bis zum Jahre 2000, also in nicht einmal zehn Jahren, um mehr als 50 % wachsen. Damit würde die Umweltindustrie zu den am schnellsten wachsenden Branchen der Erde gehören.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor sechs Jahren hat Fritjof Capra sein Buch mit dem Titel „Wendezeit" veröffentlicht. Ich gebe zu: Es dauert manchmal sehr lange, bis sich die Denkstrukturen der Politiker und der Politik verändern. Wir Sozialdemokraten werden jedoch entscheidend daran mitwirken, daß es zur Veränderung der Denkstrukturen kommt.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir wollen nicht mehr mechanistisch denken,

    (Zuruf von der SPD: Dynamisch!)

    sondern im Gesamtzusammenhang; wir wollen nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch handeln. Unsere Ordnung der Wirtschaft soll offen, marktwirtschaftlich, sozial und ökologisch sein. Dafür benötigen wir eine Politik, die nicht nur für die Deutsche Bank, sondern auch für die neuen Bundesländer und für die gesamte Volkswirtschaft konzipiert wird.
    Die Reagonomics haben mit der Wahl von Präsident Clinton in den Vereinigten Staaten aus unserer Sicht endgültig abgedankt.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr!)

    Hoffentlich kann sich der neue Präsident gegen die mächtigen Interessenvertreter in der Wirtschaft durchsetzen. Das ist meine Sorge. Aber notwendig wäre es schon, daß er das einhält, was er im Wahlkampf zugesagt hat. Wir wollen ihn dabei unterstützen.
    Wir brauchen eine bessere Forschungs- und Technologiepolitik. Wir brauchen nicht weniger Ausbildung, sondern mehr Ausbildung, auch im Interesse der Wirtschaft;

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    wir brauchen einen verbesserten Ausbau der Infrastruktur; wir brauchen eine neue Umweltpolitik. Wenn Sie so wollen, sind dies zum Teil durchaus angebotsorientierte Maßnahmen. Jedenfalls sind es richtige Maßnahmen, und darauf kommt es an.
    Mit Clinton — das sage ich Ihnen von der CDU und vor allem Ihnen von der F.D.P. — geht auf alle Fälle auch der internationale Standortwettlauf mit ständigen Steuersenkungen für die wirtschaftliche Tätigkeit zu Ende. Das funktioniert nämlich nicht mehr.
    Ich bin überzeugt davon, daß wir eine dezentrale marktwirtschaftliche Ordnung nur dann auf Dauer



    Dr. Uwe Jens
    sichern, wenn wir die externen Kosten voll in die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung integrieren.

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

    Das muß möglichst überall auf der Welt geschehen. Aber Lander, die damit vorausmarschieren, haben Vorteile und sind Vorbild für andere.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Hinzu kommen muß zwingend eine Renaissance der Makropolitik — das will unser Antrag deutlich machen —, wie sie hier von uns angeregt wurde. Dabei wissen wir genau, daß der Staat nicht etwa alles kann. In vielen Bereichen brauchen wir auch nicht weniger, sondern mehr private Initative. Zum anderen greifen nationale Problemlösungen häufig zu kurz, weil sich die Wirtschaft schon lange international organisiert hat.
    Deshalb bedarf es auch einer internationalen Koordination der Wirtschaftspolitik. Die G-7-Gruppe, die sieben führenden Industrienationen, müssen, wie uns scheint, zu neuem Leben erweckt werden. Clinton macht das bestimmt mit. Ein Land allein kann sich nicht mehr als weltwirtschaftliche Lokomotive betätigen. Ich füge hinzu — das liegt mir nämlich am Herzen —: Wenn sich Rußland entwickeln sollte — ich bin davon überzeugt: es schafft den Sprung —, dann wird das ein dynamischer Markt, und dann werden wir aus der G-7- schnell eine G-8-Gruppe machen. Wir wenigstens werden die Entwicklung der osteuropäischen Märkte nicht vernachlässigen.
    Ich komme zum Schluß. — Deutschland und die Vereinigten Staaten müssen und können auf diesem Gebiet der ökologischen Erneuerung eine Vorreiterrolle übernehmen. Ich bin sicher: Die ökonomischen Vorteile für die Bundesrepublik Deutschland werden nicht ausbleiben. Alle anderen großen Industrienationen werden sich einer ökologischen Erneuerung schnell anpassen. Der zukünftige Motor für eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung ist nicht mehr das Automobil — das ist Vergangenheit — und noch nicht einmal mehr — auch das glaube ich sagen zu können — die Informationsindustrie — so lieb wir sie haben —, sondern der zukünftige Motor ist vor allem die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen durch — wie ich meine — moderne Technik.
    Ich bin ein ziemlicher Optimist, und das will ich auch bleiben. Ich gehe noch davon aus, daß die Menschen in unserer Republik mit Vernunft begabte Wesen sind. Deshalb meine ich: Die neue Wirtschaftspolitik verbunden mit einer ökologischen und innovativen Wende in der Wirtschaft kommt mit naturwissenschaftlicher Notwendigkeit.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Friedhelm Ost das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedhelm Ost


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Jens, ich verstehe ja gut die von Ihnen dargelegten Wünsche bezüglich verbesserter Instrumentarien und noch mehr. Das mögen ja Ihre Wünsche sein. Aber nach dem, wie Sie die 80er Jahre so dargestellt haben, habe ich den Eindruck, daß Sie alle vorliegenden Berichte nicht richtig studiert haben.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Im Seminar hätten Sie das doch machen können.
    Wir haben in den 80er Jahren, nachdem Sie den Konkurs anmelden mußten, mehr als eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unsere Schulden waren doch Kleinkram gegen Ihre!)

    — Im Verhältnis zur Leistungskraft war Ihre Verschuldung selbst ohne Wiedervereinigung höher.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Für eine Juristin ist das nur sehr schwer einzusehen. Gehen Sie doch mal in ein Seminar von Professor Jens; dann sehen Sie, daß Verschuldung und Vermögen — es gibt immer die doppelte Buchhaltung —, daß Soll und Haben eine Rolle spielen.
    Es wurden also eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen.
    Wir haben noch Jahre gehabt, in denen ein Rückgang der Preissteigerung auf unter Null vorhanden war.
    Wir haben neue, zusätzliche selbständige Existenzen in großer Zahl bekommen. Daß sich dann auch die Verteilungsrelation zugunsten der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen verschiebt, wenn mehr als 3 Billionen DM — 3 000 Milliarden DM — Spar- und Geldvermögen angesammelt werden — lieber Herr Professor Jens, das wissen Sie auch —, ist klar.

    (Zuruf von der SPD: Das Geld ist aber in den falschen Taschen!)

    — Nein! Studieren Sie einmal ganz genau die Berichte, die alle schon vorliegen, und schreiben Sie nicht auf, welche Berichte Sie alle wünschen, die es längst gibt! Das wäre doch seriös!
    In vielen Punkten, lieber Herr Professor Jens, stimmen wir doch, würde ich sagen, weitgehend überein.
    Auch das gibt es schon: Es gab hier eine große Regierungserklärung vom Bundeskanzler — daran haben wir uns gehalten —: Die Schöpfung bewahren.

    (Zuruf von der SPD: Welche war das? — Gegenruf von der SPD: Die Abschöpfung bewahren!)

    — Sie lesen eben alles, was es schon gibt, nicht und wünschen immer was Neues. Es war eigentlich immer auch Politik der SPD, immer nur Wünsche zu äußern.
    Wenn Sie sich heute einmal die demoskopischen Befunde ansehen, so stellen Sie fest, daß die Leute in Westdeutschland in der Tat besorgt sind über die



    Friedhelm Ost
    Entwicklung am Arbeitsmarkt, über die Wirtschaftsentwicklung, auch über die Inflation.

    (Zuruf des Abg. Ernst Schwanhold [SPD])

    — Lieber Herr Kollege Schwanhold, hören Sie doch erst einmal zu! Sie kommentieren immer schon, bevor Sie überhaupt die Tatsachen gehört haben. Das zeichnet Sie aus.

    (Zuruf)

    — Natürlich haben Sie das nicht gelesen und kommentieren das schon.
    In Ostdeutschland spielen die Arbeitslosigkeit und eben der wirtschaftliche Aufschwung die größte Rolle.
    Vergegenwärtigen Sie sich doch noch einmal die Ziele des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967! Da sind Stabilität des Preisniveaus, ein hoher Beschäftigungsstand, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum, also nicht bei Wachstum um jeden Preis, sondern bei angemessenem Wachstum,

    (Zuruf von der F.D.P.: Jawohl!)

    angemessen eben allen anderen Entwicklungen, auch der Ökologie, aufgeführt.

    (Zuruf von der F.D.P.: Herr Jens, das wissen Sie auch!)

    Das wissen Sie doch alles; das haben Sie vielleicht auch gelesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das weiß er schon! Ein kluger Mann! Der will es nur nicht wissen!)

    Natürlich stellen diese Ziele immer wieder neue Herausforderungen an alle am Wirtschaftsprozeß Beteiligten, an die Politik, an die Arbeitgeber, an die Gewerkschaften, an die Verbraucher, an alle, die am Wirtschaftsprozeß beteiligt sind.

    (Dr. Uwe Jens [SPD]: Der Maßstab!)

    — Ich komme noch auf Maßstäbe zu sprechen; ich werde auch noch Maßstäbe setzen, lieber Herr Professor Jens.
    Wer sich den Werdegang dieses Gesetzes einmal anschaut — der hat ja lange vor Karl Schiller begonnen, wie Sie wissen —, der erfährt, daß im Mittelpunkt der Forderung nach einer Erweiterung und Verbesserung des konjunkturpolitischen Instrumentariums zunächst auch Vorschläge über die konjunkturgerechte Ausgestaltung der Finanzpolitik standen. Was dann als Gesetz kam, war — das merken Sie, wenn Sie das noch einmal nachvollziehen; ich habe mir die Mühe gemacht — mehr als nur ein Konjunkturrahmengesetz. Wenn Sie auch den Inhalt des Gesetzes genau studieren, so stellen Sie fest daß darin viele Instrumente, Institutionen, Berichte, Koordinationsgremien zu finden sind.
    Nun ist es sicherlich richtig, daß die ökologischen Anforderungen — da unterstreiche ich das, was Sie gesagt haben, Herr Professor Jens — nicht schon 1967 Eingang in dieses Gesetz gefunden haben. Möglicherweise hat man dies auch nicht gewollt. Angemessenes
    Wirtschaftswachstum bedeutet eben nicht — ich sagte es schon — Wachstum um jeden Preis. Wir haben doch im ökologischen Bereich — wenn Sie die 80er Jahre einmal realistisch betrachten, stellen Sie das auch fest
    — auf allen Ebenen, beim Bund, bei den Ländern, auch bei den Gemeinden, bei den Verbrauchern, bei den Betrieben, gewaltige Fortschritte gemacht.
    Natürlich wäre es gut gewesen, wenn wir schon in den 70er Jahren mit praktischem Umweltschutz angefangen hätten. Ich weiß noch, daß Herr Präsident Nixon den Katalysator in den USA eingeführt hat, daß deutsche Firmen das auch hier tun konnten und daß ein SPD-Kanzler, nämlich Helmut Schmidt, der ja der größte Weltökonom aller Zeiten war oder sich jedenfalls dafür hält, das verhindert hat.

    (Zurufe von der SPD)

    — Jetzt halten Sie nichts mehr davon; weder Karl Schiller noch Helmut Schmidt spielen bei Ihnen eine große Rolle.

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    Damals ist das Katalysatorauto hier also nicht eingeführt worden, sondern wir haben das 1985 gemacht.

    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)