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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr.-Ing. Rainer Jork


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenstand der Anfrage ist die Bildungs- und Wissenschaftspolitik in den neuen Bundesländern. Wie alle die Menschen in den neuen Bundesländern betreffenden Vorgänge beim Herstellen der inneren Einheit Deutschlands sind die Änderungen im Bereich Bildung und Wissenschaft durch eine deutliche Dynamik des Prozesses charakterisiert. Die Fragestellung wird durch die PDS vordergründig stationär formuliert und weitgehend übersehen, daß die Bundesländer bei der Umstellung eine erhebliche Kompetenz haben.
    Die Notwendigkeit der Anpassung an gesamtdeutsche Bedingungen ist vor allem durch das Grundgesetz formuliert. Außerdem ging es im wesentlichen um eine Effektivierung von Forschung und Bildung, um die Entpolitisierung von Bildung und Wissenschaft, die Verbesserung gerätetechnischer Ausrüstungen und Methoden in der Forschung und um die Notwendigkeit, die neuen Bundesländer an diesem Prozeß zu beteiligen.
    Es muß festgestellt werden, daß der Prozeß der Erneuerung unter Zeitdruck und Geldnot für einzelne oft sehr schmerzlich verläuft. Wir können das auch in der Drucksache der Bundesregierung mit nachlesen.
    Zu einer sachlich fundierten Aussage der beschriebenen Ausgangssituation gehört aber auch eine Einschätzung dazu, wie es mit Bildung, Forschung und Wissenschaft in der damaligen DDR hätte weitergehen können.
    Dazu dient am besten die von Schürer vorgelegte Analyse der ungeschminkten wirtschaftlichen Lage der DDR aus einer Zuarbeit an seinen SED-Generalsekretär Egon Krenz vom 30. Oktober 1989. Diese Analyse, so denke ich, liegt wohl auch der PDS vor. Ich darf daraus einige Angaben zitieren.
    Schürer spricht von der Konsequenz der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit der DDR und einem außergewöhnlich hohen Schuldenberg. Er beschreibt, daß — ich zitiere erneut — „ eine Umstrukturierung des Arbeitskräftepotentials erforderlich ist, um das Mißverhältnis zwischen produktiven und unproduktiven Kräften in der gesamten Wirtschaft und im Überbau zu beseitigen". Und weiter: „Das erfordert Abzüge von Lohn und Einkommen."
    Bezogen auf Wissenschaft und Technik fordert Schürer konkret: „Reduzierung der Ausgaben des Staatsplans ,Wissenschaft und Technik' von 3 800 Positionen auf 600 bis 800 Positionen, die inhaltlich entscheidend sind und zentral beeinflußt und entschieden werden müssen." Formal bedeutet das eine Reduzierung auf 18 %.
    Also Schürer verlangte bereits Eingriffe in die Forschung, die weit über das hinausgehen, was jetzt kritisiert wird.
    Ich wünschte mir an dieser Stelle von den Urhebern der Anfrage etwas mehr Ehrlichkeit, auch hinsichtlich der Dialektik von Ursache und Wirkung.
    Da ich sicher zu Recht davon ausgehen kann, daß den Fragestellern die ökonomische Situation in der damaligen DDR bekannt war, erhebt sich für mich die Frage, welches Ziel die Anfrage verfolgt. Geht es um eine Verschleierung der Ausgangssituation? Soll die Schuld an den derzeitigen Problemen anderen zugeschoben werden? Spielt man mit dem Vergessen? Ich habe den Eindruck, daß aus dem praktizierten Befehlsvollzugs- und Verbeugungszwang nun im Nachgang liebevolle Fürsorgewahrnahme formuliert werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Rahmen der Plenumsdebatte zum Berufsbildungsbericht 1992 am 6. November 1992 konnte ich bereits feststellen, daß nicht nur jeder Bewerber eine Stelle erhalten hatte, sondern daß es noch eine Vielzahl offener Stellen auf dem Lehrstellenmarkt gibt. Ich sagte auch dort bereits, daß es Wünsche hinsichtlich der Qualität gibt.
    Einige Bemerkungen zur Industrieforschung. Natürlich konzentrierte man sich zunächst auf Aktivitäten in der Industrie, die geprägt waren, kurzfristig Erträge zu bringen. Es gibt umfassende Berichte — aus Zeitgründen möchte ich darauf nicht einge-



    Dr.-Ing. Rainer Jork
    hen —, vor allem vom BMFT, dem BMWi im Zusammenspiel mit dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, wo gezeigt wird, was für Ausgaben gemacht wurden und welche Erfolge dort vorliegen.
    Wenn nun mit der Anfrage allein oder überwiegend die Bundesregierung in die Pflicht genommen werden soll, dann ist fairerweise auch auf die Landeskompetenz hinzuweisen und darauf, daß in der letzten Volkskammer — Herr Keller sagte das eben — der gesetzliche Rahmen bereits gegeben wurde.
    Wir wissen alle, daß angesichts der außenpolitischen Instabilität, vor allem in der Sowjetunion in der zweiten Hälfte des Jahres 1990, das Erreichen der staatlichen Einheit und damit die Möglichkeit, Förderung aus den alten Bundesländern zu erhalten, für uns die Chance darstellte, aus dem wirtschaftlichen, politischen und organisatorischen Dilemma der DDR herauszukommen.
    Unter Bezug auf die Bankrottoffenbarung des ZK der SED und den ersten Satz der PDS-Anfrage ist festzustellen: „Die ungünstigste Variante der Einheit Deutschlands" wäre auch für Bildung und Wissenschaft die nach dem realen Sozialismus der SED in der DDR gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich halte es in diesem Zusammenhang schon für angeraten und hilfreich, sich die entsprechende Situation in den anderen Ländern des damaligen sozialistischen Lagers vor Augen zu führen. Anläßlich einer Reise in die Baltischen Staaten im Mai des vergangenen Jahres wurde uns als Mitgliedern des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft bei Hinweis auf unsere Schwierigkeiten in den neuen Bundesländern immer wieder deutlich gesagt: „Eure Probleme wollen wir haben. "
    Ich möchte an dieser Stelle ganz einfach summarisch allen dafür danken, die dazu beitrugen, daß uns die derzeitigen Probleme in Polen, der Tschechei und Slowakei, in Ungarn, Rußland, dem Baltikum und in Bulgarien in den neuen Bundesländern erspart blieben.
    Den erklärten Dialektikern in diesem Raum möchte ich nahelegen, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln, den genannten Blick nach Osteuropa zu wagen und darüber nachzudenken, ob man an Stelle von Anklage nicht auch wenigstens einmal danken oder zumindest die in eine Anfrage gekleidete Kritik konstruktiver gestalten kann.
    Was hätten wir denn in der damaligen DDR angesichts des von Schürer formulierten Bankrotts der Wirtschaft noch für Chancen gehabt, Bildung und Wissenschaft zu aktualisieren, zu erneuern oder auch nur auf dem Stand zu halten?
    Danke.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau Doris Odendahl das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Doris Odendahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einschätzung, daß die derzeitige Bildungs- und Wissenschaftspolitik dieser Bundesregierung in einer halbstündigen Debatte abgehandelt werden kann, mag richtig sein, wenn sie an dem heute dazu noch übriggelassenen Gestaltungswillen und Handlungsrahmen gemessen wird.
    In der Großen Anfrage der PDS/Linke Liste vom Februar 1992 sind alle Punkte angesprochen, die im Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereich der neuen Bundesländer wichtig sind, um zu dem vielbeschworenen „Aufschwung Ost" beizutragen.
    Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft hat sich nun im Oktober 1992 redlich bemüht, die Fragen zu beantworten. Es lohnt sich heute nicht mehr, diese Antworten zu bewerten, denn ein Teil ist durch das föderale Konsolidierungsprogramm des Bundesfinanzministers, das dem deutschen Volk noch immer als Solidarpakt verkauft werden soll, Makulatur geworden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Es ist ungeheuer, mit welcher Kaltschnäuzigkeit immer noch so getan wird, als ginge es darum, den wirtschaftlichen Aufschwung Ostdeutschlands zu finanzieren. Jeder, der rechnen kann, stellt fest, daß der Hauptbatzen nur einem Zweck dienen soll, nämlich dem, Haushaltslöcher zu stopfen.

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

    Dafür sind dieser Bundesregierung nun wirklich alle Mittel recht, auch nicht eines ist ihr zu schäbig.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Leider wahr!)

    Von Solidarpakt kann auch aus bildungspolitischer Sicht keine Rede sein,

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    wenn man die Liste der vorliegenden Beschlüsse durchsieht. Der Zugang zu den weiterführenden Bildungsangeboten soll für Jugendliche aus einkommensschwächeren Verhältnissen weiter erschwert, wenn nicht gar versperrt werden.
    Weder die vorgesehenen Einsparungen bei staatlichen Leistungen noch die Maßnahmen für die neuen Länder lassen ein Konzept der Bundesregierung erkennen, das Bildung als Zukunftsinvestition wertet. Die Folge wird eine Schwächung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik sein. Ein „Aufschwung Ost" ist damit nicht mehr in Sicht.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister haben um eine unvoreingenommene Prüfung der Vorschläge gebeten. Soll es so sein. Die Verschiebung der BAföG-Anpassung von 1994 auf 1996 wird von der SPD abgelehnt.

    (Alois Graf von Waldburg-Zeil [CDU/CSU]: Ihr habt es doch selber gemacht!)

    Bereits in den letzten Jahren, Graf Waldburg, ist der reale Wert des BAföG gesunken, wie der Beirat für Ausbildungsförderung vor einem Jahr bei der Beratung der 15. BAföG-Novelle der Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben hat. Werden die Bedarfs-



    Doris Odendahl
    Sätze nicht angepaßt, müssen mehr Studierende als bisher neben dem Studium ihren Lebensunterhalt verdienen. Werden die Einkommensfreibeträge nicht erhöht, fallen auch bereits Studierende aus unteren Einkommensgruppen aus der Förderung heraus, auch davon wieder besonders viele aus Ostdeutschland.

    (Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Das ist doch alles noch nicht festgemacht!)

    Familienlastenausgleich, der Ihnen ja immer wichtig ist, findet auch hier nicht mehr statt. Wer BAföG nicht als Sozialleistungsgesetz und als Teil des Generationenvertrages begreift, hat die Regierungsfähigkeit in der Bildungspolitik endgültig verspielt.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Die SPD lehnt es ab, die erst 1990 eingeführte Studienabschlußförderung zum Herbst 1993 auslaufen zu lassen. Sie ist unverzichtbar, wenn man es mit der Studienzeitverkürzung ernst meint. Der Bundesbildungsminister wollte im März dazu einen Gesetzentwurf einbringen. Wieder einmal hat ihn der Bundesfinanzminister aufs Kreuz gelegt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und der ist noch im Amt!)

    — Ohne Kreuz, Frau Kollegin Fuchs! — Kürzungen bei der Sozialhilfe, beim Erziehungsgeld und eine zynische Mißbrauchsunterstellung bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe treffen Familien mit Kindern in der Ausbildung doppelt, da zugleich die Ausbildungsförderung nicht der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepaßt werden soll.
    Man braucht keine Prophetin zu sein, um die negativen Folgen dieser Zangenbewegung der Bundesregierung gegen die Jugendlichen, besonders in den neuen Ländern, vorauszusagen. Bei etwa 50 % offener bzw. verdeckter Arbeitslosigkeit muß das Konzept der Bundesregierung als eine Unverschämtheit bezeichnet werden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Der Bundeskanzler hat den ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten für dieses Jahr eine Neuauflage der kommunalen Investitionspauschale in Höhe von 1,5 Milliarden DM zugesagt.

    (Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Unter anderem!)

    Dieser Betrag ist einfach lächerlich, Herr Kollege Jork, angesichts der Aufgaben der Kommunen beim Erhalt und der Modernisierung insbesondere der berufsbildenden Schulen; das wissen Sie ganz genau. Hierfür ist ein spezielles Sonderprogramm, wie wir es bereits vor längerer Zeit beantragt haben, dringend notwendig. Die Länder und Gemeinden werden die Aufforderung, in eigener Verantwortung jede weitere Sparmöglichkeit zu nutzen, als Eingriff in ihre Kulturhoheit zurückweisen. Wer allein aus Kostengesichtspunkten den Verzicht auf das 13. Schuljahr und eine kostensenkende Studienreform fordert, hat sich als seriöser
    Gesprächspartner für den Bildungsgipfel im Sommer 1993 schlichtweg disqualifiziert.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Wer die Einführung von Studiengebühren nach Ablauf der Regelstudienzeiten fordert, hat Ursachen und Verantwortlichkeiten für die studienzeitverlängernde Situation an den überlasteten Hochschulen nicht begriffen.

    (Alois Graf von Waldburg-Zeil [CDU/CSU]: Aber nicht über 20 Semester!)

    Die CDU kann sich einen Bildungskongreß im März schenken, weil die Herren Kohl und Waigel die brutalen bildungspolitischen Leitlinien der Konservativen bereits verkündet haben. Selbst wenn der Kanzler noch immer an seinem Gipfeltraum festhalten wollte, Waigel hat ihm die Steigeisen dafür längst abgenommen.
    Wie heißt es dazu in dem föderalen Konsolidierungsprogramm? Jetzt zitiere ich — vielleicht haben Sie es ja doch nicht ganz gelesen —:

    (Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Aber es ist ein Arbeitspapier!)

    Das föderale Konsolidierungsprogramm ist ein in sich geschlossenes und ausgewogenes System, das für den mittelfristigen Zeitraum eine abschließende Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen darstellt.

    (Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Völlig richtig!)

    Bund-Länder-Gespräche zu anderen Themen, wie beispielsweise der Bildungsgipfel, dürfen diese Ergebnisse nicht mehr in Frage stellen.
    Meine Güte, Sie haben keine Hosentasche mehr, in die Sie fassen können!

    (Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Aber wir haben noch eine Hose an!)

    Angesichts dieser Aussichten für seine Amtsführung in den nächsten zwei Jahren, Herr Ortleb, kann der Bundesbildungsminister einpacken. Sie tun mir wirklich leid. Angesichts dieser Aussichten ist der von der CDU vorgesehene Bildungskongreß reif für die Müllkippe.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)