Rede:
ID1213506600

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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Dr. Dietmar Keller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung beschreibt in ihrer Antwort auf die Große Anfrage unserer Gruppe ihre ostdeutsche Bildungs- und Wissenschaftspolitik im großen und ganzen, aber auch im Detail als erfolgreich. Um diese wahrlich nicht sensationelle Botschaft zu formulieren, benötigten die beteiligten Ministerien für Bildung und Wissenschaft sowie für Forschung und Technologie immerhin neun Monate. Da wir die Anfrage am 6. Februar 1992



    Dr. Dietmar Keller
    eingebracht haben, ist heute fast der erste Jahrestag zu vermelden. Da Teile der Öffentlichkeit an unserer Anfrage nicht ganz uninteressiert waren, werden sie hoffentlich diesen Fakt zu würdigen wissen.
    Was sind die Maßstäbe, nach denen die Bundesregierung Erfolg oder Mißerfolg ihrer Politik mißt? Nach der Antwort zu urteilen, war die Politik erstens dann erfolgreich, wenn man das gemacht hat, was man machen wollte, und zweitens dann, wenn man das statistisch irgendwie belegen kann.
    Danach ist die gegenüber Ostdeutschland betriebene Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung erfolgreich, weil es ihr gelungen ist, die Geschichte der Bildung und Wissenschaft in der DDR, einschließlich des Herbstes 1989 mit seinen Versuchen und Ansätzen demokratischer Selbsterneuerung im Bildungs- und Wissenschaftsbereich, zu ignorieren und die zeitweilige Gutgläubigkeit und Offenheit der Ostdeutschen gegenüber ihren Brüdern und Schwestern für eine Bildungs- und Wissenschaftsreform „von oben" und nach original-westdeutschen Maßstäben zu nutzen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg)

    Die erste und letzte frei gewählte Regierung der DDR hatte kaum ihre Sitze eingenommen, schon war eine „gemeinsam" genannte Kommission zur Stelle, um Geschichte und die nun einmal zwangsläufig daran hängenden Menschen zu beurteilen und auszutilgen, indem das westdeutsche Modell von Bildung und Wissenschaft zum alleingültigen erklärt und seine prompte Übernahme beschlossen wurde.
    Der erste Halbsatz der Antwort der Bundesregierung lautet — ich zitiere —: „Die Herstellung der Einheit Deutschlands wurde getragen von dem Wunsch der Menschen ... " Wenn die Bundesregierung die Wünsche der Ostdeutschen tatsächlich zum Maßstab ihres Handelns erhoben hätte, wie sie vorgibt, hätte sie nie auf die Idee kommen können, das gesamte ostdeutsche Bildungs- und Wissenschaftssystem für null und nichtig zu erklären und das westdeutsche an seine Stelle zu setzen.
    Es gab viele Wünsche, viele Hoffnungen und Bestrebungen zur gründlichen Reform des Bildungs- und Wissenschaftssystems der DDR, beispielsweise zusammengefaßt und dokumentiert in einem Beschluß des zentralen Runden Tisches zu Bildung und Jugend vom 5. März 1990. Den Wunsch, in Bildung und Wissenschaft alles westdeutsch zu machen, gab es in Ostdeutschland nur bei wenigen Anschlußeuphorikern, und auch die westdeutschen Sachkundigen haben davor gewarnt.
    Der Bundeskanzler ist der DDR-Nostalgie gewiß unverdächtig. Um so mehr frage ich mich, wie man aus seinen wiederholten Aussagen, daß die Ostdeutschen einen hohen Stand an Bildung, Ausbildung und Qualifikation als wichtigstes Gut in die Einheit einbringen, in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik den Schluß ziehen konnte, alles Ostdeutsche zu beseitigen und das westdeutsche Modell als einzig gültiges zu betrachten.
    Festzuhalten bleibt, daß es keine Legitimation und erst recht keinen vernünftigen Grund gab und gibt, das zunehmend in der Kritik stehende westdeutsche Bildungs- und Wissenschaftssystem ungeprüft und voraussetzungslos an die Stelle des ostdeutschen zu setzen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Die Bundesregierung aber stiehlt sich aus der Verantwortung. Denn schließlich habe sie, wie sie in ihrer Antwort betont, nur die Vorgaben für die überhastete und weitgehend unbegründete Umstrukturierung gegeben. Soweit sie die bedrohlichen Zustände in der nun westdeutsch geformten Bildungs- und Wissenschaftslandschaft Ost überhaupt zur Kenntnis nimmt, dann natürlich nicht als Folge der damaligen Sturzgeburt, sondern als Folge der mangelhaften Ausführung ihres Kurses durch die neuen Bundesländer.
    Das eigentliche „Glanzlicht" der Regierungspolitik aber sind die besonderen Kündigungsgründe für öffentlich Bedienstete der ehemaligen DDR, wie sie in den Einigungsvertrag hineingeschrieben und jüngst um 15 Monate bis Ende 1993 verlängert wurden. Inzwischen beläuft sich die Zahl der auf dieser mehr als fragwürdigen, weil das Grundgesetz außer Kraft setzenden Rechtsgrundlage Gekündigten auf etwa 1,2 Millionen Personen, darunter einige hunderttausend mit abgeschlossener Hochschul- und Fachschulausbildung und Zehntausende von Kindergärtnerinnen, Horterzieherinnen, Lehrer und Wissenschaftler. Für die exzessive und vielfach rechtswidrige Handhabung dieser besonderen Kündigungsmöglichkeiten in den meisten neuen Bundesländern gibt es inzwischen Tausende von Beispielen.
    In der Antwort der Bundesregierung wird unter dem Stichwort Einigungsvertrag darauf freilich nicht eingegangen, sondern es werden die Regelungen zur Anerkennung von schulischen, beruflichen und akademischen Abschlüssen gelobt, und das — wie es heißt — „als Voraussetzung für die Freizügigkeit und Mobilität der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen". Von Mobilität und Freizügigkeit ist natürlich nicht viel zu spüren. Wahr ist freilich, daß unabhängig von schulischen, beruflichen und akademischen Abschlüssen vier Millionen Ostdeutschen die Arbeit genommen wurde.
    Was die Anerkennung speziell der ostdeutschen Fachschulabschlüsse betrifft, so konnten wir vorgestern am Beispiel der berufspädagogischen Fachschulabschlüsse hören, daß da noch gar nichts anerkannt ist — übrigens ganz anders als vor der staatlichen Einigung, denn damals wurde DDR-Flüchtlingen mit Fachschulabschluß dieser ganz selbstverständlich als Fachhochschulabschluß anerkannt.
    Ich bin bewußt etwas ausführlicher auf den Ursprung dieses fehlgeschlagenen Einigungsprozesses in Bildung und Wissenschaft eingegangen; denn alles, was von der Bundesregierung 1991 und 1992 getan wurde, ist entweder eine gedämpfte oder verkleinerte Fortsetzung der Fehlentscheidungen von 1990 wie etwa das Hochschulerneuerungsprogramm Ost, das in der Besetzung der frei gekündigten Hochschullehrstühle Ost durch häufig zweit- und drittklassige Importe das Heil sucht, oder eine Politik, die versucht, die Folgeschäden der damaligen Fehlent-



    Dr. Dietmar Keller
    scheidungen zu begrenzen, wie etwa in der Berufsbildungspolitik Ost.
    Ich sehe im Augenblick eigentlich nur zwei Möglichkeiten, aus dieser Situation herauszukommen. Die eine Möglichkeit — es ist allerdings angesichts dieser Bundesregierung nur eine theoretische Möglichkeit — bestünde darin, die Fehlentscheidungen 1990 rückgängig zu machen.
    Die andere, angesichts der inzwischen veränderten globalen europäischen und deutschen Verhältnisse näherliegende Möglichkeit bestünde darin, gründlicher über den nächsten Wahltag hinaus und das zu Ende gehende Jahrhundert, den gewohnten Krämer-und Ressortgeist verlassend, über Bildung und Wissenschaft in Deutschland in einem breiten demokratischen Dialog nachzudenken, über den Platz, den Bildung und Wissenschaft in der Gesellschaft haben sollten, und darüber, was zu tun ist, damit sie auf diesen Platz gelangen, was Sache des Staates, was Sache der Länder und was Sache anderer ist, wie Demokratie in diesem Bereich mit einer gewissen Ausstrahlung auf die ganze Gesellschaft ausgestaltet und entwickelt werden könnte, wie aus den ehemaligen zwei deutschen Bildungs- und Wissenschaftslandschaften doch noch eine, eine erneuerte Einheit werden könnte, und schließlich auch, wer was würdig zu bezahlen hat.
    Aber wenn ich als selbstgefälliges Resümee der Bundesregierung auf unsere kritische Anfrage lese — ich zitiere —: „Bildung und Wissenschaft haben nach der staatlichen Vereinigung einen entscheidenden Beitrag zum politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erneuerungsprozeß geleistet", ist doch wohl zu befürchten, daß wir unter dieser Bundesregierung einen solchen Bildungsgipfel leider nicht mehr erleben werden.
    Ich danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Rainer Jork.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr.-Ing. Rainer Jork


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenstand der Anfrage ist die Bildungs- und Wissenschaftspolitik in den neuen Bundesländern. Wie alle die Menschen in den neuen Bundesländern betreffenden Vorgänge beim Herstellen der inneren Einheit Deutschlands sind die Änderungen im Bereich Bildung und Wissenschaft durch eine deutliche Dynamik des Prozesses charakterisiert. Die Fragestellung wird durch die PDS vordergründig stationär formuliert und weitgehend übersehen, daß die Bundesländer bei der Umstellung eine erhebliche Kompetenz haben.
    Die Notwendigkeit der Anpassung an gesamtdeutsche Bedingungen ist vor allem durch das Grundgesetz formuliert. Außerdem ging es im wesentlichen um eine Effektivierung von Forschung und Bildung, um die Entpolitisierung von Bildung und Wissenschaft, die Verbesserung gerätetechnischer Ausrüstungen und Methoden in der Forschung und um die Notwendigkeit, die neuen Bundesländer an diesem Prozeß zu beteiligen.
    Es muß festgestellt werden, daß der Prozeß der Erneuerung unter Zeitdruck und Geldnot für einzelne oft sehr schmerzlich verläuft. Wir können das auch in der Drucksache der Bundesregierung mit nachlesen.
    Zu einer sachlich fundierten Aussage der beschriebenen Ausgangssituation gehört aber auch eine Einschätzung dazu, wie es mit Bildung, Forschung und Wissenschaft in der damaligen DDR hätte weitergehen können.
    Dazu dient am besten die von Schürer vorgelegte Analyse der ungeschminkten wirtschaftlichen Lage der DDR aus einer Zuarbeit an seinen SED-Generalsekretär Egon Krenz vom 30. Oktober 1989. Diese Analyse, so denke ich, liegt wohl auch der PDS vor. Ich darf daraus einige Angaben zitieren.
    Schürer spricht von der Konsequenz der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit der DDR und einem außergewöhnlich hohen Schuldenberg. Er beschreibt, daß — ich zitiere erneut — „ eine Umstrukturierung des Arbeitskräftepotentials erforderlich ist, um das Mißverhältnis zwischen produktiven und unproduktiven Kräften in der gesamten Wirtschaft und im Überbau zu beseitigen". Und weiter: „Das erfordert Abzüge von Lohn und Einkommen."
    Bezogen auf Wissenschaft und Technik fordert Schürer konkret: „Reduzierung der Ausgaben des Staatsplans ,Wissenschaft und Technik' von 3 800 Positionen auf 600 bis 800 Positionen, die inhaltlich entscheidend sind und zentral beeinflußt und entschieden werden müssen." Formal bedeutet das eine Reduzierung auf 18 %.
    Also Schürer verlangte bereits Eingriffe in die Forschung, die weit über das hinausgehen, was jetzt kritisiert wird.
    Ich wünschte mir an dieser Stelle von den Urhebern der Anfrage etwas mehr Ehrlichkeit, auch hinsichtlich der Dialektik von Ursache und Wirkung.
    Da ich sicher zu Recht davon ausgehen kann, daß den Fragestellern die ökonomische Situation in der damaligen DDR bekannt war, erhebt sich für mich die Frage, welches Ziel die Anfrage verfolgt. Geht es um eine Verschleierung der Ausgangssituation? Soll die Schuld an den derzeitigen Problemen anderen zugeschoben werden? Spielt man mit dem Vergessen? Ich habe den Eindruck, daß aus dem praktizierten Befehlsvollzugs- und Verbeugungszwang nun im Nachgang liebevolle Fürsorgewahrnahme formuliert werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Rahmen der Plenumsdebatte zum Berufsbildungsbericht 1992 am 6. November 1992 konnte ich bereits feststellen, daß nicht nur jeder Bewerber eine Stelle erhalten hatte, sondern daß es noch eine Vielzahl offener Stellen auf dem Lehrstellenmarkt gibt. Ich sagte auch dort bereits, daß es Wünsche hinsichtlich der Qualität gibt.
    Einige Bemerkungen zur Industrieforschung. Natürlich konzentrierte man sich zunächst auf Aktivitäten in der Industrie, die geprägt waren, kurzfristig Erträge zu bringen. Es gibt umfassende Berichte — aus Zeitgründen möchte ich darauf nicht einge-



    Dr.-Ing. Rainer Jork
    hen —, vor allem vom BMFT, dem BMWi im Zusammenspiel mit dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, wo gezeigt wird, was für Ausgaben gemacht wurden und welche Erfolge dort vorliegen.
    Wenn nun mit der Anfrage allein oder überwiegend die Bundesregierung in die Pflicht genommen werden soll, dann ist fairerweise auch auf die Landeskompetenz hinzuweisen und darauf, daß in der letzten Volkskammer — Herr Keller sagte das eben — der gesetzliche Rahmen bereits gegeben wurde.
    Wir wissen alle, daß angesichts der außenpolitischen Instabilität, vor allem in der Sowjetunion in der zweiten Hälfte des Jahres 1990, das Erreichen der staatlichen Einheit und damit die Möglichkeit, Förderung aus den alten Bundesländern zu erhalten, für uns die Chance darstellte, aus dem wirtschaftlichen, politischen und organisatorischen Dilemma der DDR herauszukommen.
    Unter Bezug auf die Bankrottoffenbarung des ZK der SED und den ersten Satz der PDS-Anfrage ist festzustellen: „Die ungünstigste Variante der Einheit Deutschlands" wäre auch für Bildung und Wissenschaft die nach dem realen Sozialismus der SED in der DDR gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich halte es in diesem Zusammenhang schon für angeraten und hilfreich, sich die entsprechende Situation in den anderen Ländern des damaligen sozialistischen Lagers vor Augen zu führen. Anläßlich einer Reise in die Baltischen Staaten im Mai des vergangenen Jahres wurde uns als Mitgliedern des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft bei Hinweis auf unsere Schwierigkeiten in den neuen Bundesländern immer wieder deutlich gesagt: „Eure Probleme wollen wir haben. "
    Ich möchte an dieser Stelle ganz einfach summarisch allen dafür danken, die dazu beitrugen, daß uns die derzeitigen Probleme in Polen, der Tschechei und Slowakei, in Ungarn, Rußland, dem Baltikum und in Bulgarien in den neuen Bundesländern erspart blieben.
    Den erklärten Dialektikern in diesem Raum möchte ich nahelegen, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln, den genannten Blick nach Osteuropa zu wagen und darüber nachzudenken, ob man an Stelle von Anklage nicht auch wenigstens einmal danken oder zumindest die in eine Anfrage gekleidete Kritik konstruktiver gestalten kann.
    Was hätten wir denn in der damaligen DDR angesichts des von Schürer formulierten Bankrotts der Wirtschaft noch für Chancen gehabt, Bildung und Wissenschaft zu aktualisieren, zu erneuern oder auch nur auf dem Stand zu halten?
    Danke.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)