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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Arnulf Kriedner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Rieseninteresse, das das Thema findet, ist man ja versucht, kürzer zu reden, als die Redezeit ursprünglich beträgt.

    (Beifall der Abg. Uta Würfel [F.D.P.])

    Ich möchte nichtsdestotrotz eingangs eines sagen: Die Debatte, die hier soeben geführt worden ist, leitet inhaltlich nahtlos zu dem über, womit sich ein solcher künftiger Vollausschuß zu beschäftigen hat, nämlich auch mit der Frage, wie man mit dem Erbe eines desolaten Systems fertigwerden kann. Der Kollege Hacker hat hier soeben aus dem bemerkenswerten Erkenntnisbuch des Herrn Mittag zitiert, eines Mannes, der sich insbesondere dadurch hervorgetan hat, daß er trotz seiner angeblichen Erkenntnisse der Jahre 1980 und 1981 bis zum bitteren Ende seine desolate Wirtschaftspolitik weitergeführt hat.
    Wir haben im Unterausschuß Treuhandanstalt, der bisher ein Teil des Haushaltsausschusses war, versucht, dieses Erbe via Kontrolle über die Treuhandanstalt zu verwalten. Sie gestatten mir, daß ich ganz kurz einige Ausführungen zu dem bisherigen Unterausschuß des Haushaltsausschusses vortrage und über seine Arbeitsweise spreche. Denn ich bin davon überzeugt, daß die Arbeit dort zumindest eine Grundlage für das bietet, was der neue Vollausschuß zu tun hat.
    Der Unterausschuß Treuhandanstalt hat in einer schwierigen Situation seine Arbeit begonnen, in einer Situation, in der die Treuhandanstalt parallel aufgebaut wurde, in einer Situation, in der die Treuhandanstalt nach vernünftigen Wegen gesucht hat und in der sie nach übereinstimmender Einschätzung aller Fraktionen dieses Hauses eine große Anzahl teilweise auch schwerer Fehler begangen hat. Ich glaube, das ist unbestritten.
    Ich konstatiere aber auch, daß die Treuhandanstalt inzwischen eine Linie gefunden hat. Diese Linie weicht insbesondere deshalb von der früheren ab, weil Konsolidierung und Sanierung der Firmen die sehr schnelle Privatisierung ersetzt haben. Aus der Situation heraus, aus der wir damals angetreten sind, war die Privatisierung jedoch ohne Alternative. Ich sage das so deutlich, weil es immer noch Leute gibt, die irgenwelchen Blütenträumen nachhängen und glauben, daß andere Modelle hätten gefahren werden können. Ein Ersatz für die Staatswirtschaft, etwa im Sinne von staatlichen Holdings, kann und darf es nicht geben, weil man dann sogenannten Sozialismus auf andere Art weiterbetrieben hätte.
    Was im Unterausschuß zu kontrollieren war, war die Art und Weise, wie die Treuhandanstalt ihre Aufgabe zu verstehen hatte. Dort hat der Unterausschuß, so meine ich, seine Arbeit permanent verbessert. Er hat am Schluß fast wie ein Vollausschuß gearbeitet. Insofern ist es nicht unlogisch, jetzt einen Vollausschuß statt eines Unterausschusses einzusetzen. Ich verhehle auch nicht, daß es eine Menge Leute gab, insbesondere Haushälter, die gesagt haben, wir hätten lieber in der bisherigen Arbeitsform weitermachen sollen. Ich verhehle auch nicht, daß ich selbst zu denen gehöre, die die Einsetzung eines Vollausschusses in der jetzigen Phase kritisch betrachten. Aber ich glaube trotz allem, daß es eine ganze Reihe von Argumenten gibt, die dafür sprechen, das Ganze auf eine breitere Ebene zu stellen, insbesondere aber auch Kollegen aus anderen Fachbereichen die Möglichkeit zu geben, sich in die Arbeit um die Treuhandanstalt einzuschalten.
    Ich will kurz sagen, was Thema und Zielstellung der Arbeit eines solchen neuen Ausschusses sein können. Viele sagen: Die Treuhand hat ihr Kerngeschäft zu fast 80 % erledigt; warum dann jetzt noch ein parlamentarisches Organ, das sich künftig mit ihrer Arbeit weiter befaßt? Da sage ich: Es bleiben in großem Umfang Arbeiten übrig, die eben nicht erledigt sind. Lassen Sie mich einige davon nennen.
    Es gibt einen Bestand in der Treuhandanstalt, der im gegenwärtigen Zustand der Betriebe kaum privatisierbar ist. Es gibt in der Öffentlichkeit eine Diskussion um sogenannte industrielle Kerne. Ich finde diesen Begriff nicht sonderlich glücklich. Ich meine, wir sollten besser von strukturbedingten Betrieben reden, die in einer Region eine Bedeutung haben. Denn unter „Industrie" wird alles mögliche verstanden. Jeder versteht das darunter, wovon er am liebsten



    Arnulf Kriedner
    reden würde. Es geht hier um produzierendes Gewerbe, das eine Region braucht.

    (Siegfried Vergin [SPD]: Das läßt sich sprachlich nicht darstellen!)

    — Es ist schwierig. Ich merke das immer wieder, wenn man darüber redet. Aber ich sage trotz allem: Es ist wichtig, daß Regionen ihre Betriebe behalten, die selbst produzieren.

    (Siegfried Vergin [SPD]: Das ist sogar sehr wichtig! Nur ist der sprachliche Bereich etwas anderes!)

    — Das ist mir schon klar. Deshalb ist ein solcher plakativer Begriff immer interpretierbar.
    Das sogenannte Restgeschäft der Treuhandanstalt bedarf der ganz besonderen Beachtung. Es gibt eine Reihe von Modellen — ich nenne nur Stichworte — etwa Management KG oder das Sachsen-Modell. Wir werden sehr intensiv darüber reden müssen, wie es mit diesen Betrieben weitergehen soll, weil es darum geht, die Industrielandschaft im Osten, die schon sehr verarmt ist, nicht weiter unmöglich zu machen und total sterben zu lassen.
    Das zweite ist, daß wir einen Riesenbedarf haben, das Vertragsmanagement der Treuhandanstalt zu kontrollieren. Die Treuhandanstalt hat ja nicht Betriebe verkauft und dafür eine Summe eingestrichen, womit der geschlossene Vertrag beendet wäre. Sie hat vielmehr in sehr vielen Fällen die Verträge mit Optionen auf die Zukunft bedacht, teilweise mit einer fünf oder acht Jahre langen Ertragsabhängigkeit. Das wird zu beachten sein. Insbesondere in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation muß jeder Betrieb daraufhin kontrolliert werden, ob er z. B. Vertragsstrafen überhaupt zahlen kann oder ob nicht durch die Zahlung von Vertragsstrafen ein weiteres Wirtschaften des Betriebs unmöglich wird.
    Es geht um die Liegenschaften der Treuhandanstalt, die, teilweise mit Eigentumsvorbehalten behaftet, über lange Jahre hinweg noch veräußert werden und die im Sinne von Ländern und Kommunen besser eingesetzt werden müssen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)

    Es geht um die Kommunalisierung, die immer noch nicht den Stand erreicht hat, den wir von Bonn aus fordern müssen. Es geht um die Frage der Reprivatisierung, der Vermögenszuordnung. Es geht bei diesem Thema auch um das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen. Zu diesem Vermögen ist das letzte Wort immer noch nicht gesprochen, weil die Erkenntnisse — wir haben eben in einem anderen Bereich darüber gesprochen — noch nicht so weit sind, daß man sagen kann: Wir sind schon am Ende einer Aufarbeitung dieser Frage.
    Es geht auch um die Frage der Liquidation, wo sie unvermeidlich ist, und die entsprechende Begleitung durch die Politik. Schließlich geht es um die verbleibenden ökologischen Altlasten. Auch dazu kamen in der vorhin geführten Debatte schon Akzente. Altlasten können manchmal eine Firma an den Rand des Abgrunds bringen, wollte man sie ihr auflasten.
    Das heißt mit anderen Worten: Die Zahl der Themen, die über den jetzigen Stand der Treuhandanstalt hinausgehend noch vorhanden ist, ist riesig und bedarf dringlich der weiteren parlamentarischen Begleitung. Aus diesem Grund, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist es richtig, diesen Ausschuß einzusetzen. Es ist vielleicht auch richtig, den Sachverstand anderer, etwa aus den Bereichen Landwirtschaft und Wirtschaft, stärker einzubeziehen. Wir sollten das heute tun. Wir sollten das auf der Basis tun, daß sich der Einfluß dieses Parlaments bei der künftigen Arbeit weiter verbessert.
    Ich darf aber noch einmal sagen — das tue ich von dieser Stelle aus gern —: Der bisherige Unterausschuß Treuhandanstalt hat trotz aller Kritik, die geübt worden ist, seine Aufgabe unter dem Strich zufriedenstellend erfüllt. Man wird nie sagen können, daß es gut oder sogar sehr gut war, weil die Schwierigkeiten so waren, wie sie nun einmal waren. Ich möchte von dieser Stelle aus denjenigen, die daran beteiligt waren, ein herzliches Dankeschön sagen, sowohl denen in der Treuhandanstalt und in der Regierung, als auch besonders den beteiligten Kolleginnen und Kollegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun erteile ich dem nächsten Redner das Wort. Das ist unser Kollege Hinrich Kuessner.

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    Rede von Hinrich Kuessner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Endlich, wenn auch reichlich spät, wird der Vorschlag der SPD auf Einsetzung eines Vollausschusses Treuhandanstalt umgesetzt. Die Einrichtung dieses Ausschusses geschieht in einer dramatischen Situation der Gesamtwirtschaft. Sie findet vor dein Hintergrund statt, daß die liberal-konservative Koalition den Umstrukturierungsprozeß in Ostdeutschland bisher nicht in den Begriff bekommen hat. Die Bundesregierung ist mit ihrer Treuhandpolitik faktisch gescheitert. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt in seinem ersten Wochenbericht in diesem Jahr fest:
    Die Strategie forcierter Privatisierung, wie sie die Treuhandanstalt von Anfang an verfolgte, stößt spätestens jetzt an Grenzen. Das Konzept „Aufbau durch Privatisierung" allein reicht nicht aus. Mit der Absicht, eine Bestandsgarantie für industrielle Kerne zu geben, räumt die Regierung dieses Scheitern im Grunde ein.
    Soweit das DIW.
    Jetzt gilt es zu retten, was noch zu retten ist. Der Blick muß nach vorn gerichtet werden. Das heißt für die SPD: Wir werden hier im Parlament und im neuen Ausschuß alles daransetzen, daß ohne ideologische Scheuklappen alle Möglichkeiten zur Erhaltung und Schaffung neuer Arbeitsplätze im Osten durch eine geänderte Treuhandpolitik genutzt werden.
    Für die Ausschußarbeit bedeutet dies zuallererst: Es muß ein Konzept für die Arbeit der Treuhandanstalt entwickelt werden, das die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Dimensionen des Auf- und Umbaus in Deutschland Ost zusammenführt. Die Auswahl der



    Hinrich Kuessner
    Mitglieder der SPD-Fraktion im neuen Ausschuß wird dies berücksichtigen.
    Inzwischen hat auch die Bundesregierung verstanden: Allein auf Privatisierung kann bei der Umstrukturierung der Wirtschaft in Ostdeutschland nicht gesetzt werden. Die Bildung von Management KG war ein deutliches Zeichen. Aber es geht immer noch alles viel zu unentschlossen und zu zäh. Es fehlt ein Strategiekonzept. Es fehlen in den entscheidenden Positionen Leute, die etwas zustande bringen, die mit langem Atem und mit Sachverstand den Aufbau Ost zügig vorantreiben. Heute wird dieser Vorschlag gemacht, morgen jener, und heraus kommt dabei nur Verwirrung.
    Wir müssen von Aktionismus und von zentralistischen Entscheidungsprozessen wegkommen. Privatisierung und Sanierung von Unternehmen und die Verwertung von Grundstücken müssen zusammen mit den Verantwortlichen der Länder und Regionen entschieden werden. Entscheidungen müssen stärker vor Ort unter Beteiligung der Geschäftsführungen, Betriebsräte und Gewerkschaften getroffen werden. Sie müssen für die Betroffenen durchsichtig gemacht werden. Eine Umstrukturierung dieses Ausmaßes ist nur mit den Betroffenen zusammen zu machen. Psychologie spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle.
    Der Treuhandausschuß muß sich intensiv mit Sanierungsmodellen der Treuhandanstalt auseinandersetzen. Bisher wurde im früheren Unterausschuß nur das Modell der Management KG diskutiert. Dieses Modell betrifft Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von mindestens 200. Es paßt nicht für ganz große Unternehmen und für die vielen kleinen, die jetzt nicht privatisiert werden können, aber in den Regionen Bedeutung haben und saniert werden können. Darum wird die Erhaltung industrieller Kerne einen Schwerpunkt der Ausschußarbeit bilden, wobei Erhaltung nicht die Bewahrung des Alten sein kann, sondern die Schaffung eines Produktes sein muß, das auf dem Markt abgesetzt werden kann.
    Wir haben keine Zeit mehr für lange Diskussionen. Die Debatte um die Management KG lief schon viel zu lange. Bereits im Januar 1992 hat der Verwaltungsrat die Bildung der Management KG beschlossen. Damals sollten darin Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl ab 500 zusammengefaßt werden. Die Bildung der KG wurde hinausgezögert; der Verfall der Betriebe ging voran, weil in den Betrieben nichts oder nicht genug passierte. Inzwischen muß man auf Betriebe mit Beschäftigtenzahlen von 200 zurückgreifen. Und die Management KG ist dabei nur die Betriebsform, die die Erneuerung ermöglichen soll.
    Entscheidend ist die innerbetriebliche Umstrukturierung, die bei Treuhandunternehmen in der Regel auf der Strecke geblieben ist. Wenn die anderen Sanierungsmodelie nicht schnell entwickelt und umgesetzt werden, brauchen wir darüber nicht zu reden, denn dann sind die Betriebe nicht mehr sanierungsfähig.
    Mein Eindruck von vielen Besuchen in Treuhandunternehmen ist, daß die Entscheidungen über die Sanierung bis spätestens zum Sommer dieses Jahres fallen müssen, sonst wird das operative Geschäft der Treuhand im Herbst vor allem in der Stillegung von Unternehmen bestehen.
    Zur Sanierung von Treuhandunternehmen gehören insbesondere auch die Lösung der Managementprobleme und die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern. Nach meinem Eindruck wird dies sträflich vernachlässigt. Ohne qualifizierte Aus- und Weiterbildung ist der Industriestandort Deutschland Ost nicht zu halten. Billige Massengüterproduktion aus Deutschland Ost hat auf den westeuropäischen und internationalen Märkten keine Chance auf Absatz. Sie kann in anderen Teilen der Welt billiger hergestellt werden. In Deutschland muß Hochwertigeres produziert werden. Darum muß in Forschung und Entwicklung investiert werden. Wer sanieren will, darf diese Betriebsabteilungen nicht abwickeln.
    Der Treuhandausschuß wird sich auch verstärkt den arbeitsmarktpolitischen Fragen zuwenden müssen, die sich aus der Privatisierung, Sanierung und Stillegung durch die Treuhand ergeben. Die vielen Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden mußten oder die es noch müssen, dürfen nicht in der Luft hängenbleiben. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungen sind Themen, denen sich die Treuhand stellen muß. Manchmal habe ich den Eindruck, daß sich das Bundesfinanzministerium und seine Treuhandanstalt mehr mit der Zukunft der Mitarbeiter in der Treuhandzentrale und ihren Außenstellen als mit der der vielen Mitarbeiter in ihren Unternehmen befaßt.
    Im Treuhandausschuß werden wir uns außerdem mit der Verwertung von Treuhandliegenschaften befassen müssen. Ganz besonders gilt dies für die Verwertung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Hier wird bisher eine Politik zu Lasten der einheimischen Landwirte und einseitig zugunsten der alten Großgrundbesitzer gemacht.
    Ein bleibendes Thema im Ausschuß wird die Kontrolle der Privatisierungsverträge sein. Auf der einen Seite muß die Einhaltung der Verträge durchgesetzt werden, auf der anderen Seite — wie schon mein Vorredner betont hat — darf den Käufern nicht zu schnell der einfache Weg der Zahlung der Pönalen eröffnet werden,
    Ziel aller Aktivitäten der Treuhandanstalt muß die Realisierung von Investitionen und damit die Erhaltung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen sein.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Arnulf Kriedner [CDU/CSU])

    Darüber, wie dieses Ziel erreicht wird, wird in neuen wirtschaftlichen Situationen neu nachgedacht werden müssen. Mit einer bürokratischen Abarbeitung der Vertragsstrafen ist es nicht getan.
    Aufgabe des Treuhandausschusses ist es vor allem, mit dafür zu sorgen, daß die Arbeit der Treuhandanstalt sich in ein Gesamtkonzept für den Aufbau Ost einpaßt. Da die Regierung dieses Gesamtkonzept noch immer vermissen läßt, wird der Ausschuß im Zusammenwirken mit anderen Ausschüssen hieran arbeiten müssen. Ziel der Ausschußarbeiten muß es



    Hinrich Kuessner
    sein, den Umstruktierungsprozeß der Wirtschaft in Ostdeutschland aktiv mitzugestalten.
    Auch wenn die Zahl der Treuhandunternehmen kleiner und der Arbeitsanfall in der Treuhandanstalt damit geringer wird, wird durch ihr Tun bzw. Nichttun immer noch Industriepolitik gemacht. Diese muß in Bonn definiert und durch die Treuhand umgesetzt werden.
    Das sind die Vorstellungen der SPD-Fraktion für die Arbeit des neuen Treuhandausschusses. Diesen Aufgaben müssen wir uns gemeinsam mit aller Kraft im Interesse der Menschen in Deutschland Ost und West stellen, denn nur so werden wir den inneren Frieden in Deutschland erhalten und die Einheit vollenden.
    Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)