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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Joachim Hörster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Jetzt hat er die Formalitäten erfüllt; jetzt war es eine Frage. — Daß Herr Gauck vergleichen soll, haben wir auch beschlossen; ich bin gerne bereit, Ihnen das zuzugestehen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß bis zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Akten via SPD an den Untersuchungsausschuß gelangten, in den bisher dem Untersuchungsausschuß zur Verfügung stehenden Akten — seien es Akten des Politbüros, seien es Akten des MfS —

    (Friedrich Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Noch in irgendeiner Zeugenaussage!)

    — oder in irgendeiner Zeugenaussage — nicht die Spur eines Hinweises enthalten war, daß es eine Verbindung zwischen Barschel und KoKo gäbe. Trotzdem reiten Sie immer wieder auf diesem Thema herum, weil Sie einen Nebenkriegsschauplatz aufmachen wollen und sich eben nicht um den Kern der Ermittlungen kümmern, der eigentlich Gegenstand unseres Auftrages ist.
    Ich denke aber, daß die Mehrheit des Ausschusses ihre Pflichten gegenüber dem Bundestag erfüllen wird, so mühselig dies auch ist und so sehr viel „Müll" nach Auffassung des Herrn Kollegen von Bülow in den Aktenbergen auch zu finden und zu verhandeln ist.
    Wir werden diese Akten durchforsten, wir werden sie gründlich prüfen. Wir werden nicht alles lesen können, aber wir werden den Auftrag erfüllen und dem Bundestag rechtzeitig vor Ende dieser Wahlperiode einen aussagekräftigen Bericht vorlegen. Wir werden dann in diesem Bericht auch erklären können — im wesentlichen jedenfalls —, was es mit dem Bereich Kommerzielle Koordinierung auf sich hat.
    Nur, ich möchte Sie bitten, Herr Kollege Dr. von Bülow, daran mitzuwirken und nicht die Arbeit des Ausschusses durch Verlautbarungen zu erschweren, wie sie erst gestern über die Ticker gegangen sind:
    „Wir vertrödeln hier nur unsere Zeit" schimpft Andreas von Bülow. 80 % aller bisherigen Sitzungen des Untersuchungsausschusses Kommerzielle Koordinierung des Bundestages seien sinnlos gewesen, schätzt der SPD-Obmann die vergangenen eineinhalb Jahre ein.

    (Dr. Andreas von Bülow [SPD]: Weil nicht vorbereitet!)

    Wenn Sie Ihre eigene Arbeit so qualifizieren, dann muß ich Ihnen die Frage stellen, warum Sie in diesem Untersuchungsausschuß überhaupt noch mitarbeiten; denn mit dieser Einstellung kann man den Auftrag nicht erfüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nächster Redner ist unser Kollege Hans-Joachim Hacker. Bitte sehr.

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    Rede von Hans-Joachim Hacker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem ausführlichen Ausflug in die Geschichte der Entstehung des KoKoAusschusses möchte ich jetzt wieder zum Gegenstand kommen, der für den KoKo-Ausschuß ansteht.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Ja, das war Ihnen peinlich!)

    — Lieber Herr Kollege Hörster, ich denke, wir haben hier heute insgesamt eine weitestgehend vernünftige Debatte geführt. Wir haben uns alle weitestgehend an den Sachthemen orientiert. Ich unterstreiche, daß ich das für fast alle Ausführungen meine, die heute von diesem Pult aus getätigt worden sind.
    Ich denke, gerade Ihre Rede — Sie haben schon bessere Reden hier im Hause gehalten, Herr Hörster —

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Kann doch gar nicht sein; so lange sind Sie doch noch gar nicht hier!)

    ist ein Beispiel dafür, wie wir es im Ausschuß und vor allen Dingen in der Öffentlichkeit nicht machen sollten, weil dann in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht: Es ist nur Hickhack.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)

    Wenn Sie hier den Umweltminister vom Saarland, Jo Leinen, und seine Äußerungen zur Qualität einer



    Hans-Joachim Hacker
    Deponie oder zur Situation der Umwelttechnik in der früheren DDR zitieren, dann wissen Sie doch selber, daß es seitenweise ähnliche Aussagen von anderen Politikern und von Beamten gibt.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Zum Beispiel?)

    — Haben Sie z. B. die Unterlagen über die Mülldeponie Schönberg nicht gelesen? Keimen Sie Herrn Dr. Conrad, Staatssekretär im Umweltministerium von Mecklenburg? Das ist doch mehrfach durch die Presse gegangen.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Er war damals Abteilungsleiter und Beamter!)

    — Ja, ganz richtig. Wenn Sie die Unterlagen gelesen haben, werden Sie auch feststellen, daß ein Herr Hillmer, der in höchsten Kreisen der F.D.P. verkehrt, ebenso solche Äußerungen getätigt

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das ist nicht dasselbe wie bei Herrn Vogel oder Herrn Farthmann oder Herrn Leinen!)

    und alle Bemühungen unternommen hat, die Umweltpolitik der DDR in einem positiven Licht erscheinen zu lassen.
    Also, ich mache bei diesem Thema jetzt einmal einen Punkt, weil uns das nicht weiterhilft und weil davon nur die Medien in einer Weise profitieren, die dem Auftrag nicht gerecht wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Fast am Ende der Plenardebatte ist es jetzt schwer, ein neues Thema anzureißen, ein Betätigungsfeld des Bereiches Kommerzielle Koordinierung herauszustellen, das nicht bereits von anderen Rednern thematisiert wurde. Ich will deshalb, weil ich selber früher DDR-Bürger war, die besondere Bedeutung unserer Tätigkeit für die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern hervorheben.
    Ausgangspunkt — das will auch ich noch einmal sagen — für alle Erörterungen sollte sein, welche zwei zentralen Aufgaben unser Ausschuß hat, nämlich zum einen die Frage welche Rolle der KoKo-Bereich und sein Leiter, Schalck-Golodkowski, im System der DDR-Führung und des Staatsapparats hatten, und zum zweiten, die Bevorteilung durch das Wirken des Bereiches KoKo zu Zeiten der ehemaligen DDR und — das möchte ich dick unterstreichen — in der gegenwärtigen Zeit zu klären.
    Den letztgenannten Zeitraum will ich dabei deutlich markieren, weil nach meiner Auffassung die Beziehungsverflechtungen in bestimmten Bereichen fortwirken. Andere Kollegen haben das ähnlich interpretiert.
    Altbewährte Seilschaften des innerdeutschen Handels aus der Zeit der deutschen Teilung haben ihre Chance im Einigungsprozeß hervorragend genutzt. Ich stelle heraus, daß auch von den Strafverfolgungsbehörden eine nicht unerhebliche Gefahr für das Weiterbestehen dieser Strukturen im Bereich der organisierten Kriminalität gesehen wird. Stichworte wie internationaler Waffenhandel — wir hatten gestern dazu Zeugenvernehmungen — oder Geldwäsche sind hier zu nennen.
    In diesem Nebel ist die Bundesregierung trotz besserer Kenntnisse aus der Aufklärungstätigkeit der zuständigen Dienste, die ich auch heute noch für dringend notwendig halte, in eine undurchsichtige Situation, in ein Nichthandeln hineingestolpert. Es gab kein erkennbares Konzept, wie der KoKo-Bereich aufgelöst werden sollte, obwohl Kenntnisse über den KoKo-Bereich in den 80er Jahren in ausreichendem Maße gesammelt worden sind. Zumindest ist uns ein solches Konzept im Ausschuß bisher nicht deutlich geworden. Auch ein Management fehlte.
    Was die intensive Strafverfolgung bei diesem Thema betrifft, haben dazu insbesondere die Kollegen von Bülow und Neumann ausführlich gesprochen. Ich will dazu weiter nichts sagen.
    Bei den Zeugenbefragungen sensibilisierten mich am meisten die Aussagen der Führungskader der früheren DDR Frau Dr. König, stellvertretende Finanzministerin, und Dr. Mittag, bekannter SEDZK-Sekretär für Wirtschaft.
    Beide stellten übereinstimmend fest, daß es mit der DDR-Wirtschaft ab Anfang der 80er Jahre rapide bergab ging. Trotz zunehmender Verschuldung und Verschlechterung der Zahlungsbilanz wurden zusätzliche Importe aus dem westlichen Ausland geordert, um die Bevölkerung bei Stimmung zu halten und den Gläubigen in der DDR — nicht den Christen, den anderen Gläubigen in der DDR - die Überlegenheit des Sozialismus à la DDR zu beweisen. Was viele DDR-Bürger vermutet haben, ist heute durch die früheren Funktionäre dokumentiert worden: Die Haushaltsrechnung in der DDR war unsolide. Ein unüberschaubares und wirtschaftsschädigendes Subventionssystem trieb den Staat finanziell in eine Krise und in den Staatsruin. Die sozialen Errungenschaften wurden durch Zugriff auf die Zukunft finanziert.
    Ich muß hier auch sagen, daß unsere Vernehmungen ein Weiteres zutage gefördert haben. Bereits Anfang der 80er Jahre gab es nicht nur Überlegungen, sondern auch Pläne, mit Hilfe von Gegenmaßnahmen zumindest den Versuch zu unternehmen, eine wirtschaftliche Stabilisierung der DDR zu erreichen und sich so aus der geschilderten Verstrickung zu lösen. Ich nenne insbesondere den radikalen Abbau von Subventionen in den Bereichen Mieten, öffentlicher Nahverkehr, Kinderbekleidung.
    Ich denke, dieses Thema stand später ja noch einmal auf der Tagesordnung, nämlich zu einem Zeitpunkt, als manche in der DDR über einen sogenannten dritten Weg nachgedacht haben, den ich für völlig unrealistisch gehalten habe. Dieser dritte Weg in der DDR wäre nur bei einer mindestens 30%igen Absenkung des Lebenshaltsungsniveaus in der DDR im Jahre 1989 möglich gewesen. Das darf nicht verkannt werden. Jeder, der die damalige Situation in der DDR kannte und heute bei einer realistischen Betrachtungsweise bleibt, wird sagen müssen: Dazu war die Masse der DDR-Bevölkerung nicht bereit, ich denke, auch die Masse derjenigen nicht, die früher in der Partei oder in anderen Organisationen in der DDR in privilegierten Funktionen waren.

    (Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Die waren erst recht nicht bereit!)




    Hans-Joachim Hacker
    — Die erst recht nicht; da stimme ich Ihnen voll zu, Herr Kronberg.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Dr. Mittag kommt zu der Erkenntnis, daß die Sowjetunion schon 1981 bankrott war. Der ökonomische Niedergang der DDR folgte auf dem Fuße. Ich zitiere Herrn Dr. Mittag
    — damit komme ich noch einmal zu dem zuerst Gesagten zurück —:
    Viele wollten nach 1989 das Geschäft insgesamt weiterführen. Sie hatten nicht begriffen, daß die DDR faktisch ökonomisch kaputt war.
    Herr Dr. Mittag sagte an anderer Stelle:
    Und wenn heute noch jemand sagt: Also, wenn das nicht gewesen wäre usw., dann würde die DDR noch existieren. Das ist eine geschichtliche Lüge.
    Bei all dem hat auch der vermeintliche Rettungsanker Kommerzielle Koordinierung die DDR nicht am Untergang gehindert. Ich denke — ich unterstreiche das, was Herr Kollege Wernitz gesagt hat —, das müssen wir immer thematisieren, wenn wir die reale Situation im wiedervereinigten Deutschland, vor allen Dingen in den neuen Ländern, analysieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Ich bin kein Vertreter derjenigen, die alles, was von den Menschen in der DDR irgendwann geleistet wurde, nun auf den Müllhaufen der Geschichte werfen wollen. Da ist doch auch nicht das Thema. Das Thema ist doch die Frage, wie wir heute ein reales Bild der Situation in der DDR zeichnen und wie wir verhindern, daß so etwas wie DDR-Nostalgie entsteht.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Dabei sage ich, an die Medien gewandt: Hierbei haben die Medien den Politikern nicht geholfen.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Es bestand für sie sicherlich keine Rechtspflicht dazu.

    (Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Aber in einer moralischen Pflicht wären sie gewesen!)

    Aber ich denke, der Prozeß der deutschen Wiedervereinigung, diese einmalige Herausforderung, hat sie in eine moralische Pflicht gestellt.

    (Peter Harald Rauen [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Diese Pflicht ist bis heute unzureichend erfüllt worden.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich sage ein Letztes zu diesem Thema. Ich denke auch, daß mit dem Ausleuchten der schweren Fehler vor allen Dingen im ökonomischen Bereich der DDR die Mängel, die seit dem Jahre 1990 beim Prozeß der deutschen Einheit vor allem im ökonomischen, im finanzökonomischen Bereich gemacht worden sind, nicht erklärt werden können. Das sind neue Herausforderungen. Allein das Stichwort „Altschulden" oder das Stichwort „Erblast" erklärt unsere Verpflichtung nicht ausreichend.
    Verehrte Kolleginnen und Kollegen, beim Handel mit Kunst und Antiquitäten sind viele Bürger der DDR geschädigt worden. Zu den schmutzigsten Kapiteln der Tätigkeit des Bereiches Kommerzielle Koordinierung und damit der damaligen politischen Führung der DDR gehörten vor allen Dingen die Geschäftstätigkeiten beim Häftlingsfreikauf.
    Frau Lederer möchte ich auch noch einmal sagen: Ich bin kein Opfer der DDR. Ich war sicherlich Betroffener, aber Opfer war ich nicht. Ich sage aber: Diese Ausführungen kommen einer Verhöhnung von Opfern gleich.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Wir müssen mit diesen Menschen gerecht umgehen, und wir können Vergleiche nicht in der Form anstellen.
    Ich komme zu einem zweiten Thema, das mich sensibilisiert. Der Handel mit Waffen für kriegführende Parteien war für mich bei der Arbeit im KoKoAusschuß eine schlimme Erfahrung.

    (Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Vor allen Dingen in dem Umfang!)

    Der moralische Anspruch, als Friedensstaat in Erscheinung zu treten, der uns täglich in der Presse vorgeführt wurde, Frau Dr. Enkelmann, und die Wirklichkeit, die in der DDR existierte, sind für mich ungeheuer widersprüchlich. Ich erinnere daran, was einer ganzen Generation in der DDR vorgespielt wurde, wie deutsche Firmen im Ersten Weltkrieg schmutzige Geschäfte gemacht haben. Das ist kritikwürdig, verabscheuungswürdig. In genau dieses Level paßt auch das Handeln von KoKo.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine sehr gute Rede!)

    KoKo hat die DDR insbesondere in den damaligen Bezirken Potsdam und Schwerin zur Müllkippe Europas werden lassen. Diese Geschäftsbeziehungen sind bis heute nicht ausreichend ausgeleuchtet worden.

    (Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Das wird sich demnächst ändern!)

    Wir werden an der Stelle noch Arbeit zu leisten haben. Ich stelle die Frage nach den Umständen und Bedingungen der Veränderung der Geschäftsanteile an der Mülldeponie Schönberg bzw. der Mecklenburgischen Abfallgesellschaft oder — sagen wir es einmal richtig — nach der Übernahme der Deponie durch das Land Mecklenburg-Vorpommern oder — sagen wir es ganz richtig — durch ein privates Unternehmen. Es drängen sich Fragen auf, warum hier wieder Gewinne privatisiert und am Ende Verluste sozialisiert werden. Das sind Fragen, die wir nach weiterer Zeugenvernehmung zu beantworten haben.
    Es bleibt natürlich — insofern unterstütze ich das, was von Ihnen, Herr Hörster, gesagt wurde — die Fragestellung bestehen: Wie war es möglich, daß am 3. oder 4. Dezember 1989 ein intimer Beraterkreis zusammenkam, der über die weiteren Schritte nachdachte, und daß in diesem intimen Kreis ein Herr Wolf, längst ausgeschieden auf dem MfS, aber ehemaliger



    Hans-Joachim Hacker
    Chef der HVA, hinzugezogen wurde? Herrn Manfred Seidel war das selbst unerklärlich. Ich hoffe, ein Kollege dieses Hohen Hauses wird uns dazu nähere Einzelheiten vor dem Untersuchungsausschuß mitteilen können.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)