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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Reiner Krziskewitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in sachlichem Ton gehaltenen Teilberichte des 1. Untersuchungsausschusses zeigen die Fakten auf, die die Ermittlungsarbeit ergaben. Was die Berichte jedoch nicht vermitteln können, sind das Leid von Betroffenen und ihre Ohnmacht gegenüber einem Staat, der aus permanenter Devisenknappheit das Land und seine Bürger planmäßig plünderte.
    Lassen Sie mich einige Erkenntnisse aus dem Bereich Kunst- und Antiquitätenverkauf schildern. Wir werden zwar noch vor der Sommerpause den 3. Teilbericht, der sich mit der Kunst und Antiquitäten GmbH beschäftigt, beraten; doch war gerade dies ein Thema, bei dem der Ausschuß zwar nicht spektakulär und medienwirksam, dafür aber recht systematisch, so meine ich, aufklären konnte.
    Vieles von dem, was früher gemutmaßt wurde, können wir nun belegen. Die Kunst und Antiquitäten GmbH war zunächst angehalten, jährlich 4 Millionen Mark in Devisen dem DDR-Staatshaushalt abzuliefern. Um dies zu erreichen, wurden in einer ersten Aktion die Museen „ausgeraubt".
    Die hierzu in Schalck-Golodkowskis Arbeitsbereich ausgearbeitete Ministerratsverfügung 4/73 führte zu einer planmäßigen Plünderung kultureller Werte zugunsten dieser Devisenbeschaffung.
    Auf Grund seiner Untersuchungen ist der Ausschuß zu der Überzeugung gelangt, daß die Kunst und Antiquitäten GmbH auch Kunstobjekte mit besonderer kulturhistorischer Bedeutung sowie in einem sehr hohen Umfang Kulturgüter der Kategorien II und III exportierte, urn Devisen zu beschaffen. So wurde das kulturelle Erbe, welches zu pflegen man immer vorgab, schlicht verschleudert.
    Da diese Einnahmen selbstverständlich nicht ausreichten, um die Mißwirtschaft des Staates auszugleichen, wurden Methoden entwickelt, privaten Kunstsammlern ihr Eigentum abzunehmen. Zunächst wurde diesen angeboten, sich auf Geschäfte einzulassen, um in den Besitz von Konsumgütern zu gelangen, die die Volkswirtschaft der DDR überhaupt nicht oder nur mit ungewöhnlich langen Lieferfristen bereitzustellen in der Lage war. Wo dies nicht gelang, etwa in den Fällen, in denen Sammler um den Wert ihrer Objekte wußten oder sich von diesen nicht trennen wollten, wurden Kunstsammlern unter Beugung der
    DDR-Gesetzgebung Steuer- und Zollvergehen vorgeworfen, um deren Sammelstücke in der Regel entschädigungslos einzuziehen.

    (Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Sehr wahr, sehr wahr!)

    Bezeichnend und erschreckend zugleich war die Aussage eines Zeugen hierzu, der dem Ausschuß gegenüber äußerte, daß man den Vorgesetzten, insbesondere Herrn Neiber und Herrn Mielke, am besten imponieren konnte, wenn man einen Vorgang mit 500 000 Mark abschloß.
    Viele verloren durch das illegale Vorgehen der staatlichen Organe in Jahrzehnten zusammengetragenen wertvollen Familienbesitz, zum Teil aber auch den Hausrat. Sie wurden nicht nur ihrer Sammlungen beraubt, sondern zum Teil auch wegen angeblicher Steuervergehen inhaftiert und dann über Rechtsanwalt Vogel zum Freikauf angeboten.
    Die Adressen der Bürger, die wertvollen Besitz ihr eigen nennen konnten, erhielt die Kunst und Antiquitäten GmbH vom MfS, mit dem eine enge Zusammenarbeit bestand.
    Man schreckte auch nicht davor zurück, selbst das DDR-Recht zu beugen. So erklärten uns Zeugen, daß es in der Regel weder schriftliche Verfügungen gab, noch auf gesetzliche Vorschriften geachtet wurde, sondern daß die Regel galt: Höhere Dienststellen hatten im konkreten Fall das Sagen über untere Dienststellen, so daß man letztlich auf Befehle „aus Berlin" wartete. Auch wurde etwa die Beweislast in Steuersachen im Gegensatz zur Regelung des § 204 Abs. 1 der Abgabenordnung der DDR dem Steuerpflichtigen auferlegt.
    Im Gegensatz zu den Normalbürgern wurde Schalck und anderen Mitgliedern der Führungsebene, die außerordentlich wertvolle Kunst- und Gemäldesammlungen besaßen — auf welchen Wegen auch immer erlangt —, selbstverständlich niemals die Steuerfahndung auf den Hals geschickt.
    Einer der erschütterndsten Fälle, die wir zu untersuchen hatten, war der Fall Dr. Garcke. Der erfolgreiche Arzt und Antiquitätensammler hatte über Jahre eine einzigartige Sammlung aufgebaut; den Grundstock bildeten Erbschaften und Familienbesitz. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde das Vermögen 1978 beschlagnahmt und Dr. Garcke inhaftiert.
    In den Akten der Staatssicherheit, die Frau Garcke inzwischen einsehen konnte, befinden sich bis ins Detail gehende Absprachen des MfS mit dem daran beteiligten IM, Informellen Mitarbeiter, einem Mitarbeiter der Kunst und Antiquitäten GmbH, der mit der Familie Garcke auch noch befreundet war, in der Familie verkehrte und die Sammlung bestens kannte. Ich zitiere:
    Der IM ist der Meinung, daß es auffällig wäre, in Ermittlungsverfahren gegen Dr. Garcke nicht gehört zu werden, da allgemein unter den Sammlern bekannt ist, daß er Verbindung zum Verdächtigen hat. Er erhielt den Hinweis, daß zu gegebener Zeit darüber konkrete Absprachen geführt werden.



    Reiner Krziskewitz
    Der IM betonte abschließend nochmals, daß die strafrechtlichen Maßnahmen wirklich keine Lükken für Dr. Garcke zulassen dürfen, zumal Dr. Garcke auch über Rechtskenntnisse verfügt.
    Jetzt kommt es:
    Es könnte nach Meinung der Quelle nichts Schlimmeres passieren, als wenn man Dr. Garcke eines Tages auf Grund fehlender Beweise wieder freilassen müßte. Der politische Schaden wäre schon allein unausdenkbar.
    Am 7. April 1978 wurde Dr. Garcke tot in seiner Zelle aufgefunden. Seine Witwe hat bis heute — berechtigte, so glaube ich — Zweifel an der Darstellung des Todes als Selbstmord.
    Meine Damen und Herren, es ist nicht meine Art, polemisch aufzutreten. Aber ich muß doch sagen: Die beschönigende Darstellung der Rolle des MIS, die vorhin von einer Kollegin hier gegeben wurde, hat mir weh getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    So können wir mit Geschichte nicht umgehen.
    Ich bin davon überzeugt, daß eine wirklich umfassende Aufklärung dieses Falles und ungezählter anderer Fälle nur durch die Sichtung der Unterlagen der Gauck-Behörde — auch der Opfer-Akten — möglich ist.
    Bisher noch nicht vor dem Ausschuß behandelt — jedoch für die nächsten Wochen vorgesehen — ist ein Fall, der deutlich zeigt, wie die Herrschenden zusammenarbeiteten und daß ihnen die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns durchaus bewußt war.
    1980 erbte eine DDR-Schuldirektorin in der Bundesrepublik einen erheblichen Nachlaß. Der nicht ganz unbekannte Rechtsanwalt Wünsche orientierte darauf, diesen Nachlaß im Westen aufzulösen und in der DDR zu transferieren. Damit war diese Bürgerin aber nicht einverstanden; denn sie wollte das Geld im Westen anlegen. Ihre Beschwerden an die westdeutsche Justiz führten zu einer dortigen Untersuchung, die die Tätigkeit des Herrn Rechtsanwalts Wünsche offenzulegen drohte.
    Zitat aus einem Brief Wünsches an Schalck: Durch die Handlungsweise von Frau .. . — ich lasse den Namen einmal aus —
    ist zunächst im Düsseldorfer Raum bekanntgeworden, daß versucht wird, unter Umgehung gesetzlicher Bestimmungen der BRD DM-Beträge zu transferieren.
    In einem Brief an Mittag schreibt Schalck-Golodkowski:
    Um nicht die Verbindung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Bereich KoKo offen darzulegen, wende ich mich an Dich mit der Bitte zu entscheiden, ob der Brief der Genossin Honecker zugestellt oder auf anderem Wege zur Kenntnis und Entscheidung gegeben wird ... es muß durch den Minister für Volksbildung eine prinzipielle Einflußnahme auf N. N. ausgeübt werden.
    Hiermit wird eindeutig belegt: Es handelte sich nicht um den Übereifer oder das Über-die-SträngeSchlagen irgendwelcher untergeordneter Ebenen; nein, die DDR-Führung wußte um das Verbrecherische ihres Tuns.
    Meine Damen und Herren, es ist auch sehr wichtig, hier einmal zu berichten, daß es unter all diesen Umständen auch eine gehörige Anzahl aufrechter und mutiger Menschen, Bürger und Bürgerinnen, in der DDR gab, die sich unter hohem persönlichen Einsatz und Risiko bemühten, Schaden — ich möchte einmal sagen: vom deutschen Volk und ihrer Heimat — abzuwenden und zu verhüten und der Kunst und Antiquitäten GmbH auch bei Druckausübung nicht zuarbeiteten, ja, beabsichtigte Plünderungen verhinderten und so wertvollen kulturellen Besitz unserer Heimat erhielten.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich glaube, daß gerade dieser Teil der Geschichte auch in den Medien sehr oft ungerechterweise unterschlagen wird.
    Meine Damen und Herren, die Arbeit des 1. Untersuchungsausschusses, so schwierig sie sich auch gestaltet und so aufwendig sie für Abgeordnete und Mitarbeiter auch ist, ist, glaube ich, ein unverzichtbarer Teil der historischen Wahrheitsfindung.
    Es darf nicht geschehen, daß durch eine Legendenbildung — sie hat inzwischen schon eingesetzt — die Wirklichkeit der DDR geschönt und das Unrecht bagatellisiert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Nicht nur einzelne Vertreter eines ineffizienten Systems haben sich schuldig gemacht — das ist nur die halbe Wahrheit—, sondern das gesamte System— das beweisen die Akten — war auf Unrecht, auf Rechtsbeugung, selbst der eigenen Gesetze, und auf Unterdrückung angelegt, und dieses System konnte auch nur so existieren. Als die Unterdrückung nicht mehr funktionierte, brach das System wie ein Kartenhaus zusammen. Meine Damen und Herren, dieses System war verbrecherisch!

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie des Abg. Konrad Weiß [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Andrea Lederer das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Krziskewitz, ich möchte gern auf Ihren Beitrag eingehen. — Mir liegt es wirklich fern, zu beschönigen, zu bagatellisieren.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das haben Sie aber gemacht! — Friedrich Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Dann müssen Sie nicht so dumm daherreden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




    Andrea Lederer
    Mir liegt es absolut fern, jemandem auch im Hinblick auf seine persönlichen Erfahrungen weh zu tun, wie Sie das formuliert haben.

    (Zuruf von der F.D.P.: Lesen Sie den Beitrag mal nach! Das schadet nichts!)

    — Ich habe meinen Beitrag nicht nur gelesen; ich habe ihn auch geschrieben. Insofern weiß ich, wovon er handelt.
    Ich sage Ihnen: Es ist tatsächlich so — das hat gerade auch das Ende Ihrer Rede deutlich gemacht —, daß im Grunde genommen im Sinne einer Art Siegerjustiz Geschichtsaufarbeitung betrieben werden soll.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das ist unwahr! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Man muß Verbrechen auch Verbrechen nennen!)

    Gegen dieses Herangehen an Geschichtsaufarbeitung werde ich mich und wird sich auch meine Gruppe immer wehren. Es gilt zu differenzieren. Ich kann da auch nur meiner Kollegin Köppe beipflichten, daß in Sachen Ost-Aufarbeitung West-Abgeordnete, West-Kollegen schnell dabei sind, intensiv dabei sind, auch Urteile zu sprechen.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Woher kommen Sie denn? — Reiner Krziskewitz [CDU/ CSU]: Darm seien Sie doch ruhig!)

    — Nein, ich bin nicht ruhig. Ich habe ein Interesse daran — genau das habe ich ausgesagt —, daß die deutsch-deutsche Koordinierung in diesem Bereich deutlich wird. Zu Geschäften gehören nun einmal
    — KoKo war dazu da, Geschäfte zu betreiben, Devisen zu erwirtschaften — zwei Seiten. Darin sind wir uns, denke ich, einig.
    Wenn Sie verfolgen würden, welche Diskussionen in unserer Partei laufen, wenn Sie verfolgen würden, welche Position ich da vertrete,

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Es ist nicht nachvollziehbar, was Sie für eine Position haben!)

    dann wüßten Sie, daß Ihr Vorwurf, den Sie an mich gerichtet haben, ziemlich ungerechtfertigt ist.

    (Friedrich Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Das Ding heißt Kurzintervention!)

    Aus meiner Sicht ist Ihnen nicht damit geholfen, sich bei der Aufarbeitung der Geschichte der DDR tatsächlich auf die Seite derjenigen zu schlagen, die nicht einmal mehr differenziert an das herangehen wollen, was in der DDR war.

    (Zurufe von der F.D.P.: Und Sie machen das, ja? — Schönfärberei!)

    Es geht darum, ohne Beschönigung zu benennen, was die Wahrheit war, zu sagen, was für Unrecht geschehen ist, aber tatsächlich zu differenzieren und auch zu sehen, welche Beteiligung etwa der Bundesrepublik oder anderer westlicher Länder es an einer ganz bestimmten Situation in der DDR am Schluß, ökonomisch betrachtet, gab.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Zuruf von der F.D.P.: Das darf ja wohl nicht wahr sein!)