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    Plenarprotokoll 12/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11711A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 11711B Jochen Borchert, Bundesminister BML 11711D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 11711D Matthias Wissmann, Bundesminister BMFT 11712A Dank an die ausgeschiedenen Bundesmini- ster Ignaz Kiechle, Jürgen W. Möllemann und Dr. Heinz Riesenhuber 11712A Wahl des Abgeordneten Dr. Paul Hoffacker zum ordentlichen Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Bernhard Jagoda . . 11712B Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der ersten Beschlußempfehlung und des ersten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zweiten Teilberichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksachen 12/654, 12/662, 12/3462, 12/3920) Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 11712C Dr. Andreas von Bülow SPD 11714 A Arno Schmidt (Dresden) F.D.P. . . . . 11716 B Andrea Lederer PDS/Linke Liste 11718C, 11723D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11720C Reiner Krziskewitz CDU/CSU . 11722A, 11724 C Dr. Axel Wernitz SPD 11724 D Jörg van Essen F.D.P. 11726A Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU . . 11727A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 11728C Joachim Hörster CDU/CSU 11730 C Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 11733D Hans-Joachim Hacker SPD 11734 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/4153) Arnulf Kriedner CDU/CSU 11737 B Hinrich Kuessner SPD 11738 C Jürgen Türk F.D.P. 11740A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11741A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11741D Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 — Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 — (Drucksachen 12/3629, 12/4165, 12/4169) 11742B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ursula Fischer, Dr. Uwe-Jens Heuer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung (Drucksachen 12/2047, 12/3492) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 11742D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU 11744 B Doris Odendahl SPD 11745B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 11746D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 11747C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . . . 11747 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Wolfgang Roth, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft an die neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen (Drucksache 12/1572) Dr. Uwe Jens SPD 11748D Friedhelm Ost CDU/CSU 11751B Bernd Henn PDS/Linke Liste 11754 C Marita Sehn F.D.P. 11756 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11758B Ernst Hinsken CDU/CSU 11759 D Ernst Schwanhold SPD 11762 B Rainer Haungs CDU/CSU 11763 D Ernst Schwanhold SPD 11765 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 11767 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 11767D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11769D Otto Schily SPD 11771A Nächste Sitzung 11773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11774' A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11774 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1993 11711 135. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 1. 93* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 22. 1. 93 Brandt-Elsweier, Anni SPD 22. 1. 93 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 1. 93 Eymer, Anke CDU/CSU 22. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 22. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 1. 93 Johannes Graf, Günter SPD 22. 1. 93 Großmann, Achim SPD 22. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 1. 93 Günther (Plauen), F.D.P. 22. 1. 93 Joachim Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 22. 1. 93 Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 22. 1. 93 Haschke CDU/CSU 22. 1.93 (Großhennersdorf), Gottfried Hasenfratz, Klaus SPD 22. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 22. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 22. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 22. 1. 93 Hilsberg, Stephan SPD 22. 1. 93 Jaunich, Horst SPD 22. 1. 93 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 1. 93 Koschnick, Hans SPD 22. 1. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 22. 1. 93 Klaus W. Lowack, Ortwin fraktionslos 22. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 22. 1. 93 Marx, Done SPD 22. 1. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 22. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 22. 1. 93 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 22. 1. 93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 22. 1. 93 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 1. 93 Müller (Wadern), CDU/CSU 22. 1. 93 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 22. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 22. 1. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 22. 1. 93 Hans-Joachim Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 1. 93 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 1. 93 Susanne Reimann, Manfred SPD 22. 1. 93 Rempe, Walter SPD 22. 1. 93 Reschke, Otto SPD 22. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 22. 1. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rixe, Günter SPD 22. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 22. 1. 93 Ingrid Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 22. 1. 93 Cornelia Schmidt (Mühlheim), CDU/CSU 22. 1. 93 Andreas Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 1. 93 Renate Dr. Schnell, Emil SPD 22. 1. 93 Schuster, Hans F.D.P. 22. 1. 93 Dr. Semper, Sigrid F.D.P. 22. 1. 93 Simm, Erika SPD 22. 1. 93 Stübgen, Michael CDU/CSU 22. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22. 1. 93 Voigt (Frankfurt), SPD 22. 1. 93** Karsten D. Wartenberg (Berlin), SPD 22. 1. 93 Gerd Welt, Jochen SPD 22. 1. 93 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 1. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Januar 1993 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/2602 Drucksache 12/2983 Drucksache 12/3370 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3102 EG-Ausschuß Drucksache 12/3255 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.1 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/3182 Nr. 70 Drucksache 12/3867 Nr. 2.23
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    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einem hartnäckigen Gerücht zufolge sollen ja parlamentarische Untersuchungsausschüsse ein Mittel zur Wahrheitsfindung sein. Dem KoKo-Untersuchungsausschuß gebührt das Verdienst, mit diesem Mißverständnis einigermaßen aufgeräumt zu haben. Der Ausschuß sollte nämlich — wenn Sie das ehrlich einräumen würden, wäre ich Ihnen dankbar — vor allem eines: an der Person Alexander Schalck-Golodkowski und seiner KoKo den längst feststehenden Schuldspruch exekutieren, daß der Sozialismus ein einziges Verbrechen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Viele Verbrechen, nicht ein einziges!)

    Der Versuch allerdings, Politik und Wirtschaft der Bundesrepublik im Vergleich dazu als einen Hort der Ehrbarkeit erscheinen zu lassen, ist gescheitert.
    Der Auftrag des Untersuchungsausschusses litt in der Intention der großen Parteien an einem entscheidenden Geburtsfehler: Der reale Sozialismus sollte ausgerechnet an dem Punkte seiner Unmenschlichkeit überführt werden, wo er sich der kapitalistischen Bundesrepublik am weitesten angenähert hatte. Insofern stimme ich auch mit Ihrer Einschätzung überein, daß es eine Art kapitalistische Insel war. Denn eines steht fest: Der Bereich Kommerzielle Koordinierung hat mit Sozialismus genauso viel zu tun wie Herr Waigel mit einer soliden Finanzpolitik — herzlich wenig also.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Friedrich Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Das sollte witzig sein!)

    KoKo war von Anfang an ein Kind der Marktwirtschaft. Als solches war es geplant, als solches hat es funktioniert. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß ausgerechnet durch KoKo die Realität des Kapitalismus aktenkundig geworden ist. Alles, was der Ausschuß an Skandalen hat aufdecken können und was er noch aufdecken wird — die Gründung von Schein-und Briefkastenfirmen, Steuerhinterziehung, Bestechung, Provisionsschiebereien etc. —, gehört zum marktwirtschaftlichen Geschäft.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Sie haben hier geredet, und ich rede jetzt; vielleicht sind Sie deswegen jetzt wenigstens etwas leiser —

    (Friedrich Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Die Dame ist empfindlich! — Zuruf von der F.D.P.: Oberlehrerin!)

    Zu einem Geschäft, sei es politisch oder ökonomisch, gehören bekanntlich immer zwei Beteiligte. Daß sich Strauß und Schalck, Schalck und März, das MfS und der BND, Günter Mittag und Otto Wolff von Amerongen mehr als gut verstanden haben, läßt sich ohne Schwierigkeiten aus den Akten ablesen.
    Es waren Herr Schalck und Herr Schäuble, die 1985 gemeinsam ein Geschäft abschlossen. Für die Erhöhung des Swing auf 850 Millionen DM versprach Schalck der Bundesregierung, den Flughafen Schönefeld für die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Sri Lanka



    Andrea Lederer
    dichtzumachen. Es wird sich nicht ermitteln lassen, wie viele Tamilen dieser deutsch-deutschen Kumpanei zum Opfer gefallen sind.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das ist ja abenteuerlich!)

    Gewiß, die DDR hat, um Devisen zu erwirtschaften, Antiquitäten verkauft. Sie hat sich zu diesem Zweck auf ihre Steuerhoheit besonnen, veranschlagte harmlose Sammler auf Zahlung von Vermögensteuer und kassierte, da diese von den Betroffenen in der Regel nicht aufzubringen war, die begehrten Kunstgegenstände an Geldes Statt.
    Es gibt — auch das sage ich — nichts zu entschuldigen, und es ist zu verurteilen, was die Inhaftierung solcher Menschen anbelangt. Aber es handelte sich auch — da wollen wir gar nichts beschönigen — um eine Maßnahme, die es an Gemeinheit durchaus mit den von der Bundesregierung geplanten Kürzungen von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe aufnehmen kann.

    (Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.]: Wenn Sie so weiterreden, ist die Statik des Hauses ernsthaft gefährdet! — Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie diese Diktatur wirklich mit einem freiheitlichen Rechtsstaat vergleichen? — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Unerhört!)

    Damit das Geschäft überhaupt funktionieren konnte, bedurfte es aber auf bundesrepublikanischer Seite Antiquitätenhändler, die bereit waren, solch unrechtmäßig erworbene Kunstgegenstände billig auf- und mit erheblichem Profit weiterzuverkaufen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Klar, stimmt. Aber es gibt eben zwei Seiten bei diesen Geschäften.
    Es ist ferner unbestreitbar, daß die DDR Waffen verkauft hat. Sie hat an dem Elend des Krieges verdient, indem sie z. B. gleichzeitig Waffen an den Irak und den Iran geliefert hat. Sie hat ihre eigenen sozialistischen und internationalistischen Prinzipien dem Bedürfnis nach harten Dollars geopfert und ganz nebenbei ihr Volk nach Kräften belogen. Die Friedensbewegung, die Bürgerrechtler und Sozialisten haben also allen Grund zur Empörung. Die Abgeordneten der Parteien allerdings, unter deren Regierungszeit die Bundesrepublik zum fünftgrößten Waffenexporteur der Welt aufgestiegen ist, sollten an diesem Punkt vielleicht ein wenig leiser werden.
    Um an Embargoware zu kommen, auf die sie dringend angewiesen waren, durften es die KoKoVerantwortlichen mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht so genau nehmen. Das COCOM-Regime der westlichen Staaten verbot den realsozialistischen Ländern den Erwerb sogenannter strategisch relevanter Güter. Was „strategisch relevant" war, bestimmten in erster Linie die USA. Daß zeitweise sogar die Lieferung von Weizen unter das COCOM-Verbot fiel, zeigt die Absicht von COCOM: Die realsozialistischen Staaten sollten in ihrer ökonomischen Entwicklung nach Kräften behindert und geschädigt werden. Trotzdem gelang es der DDR, an Embargogüter heranzukommen. Aber auch hier gilt: Um Computerchips illegal erwerben zu können, mußten westliche Firmen bereit sein, sie illegal zu verkaufen — zu einem weit überhöhten Preis, versteht sich.
    Für diese Praktiken trägt Alexander SchalckGolodkowski einen großen Teil der Verantwortung. Er war ein gelehriger Schüler der Marktwirtschaft,

    (Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Er war ein Schüler Honeckers!)

    und hätte er im Auftrag der Firma Siemens getan, was er für KoKo tat, hätte er gute Chancen gehabt, zum Manager des Jahres gekürt zu werden.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Das alles ist der Ausschußmehrheit natürlich auch bekannt. Sie tat sich über Monate schwer, mit dem Dilemma fertig zu werden, daß die Marktwirtschaft immer gleich mit auf der Anklagebank saß, wo doch nur über KoKo gerichtet werden sollte.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Wer hat denn den Schalck geschützt? Herr Modrow!)

    Der Ausweg, der letztendlich gefunden wurde, zeugt von ernster Entschlossenheit zu selektiver Wahrnehmung. Das Zauberwort heißt MfS. MfS, oft genug wiederholt, erspare dem Ausschuß, so glaubte man, die Pein des Argumentierens, und lasse die Bundesrepublik schon deshalb in einem glanzvollen Licht erscheinen, weil es hier kein MfS gab, und überführe den Schalck nun endgültig vom Tegernsee direkt in den Knast. Die selbstzufriedene Gewißheit, daß erstens die Stasi die Finger bei KoKo ganz schön drin hatte, womit zweitens ja eigentlich schon alles gesagt sei, verlieh dem Ritual der Zeugenvernehmung einen durchaus neuen Schwung.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal etwas zur Rolle von Herrn Modrow, Frau Lederer!)

    Damit komme ich zum Verfahren der Vernehmungen. Die KoKo-Verantwortlichen, die vor dem Ausschuß erschienen, hatten nur noch formal den Status eines Zeugen. De facto wurden sie behandelt wie Angeklagte. Wenn ein Markus Wolf seine rechtlich verbriefte Möglichkeit des Zeugnisverweigerungsrechtes in Anspruch nimmt, überführt ihn das in den Augen der Ausschußmehrheit auch schon seiner Schuld — getreu der reaktionären Logik, daß nur der schweigt, der etwas zu verbergen hat.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Schön, daß Sie sich vor ihn stellen! Interessant, daß Sie das tun!)

    Es ist wirklich höchst interessant, an einem Nachmittag einen Vergleich zwischen der Vernehmung eines Westzeugen und eines Ostzeugen, der sich möglicherweise traut, sich auf seine gesetzlich verbrieften Rechte zu berufen, anzustellen. Insofern artet der Ausschuß häufig durchaus zu einem Tribunal aus.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich könnte jetzt natürlich auf den Vorwurf, den ich
    erwartet habe, mit dem antworten, was Herr von
    Bülow gestern in einem Interview erklärt hat und was



    Andrea Lederer
    die 80 % überflüssigen Sitzungen anbelangt. Ich will aber ganz ernst sein.

    (Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Sie sind höchstens 10 % dabei!)

    — Sie wissen ganz genau, daß ich erstens weitaus mehr Verpflichtungen unterschiedlicher Art habe als Sie, weil wir eine kleine Gruppe sind. Zweitens liegt mir in der Tat mehr am Herzen, was in Sachen Asylrecht und Bundeswehr in diesem Land passiert. Deswegen wäge ich ab. Ich glaube nicht, daß das Ergebnis ausgerechnet dieses Untersuchungsausschusses irgendeinen Einfluß auf die Rechtsentwicklung in dieser Bundesrepublik haben wird.
    Inzwischen halten viele den Bereich Kommerzielle Koordinierung für nichts anderes als eine Tarnfirma des Ministeriums für Staatssicherheit. Die Wahrheit ist allerdings auch hier ein wenig anders. Für die Staatssicherheit war der Bereich KoKo ein einziges Ärgernis. Die Geschäfte, die mit dem Westen abgeschlossen wurden, waren in der Logik des DDR-Geheimdienstes ein unvertretbares Sicherheitsrisiko, die Menschen, die bei KoKo arbeiteten, allesamt potentielle Republikflüchtlinge.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Also deswegen mußten sie so überwacht werden!)

    Diese Logik müßte im übrigen den Repräsentanten einer Gesellschaft, in der ein ehemaliger Chef des Bundesnachrichtendienstes Außenminister werden kann, einigermaßen eingängig sein.
    Auf der anderen Seite versuchten die Geschäftsleute bei KoKo, den Einfluß der Stasi eher gering zu halten, weil jene bei der schnellen Abwicklung profitabler Geschäfte mit ihrem paranoiden Sicherheitsbedürfnis nur störte. Beide haben sich nach Kräften behindert, hintergangen und ausgetrickst.
    Die Vorstellung, ausgerechnet das MfS habe KoKo gewollt, ist jedenfalls absurd. Die Beschaffung von Embargowaren, also das einzig positive materielle Interesse, das das MfS an geschäftlichen Kontakten mit dem Westen gehabt haben könnte, wurde nur zum geringsten Teil von KoKo getätigt. Die HVA hatte ihre eigenen Beschaffungslinien.
    Unsere Kritik an Schalck-Golodkowski ist wesentlich härter als die des Untersuchungsausschusses.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    Wir sagen, daß KoKo mit dem Versuch, den DDRSozialismus ausgerechnet durch den Import kapitalistischer Produktionsanlagen vervollkommnen zu wollen, aktiv dazu beigetragen hat, daß sich die DDR im Westen über beide Ohren verschulden mußte.

    (Joachim Gres [CDU/CSU]: Genau das ist es!)

    Die Interessen der Bevölkerung spielten in dem Bestreben der DDR-Regierung, es der BRD gleichzutun, eine untergeordnete Rolle. Sie mußte mit der Kapitulation der DDR einen hohen Preis dafür zahlen.
    Alexander Schalck-Golodkowski war aktiver Manager einer Politik, die der Bundesregierung die DDR praktisch zum Nulltarif überließ. Daß sich die Bundesregierung bei der Übernahme ebenfalls gewaltig verrechnete, ändert an dieser Tatsache nichts. Eigentlich gebührt dem Mann am Tegernsee also das Bundesverdienstkreuz.

    (Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Haben Sie es schon beantragt?)

    Das ist nun wahrlich ein harter Vorwurf an die Adresse eines Mannes, der von sich behauptet, immer nur das Beste für den Sozialismus gewollt zu haben.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt die Abgeordnete Ingrid Köppe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Köppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden jetzt vorgelegten Zwischenberichte des 1. Untersuchungsausschusses sind eine ordentliche Fleißarbeit und ein wichtiges Arbeitsmaterial für Interessierte.
    Kurz zusammengefaßt lautet die Aussage dieser beiden Zwischenberichte: Erstens. Der Bereich Kommerzielle Koordinierung war eng mit dem MfS verbunden. Zweitens. Zum Bereich Kommerzielle Koordinierung gehörten viele Firmen.
    Daß diese Feststellung allerdings im Jahre 1993 bei einigen Abgeordneten der Fraktionen ein solches Aha-Erlebnis ist, wird viele im Osten verwundern,

    (Beifall der Abg. Ulla Jelpke [PDS/Linke Liste])

    insbesondere all jene, die 1989 intensiv an der Enttarnung von MfS- und KoKo-Objekten mitgewirkt haben. Sie fragen heute vielmehr: Was ist aus KoKo geworden? Wo ist das Geld? Wie funktionierte dieses Devisengeschäft? Wer waren die westdeutschen Geschäftspartner? Was überhaupt wußte der Westen von der Tätigkeit des Bereichs Kommerzielle Koordinierung? Wie kommt es, daß noch heute die eine oder andere KoKo-Firma weiterexistiert, und wer verdient daran? Aber diese Fragen beantworten die vorliegenden Zwischenberichte nicht.
    Übrigens sind die jetzt öffentlich vorgelegten Erkenntnisse über die KoKo-Firmen und die StasiAnbindung auch für den Westen so neu nicht. Vieles von dem ist dem BND schon seit 20 Jahren im Detail bekannt, also schon zu Zeiten, als DDR-Bürger noch nicht einmal den Namen Schalck-Golodkowski kannten.
    Bereits 1973 wußte der BND, daß der Bereich KoKo im Auftrag des MfS gegründet wurde. Bereits 1974 war sich der BND sicher, daß der Bereich Schalck durch den Aufbau von Firmen in der Bundesrepublik Einfluß auf die bundesrepublikanische Republik ausüben werde. Spätestens 1975 war dem BND klar, daß sich KoKo jeglicher krimineller Methoden bedienen würde, um seine Ziele der Devisenbeschaffung und der Spionage für die HVA zu erreichen.
    Diese Mitteilungen des BND sind regelmäßig an das Kanzleramt, an das Auswärtige Amt sowie an die Ministerien der Finanzen, für innerdeutsche Beziehungen und der Verteidigung gegangen. Die jeweiligen Bundesregierungen waren also über die



    Ingrid Köppe
    Geschäfte von Schalck-Golodkowski und auch über die Stasi-Anbindung schon lange Zeit informiert, vorausgesetzt, diese BND-Mitteilungen landeten nicht regelmäßig ungelesen in Papierkörben oder Panzerschränken.
    Was taten die jeweiligen bundesdeutschen Regierungen? Sie verhinderten nicht den Antiquitätenausverkauf in der DDR. Sie verhinderten nicht, daß sich die Stasi aus dem Westen Waffen und Ausrüstungen besorgte. Sie schrieben nicht einmal Protestnoten an die DDR-Regierungen. Die jeweiligen bundesdeutschen Regierungen schauten zu. Agenten von BND und BW wurden zwar in KoKo-Firmen tätig. Doch außer einer Beobachtungstätigkeit durch die westdeutschen Geheimdienste unternahm die Bundesregierung nichts.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg)

    Johannes Vöcking, Staatssekretär im Innenministerium, teilte dem Untersuchungsausschuß am 10. Dezember 1992 folgendes mit — ich zitiere —:
    Eine Einflußnahme auf den Bereich Kommerzielle Koordinierung im Sinne einer Behinderung oder Verhinderung eventueller rechtswidriger, gegen die Bundesrepublik gerichteter Unternehmen wäre im übrigen nicht nur auf Grund der insgesamt ungünstigen Zugänge und der Quellengefährdung nicht durchführbar gewesen; entsprechende Versuche hätten auch jeden nachrichtendienstlichen Ansatz blockiert.
    Das belegt: Der Bundesregierung war die eigene geheimdienstliche Arbeit im Bereich Kommerzielle Koordinierung wichtiger als die Verhinderung von Straftaten.
    Nehmen wir einmal das Beispiel der SED-Parteifirmen: Bekanntermaßen wurden mit den Gewinnen der Parteifirmen ein Geheimkonto Honeckers sowie die DKP finanziert. Diese Parteifirmen standen im Widerspruch zu dem gültigen Militärregierungsgesetz von 1953. Sie waren also eigentlich verboten in der Bundesrepublik.
    Bekannt ist bereits, daß der Geschäftsführer der Firma Noha in Bochum jahrelang für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Bekannt ist dies auch vom Geschäftsführer der Firma Chemoplast. Es gab insgesamt etwa 20 solcher SED-Parteifirmen in der Bundesrepublik.
    Warum hält die Bundesregierung die Zahl der Verfassungsschutzagenten in diesen Firmen noch immer geheim? Ist es nicht so, daß die Zahl deshalb geheimgehalten wird, weil sie verdeutlichen würde, daß die SED-Parteifirmen fast ausschließlich von BfVAgenten geführt wurden?

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Karneval ist erst im Februar!)

    Wie würde die Bundesregierung heute dastehen, wenn öffentlich bekannt würde, daß es der Verfassungsschutz selbst war, der einerseits in den jährlichen Verfassungsschutzberichten die DKP-Finanzierung angeprangert hat, andererseits diese Finanzierung aber mit ermöglicht hat?
    Unser Ansatz bei der Auflösung der Staatssicherheit war: Das MfS ist erst dann wirklich aufgelöst, wenn das Stasi-Wissen nicht mehr geheim ist. Das gleiche gilt auch für den eng mit der Staatssicherheit verbundenen Bereich Kommerzielle Koordinierung. KoKo-Strukturen, Namen von Mitarbeitern und Geschäftspartnern müssen öffentlich gemacht werden, um zu verhindern, daß ehemalige KoKo-Firmen und Geschäftsbeziehungen weiter existieren.
    Noch immer aber, im Jahre 1993, sind die Erkenntnisse über den Bereich Kommerzielle Koordinierung nicht vollständig der Öffentlichkeit zugänglich. Heute, 1993, lagern in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages 250 „geheim" eingestufte Akten über den Bereich Kommerzielle Koordinierung. Wir fordern, daß diese Akten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
    Noch immer werden auch dem Untersuchungsausschuß Akten über den Bereich Kommerzielle Koordinierung vorenthalten, so z. B. Akten von den einzelnen Diensten, die über KoKo-Firmen angelegt worden sind. Wir haben erst vor zwei Tagen erfahren dürfen, daß der Bundesnachrichtendienst nach seinen Aussagen sechs Quellen in KoKo-Firmen geführt habe. Wo sind die Berichte dieser Quellen? Wo sind die Akten, die vom Bundesnachrichtendienst und vom Verfassungsschutz über die einzelnen Firmen angelegt worden sind?
    Es ist heute genau drei Jahre her, daß Schalck seine Gespräche mit dem BND begann — oder umgekehrt. Am 22. Januar 1990 fand das erste Treffen zwischen Schalck und BND nach Schalcks Flucht statt. Dem voraus ging, daß Schalck eine Wunschliste abgab und damit ganz genau die Bedingungen für seine Gespräche dem BND gegenüber diktierte. Wir können heute sehen, daß etliche dieser Bedingungen als Voraussetzung für die Gespräche vom BND erfüllt worden sind.
    Die Akten über diese Gespräche sind zum größten Teil noch immer „geheim" eingestuft. Wir fordern, daß diese Akten endlich entstuft und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
    Ich habe im Untersuchungsausschuß die Erfahrung gemacht, daß sich die Fraktionen ausführlich mit der Vergangenheitsaufarbeitung beschäftigen, solange diese nicht sie selbst betrifft, also mit Vorliebe Vergangenheitsaufarbeitung Ost betreiben. KoKo aber war kein reines Ostunternehmen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Joachim Hörster [CDU/CSU]: Doch, ausschließlich!)

    — Das war überhaupt nicht so, Herr Hörster; dann kennen Sie die Akten nicht.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Aber selbstverständlich kenne ich die!)

    Sie werden mir zustimmen, daß zum Handel immer zwei gehören und zur Devisenbeschaffung natürlich sowohl die Ost-Seite als auch die West-Seite.
    Der Untersuchungsausschuß steht in der Gefahr, Geschichtsverfälschung zu betreiben. Es kann nicht nur darum gehen, die Ost-Geschichte und die Stasi-Rolle im Bereich Kommerzielle Koordinierung zu untersuchen. Die Rolle der jeweiligen Bundesregie-



    Ingrid Köppe
    rung ist ebenso Thema des Untersuchungsauftrags, egal, ob dies der Mehrheit des Ausschusses paßt oder nicht. Wenn das von der Mehrheit des Ausschusses nicht endlich akzeptiert wird, dann wird es später einmal einen Untersuchungsausschuß geben müssen, der die Aufgabe haben wird, zu klären, warum wer mit welchem Ziel die Arbeit des Schalck-Untersuchungsausschusses blockiert hat.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD)