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    Plenarprotokoll 12/132 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 132. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur klarstellenden Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache 12/4107) Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 11463B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . . 11466A Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . 11468A Günter Verheugen SPD . . . . . . . . 11469 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . 11470C Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 11472 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 11474A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . 11475C, 11482A, 11483B Norbert Gansel SPD . 11476D, 11487 C Günter Verheugen SPD . . 11477B, 11480C Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . 11478 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . . 11480A Karl Lamers CDU/CSU 11481A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 11483A Dr. Eberhard Brecht SPD . . 11483D, 11493A Walter Kolbow SPD . . . . . . . . . . . 11485C Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11486 C Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. 11487B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . , 11487D Paul Breuer CDU/CSU . . . . 11488D, 11492A Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 11489C, 11491 D Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU , . . . , 11491 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 11492B Uta Zapf SPD 11493D Paul Breuer CDU/CSU 11494 A Tagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 12/3978, 12/4125, 12/4126) Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . 11495 A Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. . 11496A Dr. Dagmar Enkelmami PDS/Linke Liste 11496D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 11497 B Joachim Hörster CDU/CSU . . . . . . . 11497 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . 11498A, 11499A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . . 11498C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste (Erklärung nach § 31 GO) 11499C Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 11499 C Tagesordnungspunkt 14: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über gebäude- und wohnungsstatistische Erhebungen (Wohnungsstatistikgesetz) (Drucksachen 12/3043, 12/4108, 12/4109) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Norbert Formanski, Achim Großmann, Dieter Maaß (Herne), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhöhung der Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau (Drucksache 12/3913) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Nachbesserung des Wohngeldsondergesetzes (Drucksachen 12/3473, 12/3976) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Verlängerung der Regelungen über den erweiterten Kündigungsschutz für Mieter in den neuen Bundesländern und in Ost-Berlin (Drucksachen 12/1974, 12/4116) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Verschiebung der 2. Mietsteigerung zum 1. Januar 1993 um ein Jahr (Drucksachen 12/3284, 12/4116) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Umwandlung der sogenannten Altschulden der Wohnungswirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern und in Ostberlin in Fördermittel des Bundes (Drucksachen 12/3474, 12/3982) Norbert Formanski SPD 11500D Dr. Walter Hitschler F.D.P. . 11502B, 11506C Jürgen Sikora CDU/CSU 11503 C Dr. Walter Hitschler F D P 11505A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 11506B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11507D Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau . . . . . . . . . . . . . . . . . 11509 A Norbert Formanski SPD . . . . . . . 11509 D Peter Götz CDU/CSU 11511B Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär BMF 11512D Dr. Christine Lucyga SPD 11514A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . 11516 D Achim Großmann SPD , , . . . . , 11517 A Hans Raidel CDU/CSU , . . . . . . . 11517 B Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Frauen und Jugend zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache vom 17. Januar 1990 (Drucksachen 12/1041, 12/2775) Hanna Wolf SPD 11519B Susanne Rahardt-Vahldieck CDU/CSU 11521A Hanna Wolf SPD . . . . . . . . . . 11521 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 11522 A Uta Würfel F.D.P . . . . . . . . . . . . . 11522 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11523C Cornelia Yzer, Parl. Staatssekretärin BMFJ 11524 A Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 11524D Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (§§ 177 bis 179, 184c StGB) (Drucksache 12/1818) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (§§ 177 bis 179, 184c StGB) (Drucksache 12/2167) c) Erste Beratung des von der Abgeordneten Christina Schenk und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (§§ 177 bis 179 StGB) und strafprozessualer Regelungen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen (Drucksache 12/3303) Dr. Hans de With SPD 11526 A Horst Eylmann CDU/CSU 11527 B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 11529A Hans A. Engelhard F D P. 11529D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11531A Anni Brandt-Elsweier SPD 11532B Cornelia Yzer, Parl. Staatssekretärin BMFJ 11533C Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 11534C Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Krise der Stahlindustrie in der Bundesrepublik Deutschland Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 III Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 11535C Günter Klein (Bremen) CDU/CSU . . . 11537A Ernst Schwanhold SPD 11537D Paul K. Friedhoff F D P. 11538D Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 11539D Arne Börnsen (Ritterhude) SPD 11540 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 11541D Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . 11542 D Friedhelm Ost CDU/CSU . . . . . . . 11543D Ina Albowitz F.D.P. 11544 C Hans Koschnick SPD 11545 C Dr. Rudolf Sprung CDU/CSU . . . . . 11546 C Dr. Ruprecht Vondran CDU/CSU . . . 11547C Nächste Sitzung 11548C Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11549 * A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Tagesordnungspunkt 13) Angelika Barbe SPD 11549* D Friedhelm Julius Beucher SPD 11550* A Günter Graf SPD 11550* B Susanne Kastner SPD 11550* B Walter Kolbow SPD 11550* B Siegfried Scheffler SPD 11550* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 11551* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 11463 132. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Berger, Hans SPD 15. 1. 93 Blunck (Uetersen), SPD 15. 1. 93* Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 15. 1. 93 Michaela Brähmig, Klaus CDU/CSU 15. 1. 93 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 15. 1. 93 Büchler (Hof), Hans SPD 15. 1. 93 Caspers-Merk, Marion SPD 15. 1. 93 Dr. Diederich (Berlin), SPD 15. 1. 93 Nils Doss, Hansjürgen CDU/CSU 15. 1. 93 Duve, Freimut SPD 15. 1. 93 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 15. 1. 93 Gallus, Georg F.D.P. 15. 1. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 15. 1. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 15. 1. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 15. 1. 93 Johannes Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 15. 1. 93 Graf, Günter SPD 15. 1. 93 Grünbeck, Josef F.D.P. 15. 1. 93 Dr. Guttmacher, F.D.P. 15. 1. 93 Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 15. 1. 93 Hämmerle, Gerlinde SPD 15. 1. 93 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 15. 1. 93 Hasenfratz, Klaus SPD 15. 1. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 15. 1. 93 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 15. 1. 93 Heyenn, Günther SPD 15. 1. 93 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 15. 1. 93 Dr. Janzen, Ulrich SPD 15. 1. 93 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 15. 1. 93 Kolbe, Manfred CDU/CSU 15. 1. 93 Kretkowski, Volkmar SPD 15. 1. 93 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 15. 1. 93 Leidinger, Robert SPD 15. 1. 93 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 15. 1. 93 Elke Männle, Ursula CDU/CSU 15. 1. 93 Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 15. 1. 93 Marx, Dorle SPD 15. 1. 93 Matschie, Christoph SPD 15. 1. 93 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 15. 1. 93 Mehl, Ulrike SPD 15. 1. 93 Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 15. 1. 93 Gerhard Mosdorf, Siegmar SPD 15. 1. 93 Müller (Wesseling), CDU/CSU 15. 1. 93 Alfons Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 15. 1. 93 Neumann (Gotha), SPD 15. 1. 93 Gerhard Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Niggemeier, Horst SPD 15. 1. 93 Oesinghaus, Günther SPD 15. 1. 93 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 15. 1. 93 Pfuhl, Albert SPD 15. 1. 93 Dr. Pohler, Hermann CDU/CSU 15. 1. 93 Rauen, Peter Harald CDU/CSU 15. 1. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 15. 1. 93* Reimann, Manfred SPD 15. 1. 93 Rempe, Walter SPD 15. 1. 93 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 15. 1. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 15. 1. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 15. 1. 93 Ingrid Schily, Otto SPD 15. 1: 93 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 15. 1. 93 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 15. 1. 93 Andreas Schmidt-Zadel, Regina SPD 15. 1. 93 von Schmude, Michael CDU/CSU 15. 1. 93 Schröter, Gisela SPD 15. 1. 93 Seibel, Wilfried CDU/CSU 15. 1. 93 Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 15. 1. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 15. 1. 93* Cornelia Dr. Thalheim, Gerald SPD 15. 1. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 15. 1. 93 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 15. 1. 93 Vosen, Josef SPD 15. 1. 93 Dr. Waigel, Theo CDU/CSU 15. 1. 93 Walther (Zierenberg), SPD 15. 1. 93 Rudi Welt, Jochen SPD 15. 1. 93 Dr. Wieczorek CDU/CSU 15. 1. 93 (Auerbach), Bertram Wieczorek (Duisburg), SPD 15. 1. 93 Helmut Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 15. 1. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 15. 1. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 15. 1. 93* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Tagesordnungspunkt 13) Angelika Barbe (SPD): Hiermit möchte ich mich gegen die beabsichtigte Erhöhung der Diäten und Aufwandsentschädigungen der Bundestagsabgeordneten aussprechen. Angesichts der laufenden Diskus- 11550* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 sionen um die notwendigen Sparmaßnahmen sollten wir Bundestagsabgeordneten mit gutem Beispiel vorangehen und mit dem Sparen bei uns selbst anfangen, ehe wir denen in der Gesellschaft geringere Einkommen zumuten, die ohnehin nur Sozialhilfe zur Verfügung haben, vor allem Kindern unter 15 Jahren. Dagegen hilft es vor allem, der wachsenden Politikverdrossenheit ein Ende zu bereiten, wenn wir Bundestagsabgeordneten zur Diätenerhöhung ein klares Nein sagen und damit ein wenig glaubwürdiger werden. Friedhelm Julius Beucher (SPD): Ich werde auch in diesem Jahr der Diätenerhöhung wiederum nicht zustimmen, weil es erneut wir Abgeordnete sind, die bestimmen und entscheiden, ob und wie hoch unsere Entschädigung angehoben wird. Außerdem verweise ich in diesem Zusammenhang darauf, daß Politik oft durch symbolhaftes Handeln vermittelt wird. Deshalb hätte ich mir in dem Jahr, wo sich die Sparappelle vor allem wegen der unsoliden Finanzpolitik der Bundesregierung überschlagen werden, gewünscht, eine demonstrative Nullrunde einzulegen. Ich respektiere, daß der Erhöhungsansatz weit unter dem liegt, was vorgeschlagen und an Lohnabschlüssen im vergangenen Jahr getätigt wurde. Ich begrüße, daß zukünftig eine „Unabhängige Kommission" über die Entschädigungen von Abgeordneten entscheidet. Günter Graf (SPD): Hiermit erkläre ich ausdrücklich, daß ich dem Gesetzentwurf meine Zustimmung aus ganz persönlichen Gründen versage. Ich merke an, daß ich nicht verkenne, daß es grundsätzlich richtig ist, auch das Einkommen und die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen. In einer Zeit, in der die Finanznot immer deutlicher wird, in der die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande ständig steigen, halte ich es allerdings für ein schlechtes Signal — zumal die Frage der Diäten in der Öffentlichkeit sehr negativ diskutiert und bewertet wird —, zu diesem Zeitpunkt eine derartige Erhöhung vorzunehmen. Ich bin mir darüber im klaren, daß die Diskussion auch in anderen Jahren durchweg negativ in der Öffentlichkeit geführt wird. Dennoch meine ich, daß es gerade in der augenblicklichen Situation notwendig ist, durch einen Verzicht ein Zeichen zu setzen. Einzig und allein dies ist meine Absicht. Da ich davon ausgehe, daß dem Gesetzentwurf mit Mehrheit zugestimmt wird, erkläre ich hiermit ausdrücklich, daß ich die Erhöhung für allgemein nützliche Zwecke verwenden werde, so wie ich es auch im Jahr 1991 getan habe. Susanne Kastner, Walter Kolbow (SPD): Wir werden einer Erhöhung der Abgeordnetendiäten in diesem Jahr nicht zustimmen. Immer mehr Menschen in diesem Land leiden unter den zusätzlichen Belastungen ihrer Einkommen durch höhere Lebenshaltungskosten, Steuern, Abgaben und Gebühren. Auch für die Zukunft wissen sie, daß ihr persönliches Einkommen eher abnehmen wird. Wir haben deshalb Verständnis dafür, daß die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ein sichtbares Opfer ihrer Abgeordneten verlangen, auch wenn dies nur symbolischen Charakter haben kann. Wir werden das uns nach einer Erhöhung zusätzlich überwiesene Geld karitativen und sozialen Einrichtungen zur Verfügung stellen, um auf diese Weise unserem Abstimmungsverhalten auch die nötigen Konsequenzen folgen zu lassen. Siegfried Willy Scheffler (SPD): Hiermit erkläre ich, daß ich dem Gesetzentwurf meine Zustimmung aus persönlichen Gründen versage. Auch ich erkenne, daß Abgeordneten nach Art. 48 Abs. 3 GG ein Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung zusteht. In einer Zeit jedoch, in der wir uns fast bei jeder Sitzung des Deutschen Bundestages über die wachsenden sozialen Probleme in den neuen Bundesländern und Berlins auseinandersetzen, ist eine Erhöhung der Bezüge der Abgeordneten zum jetzigen Zeitpunkt, noch dazu rückwirkend zum Juli 1992, das falsche politische Signal. Der mit Recht eingeforderte Solidarpakt sollte zu allererst bei den Regierenden und den Politikern des Landes umgesetzt werden. Auch wenn ich, wie bereits bei meiner Ablehnung der Diätenerhöhung 1991, nicht verkenne, daß Einkommen und Aufwandsentschädigung der Abgeordneten an die allgemeine Lohnentwicklung angepaßt werden sollten, so kann ich doch angesichts steigender Lebenshaltungskosten, steigender Mieten, dramatischen Anstiegs der Arbeitslosenzahlen und weiterer sozialer Probleme in unseren Neuen Bundesländern und in Berlin auch diese Diätenerhöhung politisch nicht vertreten. Deshalb möchte ich als Bundestagsabgeordneter eines Berliner Wahlkreises ein Zeichen der Solidarität mit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern setzen. Hinzu kommt, daß angesichts der um sich greifenden Politikverdrossenheit dieses politische Signal eine Vorbildhaltung zum Ausdruck bringt. Sollte der Deutsche Bundestag mehrheitlich — gegen meine Stimme — eine Diätenerhöhung beschließen, erkläre ich, daß ich diese Erhöhung in vollem Umfange für soziale Zwecke zur Verfügung stellen werde, so wie ich dies bereits mit der letzten Erhöhung der Bezüge gehandhabt habe. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 11551* Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1992 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen oder einen Einspruch gem. Art. 77 Abs. 3 GG nicht einzulegen: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes Gesetz zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze (Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz) Zollrechtsänderungsgesetz Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheits-Strukturgesetz) Erstes Gesetz zur Änderung des Fischwirtschaftsgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute Drittes Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes Gesetz über die Statistiken der öffentlichen Finanzen und des Personals im öffentlichen Dienst (Finanz- und Personalstatistikgesetz — FPStatG) Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes Gesetz zur Förderung der anderweitigen Verwendung von Berufssoldaten und Beamten (Verwendungsförderungsgesetz) Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGO-Änderungsgesetz) Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche Achtes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes Gesetz zur Verlängerung der Regelung über die Anmietung von Kraftfahrzeugen im Werkverkehr nach dem Einigungsvertrag Zweites Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes Gesetz zur Änderung von Gesetzen auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERPSondervermögens für das Jahr 1993 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1993) Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwaltung des ERP-Sondervermögens Gesetz zu dem Abkommen vom 13. Mai 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche Gesetz zu dem Vertrag vom 18. Dezember 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über die gegenseitige Unterstützung der Zollverwaltungen Gesetz über die Ermächtigung des Gouverneurs für die Bundesrepublik Deutschland in der Internationalen Finanz-Corporation zur Stimmabgabe für eine Änderung des Abkommens über die Internationale Finanz-Corporation (IFC-Abkommensänderungsgesetz) Gesetz zu dem Vertrag vom 18. Januar 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kap Verde über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 5. April 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Swasiland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 6. Dezember 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kooperativen Republik Guyana über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zur Verlängerung der Wartefristen für Eigenbedarfskündigungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz — KfbG) Gesetz zur Sicherung und vorläufigen Fortführung der Datensammlungen des „Nationalen Krebsregisters" der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Krebsregistersicherungsgesetz) Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Forst-absatzfondsgesetzes Gesetz zur Ausführung des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz) Gesetz zu dem Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) Zu den sieben letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: 1. Zum Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz — KfbG) 1. Zu Artikel 2 Nr. 2 (§ 234 Abs. 4 LAG) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Länder alsbald über ihre Vorstellungen zu unterrichten, wie in der Endphase des Lastenausgleichs Bewilligung und Auszahlung von Kriegsschadenrente rechtlich und verwaltungstechnisch geregelt werden sollen, damit die Länder ihre Behördenorganisation rechtzeitig an die künftige Aufgabenstellung anpassen können. Begründung Bei der Kriegsschadenrente wird sich die Zahl der Rentenempfänger aufgrund des neuen Stichtags in § 234 Abs. 4 LAG n. F. und der Altersstruktur der Rentenempfänger weitaus stärker als bisher reduzieren; bereits jetzt sind 63,2 vom Hundert der Rentenempfänger über 80 Jahre alt. Die Betreuung der Rentenempfänger wird nicht mehr bei jedem Ausgleichsamt erfolgen können, sondern konzentriert werden müssen. Die Änderung der Behördenorganisation muß rechtzeitig geplant werden. 2. Änderung des Bundeszentralregistergesetzes Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (3. BZRÄndG) schnellstmöglich einzubringen. Begründung In § 41 Abs. 1 BZRG ist geregelt, daß unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister nur von obersten Bundes- und Landesbehörden eingeholt werden kann. In dem zur Zeit in Vorbereitung befindlichen Dritten Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes ist die Erteilung von unbeschränkten Auskünften auch an untere HHG-Behörden vorgesehen. Die Erteilung der Auskünfte unmittelbar an die für die Durchführung des Häftlingshilfegesetzes (HHG) zuständigen Behörden ist datenschutzrechtlich erforderlich und sachlich sinnvoll, da diese Auskünfte vor der Gewährung von Vergünstigungen die Prüfung ermöglichen, ob Ausschließungsgründe nach § 2 11552* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 Abs. 1 Nr. 3 HHG gegeben sind. Im Hinblick auf die zahlreichen Anfragen ist auch eine Beschleunigung erforderlich. 2. Zum Gesetz zur Sicherung und vorläufigen Fortführung der Datensammlung des „Nationalen Krebsregisters" der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Krebsregistersicherungsgesetz) Der Bundesrat weist darauf hin, daß gegen die von der Bundesregierung reklamierte Gesetzgebungskompetenz für das Krebsregisterversicherungsgesetz erhebliche Bedenken bestehen, die der Bundesrat nur angesichts der einigungsbedingten Ausnahmesituation und der zeitlich befristeten Geltungsdauer des Gesetzes zurückstellt. Eine allgemeine Gesetzgebungskompetenz für die epidemiologische Erfassung von Krebsdaten hat der Bund nicht. Dabei hält der Bundesrat bevölkerungsbezogene Krebsregister im Interesse der besseren Erforschung und Verhütung von Krebserkrankungen für erforderlich, ohne daß diese in allen Ländern bestehen oder errichtet werden müssen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht nicht, weil 1. der Begriff der „gemeingefährlichen Krankheiten" in Artikel 74 Nr. 19 des Grundgesetzes so auszulegen ist, wie er in den im Jahr 1949 geltenden Rechtsvorschriften gebraucht wurde. Damals wurden als „gemeingefährliche Krankheiten" bestimmte, besonders schwerwiegende übertragbare Krankheiten bezeichnet. Krebs ist keine übertragbare Krankheit und ist deshalb keine gemeingefährliche Krankheit im Sinne von Artikel 74 Nr. 19 des Grundgesetzes; 2. nach Artikel 74 Nr. 19 des Grundgesetzes nur „Maßnahmen" gegen bestimmte Krankheiten geregelt werden können. Die Registrierung von Krebserkrankungen ist in diesem Sinne keine „Maßnahme", weil sie sich nicht unmittelbar gegen die Krankheit Krebs richtet, sondern lediglich dazu dient, Kenntnisse über die Krankheit zu gewinnen, um in Zukunft Krebserkrankungen besser verhüten zu können. 3. Zum Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Forstabsatzfondsgesetzes Der Bundesrat ist der Auffassung, daß der zunehmende Konkurrenzdruck im gemeinsamen Markt ein offensives Marketing für deutsche Agrarprodukte erforderlich macht. Die durch die Änderung des Absatzfondsgesetzes künftig höheren Beitragsaufkommen der Landwirtschaft müssen gezielter und wirksamer zur Absatzförderung heimischer landwirtschaftlicher Produkte eingesetzt werden. Der Bundesrat hält es für erforderlich, baldmöglichst die bei allen Absatzförderungsmaßnahmen bestehende Verpflichtung zur Wettbewerbsneutralität zu überprüfen und die Voraussetzungen für eine stärkere Ausrichtung der Absatzförderungsmaßnahmen auf die Interessen der Landwirtschaft zu schaffen. So erscheint es beispielsweise erforderlich, die Erzeugergemeinschaften hinsichtlich ihrer Absatzbemühungen zu unterstützen. Eine Möglichkeit bieten nach Auffassung des Bundesrates die erfolgsversprechend angelaufenen Maßnahmen des Zentral-Regional-Marketing. Diese Maßnahmen müssen nach Maßgabe der Lage auf den Märkten fortgesetzt und ausgeweitet werden. Den regionalen Werbemaßnahmen muß künftig eine größere Bedeutung zukommen. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß die Beitragszahler besser als bisher über das Mittelaufkommen und die Mittelverwendung informiert werden müssen. Insbesondere ist sicherzustellen, daß die einzelnen Absatzförderungsmaßnahmen stärker auf die Interessen der heimischen Landwirtschaft ausgerichtet werden. Die Mittelverwendung muß stärker als bisher in einem ausgewogenen Verhältnis zum Mittelaufkommen der einzelnen Sparten stehen. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß kurzfristig zu prüfen ist, ob die Instrumente des Absatzfonds und der CMA unter den Bedingungen des EG-Binnenmarktes noch zeitgemäß sind. Eventuelle Defizite müssen durch baldmögliche Novellierung des Absatzfondsgesetzes behoben werden. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß bei der Initiative zur Änderung des Absatzfondsgesetzes für den Bereich Holz die Abgabepflicht auf alle Holzprodukte ausgedehnt werden sollte. Der Bundesrat behält sich entsprechende Initiativen zur Novellierung des Absatzfondsgesetzes vor. 4. Zum Gesetz zur Ausführung des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der weiteren Umsetzung des EWR-Abkommens darauf zu achten, daß die EG- und deutschen Verbraucherschutzstandards nicht vermindert werden. Zwar wird mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum das Recht der EFTA-Staaten weitgehend dem EG-Recht angepaßt, jedoch treten die notwendigen Änderungen mit Übergangsfristen in Kraft, die nur eine formalrechtliche Anpassung zulassen. Darüber hinausgehende erforderliche gesundheitlich relevante Anpassungen in den Bereichen Zusatzstoffregelungen, Höchstmengen für Schädlingsbekämpfungsmittel und Umweltchemikalien können im Rahmen dieser Fristen noch nicht vorgenommen werden. Für die Durchführung der Bestimmungen kommt erschwerend hinzu, daß die EFTA-Staaten nicht alle im Bereich des Veterinärrechts geltenden Bestimmungen der EG übernommen haben, so daß sie für bestimmte Produkte weiterhin wie Drittländer zu behandeln sind. Außerdem bittet der Bundesrat die Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, daß schnellstmöglich ausreichende Informationen über die geltenden Lebensmittelrechtsbestimmungen und über die Organisation der Lebensmittelüberwachung in den EFTA-Staaten vorliegen, damit ein ausreichender Verbraucherschutz gewährleistet werden kann. 5. Zum Gesetz zu dem Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Stellungnahme vom 10. Juli 1992 — BR-Drucksache 368/92 (Beschluß) — und verweist darauf, daß das parallele Verfahren nach der Lindauer Vereinbarung noch nicht abgeschlossen ist. Er bekräftigt seine Feststellung, daß die Ratifikationsurkunde für die Bundesrepublik Deutschland erst dann hinterlegt werden kann, wenn sämtliche Länder einzeln ihr Einverständnis mit dem Abkommen erklärt haben. 6. Zum Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union I. Allgemeines 1. Bundesrat und Länder sind stets für die Idee eines Vereinten Europas eingetreten und haben von Anfang an den europäischen Einigungsprozeß konstruktiv begleitet. Sie haben die Unterstützung der deutschen Einheit durch unsere europäischen Partner als Verpflichtung und Auftrag gesehen, auch künftig ihren Beitrag zu einem politisch vereinten Europa zu leisten. Sie haben dabei unterstrichen, diese historische Aufgabe weiterhin — solidarisch mit den anderen europäischen Ländern, Regionen und autonomen Gemeinschaften, — partnerschaftlich mit dem Bund, — in konstruktivem Dialog mit den europäischen Institutionen, insbesondere dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, nach Kräften zu gestalten. Der Bundesrat erklärt für die Bürger in den deutschen Ländern, daß die Zustimmung zu dem Vertrag von Maastricht dem tief empfundenen Wunsch entspricht, gemeinsam mit den Bürgern in den anderen Regionen Europas auf der Grundlage gemeinsamer Grundwerte die Zukunft unseres Kontinents zu unserer aller Wohle zu gestalten. Der Bundesrat sieht in der Europäischen Union nicht nur einen Handlungsrahmen, sondern einen Gestaltungsauftrag. Die strukturelle Offenheit der Europäischen Union ermöglicht die Entwicklung eines Europas der Regionen auf der Grundlage einer dreistufig-föderalen Struktur und des Grundsatzes der Subsidiarität. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 11553* Der Bundesrat wird an der Ausgestaltung der Europäischen Union auf der Grundlage des Vertrages von Maastricht im Sinne eines „immer engeren Zusammenschlusses der europäischen Völker" (Präambel des Vertrages von Rom) mitwirken. Der Bundesrat sieht in dem neuen Artikel 23 des Grundgesetzes und in dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern eine unabdingbare innerstaatliche Voraussetzung für die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu einer Europäischen Union. Mit der Zustimmung zu dem Ratifikationsgesetz verbindet der Bundesrat die Hoffnung, daß die Europäische Union in unserem Zeitalter dynamischer Veränderungen und Umbrüche — mit denen auch unwägbare Risiken einhergehen — für Europa im ganzen den Frieden und die Freiheit erhalten, den Rechtsstaat sichern sowie Wohlstand und soziale Sicherung in ökologischer Verantwortung fördern wird. II. Institutionelle Fragen 2. Zu den Prioritäten und Inhalten der Umsetzung der neuen Vertragsbestimmungen erklärt der Bundesrat folgendes: 3. Subsidiarität Der Grundsatz der Subsidiarität ist ein elementares politisches und gesellschaftliches Handlungsprinzip. Seine Durchsetzung und Anwendung in der europäischen Integration verhindern Zentralismus, sichern die Identität der Regionen und bewirken Bürgernähe der Entscheidungen. Der Bundesrat begrüßt die Aufnahme des Subsidiaritätsprinzips als rechtsverbindlichen Grundsatz in den EG-Vertrag, insbesondere in dessen Artikel 3 b. Ziel und Entstehungsgeschichte des Artikels 3 b EGVertrag unterstreichen zwar das Handlungsprimat der Mitgliedstaaten bzw. ihrer Regionen. Die Formulierung im einzelnen gibt jedoch noch Anlaß zu einander widersprechenden Interpretationsversuchen. Sie ist daher noch unbefriedigend. Sie wird den Vorstellungen der Länder von Subsidiarität noch nicht voll gerecht. Sie muß deshalb bei nächster Gelegenheit verbessert werden. Dem Subsidiaritätsprinzip, zu dem die erste Formulierung aufgrund von Vorschlägen des Bundesrates in die Regierungskonferenz eingebracht wurde, wird eine überragende Bedeutung zukommen. Damit wird für die Europäische Union festgeschrieben, daß die jeweils sachnähere, untere Ebene in erster Linie zum Handeln aufgerufen ist. Der Bundesrat bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Forderung, daß eine nach föderativen Grundsätzen errichtete Europäische Union — die europäische Ebene als Feld aller künftigen europäischen Ordnungs- und Strukturpolitik zur Lösung übergreifender Aufgaben, — die nationalstaatliche Ebene als Bereich nationaler Gesetzgebung und Ordnung, — die regionale Ebene als Bereich für die Gestaltung der vielfältigen und differenzierten Lebensbedingungen unserer Bürger klar unterscheiden muß. Dem Bundesrat ist bewußt, daß das Verständnis der Subsidiarität in den Mitgliedstaaten von einem historischen und kulturell unterschiedlich gewachsenen Staatsverständnis geprägt ist. Er geht davon aus, daß Subsidiarität nach der gegenwärtigen Vertragsdefinition zu einem ständigen Ringen in einem dynamischen Prozeß anhand von konkreten Sachfragen führen wird. Fest steht allerdings die Verpflichtung zur Anwendung der Subsidiarität durch alle EG-Organe bei allen Maßnahmen. Der Bundesrat hält es für erforderlich, daß sich die Gemeinschaftsorgane verbindlich verpflichten, jede EG-Maßnahme nach einem — mit den Ländern und den Regionen in den übrigen Mitgliedstaaten abgestimmten — Kriterien-Katalog auf ihre Vereinbarkeit mit der Subsidiarität zu überprüfen und diese Prüfung zu dokumentieren. Der Bundesrat und die deutschen Länder sehen es als eine zentrale Aufgabe an, insbesondere im Ausschuß der Regionen über die Einhaltung der Subsidiarität zu wachen, damit die Vielfalt in Europa erhalten bleibt. 4. Ausschuß der Regionen Eine tragende Säule der Europäischen Union muß der „Ausschuß der Regionen" werden. Er bietet die Chance, Anliegen und Erfahrungen der Regionen und der Bürger aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld in die europäischen Entscheidungsprozesse einzubringen. Er leistet damit sowohl einen Beitrag zur Demokratisierung der Gemeinschaft als auch zu ihrer Bürgernähe. Es müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, die Stimme der europäischen Regionen im europäischen Einigungsprozeß zu Gehör zu bringen. Bei der nächsten Regierungskonferenz sollten weitere Schritte unternommen werden, diesen Ausschuß in Richtung auf eine Regionalkammer als „dritter Kammer" neben Ministerrat und Europäischem Parlament weiter zu entwickeln. Verfassungsmodelle des Nationalstaats des 19. Jahrhunderts, die die Vorstellung vom Zwei-Kammer-System geprägt haben, können nicht auf die EG übertragen werden. Gesucht werden muß ein neues Gleichgewicht und eine neue Teilung der Gewalten im europäischen Maßstab. Bis dahin werden die deutschen Länder mit ihrer engagierten Arbeit im Ausschuß der Regionen die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Mitwirkung der Regionen am europäischen Meinungsbildungsprozeß unter Beweis stellen. Dazu ist allerdings erforderlich, daß der Ausschuß der Regionen über einen selbständigen administrativen Unterbau und über eine ausreichende Finanzausstattung verfügt. 5. Mitwirkung der Länder im Rat Die Mitwirkung nach Artikel 146 EG-Vertrag i. V. m. Artikel 23 Abs. 5 Grundgesetz ermöglicht den Ländern, die Verhandlungen im Ministerrat zu führen, wenn Länderzuständigkeiten betroffen sind. Der Bundesrat weist auf die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung hin, die Rechte, die Deutschland als Mitgliedstaat zustehen, in solchen Fällen auf die vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder zu übertragen. 6. Artikel 23 des Grundgesetzes und Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union Mit der Einführung des Artikels 23 in das Grundgesetz wird die Europäische Union auf eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage mit eindeutiger Ausrichtung an den Werten unseres Grundgesetzes gestellt. Die Verankerung der Beteiligungsrechte der Länder schreibt den deutschen föderalen Staatsaufbau konsequent in den europäischen Bereich hinein fort. Voraussetzung für die Geltung der in Artikel 23 Grundgesetz und in den Zusammenarbeitsgesetzen festgelegten Beteiligungsregelungen ist die Europäische Union. Der Bundesrat bekräftigt die im Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)" des Bundestages niedergelegte und im Ausschuß von Vertretern der Bundesregierung bestätigte Auffassung, daß diese Voraussetzung bereits dann vorliegt, wenn sich die heute bestehende Integrationsgemeinschaft gegenüber dem gegenwärtigen Integrationsstand durch vertragliche Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, in Richtung auf eine Europäische Union weiterentwickelt. Der Bundesrat bedauert jedoch, daß eine Regelung über eine verstärkte Mitwirkung der Länder an EG-Angelegenheiten im Finanzbereich noch aussteht. Der Bundesrat erinnert insoweit auch an den Zusatz in den Protokollnotizen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundesrat und Deutschem Bundestag zum Thema „Grundgesetz und Europa". Der Bundesrat ist der Auffassung, daß bei der Rechtsetzung der Europäischen Union über Steuern, deren Aufkommen nach dem Grundgesetz den Ländern oder Gemeinden ganz oder 11554* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 zum Teil zufließt, die Stellungnahme des Bundesrates bei einem Handeln der Bundesregierung auf EG-Ebene „maßgeblich" zu berücksichtigen ist. Soweit die Beteiligungsrechte des Bundesrates davon abhängen, daß der Bund ein Recht zur Gesetzgebung hat (nicht ausgeübte konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes), ist jeweils auf die konkrete EG-Vorlage abzustellen. Der Bund muß im Einzelfall dartun, daß ihm im nationalen Recht das Recht zur Gesetzgebung nach Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz zustehen, also ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung bestehen würde. 7. Zum Ratifikationsgesetz Die Formulierung des Artikels 2 des Gesetzes zum Vertrag über die Europäische Union ist unbefriedigend. Der Bundesrat bedauert, daß der Bundestag den vom Bundesrat gemachten Vorschlag (BR-Drs. 500/92, Ziffer 11) nicht übernommen hat. Für die im Bereich der Haushaltswirtschaft erforderliche Abstimmung zwischen Bund und Ländern reicht nach Überzeugung des Bundesrates das bestehende Instrumentarium (Finanzplanungsrat) vollkommen aus. Artikel 104c des EG-Vertrages darf auf keinen Fall dazu führen, die bislang ausgewogene Regelung der Abstimmung zwischen Bund und Ländern zu Lasten der Länder zu verschieben. Der Bundesrat hat gleichwohl auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet, um die Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Union nicht zu verzögern. Der Bundesrat geht dabei von folgendem aus: — Die in Artikel 2 des Gesetzes zum Vertrag über die Europäische Union enthaltene Formulierung „in den Haushalten von Bund und Ländern ... zu erfüllen" beinhaltet keine abschließende rechtliche Verpflichtung der Länder, sich an der Umsetzung der EG-Vorgaben zu beteiligen. Artikel 2 des Gesetzes enthält insoweit nur einen Programmsatz. Dem Bund steht jedenfalls keine Kompetenz zur rechtlichen Verpflichtung der Länder im Bereich der Haushaltswirtschaft zu. Die weitere Umsetzung etwaiger EG-Vorgaben nach Artikel 104 c des EG-Vertrages bedarf vielmehr einer gesetzlichen und gegebenenfalls verfassungsrechtlichen Präzisierung. — Die nach Artikel 2 des Gesetzes zum Vertrag über die Europäische Union erwähnte „Abstimmung zwischen Bund und Ländern" hat im Rahmen des bestehenden Koordinierungsinstrumentariums (Finanzplanungsrat) zu erfolgen. III. Wirtschafts- und Währungsunion 8. Der Bundesrat begrüßt, daß im Rahmen der Europäischen Union die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft vorgesehen ist. Die Wirtschafts- und Währungsunion ist ein wichtiger Schritt zur Vertiefung der Integration im Rahmen der Europäischen Union, die so bald wie möglich zur Politischen Union ausgestaltet werden sollte. Die Wirtschafts-und Währungsunion dient auch der Vervollständigung des Binnenmarktes, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte stärken wird. Der Bundesrat nimmt die Besorgnisse in der Bevölkerung über die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung ernst. Es muß daher alles getan werden, damit sich diese Sorgen als gegenstandslos erweisen. Die Stabilität der Währung muß unter allen Umständen gewährleistet sein. Der Bundesrat erkennt an, daß der Vertrag über die Europäische Union eine Grundlage für eine stabile europäische künftige Währung schafft, insbesondere durch die Sicherung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und die Vereinbarung von Stabilitätskriterien für die teilnehmenden Mitgliedstaaten. Dabei werden beim Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion die Stabilitätskriterien eng und strikt auszulegen sein. Die Entscheidung für den Übergang zur dritten Stufe kann nur auf der Grundlage erwiesener Stabilität, des Gleichlaufs bei den wirtschaftlichen Grunddaten und erwiesener dauerhafter haus- halts- und finanzpolitischer Solidität der teilnehmenden Mitgliedstaaten getroffen werden. Sie darf sich nicht an Opportunitätsgesichtspunkten, sondern muß sich an den realen ökonomischen Gegebenheiten orientieren. Die Natur der Kriterien bedingt es, daß ihre Erfüllung nicht nur statistisch gesichert werden kann. Ihre dauerhafte Erfüllung muß vielmehr auch aus dem Verlauf des Konvergenzprozesses glaubhaft sein. Die künftige europäische Währung muß so stabil sein und bleiben wie die Deutsche Mark. Der Bundesrat wird sich jedem Versuch widersetzen, die Stabilitätskriterien aufzuweichen, die in Maastricht vereinbart worden sind. Er wird darüber wachen, daß der Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion sich streng an diesen Kriterien orientiert. Der Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion erfordert auch eine Bewertung durch den Bundesrat. Die Bundesregierung bedarf demgemäß für ihr Stimmverhalten bei Beschlüssen des Rates nach Artikel 109j Abs. 3 und Artikel 109j Abs. 4 des EG-Vertrages des zustimmenden Votums des Bundesrates. Das Votum des Bundesrates bezieht sich auf dieselbe Materie wie die Bewertung des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister und die Entscheidung des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf zu erklären, daß sie dieses Votum des Bundesrates respektieren wird. Er fordert die Bundesregierung auf, diese Vorgehensweise den Vertragspartnern sowie der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament mitzuteilen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung ferner auf, ihm ab 1994 jährlich einen Bericht über die Entwicklung der Konvergenz in der Europäischen Union vorzulegen, inwieweit von den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in dem Maastrichter Vertrag und dem entsprechenden Protokoll niedergelegten Konvergenzkriterien erfüllt sind. Die Wahrung eines eigenständigen wirtschaftspolitischen Handlungsspielraumes der Länder darf durch die wirtschaftspolitischen Leitlinien zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund ist eine Beteiligung der Länder an der Erarbeitung der Modalitäten für das Verfahren der multilateralen Überwachung zwingend notwendig. Der Bundesrat betont vorsorglich, daß unter Hinweis auf Empfehlungen des Rates ein Durchgriff des Bundes auf die Wirtschaftspolitik der Länder abgelehnt wird. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich mit Nachdruck für Frankfurt am Main als Sitz der Europäischen Zentralbank einzusetzen. IV. Einzelne Politikbereiche 9. Kohäsionspolitik, Beihilfenaufsicht und Regionalpolitik Der hohe Stellenwert und die Bedeutung des Zieles des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts für die Gemeinschaft kommen im Vertrag über die Europäische Union u. a. durch die Gründung des neuen Kohäsionsfonds zum Ausdruck. Der Bundesrat teilt die Auffassung, daß der Gemeinschaft eine besondere Verpflichtung für die Unterstützung ihrer wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Regionen zukommt. Er betont jedoch, daß die bestehenden und neuen Fonds nicht zu einem Instrument des innergemeinschaftlichen Finanzausgleichs werden dürfen. Die Lösung der regional- und strukturpolitischen Probleme in den strukturschwachen Gebieten bleibt auch künftig vorrangig Aufgabe der Mitgliedstaaten, Länder und Regionen. Sie benötigen daher stets einen eigenen wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum zur Förderung und Ausrichtung ihrer regionalen Wirtschaftsentwicklung. Der Bundesrat erwartet deshalb, daß die EG-Kommission die eigenständige Regionalpolitik der Länder respektiert und sich im Rahmen der Beihilfenkontrollpolitik auf die Beihilfen konzentriert, die wegen ihrer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 11555* hohen Intensität und ihrer sektoralen Zielsetzung wesentliche Wettbewerbsverfälschungen im europäischen Binnenmarkt erwarten lassen. Die Beihilfevorschriften im EG-Vertrag haben die Aufgabe, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen zu schützen. Auch Gemeinschaftsbeihilfen können den Wettbewerb verzerren und sind daher den für die Kontrolle nationaler Beihilfen geltenden Vorschriften zu unterwerfen. Der Bundesrat erwartet, daß die strikte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips den regionalpolitischen Erfordernissen der Länder Rechnung trägt, indem die Auswahl der Fördergebiete und die Differenzierung der Fördersätze bis zu einem von der EG-Kommission festgelegten maximalen Fördersatz den für die nationale Regionalpolitik zuständigen Institutionen überlassen wird. Die EGFördergebiete dürfen nicht auf den nationalen Fördergebietsplafond angerechnet werden. Der Bundesrat befürchtet, daß die Einschränkung des nationalen Handlungsspielraums in der Strukturpolitik auch durch die neue Entwicklung in der Beihilfenkontrollpolitik verschärft wird. 10. Außenwirtschaft Der Bundesrat hält nationale Schutzmaßnahmen nach Artikel 115 EG-Vertrag mit dem Prinzip des Gemeinsamen Marktes für nicht vereinbar. Er erwartet, daß die EG-Kommission ihre erweiterten Kompetenzen in diesem Zusammenhang sachgerecht und mit der gebotenen Zurückhaltung einsetzt. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß diese Vorschrift bei der nächsten Vertragsänderung aufgehoben werden sollte. Der Bundesrat bekräftigt, daß handelspolitische Schutzmaßnahmen im Sinne eines freien Welthandels auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt werden müssen. Er tritt Bestrebungen entgegen, die Zuständigkeit für Entscheidungen über handelspolitische Schutzmaßnahmen der Gemeinschaft auf die EG-Kommission zu übertragen. 11. Verbraucherschutz Die erweiterte Gemeinschaftskompetenz im Bereich des Verbraucherschutzes darf nicht dazu führen, daß das hohe Verbraucherschutzniveau in der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird. Aktivitäten der Gemeinschaft dürfen das plurale System der Verbraucherberatung nicht beeinträchtigen und sollten sich nur auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten richten. 12. Transeuropäische Netze Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit einer Koordinierung nationaler Verkehrsnetze in einem zusammenwachsenden Europa. Die Gestaltung transeuropäischer Verkehrswegenetze für die Bereiche Hochgeschwindigkeitsbahnen, Straßennetze, Binnenschiffahrt und kombinierter Verkehr kann nur in Abstimmung mit nationalen Ausbauplänen der Mitgliedstaaten erfolgen. Für die Bundesrepublik Deutschland enthält der Bundesverkehrswegeplan 1992 ein integriertes Gesamtverkehrskonzept, das auch den Zielen einer koordinierten Verkehrsplanung und Vernetzung der Verkehrssysteme Rechnung trägt. Die Realisierung von Verkehrsinfrastrukturnetzen muß nach dem Subsidiaritätsprinzip grundsätzlich in nationaler Verantwortung bleiben. Im übrigen betont der Bundesrat die Notwendigkeit einer stärkeren Koordinierung der Aktivitäten der Gemeinschaft (Strukturfonds, Kohäsionsprogramm und Aktionsprogramm). Im Energiebereich hält es der Bundesrat für erforderlich, daß in der Frage des Zuganges zu den Strom- und Gasnetzen den hier bestehenden Besonderheiten unter den Gesichtspunkten des Wettbewerbs und Verbraucherschutzes angemessen Rechnung getragen wird. Er ist weiterhin der Auffassung, daß Errichtung, Finanzierung und Betrieb der Energieleitungen primär Sache der Unternehmen ist. Allenfalls in begründeten Ausnahmefällen kommen begrenzte Fördermaßnahmen der Gemeinschaft in Betracht. Die Bundesregierung wird gebeten, bei der Mittelfestsetzung im Bereich transeuropäischer Netze auf eine restriktive Anwendung von Artikel 129c EG-Vertrag hinzuwirken. 13. Europäische Industriepolitik Der Bundesrat sieht europäische Industriepolitik primär als Rahmen-, Infrastruktur- und Dialogpolitik an. Er ist der Auffassung, daß die Bundesregierung das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat nutzen sollte, um spezifische Maßnahmen auf diesen Bereich zu beschränken. Gemeinschaftsinitiativen müssen weiterhin horizontal ausgerichtet sein und dürfen den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Dieser Ansatz ermöglicht auch die Unterstützung von Schlüsseltechnologien, die branchenübergreifend Innovationen auslösen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei weiteren industriepolitischen Verhandlungen und bei der Konzipierung besonderer industriepolitischer Maßnahmen im Einzelfall auf die Einhaltung dieses marktwirtschaftlich orientierten Politikansatzes zu dringen. Der Bundesrat wird die Frage der Aufhebung der EG-Kompetenz für Industriepolitik (Artikel 130 EG-Vertrag) bei der nächsten Vertragsänderung im Lichte der Anwendungserfahrungen prüfen. 14. Bildung, Kultur, Forschung und Technologie Der Vertrag von Maastricht regelt auch die Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft in den Bereichen Bildung und Kultur und bestätigt gleichzeitig die zentrale Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Bildungs- und die Kulturpolitik. Der Bundesrat begrüßt diese Regelung. Bildung und Kultur bilden auf allen Ebenen einen wesentlichen Bestandteil der Europäischen Integration. Es ist deswegen angemessen, der Gemeinschaft eine ergänzende und unterstützende Förderkompetenz in einzelnen grenzüberschreitenden Bereichen einzuräumen. Weitergehende Gemeinschaftskompetenzen in den Bereichen der beruflichen Bildung und der anwendungs- und industriebezogenen Forschung sind wegen des direkteren Wirtschaftsbezuges sachgerecht, solange die generelle Verantwortung der Mitgliedstaaten auch für diese Bereiche erhalten bleibt. Für die künftige Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft wird es auf die gemeinschaftsfreundliche Kooperation der Europäischen Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten darauf ankommen, daß die Gemeinschaftskompetenzen im Geiste föderativer Zusammenarbeit und unter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Bildungs-, Kultur- und Forschungspolitik und des Subsidiaritätsprinzips angewandt werden. Einer solchen Entwicklung wäre abträglich, wenn der Versuch unternommen werden sollte, die Neuregelungen unter Strapazierung des acquis communautaire und des Prinzips der dynamischen Interpretation „leerlaufen" zu lassen. Nach Auffassung des Bundesrates sollte sich die Europäische Gemeinschaft in den Bereichen Bildung und Jugend auf ausreichend finanzierte Mobilitätsprogramme konzentrieren, wobei das Verhältnis zu den Programmen der Mitgliedstaaten und ihren Förderorganisationen besser als bisher abzustimmen wäre. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, daß nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Artikels 126 EG-Vertrag Maßnahmen für den Hochschulbereich nur nach Maßgabe dieser Vorschrift erlassen werden können. Für den Bereich der Kulturpolitik kann es nach Auffassung des Bundesrates schon wegen der begrenzten Mittel nur darauf ankommen, Veranstaltungen und Einrichtungen von herausragender europäischer Bedeutung gemeinschaftlich zu fördern. Der Bundesrat betont im Bereich der beruflichen Bildung die Notwendigkeit der Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Er bekräftigt seinen Standpunkt, daß die berufliche Bildung eine Aufgabe der Wirtschaft und, soweit sie in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, eine Aufgabe des Staates ist. Der Bundesrat unterstreicht das Interesse an einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften durch die Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung. Allerdings sollten die spezifischen Forschungsprogramme stärker gebündelt, 11556* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 auf Schlüsseltechnologien mit branchenübergreifender Wirkung konzentriert und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips auf den vorwettbewerblichen Bereich beschränkt werden. Die Durchführung der Gemeinschaftsprogramme ist ferner zu vereinfachen und zu dezentralisieren. Für Maßnahmen der Mitgliedstaaten, Länder und Regionen, die die Bedürfnisse insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen und der Forschungseinrichtungen auf Grund der größeren Orts- und Sachnähe besonders berücksichtigen können, muß genügend Spielraum bleiben. Die Grundlagenforschung muß grundsätzlich in der Verantwortung der Mitgliedstaaten verbleiben, sofern sie nicht auf Grund der Größenordnung der Projekte Maßnahmen auf EG-Ebene erforderlich macht. Der Vertrag von Maastricht gibt der Europäischen Gemeinschaft Zuständigkeiten in Bereichen der Kulturhoheit der Länder, für die innerstaatlich keinerlei Regelungskompetenz des Bundes besteht. Die stärkere Mitwirkung der Länder im Bundesratsverfahren und in den Organen der Europäischen Gemeinschaft kann die darin liegende qualitative Veränderung und Verringerung der Rechte der Länder nicht voll kompensieren. Verfassungspolitisch zwingend ist deswegen, daß Artikel 23 des Grundgesetzes und das Ausführungsgesetz länderfreundlich ausgeführt und daß die noch offenen Fragen, vor allem im Forschungsbereich, in der vorgesehenen Ausführungsvereinbarung alsbald befriedigend geregelt werden. 15. EG-Binnenmarkt Der Bundesrat vertritt die Auffassung, daß der mit der bevorstehenden Vollendung des EG-Binnenmarktes erreichte wirtschaftliche Integrationsstand der Gemeinschaft gesichert und gestärkt werden muß. Er geht davon aus, daß hierfür die Übertragung weiterer wirtschaftsnaher Zuständigkeiten an die Gemeinschaft nicht erforderlich ist. Dies schließt eine klarere Kompetenzabgrenzung zwischen EG, Mitgliedstaaten, Ländern und Regionen — möglichst in der Form eines abschließenden Zuständigkeitskataloges für die Gemeinschaft bei Verzicht auf funktionale Kompetenznormen — nicht aus. Unter Berücksichtigung der besonderen Regionalbezogenheit des Bereiches Fremdenverkehr sollte dieses in Artikel 3 Buchstabe t des EG-Vertrages neu aufgenommene Ziel bei nächster Gelegenheit gestrichen werden. 16. Arbeits- und Sozialpolitik Der Bundesrat begrüßt, daß durch die Aufnahme der sozialpolitischen Aufgabenstellung in die Tätigkeitsbeschreibung der Gemeinschaft die Möglichkeit zu einer sozialpolitischen Gestaltung des Binnenmarktes deutlich verbessert und damit ein unumkehrbarer Einstieg in die Sozialunion erreicht wurde. Der Bundesrat begrüßt es ferner, daß zumindest elf Mitgliedstaaten beschlossen haben, sich zu einer aktiven Sozialpolitik zu bekennen und deshalb auf dem von der „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer" von 1989 vorgezeichneten Weg weitergehen wollen. Mit dem zwischen den elf Mitgliedstaaten vereinbarten Abkommen über die Sozialpolitik ist eine arbeitsfähige Grundlage zur Schaffung einheitlicher sozialer Mindeststandards sowie zur Ausdehnung der Arbeitnehmerschutzrechte erreicht worden, wenngleich sich bei seiner Anwendung Schwierigkeiten ergeben werden. Der Bundesrat erkennt aber an, daß eine Regelung gefunden wurde, mit deren Hilfe (partielles) Gemeinschaftsrecht gesetzt werden kann. Der Bundesrat stellt allerdings mit Bedauern fest, daß mit den Regelungen in den Vertragstexten von Maastricht im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik noch nicht der Integrationsfortschritt erzielt worden ist, der vom Bundesrat in seiner Entschließung vom 8. November 1991 gefordert worden war. Es ist nicht gelungen, die Gleichwertigkeit der sozialen Aspekte neben den wirtschaftlichen im Unionsvertrag zu verankern. Dies wird die Aufgabe der nächsten Regierungskonferenz sein. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die durch den Vertrag und das ihm beigefügte Protokoll über die Sozialpolitik geschaffenen Möglichkeiten zur Vertiefung und Ergänzung der sozialen Dimension konsequent zu nutzen. Denn europäische Regelungen im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts, vor allem gleiche soziale Mindestrechte, die einen gemeinsamen Standard absichern, sind für die weitere Integration Europas zwingend notwendig. Die aktuelle Diskussion über die Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips, das auch in der europäischen Arbeits- und Sozialpolitik strikt eingehalten werden muß, darf nicht dazu mißbraucht werden, der Gemeinschaft vom Grundsatz her zuerkannte Kompetenzen wieder zugunsten der Mitgliedstaaten abzuerkennen und damit die Schaffung gemeinsamer sozialer Mindeststandards in Europa zu blockieren. Ziel muß es vielmehr sein, daß die Gemeinschaft ihre Zuständigkeit sinn- und maßvoll ausfüllt; dies gilt insbesondere auch für die Regelungsdichte. Zum Stillstand oder gar Rückschritt in der Europäischen Sozialpolitik darf es ebenso wenig kommen wie zu einer vollständigen Harmonisierung der Sozialsysteme der Mitgliedstaaten. Ferner gilt es, die auf Grund der Verweigerungshaltung eines Mitgliedstaates drohende Gefahr unterschiedlicher Sozialstandards in der Gemeinschaft zu verhindern. Sozialpolitik muß soweit wie möglich auf der Grundlage des für alle Mitgliedstaaten geltenden EG-Vertrages gestaltet werden, um möglichen Fehlentwicklungen, wie z. B. Wettbewerbsverzerrungen, entgegenzuwirken. Der Bundesrat hält es für erforderlich, daß die Bundesregierung sich intensiv dafür einsetzt, daß möglichst ein gemeinsamer Weg in der Sozialpolitik beschritten wird. Das Abkommen der Elf sollte nur angewandt werden, wenn der Verhandlungsspielraum ausgeschöpft ist. Der Bundesrat fordert, daß die Vollzugskompetenzen auch in der Sozialpolitik grundsätzlich bei den Ländern und Regionen verbleiben. Ihnen muß ein möglichst weiter Gestaltungsspielraum erhalten bleiben. Nur wenn in der Europäischen Arbeits- und Sozialpolitik auch weiterhin die regionalen Besonderheiten berücksichtigt werden können, wird sie den Interessen der Bürger gerecht. Im übrigen weist der Bundesrat darauf hin, daß die nächste Vertragsrevision die obligatorische Beteiligung des Regionalausschusses im Bereich der Sozialpolitik und eine Erweiterung der Rechte des Europäischen Parlaments auch bei dem Erlaß von Sozialbestimmungen mit sich bringen muß. Eine verstärkte Beteiligung dieser Institutionen in der Europäischen Arbeits- und Sozialpolitik erhöht die demokratische Legitimität und die Bürgernähe und vergrößert damit die Akzeptanz von Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft. 17. Umweltschutz Angesichts der globalen Dimension der Umweltprobleme, die vor nationalen Grenzen nicht haltmachen und daher nur in grenzüberschreitender Zusammenarbeit gelöst werden können, wird eine wirksame Umweltpolitik der Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung für die Zukunft sein. Das Ausmaß der drohenden Zerstörung erfordert eine erhebliche Steigerung der Anstrengungen, den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu erhalten. Der Bundesrat hält an dem Ziel einer Umweltunion fest. Er sieht in dem Vertrag von Maastricht einen Fortschritt bei der Verankerung des Prinzips einer nachhaltigen, ressourcenschonenden und umweltverträglichen Entwicklung. Er ist aber der Auffassung, daß dieses Prinzip in die übrigen Politikbereiche noch unzureichend integriert ist. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß Umweltschutz als integrierter Bestandteil anderer Politikbereiche die besten Durchsetzungschancen hat. Es bleibt Aufgabe zukünftiger Vertragsgestaltung, die Gleichrangigkeit ökologischer Ziele mit anderen Zielen der Gemeinschaft durchzusetzen. Er spricht sich dafür aus, daß sich die Umweltschutzpolitik insbesondere an Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Umweltbeeinträchtigungen und am Verursacherprinzip ausrichtet, und sieht dabei Umweltschutzforderungen stets im gesamtpolitischen Zusammenhang. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 11557* Die in Artikel 2 des EG-Vertrages festgelegten Ziele eines beständigen umweltverträglichen Wachstums und einer Hebung der Lebensqualität lassen sich nur dann erreichen, wenn Mindeststandards auf hohem Niveau sowohl für produkt- wie für anlagenbezogene Umweltnormen festgelegt werden. Sie sind auch für das Funktionieren des gemeinsamen Marktes unverzichtbar. Bei der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ist den Bedürfnissen und Besonderheiten der Mitgliedstaaten und ihrer Region Rechnung zu tragen. Hierfür bildet das in Artikel 3 b des Vertrages über die Europäische Union verankerte Subsidiaritätsprinzip die rechtliche Grundlage. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt, daß sich die Gemeinschaft bei ihren Rechtssetzungsakten auf die Festlegung gemeinschaftlicher Ziele und Rahmenbedingungen für die Umweltpolitik beschränkt. Dabei ist die Wahl des politischen Instruments nach Möglichkeit den Mitgliedstaaten zu überlassen. Auf bestehende Regelungen der Mitgliedstaaten und auf deren gewachsene Verwaltungsstrukturen ist Rücksicht zu nehmen. Bereits in Kraft gesetzte Regelungen auf EG-Ebene im Umweltbereich sind daraufhin zu überprüfen, ob das mit ihnen verfolgte Ziel durch nationale Regelungen besser oder ebenso gut erreicht werden kann. Subsidiarität im Rahmen der künftigen Regelungen durch die Gemeinschaft muß heißen, daß einerseits die Gemeinschaft Regelungen überall dort trifft, wo ohne gemeinschaftsweiten Regelungswillen Ziele, wie z. B. Ziele des Umweltschutzes, vernachlässigt würden. Der Bundesrat hält darüber hinaus einen einheitlichen Vollzug der Umweltschutzvorschriften der Gemeinschaft in allen Mitgliedstaaten für dringend erforderlich. Deshalb muß auch in Zukunft die Kommission für alle umweltrelevanten Tatbestände grundlegende Regelungen entwickeln, die dazu führen, daß Umweltschutzziele in allen Ländern der Gemeinschaft umgesetzt werden. Andererseits sind Gemeinschaftsregelungen insoweit entbehrlich, als bereits nationale Vorschriften vorhanden sind oder aber Regelungen auf nationaler oder regionaler Ebene getroffen werden sollten. Diese Regelungen könnten unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit an die Stelle von EG-Vorschriften treten, wie z. B. beim Vollzug von Maßnahmen. Dieses Prinzip der Gleichwertigkeit findet sich bereits heute in Ansätzen im Sekundärrecht der EG, z. B. — in der Richtlinie vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft, — in der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser, — in der Richtlinie über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebstaub. Hier regelt das Gemeinschaftsrecht, daß Meßmethoden und Grenzwerte, wie sie das nationale Recht vorsieht, angewandt werden können. Für andere Bereiche im Gewässerschutz und in der Luftreinhaltung, für die Abfallverbringung, die integrierten Anlagegenehmigungen werden mit der EG-Kommission Absprachen zu treffen sein, wann und in welchen Fällen nationales Recht als gleichwertig an die Stelle von EG-Recht treten kann. Dies muß auch für die Fälle gelten, in denen bereits nationales Recht eine umfassendere Regelung als das zu erwartende Gemeinschaftsrecht darstellt. Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips erfordert, daß der Vollzug der gemeinschaftlichen Umweltpolitik Sache der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen bleibt. Die Kommission sollte dabei nur insoweit tätig werden, als sie Informationen über den Stand der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in den einzelnen Mitgliedstaaten benötigt. Der Vertrag über die Europäische Union bleibt eine Antwort auf die umweltpolitischen Herausforderungen des kommenden Binnenmarktes schuldig. Im Gegenteil wird sich in Zukunft die Tendenz noch verstärken, unter Berufung auf den Binnenmarkt mühsam errungene umweltpolitische Vorreiter-Leistungen durch eine übertriebene Harmonisierung zu vereiteln oder durch Befreiung der Importe von Umweltregeln zu unterlaufen. Mitgliedstaaten mit einem hohen Umweltschutzniveau dürfen nicht zu einer Absenkung ihrer Anforderungen gezwungen werden, weil sonst die Umweltpolitik in der gesamten Gemeinschaft zum Stillstand kommt. Soweit eine Harmonisierung unerläßlich ist, hat sie auf einem hohen Schutzniveau zu erfolgen. 18. Landwirtschaft Der Bundesrat widerspricht der Auffassung der EGKommission, die Agrarpolitik in ihrer Gesamtheit vom Grundsatz der Subsidiarität im engeren Sinne, wie er in Artikel 3 b Abs. 2 EG-Vertrag niedergelegt ist, auszunehmen. Nach Auffassung des Bundesrates ist Artikel 43 EG-Vertrag wegen der Weite des Aufgabenfeldes der Agrarpolitik nicht als eine im Sinne von Artikel 3 b Abs. 2 EG-Vertrag ausschließliche, sondern als eine konkurrierende Zuständigkeitszuweisung anzusehen. Der Bundesrat weist darauf hin, daß der Bereich der Landwirtschaft in hohem Maße von EWG-Durchführungsvorschriften betroffen ist, die insbesondere im Zusammenhang mit der EG-Agrarreform eine Fülle von Detailregelungen enthalten. Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips muß es sein, den besonderen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten und Regionen Rechnung zu tragen und diesen die legislative Durchführung insoweit zu überlassen, wie daraus keine Wettbewerbsverzerrungen oder Handelshemmnisse erwachsen. Der Bundesrat ist nachdrücklich der Auffassung, daß die verwaltungsgemäße Durchführung des EG-Rechts grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist. Ihnen muß vorbehalten bleiben, Regelungen zu erlassen betreffend Verwaltungsverfahren, Benennung der zuständigen Behörden, Überwachungs- und Kontrollkompetenzen, Vollstreckungsverfahren und Sanktionen. Der Bundesrat hält es zur Vermeidung von unkalkulierbaren Anlastungsrisiken für dringend erforderlich, den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von EG-Rechtsakten einen größtmöglichen Gestaltungsspielraum zu lassen. Mit Blick auf den föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland muß gelten, daß bei der Durchführung und Kontrolle von EG-Vorschriften die übergeordnete Gemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedstaaten nicht mehr Rechte haben kann, als der Bund gegenüber den Ländern. Die vertraglich geregelte Mitwirkung des Regionalausschusses sollte sich künftig auch auf den Titel II „Landwirtschaft" des EG-Vertrages erstrecken. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den nächsten Beratungen über den Vertrag zur Europäischen Union eine Überarbeitung des Artikels 39 des EGVertrages vorzusehen. Die derzeitige und künftige Fassung des Artikels 39 entspricht in der Gewichtung nicht den derzeitig und zukünftig zu fordernden Schwerpunkten der gemeinsamen Agrarpolitik und Rolle der Landwirtschaft im ländlichen Raum. 19. Forstwirtschaft Die Bestrebungen der EG-Kommission nach einer einheitlichen EG-Forstpolitik sind abzulehnen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß sich eine Forstpolitik auf nationaler bzw. regionaler Ebene bewährt hat und kein Bedarf für EG-Regelungen besteht. 20. Innenpolitik Obwohl im Vertrag über die Politische Union für den Bereich der Innenpolitik die erhofften Ziele nicht oder nur unvollständig erreicht wurden, enthält das Vertragswerk positive Ansätze, auch die Probleme der inneren Sicherheit und der Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in der Gemeinschaft auf Dauer in den Griff zu bekommen. 11558* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 Der Bundesrat begrüßt die Einführung einer Unionsbürgerschaft. Die mit dem Status verbundenen Rechte und Pflichten müssen schrittweise und parallel zur Fortentwicklung der Gemeinschaft zu einer Europäischen Union verwirklicht werden. Auch die Einführung des Kommunalwahlrechts für EGAngehörige wird grundsätzlich begrüßt. Es muß dabei das Prinzip der Gegenseitigkeit Beachtung finden. Im übrigen kommt bei der Ausübung des Wahlrechts einer angemessenen Aufenthaltsdauer im Mitgliedstaat und am Ort der Wahl eine entscheidende Bedeutung zu, da die Kenntnis der allgemeinpolitischen und örtlichen Gegebenheiten Legitimationsgrundlage für die Teilnahme an der Wahl ist. Der Bundesrat weist darauf hin, daß die Ausgestaltung des Wahlrechts nach Artikel 8b Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag durch die Organe der Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur allgemeine Grundsätze enthalten kann. Die Festlegung der weiteren Einzelheiten bleibt Sache der Mitgliedstaaten. Der Bundesrat geht davon aus, daß die Wahrnehmung der Rechte der Bundesrepublik Deutschland bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nach Artikel 8b Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag den Ländern obliegt, da das Kommunalwahlrecht ausschließlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Der Bundesrat spricht sich für eine rasche Vergemeinschaftung der Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik aus. Der Bundesrat begrüßt es, daß im Vertrag über die Europäische Union eine engere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität vereinbart und zu diesem Zweck die Einrichtung einer Zentralstelle (Europol) vereinbart wurde. Er setzt sich nachdrücklich dafür ein, daß Europol sobald als möglich zu einer Einrichtung der Gemeinschaft wird. Der Bundesrat wendet sich gegen Bestrebungen, den Katastrophenschutz zu vergemeinschaften. Er fordert die Bundesregierung auf, weiteren Aktivitäten der EG-Kommission auf diesem Gebiet unter Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip energisch entgegenzutreten. Der Bundesrat bedauert, daß dem Wunsch der Länder nach Verankerung des Kommunalen Selbstverwaltungsrechts im Vertrag über die Europäische Union nicht Rechnung getragen wurde. Er fordert, daß im Rahmen des weiteren europäischen Integrationsprozesses das Kommunale Selbstverwaltungsrecht im Kern unangetastet bleibt. 21. Gesundheitspolitik Der Bundesrat begrüßt die Aufnahme von Regelungen zum Gesundheitswesen (Artikel 3 und 129 des EGVertrages), weil das Ziel eines hohen Gesundheitsschutzniveaus Bestandteil der europäischen Integration sein muß. Dabei wird in Artikel 129 EG-Vertrag der subsidiäre und komplementäre Charakter der Gemeinschaftsmaßnahmen besonders betont. Der Bundesrat begrüßt des weiteren, daß die Notwendigkeit, Drogenabhängigkeit zu verhüten, besonders betont wird. Angesichts der vom Grundgesetz vorgenommenen prinzipiellen Zuweisung des Gesundheitswesens zur gesetzgeberischen Länderkompetenz kommt im Zusammenhang mit Artikel 129 EG-Vertrag der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips große Bedeutung zu. Die dort neu geregelten Handlungsmöglichkeiten müssen unter grundsätzlicher Wahrung der Regelungs- und Vollzugskompetenzen der Länder ziel- und maßvoll genutzt werden. Die Länder benötigen weiterhin Gestaltungsspielraum für eine wirksame Gesundheitspolitik auf der Grundlage der besonderen Organisations- und Rechtslage des Gesundheitswesens, zumal Gesundheitsverhalten und gesundheitliche Versorgung stark von regionalen Verhältnissen und Überzeugungen geprägt sind. V. Fortentwicklung der Europäischen Union 22. Regierungskonfernz Der Bundesrat ist sich darüber im klaren, daß der Vertrag über die Europäische Union im Hinblick auf eine Vertiefung und eine Erweiterung der EG der Fortentwicklung bedarf. Angesichts der zahlreichen, in der öffentlichen Diskussion des Vertragswerkes deutlich gewordenen Fragen, tritt der Bundesrat für eine Vorziehung der für 1996 vorgesehenen nächsten Regierungskonferenz ein. Dieser Regierungskonferenz muß jedoch eine umfassende öffentliche Debatte auf allen Ebenen der Gemeinschaft vorausgehen, in der die Grundentscheidungen für das künftige Europa geklärt werden. Die bisherige Art und Weise der Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft muß dabei überdacht und Grundprinzipien für eine künftige europäische Ordnung herausgearbeitet werden. Der Bundesrat erwartet von dieser Regierungskonferenz, — eine institutionelle Reform zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft bei Aufnahme weiterer Mitglieder sowie zur besseren Transparenz der Entscheidungen und Verantwortung ihrer Organe; — eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen EG und Mitgliedstaaten; eine endgültige Behebung des weiterbestehenden Demokratiedefizits hinsichtlich der Rechte, aber auch zur besseren Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl; — die Fortschreibung der Definition der Subsidiarität und — die Umwandlung des Ausschusses der Regionen zu einer Regionalkammer mit echten Mitentscheidungsrechten. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß die Europäische Union mit einer solchen Reform in die Lage versetzt werden kann, diejenigen Zukunftsaufgaben, die auf europäischer Ebene gelöst werden müssen, erfolgreich zu bewältigen. Der Bundesrat geht davon aus, daß er in die Beratungen der Regierungskonferenz rechtzeitig und umfassend einbezogen wird. 23. Erweiterung der Gemeinschaft Der Bundesrat befürwortet die zügige Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit allen Staaten der EFTA, die die Mitgliedschaft der Europäischen Gemeinschaft beantragt haben. Er sieht in ihrer Aufnahme eine politische und wirtschaftliche Stärkung der Gemeinschaft und ist der Auffassung, daß diese Staaten auf Grund ihres wirtschaftlichen Standes kurzfristig integriert werden können. Gleichzeitig wird sich jedoch eine institutionelle Reform der Gemeinschaft zur Sicherung ihrer Handlungsfähigkeit als notwendig erweisen. Der Bundesrat bekennt sich zur besonderen Verantwortung der Gemeinschaft für die politische und wirtschaftliche Umgestaltung in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Er vertritt die Auffassung, daß diese Herausforderung eine Konzentration der finanziellen und technischen Hilfe der Gemeinschaft im Rahmen ihrer außenpolitischen Aktivitäten erfordert. Diese Staaten sind in ihren Reformbemühungen durch eine enge institutionelle Anbindung an die Gemeinschaft mit der Perspektive eines späteren Beitritts zu unterstützen; die Assoziationsabkommen mit einem Teil dieser Staaten weisen in die richtige Richtung. 7. Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) 1. Der Bundesrat stellt fest, daß es in der jetzigen Situation vor allem darum geht, solide Fundamente der Wirtschaftskraft Deutschland zu sichern, damit auf dieser Basis der notwendige weitere Aufbau in den neuen Ländern ermöglicht werden kann. Unabgestimmte Kürzungsmaßnahmen des Bundes zu lasten wichtiger Bereiche in den westdeutschen Ländern sind deshalb nicht hinnehmbar. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993 11559* So ist z. B. die vorgesehene Einstellung der Bundesförderung für den Städtebau abzulehnen. Auch lassen die im Bundeshaushalt 1993 enthaltenen anteiligen Haushaltssperren für den Bundesanteil an der Gemeindeverkehrsfinanzierung und an der Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen" mit dem Ziel der Umschichtung die notwendige vorherige Abklärung mit den Ländern vermissen. Der Bundesrat erwartet, daß die — insbesondere auch bei den im Rahmen des geplanten Nachtragshaushalts des Bundes für 1993 — insoweit zu treffenden Entscheidungen mit den Ländern abgestimmt und einvernehmlich getragen werden. 2. Der Bundesrat stellt weiter fest, daß es angesichts der durch die gesamtwirtschaftliche Abschwächung bedingten Mehrbelastungen und Mindereinnahmen erforderlich war, im Bundeshaushalt alle Spar- und Umschichtungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um die Neuverschuldung zu begrenzen. Der Bundesrat bedauert allerdings, daß deshalb seine im Beschluß vom 25. 9. 1992 (Drucksache 470/92 — Beschluß) vorgetragenen Anliegen, insbesondere zugunsten besserer Dotierung für gesamtwirtschaftlich wichtige investive Bereiche und gemeinsam getragene Finanzierungen, nahezu völlig unberücksichtigt geblieben sind. Er erwartet weiterhin, daß im Rahmen der Planungen zu einem Nachtragshaushalt des Bundes für 1993 sowie in den folgenden Haushaltsjahren angemessene, den dringenden Erfordernissen entsprechende Änderungen, insbesondere für ein Infrastrukturprogramm zugunsten der neuen Länder, vorgenommen werden. 3. Die Länder sind im übrigen bereit, an der Ausgestaltung des von der Bundesregierung vorgeschlagenen „föderalen Konsolidierungsprogramms" mitzuwirken. Der Bundesrat erwartet in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung Vorschläge und Unterstützung für Maßnahmen, insbesondere durch Korrekturen bundesgesetzlich festgelegter Leistungsnormen, die zu deutlichen finanziellen Entlastungen der Länder und Kommunen beitragen. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 11. Januar 1993 in sinngemäßer Anwendung des § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Reichsbahn für das Geschäftsjahr 1992 einschließlich Anlagen mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1992 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Die Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 12/3754) zum Achten Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes zur Kenntnis genommen hat. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/3222 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/2677 EG-Ausschuß Drucksache 12/1366 Drucksache 12/1787 Drucksache 12/2024 Drucksache 12/2218 Drucksache 12/2386 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 12/3240 Nr. 3.3 Drucksache 12/3449 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/3407 Nrn. 3.3, 3.4 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 12/3240, Nrn. 3.17, 3.19-3.26, 3.28 Drucksache 12/3407 Nrn. 3.6, 3.8 Drucksache 12/3449 Nrn. 2.3-2.11 Drucksache 12/3584 Nrn. 3.7-3.12, 3.14 Drucksache 12/3654 Nrn. 2.5-2.8 Drucksache 12/3747 Nr. 2.1 Drucksache 12/3867 Nrn. 2.7, 2.8, 2.10-2.14 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/2774 Nrn. 2.31, 2.32 Drucksache 12/2867 Nr. 2.19 Drucksache 12/3182 Nr. 63 Drucksache 12/3449 Nr. 2.12 Drucksache 12/3654 Nr. 2.9 Drucksache 12/3867 Nrn. 2.16-2.22 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/3584 Nr. 3.18 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 12/2636 Nr. 2.18 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/3317 Nr. 2.4
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind mehr Menschen durch Kriege ums Leben gekommen als in diesem schrecklichen Weltkrieg selbst mit seinen furchtbaren Verlusten, und mit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist Krieg leider auch wieder mitten in Europa möglich geworden. Während wir heute morgen hier debattieren, wird ein paar hundert Kilometer von uns entfernt im ehemaligen Jugoslawien ein entsetzlicher Krieg geführt, ein Krieg, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wir alle sind Tag für Tag Zeugen, und niemand wird sagen können, er habe es nicht gewußt.
    Wir müssen darauf achten, daß dieser elende Krieg nicht auch noch schlechte Schule macht, denn Möglichkeiten für weitere gewalttätige Konflikte gibt es zuhauf, überall, wo der totalitäre Sozialismus das friedliche, freiheitliche, föderale Aufarbeiten von Volksgruppen-, Minderheiten- und religiösen Konflikten verhindert hat. Solche Konflikte können leicht zu neuen diktatorischen Strukturen führen, und solche Diktaturen könnten leicht versucht sein, durch Aggression nach außen von ihrer Unfähigkeit abzulenken, innere Probleme zu lösen. Das war in der
    Geschichte schon oft so. Die Waffenarsenale, auch die nuklearen, sind dafür in der Erbmasse des ehemaligen Sowjetreiches immer noch in überreichem Maße vorhanden.
    So bleibt der Friede gefährdet, und der Friede ist zumindest in Europa unteilbar. Das, meine Damen und Herren, heißt, daß auch in Zukunft jeder, der zur Durchsetzung politischer Ziele militärische Mittel anwenden möchte, überzeugt werden muß, daß das nicht lohnt, weil er, wenn er es tun würde, auf den entschiedenen und überlegenen Widerstand der zivilisierten Völkergemeinschaft stoßen würde. Das ist der Weg, den Frieden zu sichern. Wenn Sie so wollen, ist es eine Abschreckungsstrategie oder eine Strategie der „dissuasion" — der französische Begriff der Entmutigung beschreibt eigentlich besser, was wir wollen und meinen —, und diese Strategie ist bezogen auf unsere nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes so multipolar gewordenen Friedensgefährdungen.
    Weil der Friede unteilbar ist, geht es bei dem, worüber wir debattieren, auch um unsere eigene Sicherheit. Weil es um unsere eigene Sicherheit geht, müssen wir uns daran mit gleichen Rechten und Pflichten beteiligen. Denn Friedenssicherung heißt — heute vielleicht mehr denn je — Bündnisfähigkeit. So hat sich immer der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr definiert.
    Genauso müssen wir übrigens die Bemühungen der Vereinten Nationen unterstützen und fördern, Frieden zu wahren und Frieden zu schaffen, auch wenn wir von einem Gewaltmonopol der Vereinten Nationen noch weit entfernt sind, von dem ja im übrigen auch die Charta der Vereinten Nationen ausdrücklich nicht ausgeht.
    Aber selbst wenn wir davon noch weit entfernt sind, sollten wir uns doch wenigstens an dem beteiligen, was die Vereinten Nationen heute und morgen zur Friedenswahrung und zur Konfliktbewältigung leisten und leisten könnten, und wir müssen uns daran mit gleichen Rechten und Pflichten beteiligen. Es wird jedenfalls auch in Zukunft Frieden und Freiheit nicht zum Nulltarif geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nachdem wir Einheit und volle Souveränität für unser Deutschland wiedererlangt haben, erwarten



    Dr. Wolfgang Schäuble
    eben Europa und die Weltgemeinschaft von uns, daß wir unseren Beitrag zur Friedenssicherung — wie alle anderen — nicht verweigern. Wir haben über 40 Jahre lang letztlich ganz gut damit gelebt, daß für Krieg und Frieden andere zuständig waren, über die wir uns notfalls noch entrüsten und gegen die wir notfalls noch demonstrieren konnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber damit ist es jetzt vorbei. Deshalb müssen wir jetzt die Voraussetzungen schaffen, daß sich auch unsere Bundeswehr an kollektiven Maßnahmen zur Sicherung des Friedens beteiligen kann.
    Verfassungsrechtlich ist das nach unserer Überzeugung und nach der ganz überwiegenden Meinung der Rechtswissenschaft durch Art. 24 unseres Grundgesetzes schon heute hinreichend geregelt und geklärt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber wir haben immer gesagt, und alle Bundesregierungen haben es über Jahrzehnte gesagt, daß wir vor einer Entscheidung über einen Einsatz der Bundeswehr eine Klarstellung für wünschenswert halten, weil man in einer solchen Lage nicht über die rechtlichen Grundlagen streiten soll.
    Deswegen hat die Koalition den Sozialdemokraten Gespräche über eine klarstellende Verfassungsänderung angeboten, um die verfassungsrechtlichen Fragen außer Streit zu stellen. Wir lassen uns dabei auch von der Überzeugung leiten, daß wir besser in Bonn entscheiden, als den Streit nach Karlsruhe zu verlagern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich sage noch einmal: Das hat nichts mit unserer ganz festen Überzeugung zu tun, daß die verfassungsrechtliche Lage heute klar ist, aber wir wollen es außer Streit stellen. Deswegen sind wir bereit und bieten eine Verfassungsergänzung zur Klarstellung dessen an, was — gegen unsere Überzeugung — bestritten ist.
    Die Sozialdemokraten haben auf unser Angebot und unsere Einladung zu Gesprächen gesagt, die Koalition möge doch eine Initiative im Bundestag einbringen. Sie haben das zur Vorbedingung für Gespräche gemacht, und wir sind dieser Bitte unverzüglich nachgekommen und legen Ihnen eine Initiative zur Ergänzung des Grundgesetzes vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Lachen bei der SPD)

    — Ich finde überhaupt nicht, daß das zum Lachen ist. Ich halte das nicht für einen Anlaß, aus dem wir die üblichen parteitaktischen Spielereien betreiben sollten.

    (Günter Verheugen [SPD]: Was machen Sie denn gerade?)

    Wir haben Sie um Gespräche gebeten. Wir sind uns alle einig, daß wir die Entscheidung nicht Karlsruhe zuschieben, sondern selbst entscheiden. Wir haben Ihnen Gespräche vorgeschlagen, wir beharren darauf. Wir sind keine Prinzipienreiter und keine Rechthaber. Wir sagen: Bitte sehr, wir wollen uns über eine
    verfassungsergänzende Klarstellung einigen. Als wir Sie zu Gesprächen eingeladen haben, haben Sie gesagt, wir als Koalition mögen eine Initiative im Bundestag einbringen. Wir haben gesagt: Wenn das der Weg zu Gesprächen ist, machen wir es. Das haben wir am Mittwoch beschlossen und gesagt, weil es eilig sei, wollten wir gleich heute die erste Lesung machen. Das ist der Tatbestand.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nun denke ich, daß Sie die Gespräche und die Beratungen auch nicht verweigern, sondern daß wir uns so rasch wie möglich um eine gemeinsame Lösung bemühen.
    Mit unserem Vorschlag zur Ergänzung des Art. 24 wollen wir klarstellen, daß unbeschadet des Art. 87 a des Grundgesetzes die Streitkräfte des Bundes auch bei friedenserhaltenden und bei friedensherstellenden Maßnahmen auf Grund entsprechender Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eingesetzt werden können — und darüber hinaus auch in Ausübung des Rechts zur kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen festgelegt ist. Kollektive Selbstverteidigung heißt in der Sprache der Charta der Vereinten Nationen, daß jedes Mitglied der Vereinten Nationen einem anderen angegriffenen Mitglied auf dessen Bitte hin zu Hilfe kommen kann, bis der Sicherheitsrat, dem solche Maßnahmen sofort anzuzeigen sind, die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.
    Wir schlagen vor, daß wir darüber hinaus einschränkend festlegen, daß wir eine solche Maßnahme niemals allein, sondern immer nur gemeinsam mit anderen Staaten, mit denen wir verbündet sind, treffen dürfen. Wir wollen damit auch ausdrücken, daß wir den Frieden durch unsere Einbindung in Bündnisse sicher halten wollen, wozu allerdings auch gehört, daß wir unsere Pflichten in diesen Bündnissen entsprechend mit übernehmen.
    Ich denke, die Sozialdemokraten sollten unseren Vorschlag nicht ablehnen. Sie sollten ihn klug bedenken, und Sie werden finden, daß Sie keinen tragfähigen Grund zur Ablehnung haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

    Die Beschränkung auf Blauhelmeinsätze, wie sie von manchen von Ihnen vertreten wird, macht ja schon lange keinen Sinn mehr. Das wissen Sie ja. Die Trennung von Blauhelm- und anderen Einsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen ist durch die tatsächliche Entwicklung doch längst überholt und obsolet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das hat auch Ihr Vorsitzender, der Kollege Klose, in diesen Tagen wieder ausdrücklich bestätigt.
    Derartige Abgrenzungen sind im übrigen nicht nur eher akademisch, sondern vermitteln auch noch den falschen Eindruck, als wären Blauhelmeinsätze der Vereinten Nationen eher etwas Harmloses und Ungefährliches. Das ist schließlich etwa angesichts der



    Dr. Wolfgang Schäuble
    Blauhelmaktion in Bosnien-Herzegowina reichlich unverantwortlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zuruf von der CDU/CSU: Überall auf der Welt!)

    In einer Bürgerkriegssituation wie in Somalia ist es eben mit der bloßen Anwesenheit fremder Truppen auch nicht getan, sondern ein solcher Einsatz hilft den Menschen nur, wenn man die Menschen auch vor Gewalt schützt und Gewalt bekämpft.
    Also noch einmal: Die Trennung, die Differenzierung zwischen Blauhelm- und anderen Einsätzen der Vereinten Nationen, wie sie von manchen in der Sozialdemokratie noch vertreten wird, ist kein tragfähiger Ansatz für eine Lösung der politischen Probleme.
    UNO-Generalsekretär Boutros Ghali, der uns in dieser Woche in Bonn besucht hat, hat öffentlich an uns Deutsche appelliert, unsere Pflichten aus der Charta der Vereinten Nationen einschließlich militärischer Einsätze vollständig wahrzunehmen. Er hat dabei ganz ausdrücklich auch friedenserzwingende Maßnahmen angesprochen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion hat danach erklärt, man müsse über diese Wünsche von Boutros Ghali neu reden. Er hat im übrigen auch darauf hingewiesen, daß Präsident und Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt und Boutros Ghali, in dieser Frage seinerzeit einer Meinung gewesen seien.
    Deswegen denke ich, daß die Sozialdemokraten dies alles als Chance zum Umdenken nutzen sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Noch einmal: Die Trennung zwischen Blauhelm- und anderen Einsätzen macht keinen Sinn, und Sie wissen das.
    Dann bleibt der Punkt mit dem Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung. Ich finde, Sie können unserem Vorschlag schon deshalb zustimmen, weil wir solche Einsätze an die Voraussetzung der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages im Einzelfall binden wollen. Das heißt, wir wollen solche Entscheidungen immer nur im Einvernehmen mit der großen Oppositionsfraktion treffen. Deswegen haben Sie eigentlich wenig überzeugende Argumente, auch insoweit unseren Vorschlag abzulehnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Sache ist viel zu wichtig, meine Damen und Herren, als daß wir sie zu parteitaktischen Spielereien mißbrauchen dürften.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben überhaupt keinen Grund, irgend etwas zu reklamieren, weil wir genau das gemacht haben, worum Sie gebeten haben.

    (Zuruf von der SPD)

    — Wir fangen jetzt mit den Beratungen an. Sie werden Ihre Argumente darlegen. Ich lege gerade die unseren dar.
    Es geht um die Handlungsfähigkeit, um die Bündnisfähigkeit, es geht um die Friedensfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Da darf sich keiner verweigern. Im übrigen haben unsere Soldaten Anspruch auf Klarheit, auf Solidarität und auf Konsens aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir alle gemeinsam wollen die Vereinten Nationen stärken. Deshalb sind Entscheidungen ohne Beschlüsse des Sicherheitsrates nicht das, was wir als Regelfall anstreben, ganz im Gegenteil. Aber uns durch eine Verfassungsänderung darauf einzuschränken, das würde gegen unsere Bündnisverpflichtungen verstoßen, und es würde uns international und europäisch isolieren. Sie wissen, daß wir Verpflichtungen eingegangen sind, uns an friedensherstellenden Maßnahmen auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen zu beteiligen. Deswegen dürfen wir jetzt nicht unsere Verfassung ändern und diese Möglichkeit ausschließen.
    Aber indem wir sagen, wir wollen jede Entscheidung im Einzelfall nur mit der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages treffen, kann eine Entscheidung gegen Ihre Stimmen nicht getroffen werden. Ohne den notwendigen Konsens der politischen Kräfte wollen wir solche Entscheidungen nicht treffen.
    Weil wir uns international und europäisch nicht isolieren dürfen, kann sich auch niemand verweigern, und niemand kann verantworten, sich einer Zustimmung zu dieser klarstellenden Initiative zu verweigern, auch nicht im Respekt vor den Beschlüssen Ihres Parteitages.
    Die Verläßlichkeit und Berechenbarkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Sicherung von Frieden und Freiheit ist entscheidend wichtig. Weil das so ist, will ich ausdrücklich betonen, daß durch die von uns vorgeschlagenen Formulierungen die Voraussetzungen für den Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung des NATO- und WEU-Gebietes gegenüber der geltenden Rechtslage nicht verändert werden sollen und dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Noch einmal: Die Sache, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist wichtig, und sie ist eilbedürftig. Wir wissen, daß sich die Bundesrepublik Deutschland sehr schnell unter weitergehende Entscheidungszwänge gestellt sehen kann. Je schneller und je klarer wir die politischen und rechtlichen Fragen außer Streit stellen, um so besser dienen wir dem Frieden.
    Niemand, keiner von uns will Soldaten der Bundeswehr leichten Herzens in gefährliche Einsätze entsenden, und niemand verfügt leichtfertig über Leben und Gesundheit unserer Soldaten. Es gehört auch zum Ernst dieser Debatte, daß wir uns darüber einig sind und uns das nicht gegenseitig absprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    11466 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 132. Sitzurig. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1993
    Dr. Wolfgang Schäuble
    Aber zur Wahrheit gehört auch, daß der Friede gefährdet bleibt und daß er auch unteilbar bleibt. Je mehr sich die Gemeinschaft der Europäer und die zivilisierte Weltgemeinschaft für den Frieden engagieren und je besser und klarer wir dazu unseren Beitrag leisten, um so besser sind die Chancen, den Frieden zu wahren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das ist der Auftrag unserer Bundeswehr, dafür leisten unsere Soldaten ihren Dienst, und dafür müssen wir verantwortlich handeln.
    Wir stehen heute vor großen Herausforderungen und Gefahren. Aber wenn wir entschlossen und mutig handeln, können wir sie meistern. Wir haben große Chancen, aber sie werden uns nicht geschenkt.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Abgeordnete Karsten Voigt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karsten D. Voigt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach mehr als einem Jahr einer zermürbenden Kontroverse innerhalb der Regierungskoalition haben Sie heute endlich einen gemeinsamen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt. Damit hatten Sie prinzipiell den Standpunkt der SPD akzeptiert, daß das Grundgesetz einer Änderung bedarf, bevor sich die Bundeswehr an Einsätzen über ihren bisherigen begrenzten Auftrag hinaus beteiligen darf.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Allerdings muß ich feststellen, daß nach dem Beitrag von Herrn Schäuble meine Hoffnung zerstoben ist, daß Sie zumindest in diesem Punkt zu dem verfassungspolitischen Konsens aller bisherigen Bundesregierungen zurückgekehrt sind.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das ist ja wohl ein Irrtum!)

    Seit nun fast einem Jahr liegt dem Bundestag ein Vorschlag der SPD zugunsten von friedenserhaltenden Blauhelmeinsätzen der Bundeswehr vor. Wäre dieser Vorschlag von Ihnen akzeptiert worden oder zumindest konstruktiv aufgegriffen worden,

    (Dr. Renate Hellwig [CDU/CSU]: Er ist verbessert worden!)

    dann könnten sich Einheiten der Bundeswehr heute auf einer rechtlich eindeutigen und verfassungsrechtlich nicht umstrittenen Basis an allen Einsätzen beteiligen, die der Generalsekretär Boutros Ghali von Deutschland in Somalia wünscht — ohne irgendeine Ausnahme.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Es ist und bleibt Ihre Schuld, daß die Klärung bis zum heutigen Tag verweigert wurde. Ihr Vorschlag heute bringt uns einem parlamentarischen Kompromiß nicht einen einzigen Millimeter näher. Im Gegenteil: Sein einziges Verdienst ist es, endgültig klarzustellen, daß unsere Auffassungen über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr und damit letzten Endes über Grundfragen der Außen- und Sicherheitspolitik des vereinigten Deutschland zur Zeit unvereinbar sind.
    Unsere Unterschiede beschränken sich nicht auf Einzelheiten, die sich durch eine parlamentarische Beratung in einzelnen Ausschüssen des Bundestages überbrücken ließen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    Wenn Sie nicht bereit sind, Ihren Vorschlag nicht nur im Detail, sondern grundsätzlich zu revidieren, wird sich im Bundestag für diesen Vorschlag keine Zweidrittelmehrheit finden. Der Vorschlag wird Makulatur bleiben und, historisch gesehen, im Papierkorb landen.

    (Beifall bei der SPD — Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Sie reden doch dummes Zeug!)

    Erstens. Wir lehnen Ihren Vorschlag nicht deshalb ab, weil wir der heutigen Bundesregierung oder unseren europäischen und atlantischen Partnern weniger als der UNO trauten, sondern deshalb, weil wir es in einer Zeit, in der politisch und völkerrechtlich die Tendenz, die UNO zur zentralen Friedensinstanz mit Interventionsmonopol zu machen, vorherrscht, für ein historisch rückschrittliches Signal halten, wenn Sie das Grundgesetz mit dem Ziel militärischer Interventionen auch außerhalb von Sicherheitsratsentscheidungen verändern, also dafür öffnen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweitens. Wir lehnen diesen Vorschlag ab, weil damit ein Schritt in eine vorrangig von den Interessen der Industriestaaten bestimmte vermachtete Interventionspolitik gegangen wird

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein böser Ausdruck!)

    und selbst bei heute besten Absichten der Bundesregierung künftiger Mißbrauch keineswegs ausgeschlossen bleibt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Karl Lamers [CDU/CSU]: Sie haben Angst vor sich selber!)

    Ihr Entwurf bedeutet im Extremfall eben auch, daß Deutschland im Zweier- oder Dreierbündnis mit Großbritannien oder Frankreich oder mit der gesamten Westeuropäischen Union in Afrika oder im Nahen Osten kämpfen könnte — und das ohne eine vorhergehende Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates

    (Zurufe von der CDU/CSU: Falsch!)

    und immer dann, wenn uns irgendeine Regierung in Afrika oder im Nahen Osten um Beistand bittet.

    (Günter Verheugen [SPD]: Das ist noch nicht einmal nötig!)

    Eine gegenteilige Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates können die westlichen Mitglieder des Sicherheitsrates dann immer blockieren. Insofern hilft dieser Hinweis überhaupt nichts. Eine derartige Pra-



    Karsten D. Voigt (Frankfurt)

    xis würde tatsächlich zu einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik führen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Konrad Weiß [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Das wäre eine verhängnisvolle Weichenstellung, weg von unserem Ziel einer deutschen Friedensmacht in Richtung auf eine militärische Interventionsmacht.
    Ein falsches Konzept wird nicht dadurch annehmbarer, daß es im Einzelfall einer Zweidrittelmehrheit bedarf, um ein falsches Konzept zu verwirklichen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wenn Sie sich in Ziffer 3 Ihres Entwurfes darauf beschränkt hätten, den Bündnisfall ausdrücklich an eine Zweidrittelmehrheit zu binden, dann hätte diese Ziffer unsere Zustimmung finden können.

    (Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Dann wären wir ja vertragsbrüchig!)

    Statt dessen aber versteckt sich in dieser Ziffer hinter verklausulierten Formulierungen das ganze Ausmaß einer wieder einmal umgefallenen F.D.P.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen]: [F.D.P.]: Das glauben noch nicht einmal mehr Ihre roten Haudegen!)

    Die unausgegorenen Formulierungen Ihres Entwurfes führen übrigens dazu, daß der Bundetag künftig eine Zweidrittelmehrheit braucht, um Frankreich beizustehen, wenn es angegriffen wird,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Falsch!)

    aber daß es nach Ziffer 2 Ihres Entwurfes nur einer einfachen Mehrheit des Bundestages bedarf, wenn deutsche Soldaten zur Verteidigung des Kuwait am Golf kämpfen sollen.

    (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Sie übertünchen Ihre Unsicherheit!)

    Damit haben weltweite Interventionsabsichten für die Koalitionsparteien offensichtlich Vorrang vor Bündnisverpflichtungen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Das ist absurd und völlig inakzeptabel. Zugleich ist es bezeichnend für den bei der Mehrheit der Koalition gegenwärtig vorherrschenden Trend einer konzeptionellen Neuorientierung der deutschen Außenpolitik.
    Der Entwurf ist mit derart heißer Nadel gestrickt worden, daß trotz der Befassung zweier Ministerien und ausgewiesener Fraktionsexperten ein Vorschlag erarbeitet worden ist, der im Zeitpunkt der Veröffentlichung von Professor Scholz am liebsten wieder eingestampft worden wäre. Dieser Vorfall wirft allerdings nicht nur ein Licht auf die Arbeitsweise der Bundesregierung; er macht auch deutlich: Gerade im Umgang mit der Verfassung sind Sorgfalt und Ruhe wichtig.

    (Karl Lamers [CDU/CSU]: Reden Sie einmal zur Sache!)

    Ein Jahr lang waren die Bundesregierung und die
    Koalitionsfraktionen handlungs- und entscheidungsunfähig. Jetzt sind ihre Vorlagen Ausdruck nicht nur von Hektik, sondern auch von Schlampigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie uns bei allem grundsätzlichen und heute durch keinen Kompromiß zu überbrückenden Streit über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr ohne Preisgabe unserer unterschiedlichen Rechtsauffassungen darüber nachdenken, was das Grundgesetz bereits heute zuläßt

    (Beifall des Abg. Günter Rixe [SPD] — Dr. Renate Hellwig [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Rechtsauffassung?)

    und was wir im Grundgesetz gemeinsam verankern könnten! Lassen Sie uns jetzt jenseits des Streites über Rechtsauffassungen in dem einen Punkt, in dem wir einer Meinung sind, nämlich der Beteiligung der Bundeswehr an friedenserhaltenden Blauhelmeinsätzen, eine Einigung finden, die die sonstigen unterschiedlichen politischen Konzeptionen und Rechtsauffassungen nicht berührt! Ich sage dies noch einmal: Wir brauchen in diesem Punkt einen Konsens, der verfassungsrechtlich Klarheit schafft und sonst keine der unterschiedlichen Auffassungen in irgendeiner Form rechtlich beeinträchtigt.
    Wenn Sie dieses Angebot zur Güte, das ich im Interesse der Handlungsfähigkeit der deutschen Außenpolitik mache, ausschlagen, dann sehe ich keine Möglichkeit für einen parlamentarischen Kompromiß in dieser Legislaturperiode. Es blieben dann nur noch zwei gleichermaßen schlechte Alternativen: Entweder die Bundeswehr beteiligt sich auch weiterhin nicht einmal an friedenserhaltenden Maßnahmen — obwohl auch wir Sozialdemokraten dies nicht nur unterstützen, sondern geradezu darauf drängen, weil wir Boutros Ghali mit seinen Reformabsichten im Rahmen der Vereinten Nationen unterstützen wollen —, oder Sie handeln im Verfassungsstreit gegen uns. Das ist gleichermaßen schlecht und wäre nur möglich, wenn die F.D.P., die unter Bundesaußenminister Genscher stolz darauf war, Urheber unserer Verfassungsinterpretation zu sein, erneut umfiele. Dies halte ich nicht für unwahrscheinlich — eher für wahrscheinlich —, wenn auch aus unserer Sicht für nicht wünschenswert. Dies muß die F.D.P. aber letzten Endes selber entscheiden. Ein Umfallen würde uns nicht überraschen; aber dies würde bedeuten, daß Bundeswehrsoldaten auf verfassungsmäßig strittiger Grundlage in weltweite Einsätze verstrickt würden. Das müßte dazu führen, daß wir in einem solchen Fall — denn wir werden nicht umfallen —

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Pfeifen im Walde!)

    zur Klärung der rechtlichen Grundlagen vor das Verfassungsgericht gehen müßten.
    Unser Kompromißvorschlag macht uns für 95 % aller denkbaren UNO-Missionen sofort handlungsfähig. Ich appelliere an Sie: Gehen Sie auf diesen Kompromißvorschlag ein, damit wir diese politische Frage hier im Bundestag entscheiden können und die rechtliche Klärung nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen müssen! Darüber hinaus sage ich Ihnen: Wenn wir uns auf Blauhelmeinsätze einigen, und zwar im ganzen Spektrum der Blauhelmeinsätze



    Karsten D. Voigt (Frankfurt)

    — dieser Begriff hat sich ja weiterentwickelt —, dann werden wir Erfahrungen sammeln, und die internationale Völkergemeinschaft wird mit uns Erfahrungen sammeln. Dieses langsame Herangehen an eine neue internationale Verantwortung wird in Wirklichkeit auch von denen begrüßt, die uns jetzt drängen, auch bei Militäreinsätzen sofort mitzumachen.
    Wenn Deutschland Ihrem Ratschlag gefolgt wäre und sofort beim Golfkrieg mitgemacht hätte, wären ein Teil der Leute, die uns jetzt kritisieren, weil wir nicht mitgemacht haben, die ersten gewesen, die uns international wegen eines deutschen Militarismus kritisiert hätten. Auch das muß man bei der Umorientierung der deutschen Außenpolitik bedenken.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)