Rede:
ID1212601400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 5
    1. Es: 1
    2. spricht: 1
    3. jetzt: 1
    4. der: 1
    5. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/126 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: a) aa) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Drucksache 12/3334) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Andrea Lederer und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids über die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in einer Europäischen Union und die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages über eine Europäische Union (Europa-Abstimmungsgesetz) (Drucksachen 12/3353, 12/3895) bb) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht) " zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Wider den Rückfall in den Nationalismus — Für ein demokratisches Europa mit stabiler Währung zu dem Antrag der Gruppe der PDS/Linke Liste: Maastrichter Vertrag über die Europäische Union zu dem Antrag der Abgeordneten Gerd Poppe, Werner Schulz (Berlin), Dr. Wolfgang Ullmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stillstand führt zum Rückschritt — Hin zu einer demokratischen, ökologischen und sozialen Union Europa zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Europäischen Rat von Lissabon zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Folgen des in Dänemark durchgeführten Referendums über den Vertrag vom 7. Februar 1992 (Drucksachen 12/3366, 12/3322, 12/3367, 12/3129, 12/3004, 12/3895) b) — Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 12/3338) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Peter Kittelmann, Dr. Karl-Heinz Hornhues, Dr. Franz Möller, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Ulrich Irmer, Detlef Kleinert (Hannover), Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 12/3614) — Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Unterrichtung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 12/3609) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 — Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksachen 12/3540, 12/3896) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) (Drucksachen 12/3202, 12/3743) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz) (Drucksachen 12/3319, 12/3724, 12/3752, 12/3753) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Von der Einheitlichen Europäischen Akte zu der Zeit nach Maastricht Ausreichende Mittel für unsere ehrgeizigen Ziele (Drucksachen 12/3407 Nr. 3.1, 12/3449 [Berichtigung], 12/3664) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu der Mitteilung der Kommission „Von der Einheitlichen Europäischen Akte zu der Zeit nach Maastricht: Ausreichende Mittel für unsere ehrgeizigen Ziele" (Drucksachen 12/3003, 12/3666) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die öffentlichen Finanzen der Gemeinschaft in der Zeit bis 1997 (Drucksachen 12/3240 Nr. 3.4, 12/3665) h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Kommission über das System der Eigenmittel (Drucksachen 12/2774 Nr. 2.4, 12/3667) i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Entwurf des Vertrags über die Politische Union und die Wirtschafts- und Währungsunion (Drucksachen 12/1788, 12/3792) j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Beitrittsantrag Österreich — Stellungnahme der Kommission — (Drucksachen 12/1339 Nr. 2.1, 12/3397) k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung zur aktuellen Entwicklung in der Europapolitik (Drucksachen 12/3311, 12/3849) 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Erklärung der Bundesregierung zur aktuellen Entwicklung in der Europapolitik (Drucksachen 12/3310, 12/3850) m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des EG-Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Per- spektiven der europäischen Integration (Drucksachen 12/2813, 12/3851) n) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Europäischen Union und zur Ratifizierung des Vertrags von Maastricht (Drucksache 12/3602) Peter Kittelmann CDU/CSU 10811 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 10813 A Peter Kittelmann CDU/CSU 10816B Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . 10817 A Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 10819C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10821D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler BK , 10823D, 10851 A Günter Verheugen SPD 10831 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 10835 B Peter Conradi SPD . . . . . 10835D, 10864 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD , . , 10838A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 10839 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 10841 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . 10842 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 III Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 10845 C Dr. Helmut Haussmann F D P 10847 B Hans Eichel, Ministerpräsident des Landes Hessen 10848C, 10852D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . . 10849 C Dr. Thomas Goppel, Staatsminister des Freistaates Bayern 10853 B Peter Conradi SPD 10854 A Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10856A Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . 10856 C Karl Lamers CDU/CSU 10857 D Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . 10858C Ortwin Lowack fraktionslos . . . . . . 10859 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . 10861 C Dr. Fritz Gautier SPD 10862 B Ulrich Heinrich F D P 10863 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 10864D Dr. Franz Möller CDU/CSU 10866C Dr. Hermann Scheer SPD . . . . . . . 10868A Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 10869D Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD . . . 10870A Ludwig Stiegler SPD 10870B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 10872 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 10872D Jan Oostergetelo SPD 10873D Otto Schily SPD 10874 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 10875C Ulrike Mehl SPD 10877 B Namentliche Abstimmungen 10879A, D, 10882B Ergebnisse . 10880A, 10882C, 10885B, 10888C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . . 10884 D Tagesordnungspunkt 2: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze (Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz) (Drucksachen 12/3432, 12/3773, 12/3893, 12/3894) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Poß, Hans Gottfried Bernrath, Dr. Ulrich Böhme (Unna), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wirksame Investitionszulage für die neuen Bundesländer zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/12/ EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Drucksachen 12/3531, 12/3747 Nr. 2.2, 12/3893) Dankwart Buwitt CDU/CSU 10891A Gunter Weißgerber SPD 10892 C Hermann Rind F.D.P. . . . . . . . . . 10893 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 10894 D Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU , . 10895C Tagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts der Enquete-Kommission „Zukunft der älter werdenden Generation" zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Zukunftssicherung unserer älter werdenden Gesellschaft — Herausforderungen des demographischen Wandels" zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Michalk, Hans-Joachim Fuchtel, Dr. Joseph-Theodor Blank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Hans A. Engelhard, Dr. Eva Pohl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Chancen und Zukunftsperspektiven der älter werdenden Generation" (Drucksachen 12/2272, 12/3460, 12/3717) . . . . . . . . . . . . . . 10896 D Nächste Sitzung 10897 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10899' A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Fritz Gautier (SPD) als Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses zum EWR-Ausführungsgesetz (Tagesordnungspunkt 1 d) . 10899' D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Eckart Kuhlwein, Friedhelm Julius Beucher, Lieselotte Blunck, Edelgard Bulmahn, Ursula Burchardt, Hans Martin Bury, Dr. Eberhard Brecht, Marion Caspers-Merk, Wolf-Michael Catenhusen, Dr. Marliese Dobberthien, Dr. Peter Eckardt, IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 Dr. Konrad Elmer, Monika Ganseforth, Michael Habermann, Reinhold Hiller (Lübeck), Susanne Kastner, Karl-Heinz Klejdzinski, Horst Kubatschka, Dr. Klaus Kübler, Detlev von Larcher, Klaus Lennartz, Ulrike Mascher, Christoph Matschie, Jutta Müller (Völklingen), Michael Müller (Düsseldorf), Renate Rennebach, Gudrun Schaich-Walch, Horst Schmidbauer (Nürnberg), Dr. Werner R. Schuster, Dietmar Schütz, Ernst Schwanhold, Antje-Marie Steen, Uta Titze, Ralf Walter (Cochem), Dr. Margrit Wetzel, Barbara Weiler, Reinhard Weis (Stendal), Uta Zapf, Siegmar Mosdorf (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) 10899* D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Günther Heyenn, Ottmar Schreiner, Ulrike Mascher, Renate Jäger, Adolf Ostertag, Renate Rennebach, Barbara Weiler, Ursula Burchardt, Hildegard Wester, Hans-Eberhard Urbaniak, Antje-Marie Steen (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) 10900 A Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) Dr. Cornelia von Teichman SPD 10901' A Joachim Clemens CDU/CSU 10901' C Dr. Ruprecht Vondran CDU/CSU . . . 10902* A Dr. Uwe Jens SPD 10902* C Dr. Liesel Hartenstein SPD 10903' B Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 10904' B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 10904* D Wolfgang Schulhoff CDU/CSU 10905' B Dr. Peter Paziorek CDU/CSU 10907' A Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 10907' C Renate Schmidt (Nürnberg) SPD . . . 10908* C Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 10908' D Anlage 6 Amtliche Mitteilungen 10909* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10809 126. Sitzung Bonn, den 2. Dezember 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bi einschließlich Antretter, Robert SPD 02. 12. 92 * Barbe, Angelika SPD 02. 12. 92 Bartsch, Holger SPD 02. 12. 92 Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 02. 12. 92 Bayha, Richard CDU/CSU 02. 12. 92 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 02. 12. 92 Wilfried Dr. von Bülow, Andreas SPD 02. 12. 92 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 02. 12. 92 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 02. 12. 92 Peter Harry Daubertshäuser, Klaus SPD 02. 12. 92 Dr. Dobberthien, SPD 02. 12. 92 Marliese Erler, Gernot SPD 02. 12. 92 Eylmann, Horst CDU/CSU 02. 12. 92 Falk, Ilse CDU/CSU 02. 12. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 02. 12. 92 ' Formanski, Norbert SPD 02. 12. 92 Funke, Rainer F.D.P. 02. 12. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 02. 12. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 02. 12. 92 Dr. Glotz, Peter SPD 02. 12. 92 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 02. 12. 92 Grünbeck, Josef F.D.P. 02. 12. 92 Dr. Grünewald, Joachim CDU/CSU 02. 12. 92 Dr. Gysi, Gregor PDS/LL 13. 11. 92 Hämmerle, Gerlinde SPD 02. 12. 92 Hampel, Manfred Eugen SPD 02. 12. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 02. 12. 92 Homburger, Birgit F.D.P. 02. 12. 92 Dr. Janzen, Ulrich SPD 02. 12. 92 Köhler (Hainspitz), CDU/CSU 02. 12. 92 Hans-Ulrich Dr. Kolb, Heinrich F.D.P. 02. 12. 92 Leonhard Kolbe, Manfred CDU/CSU 02. 12. 92 Koschnick, Hans SPD 02. 12. 92 Kuessner, Hinrich SPD 02. 12. 92 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 02. 12. 92 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 02. 12. 92 Lenzer, Christian CDU/CSU 02. 12. 92 Marten, Günter CDU/CSU 02. 12. 92 * Marx, Dorle SPD 02. 12. 92 Dr. Matterne, Dietmar SPD 02. 12. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 02. 12. 92 * Müller (Zittau), Christian SPD 02. 12. 92 Nolting, F.D.P. 02. 12. 92 Günther-Friedrich Oesinghaus, Günther SPD 02. 12. 92 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 02. 12. 92 Pfuhl, Albert SPD 02. 12. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Purps, Rudolf SPD 02. 12. 92 Rempe, Walter SPD 02. 12. 92 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 02. 12. 92 Ingrid von Schmude, Michael CDU/CSU 02. 12. 92 * Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 02. 12. 92 Dr. Schumann PDS/LL 02. 12. 92 (Kroppenstedt), Fritz Schuster, Hans Paul F.D.P. 02. 12. 92 Hermann Dr. Seifert, Ilja PDS/LL 02. 12. 92 Dr. Soell, Hartmut SPD 02. 12. 92 ' Dr. Sonntag-Wolgast, SPD 02. 12. 92 Comelie Steiner, Heinz-Alfred SPD 02. 12. 92 * Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 02. 12. 92 Vosen, Josef SPD 02. 12. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 02. 12. 92 Helmut Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 02. 12. 92 Zierer, Benno CDU/CSU 02. 12. 92 * Dr. Zöpel, Christoph SPD 02. 12. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Fritz Gautier (SPD) als Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses zum EWR-Ausführungsgesetz (Tagesordnungspunkt 1 d) *) Als Berichterstatter des federführenden Wirtschaftsausschusses zum EWR-Ausführungsgesetz bitte ich für den Ausschuß die Bundesregierung, so bald wie möglich dem Bundestag einen Bericht zu erstatten, ob die Vorschriften des Art. 76 EWRAusführungsgesetzes praktikabel sind oder ob es nicht sinnvoller wäre, anstelle des gespaltenen Marktes für Einzelfuttermittel zu einheitlichen Vorschriften für alle Verwendungsbereiche zu kommen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Eckart Kuhlwein, Friedhelm Julius Beùcher, Lieselotte Blunck, Edelgard Bulmahn, Ursula Burchardt, Hans Martin Bury, Dr. Eberhard Brecht, Marion Caspers-Merk, Wolf-Michael Catenhusen, Dr. Marliese Dobberthien, Dr. Peter Eckardt, Dr. Konrad Elmer, Monika Ganseforth, *) Vgl. Seite 10863C 10900* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 Michael Habermann, Reinhold Hiller (Lübeck), Susanne Kastner, Karl-Heinz Klejdzinski, Horst Kubatschka, Dr. Klaus Kübler, Detlev von Larcher, Klaus Lennartz, Ulrike Mascher, Christoph Matschie, Jutta Müller (Völklingen), Michael Müller (Düsseldorf), Renate Rennebach, Gudrun Schaich-Walch, Horst Schmidbauer (Nürnberg), Dr. R. Werner Schuster, Dietmar Schütz, Ernst Schwanhold, Antje-Marie Steen, Uta Titze, Ralf Walter (Cochem), Dr. Margrit Wetzel, Barbara Weiler, Reinhard Weis (Stendal), Uta Zapf, Sigmar Mosdorf (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) Wir machen uns die Rede der Abgeordneten Ulrike Mehl ) (SPD) als Erklärung zur Abstimmung zu eigen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Günther Heyenn, Ottmar Schreiner, Ulrike Mascher, Renate Jäger, Adolf Ostertag, Renate Rennebach, Barbara Weiler, Ursula Burchardt, Hildegard Wester, Hans-Eberhard Urbaniak, Antje-Marie Steen (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) **) Die Fraktion der SPD hat zu Beginn der Beratungen des Vertrags von Maastricht festgestellt, die Europäische Union dürfe nicht an Deutschland und werde nicht an der SPD scheitern. Diese Festlegung hat unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland besondere Bedeutung gewonnen. Es darf keinen Rückfall der Politik in den Nationalismus geben und nicht denen Vorschub geleistet werden, die die notwendige Debatte um den Vertrag von Maastricht für die Verbreitung von rechtsradikalem Gedankengut mißbrauchen. Wir stimmen daher aus grundsätzlichen innen- und außenpolitischen Gründen dem Vertrag zu. Dies bedeutet allerdings nicht, daß der Vertrag von Maastricht trotz Fortschritten in vielen Bereichen alle Fragen im Zusammenhang mit der weiteren europäischen Integration zufriedenstellend regelt. Dazu gehören nach unserer Auffassung insbesondere die unzureichende Verankerung der sozialen Dimension der Gemeinschaft und die weiterhin völlig ungenügenden parlamentarischen Befugnisse des Europäischen Parlaments. Der bisherige europäische Integrationsprozeß bis hin zur Herstellung des Europäischen Binnenmarktes ist in ganz entscheidendem Maße von ökonomischen Interessen und Zielsetzungen dominiert worden. *) Vgl. Seite 10877B **) Vgl. Seite 10878D Obwohl bereits die Römischen Verträge die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet hatten, auf eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte hinzuwirken und dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, blieb der Sozialpolitik in der Gemeinschaft — bei allen unbestreitbaren Einzelerfolgen — eine eigenständige, wirklich bestimmende Rolle versagt. Bezeichnenderweise enthielt das Weißbuch der Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes keinen sozialpolitischen Teil. Auch wenn die Verabschiedung der Charta der sozialen Grundrechte 1989 durch den Rat einen ersten Schritt zur Stärkung der sozialen Dimension darstellte und als Aufforderung für ein Aktionsprogramm zur konkreten Umsetzung der in dieser Charta definierten Rechte anzusehen war, sind — sieht man von wirklich bedeutenden Fortschritten beim Gesundheitsschutz und bei der Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ab — entscheidende Durchbrüche bis heute ausgeblieben. Das Fehlen einer eindeutigen Rechtsgrundlage für eine gemeinsame Sozialpolitik und die bislang vorhandenen Möglichkeiten einzelner Mitgliedstaaten, die Verabschiedung von Richtlinien im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts zu blockieren, machten es geradezu zwingend, im Rahmen der Maastrichter Verträge für die Verwirklichung der sozialen Dimension neue Perspektiven zu eröffnen. Leider sind die Ergebnisse von Maastricht im sozialpolitischen Bereich völlig unbefriedigend. Wie schon so oft in der Geschichte der Europäischen Gemeinschaft blieb die Sozialpolitik zugunsten von Kompromissen in anderen Bereichen erneut auf der Strecke. Das als Kompromiß zustandegekommene Protokoll zur Sozialpolitik wird weder den Erfordernissen gerecht, noch ist akzeptabel, daß es nur von 11 Mitgliedstaaten paraphiert wurde. Gerade für Sozialpolitiker ist zudem enttäuschend, daß der Vertrag kaum Schritte zum Abbau des demokratischen Defizits auf europäischer Ebene beinhaltet. Dies trifft um so mehr, als es in der Vergangenheit vor allem das Europäische Parlament war, das sich der Interessen der Menschen in der Gemeinschaft in besonderer Weise angenommen und Kommission und Rat immer wieder gedrängt hat, endlich zugunsten der Verbesserung der sozialen Bedingungen und der Angleichung der Lebensverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft tätig zu werden. Daß nunmehr die weitere Übertragung nationaler parlamentarischer Befugnisse auf den Rat ohne einen adäquaten Zuwachs an europäischer parlamentarischer Kontrolle erfolgen soll, ist für uns nur schwer hinnehmbar. Unsere Zustimmung zu dem Vertrag verbinden wir daher mit der Aufforderung, in den weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene in Fragen der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Situation der Bürger in der Gemeinschaft auf rasche und sichtbare Fortschritte zu drängen. Vor allem ist sicherzustellen, daß von einem Binnenmarkt ohne Grenzen nicht nur die Wirtschaft profitiert, sondern auch die Arbeitnehmer und die Bürger der Mitgliedstaaten einen Nutzen haben. Zugleich muß alles unternommen werden, um die mit dem Ausscheiden Großbritanniens aus der gemeinschaftlichen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10901* Sozialpolitik eingeleitete Auseinanderentwicklung in diesem Bereich alsbald zu korrigieren. Die für alle Mitgliedstaaten geltenden wettbewerblichen Wirtschaftsbedingungen müssen durch eine für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindliche gemeinschaftliche Sozialpolitik flankiert werden. Es darf nicht hingenommen werden, daß einzelne Mitgliedstaaten in Zukunft soziale Mindeststandards haben werden, die unterhalb des verbindlichen Gemeinschaftsniveaus liegen. So unabdingbar für die Zukunft ein geeinigtes Europa auch ist, so unstrittig ist, daß es nur dann mit einer Akzeptanz und Identifikation der Menschen rechnen kann, wenn es außer von Gemeinsamkeiten in Wirtschafts-, Handels-, Währungs- und Finanzfragen von im alltäglichen Leben deutlich sichtbaren demokratischen und sozialen Konturen geprägt wird. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 fiber die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) *) Dr. Cornelia von Teichman (SPD): Die hier zur Abstimmung stehende Änderung des Grundgesetzes bildet die Voraussetzung für eine zeitgerechte Zustimmung des Bundesrates zum Ratifizierungsgesetz des Maastrichter Vertragswerkes. Um diese Ratifizierung nicht zu gefährden, stimme ich der Grundgesetzänderung trotz schwerer Bedenken zu. Ich möchte die Bedenken hier wie folgt festhalten: Bei dem Art. 23 GG geht es um tiefe Eingriffe in das bundesstaatliche Gefüge, die das bisher so gelungene verfassungsrechtliche Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern dauerhaft zugunsten der Länder zu verschieben drohen. Die europäische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik wird dadurch erheblich beeinträchtigt, aber die Auswirkungen reichen weit über die Europapolitik hinaus. Letztlich besteht hier die Gefahr, daß sich die Bundesrepublik vom Bundesstaat zum Staatenbund entwickelt. Als besonders fragwürdig empfinde ich den Umstand, daß der Bundestag den geplanten „Ausschuß für die europäische Union" (Art. 45 neu), „ermächtigen" (!) kann, seine Rechte gem. Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Hier entmachtet sich das Parlament selbst zugunsten eines exklusiven Klubs von Insidern — gewiß keine Maßnahme, die der ständig im Munde geführten Bürgernähe der Politik im allgemeinen und der Europapolitik im besonderen dient. Wenn ich mich in meinem Abstimmungsverhalten gleichwohl nicht von diesen Bedenken leiten lasse, so ausschließlich aus dem übergeordneten Interesse, den *) Vgl. Seite 10878D weiteren Fortgang der europäischen Einigung nicht durch eine Verzögerung oder ein Scheitern der Maastrichter Ratifizierung zu gefährden. Joachim Clemens (CDU/CSU): Bei der Abstimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf zum Vertrag vom 7. Februar über die Europäische Union werde ich mich der Stimme enthalten. Ich bin mir der Bedeutung der Einigung der europäischen Staaten bewußt. Nicht zuletzt der Zusammenhalt in der europäischen Gemeinschaft hat uns in den vergangenen Jahrzehnten Frieden und Freiheit bewahrt und Wohlstand geschaffen. Ebenso sehe ich die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft zu verstärken. Auf Dauer werden wir Probleme wie Zuwanderung, Kriminalitätsbekämpfung oder Umweltschutz nur gesamteuropäisch lösen können. Den Weg, der durch Teilbereiche des Maastrichter Vertrages vorgezeichnet wird, kann ich jedoch nicht unterstützen. Meine Bedenken beziehen sich vor allem auf die geplante Währungsunion. Für den Eintritt in die Endstufe der Währungsunion hat man strenge Kriterien vorgesehen. Niemand glaubt aber ernsthaft, daß diese Kriterien in auch nur annähernd der gleichen Zeit von den Mitgliedstaaten erfüllt werden können. Dennoch wird stets darauf bestanden, daß es kein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben werde. Ich sehe daher die ernste Gefahr, daß die vorgesehenen Regelungen auf entsprechenden Druck der noch nicht integrationsfähigen Länder aufgeweicht werden. Opportunismus dieser Art haben wir auf europäischer Ebene schon mehrfach erlebt. In bezug auf die Währungspolitik wäre er fatal. Darüber hinaus kommt diese Währungsunion zu früh. Die Währungsunion trifft auf eine Europäische Gemeinschaft, deren politische Ausgestaltung noch in den Sternen steht. So gibt der Vertrag von Maastricht keine befriedigende Antwort auf die Frage: Gemeinschaftseuropa oder Europa der Staaten? Die Väter der Römischen Verträge sahen die Währungsunion stets als die Krönung der europäischen Einigung an, nicht jedoch als deren Wegbereiter. Erst wenn das Ziel definiert ist, sollte man sich auf den Weg machen. Solange wir dieses Ziel nicht eindeutig — beispielsweise in einer europäischen Verfassung — festgelegt haben, werden wir keinem Bürger wirklich verständlich machen können, warum er statt der vertrauten D-Mark künftig den ECU im Geldbeutel haben wird. Auch hat man es im Maastrichter Vertrag erneut nicht geschafft, Außen- und Sicherheitspolitik sowie wichtige Bereiche der Innen- und Rechtspolitik (z. B. die Asylgesetzgebung) unter das Dach der Gemeinschaft zu bringen. Auf den Gebieten, wo Koordinierung dringend nötig ist, werden viele Mitgliedstaaten also weiterhin ihre nationalen Egoismen pflegen. Auf der anderen Seite werden sie jedoch alle Vorteile einer durch die wirtschaftlich starken Staaten gestützten Euro-Währung genießen. Aus den genannten Gründen kann ich dem Gesetz zum Vertrag von Maastricht meine Zustimmung nicht erteilen. 10902* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 Dr. Ruprecht Vondran (CDU/CSU): Die EG-Stahl-krise darf nicht zum Menetekel für „Maastricht" werden. Ein wichtiges Ziel des Vertrages von Maastricht ist es, die gemeinsamen europäischen Entscheidungskompetenzen zu stärken. Darauf zielen viele der heute zur Abstimmung stehenden vertraglichen Vereinbarungen. Mit hinreichender Genauigkeit kann heute noch niemand voraussehen, wie sich die vertraglichen Veränderungen in der politischen Praxis auswirken werden. Allerdings gibt es einige Hinweise. Sie können leider nicht zuversichtlich stimmen. So besitzt die Europäische Kommission bereits heute weitreichende Vollmachten im Bereich einiger Industrien. Der Pariser Vertrag, durch den die Montan-Union begründet worden ist, hat einen stark ausgeprägten Integrationscharakter. Daran gemessen haben die nachfolgenden Römischen Verträge, die die Zusammenarbeit auf eine breitere Grundlage gestellt haben, deutlich weniger an europäischer Substanz. So gesehen lebt die Stahlindustrie schon seit 40 Jahren in der „NachMaastricht-Zeit" . Die in der Montan-Union gesammelten Erfahrungen könnten einen Hinweis geben, in welche Richtung die Entwicklung laufen wird. Trotz weitreichender Kompetenzen hat es die Europäische Kommission bisher nicht vermocht, für die ihr im Rahmen der Montanunion in besonderem Maße bereits anvertrauten wirtschaftlichen Sektoren eine in sich schlüssige Politik zu entwickeln. Dazu lediglich zwei Beispiele: In den letzten Jahren hat die Europäische Kommission die Zahlung von 120 Milliarden DM an Subventionen, mit denen nationale Regierungen in den Markt interveniert haben, genehmigt oder stillschweigend toleriert. Sie hat es dabei hingenommen, daß der Wettbewerb grob verzerrt worden ist. Der Marktmechanismus ist dadurch fast völlig außer Funktion gesetzt worden. Dies hat in so schwere Krisen geführt, wie sie im Augenblick die europäische Stahlindustrie erschüttern. Trotz aller Vollmachten hat die Europäische Kommission nicht die Kraft gehabt gegenzusteuern, als dies möglich und notwendig war. Für politische Entscheidungen auf nationaler Ebene ist andererseits kaum noch Raum, weil die Kompetenzen bereits seit langem nach Brüssel abgegeben worden sind. In der europäischen Stahlindustrie herrschen nahezu chaotische Verhältnisse. Das kostet die betroffenen Unternehmen viel an Substanz. Zehntausende Arbeitsplätze werden verlorengehen. Wir müssen alles daransetzen, daß die europäische Stahlkrise nicht zu einem Menetekel für „Maastricht" wird. Eines erscheint sicher: Durch Zuweisung zusätzlicher Kompetenzen an Brüssel wächst das Risiko, daß die Politik an Handlungsfähigkeit verliert. Darüber hinaus wiegt der Mangel an demokratischer Legitimation noch schwerer als zuvor. Andererseits stellt „Maastricht" natürlich auch eine Chance dar, den europäischen Gedanken weiter zu entwickeln. Der Name dieser Stadt ist mittlerweile zu einem Synonym für europäischen Fortschritt geworden. An dieser politischen Tatsache kann niemand vorbeigehen. Eine Stimme gegen Maastricht könnte als eine Stimme gegen Europa mißverstanden werden. Einem solchen Mißverständnis möchte auch ich keinen Vorschub leisten. Trotz erheblicher Bedenken habe ich deshalb meine Stimme für eine Ratifizierung des Vertrages gegeben. Dr. Uwe Jens (SPD): Die ständig stärker gewordene Kritik am Maastrichter Vertrag hat zweifellos Verbesserungen zur Folge gehabt. Erwähnen will ich nur den von Sozialdemokraten durchgesetzten Parlamentsvorbehalt. Danach wird es für den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eine erneute Bewertung und Entscheidung des Bundestages geben. Geprüft wird, ob die in Maastricht festgelegten Kriterien für eine stabile europäische Währung wirklich eingehalten werden können. Klargestellt wurde auch, daß die Bundesregierung vor ihrer Zustimmung zum Übergang in die dritte Stufe der Währungsunion eines zustimmenden Votums von Bundestag und Bundesrat bedarf. Dennoch sind meine ökonomischen Bedenken gegen die zur Zeit praktizierte EG-Politik und einige Vertragsbestimmungen so groß, daß ich dem Vertragsentwurf nicht zustimmen kann. Meine Kritik richtet sich nicht gegen das Ziel einer Europäischen Union, meine Kritik richtet sich ausschließlich gegen den Vertrag, der schlecht ausgehandelt wurde und der die Weichen für ein Europa der Zukunft falsch stellt. Der Maastrichter Vertrag dient in erster Linie der Einbindung der D-Mark und der Deutschen Bundesbank, vor allem auf Wunsch der Franzosen. Wenn die im Vertrag vorgesehenen Kriterien für die Europäische Währungsunion eingehalten und verwirklicht werden, wird die neue europäische Währung — aus meiner Sicht — nicht weniger stabil sein als die D-Mark. Dies führt jedoch zwingend zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten, bei dem nach jetziger Datenlage selbst Belgien und Italien nicht mehr zum Kern-Europa mit einheitlicher Währung gehören. Ich glaube im übrigen nicht, daß es sinnvoll ist, die monetaristische und zum Teil fehlerhafte Geldpolitik der Deutschen Bundesbank auf ein Kern-Europa zu übertragen. Dies kann jedenfalls keine sozialdemokratische Politik sein. Eine einheitliche Geldpolitik in einem Kern-Europa und eine nach dem Vertragstext abgestimmte Finanzpolitik erdrücken im übrigen die Lohnpolitik. Die Lohnpolitik wird auf diese Weise zum wichtigsten abhängig-variablen Politikbereich in der Volkswirtschaft. Dieses politische Korsett ist jedoch zu eng; es kann auf Dauer nicht halten; Verwerfungen sind zwangsläufig vorprogrammiert. Daß auf europäischer Ebene durch die Kommission in Zukunft Industriepolitik betrieben werden soll, ist völlig unakzeptabel. Mit einer europäischen Politik für bestimmte Wirtschaftszweige bzw. -bereiche hat die EG-Kommission bisher keinen Erfolg gehabt. Die Verkehrspolitik ist insbesondere deshalb nicht kritisierbar, weil sie weitgehend nicht stattgefunden hat. Die Agrarpolitik ist dagegen seit Jahren ein einziges Desaster, und dennoch kann die Kommission nur sehr zögerlich Korrekturen vornehmen. Wann wird die EG wohl begreifen, daß die Bundesrepublik mit ihren wettbwerbs- und industriepolitischen Grundsätzen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10903* bisher gut gefahren ist? Es ergibt wirklich keinen Sinn, merkantilistische Vorstellungen auf europäischer Ebene zum Tragen zu bringen. Der einzig richtig Weg wäre deshalb, die entsprechenden Bestimmungen über die Industriepolitik im Maastrichter Vertrag ersatzlos zu streichen. Das Vertragswerk von Maastricht stärkt im übrigen einseitig die europäische Exekutive, und dieser Weg muß bald beendet werden. Es mangelt an dem Ausbau demokratischer Mitgestaltungsrechte durch das Europäische Parlament; es mangelt an einer klaren Regelung über die Verantwortlichkeiten auf den verschiedenen politischen Ebenen; einer Verankerung des Subsidiaritätsprinzips. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß es für mich unerträglich ist, daß die GATT-Verhandlungen wegen kleinlichem Egoismus der Europäer nicht abgeschlossen werden konnten. Hieran, an dem Streit über Bananen-Importkontingente, an der lächerlichen protektionistischen Politik für einige Automobilhersteller, wird u. a. exemplarisch deutlich, wohin dieses Europa abdriften kann. Ich will kein französisches Europa und auch keine Festung Europa. Das Europa der Zukunft muß eine offene Völkergemeinschaft sein, die ihren Pflichten in der Welt nachkommt. Es wäre sicherlich gut, wenn Deutschland in ein Europa eingebunden wird, um einem aufkommenden Nationalismus die Schlagkraft zu nehmen. Eine Beseitigung eines möglichen deutschen Nationalismus durch einen europäischen Nationalismus, durch einen neuen Nationalismus auf vergrößertem europäischem Raum, ergibt jedoch auch keine zukunftsträchtige Perspektive. Zu einem neuen Europa gehört zwingend auch Osteuropa. Bevor wir die Vertiefung durch Maastricht betreiben, meine ich, muß es bindende Absprachen über die Erweiterung geben, und zwar nicht nur durch die ehemaligen EFTA-Länder, sondern insbesondere auch durch Polen, der zerfallenden CSFR und Ungarn. Dr. Liesel Hartenstein (SPD): „Europa kann nur entstehen, wenn es nicht nur in Verträgen, sondern auch in den Herzen seiner Bürger verankert ist." Diesem Satz — er stammt von Herrn Bundesaußenminister Dr. Kinkel — kann in diesem Hause sicherlich jeder zustimmen. Genauso ist es. Aber weil dies so ist, müssen Parlament und Regierung sich fragen, woher es denn kommt, daß in der Bevölkerung eine zunehmende Verunsicherung um sich greift, daß die Vorstellung „Europäische Union" häufig mehr Ängste und Sorgen als Hoffnungen auslöst, und das nicht nur wegen der weitverbreiteten Furcht um den Verlust der D-Mark. Wir haben es zugelassen, daß viele Menschen den Eindruck haben, „die da oben", d. h. Parlament und Regierung, handelten über ihre Köpfe hinweg. Das ist nicht gut. Für die übergroße Mehrheit unserer Bürger ist das Vertragswerk von Maastricht ein Buch mit sieben Siegeln. Bei der ersten Lesung am 8. Oktober haben viele Redner, von allen Seiten des Hauses, eine umfassende Aufklärungskampagne gefordert. Einverstanden. Wir brauchen den offenen Dialog mit den Bürgern, wenn Europa ein solides Fundament bekommen soll. Aber dieser Dialog hat bis jetzt nicht stattgefunden. Ein paar großformatige Anzeigen der Bundesregierung und die eine oder andere Broschüre genügen nicht. Wer die Wirtschafts- und Währungsunion, einschließlich der Politischen Union, wirklich will, muß die Menschen dafür gewinnen. Diese Arbeit ist aber erst noch zu leisten. Die Europa-Debatte hat erst begonnen, und die Ratifizierung eines solchen Vertragswerks sollte am Ende, nicht am Anfang dieses Prozesses stehen. Weder Frankreich noch Dänemark noch Großbritannien haben sich diese Prozedur erspart. Sie ist nicht nur da nötig, wo per Volksabstimmung entschieden wird. Sie ist um Europas willen nötig. Bei einer solchen öffentlichen Diskussion muß über die Vorteile und Ziele des Maastricht-Vertrags ebenso ausführlich geredet werden wie über dessen gravierende Schwächen und Mängel. Auch die Pferdefüße müssen aufgedeckt werden, und die Politik muß glaubhaft machen, daß sie bemüht ist, diese herauszuoperieren. Zu diesen Pferdefüßen gehört — und das ist mehr als ein Schönheitsfehler! —, daß der Vertrag die Ökologie in dieser Gemeinschaft nicht wirklich voranbringt. Er ist, ebenso wie das Binnenmarkt-Konzept, auf quantitatives Wirtschaftswachstum fixiert und zurrt damit die bisherige Grundstruktur der EG fest. Daran ändert auch die wohlwollende Hinzufügung des Wörtchens „umweltverträglich" in Art. 2 nichts. Man will künftig ein „beständiges (!), nichtinflationäres und umweltverträgliches Wachstum" erreichen. Von einer nachhaltigen oder dauerhaften Entwicklung im Sinne des Brundtland-Berichts ist nicht die Rede. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß dieser überkommene Wachstumsbegriff, wie er bereits den EWG-Verträgen von 1957 zugrundeliegt, heute überholt ist. Er taugt nicht als Richtschnur für ein Europa des Jahres 2000. Dennoch hält Maastricht starr daran fest. Dem Vorrang des freien Warenverkehrs werden im Binnenmarkt alle anderen Belange untergeordnet, auch die ökologischen und sozialen. Dies gilt zum mindesten so lange, wie der Grundwiderspruch in Art. 100a Abs. 3 und 4 nicht aufgelöst ist. Da wird einerseits ein „hohes Schutzniveau im Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz " verlangt, andererseits können jedoch verschärfte Umweltanforderungen praktisch jederzeit als „Handelshemmnisse" diskreditert und damit abgeschmettert werden, wie diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofes beweisen. Nur scheibchenweise erfahren die Menschen, wie tief Brüsseler Beschlüsse in ihren Alltag eingreifen und ihn verändern. Daß künftig bestrahlte und gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne klare Kennzeichnung in die Regale der Geschäfte kommen dürfen, beunruhigt nicht nur die Verbraucherverbände. Auch der sich bereits anbahnende ungeheuerliche Verkehrsboom, der im Binnenmarkt zu einer Verdoppelung der Zahl der Schwerlaster auf unseren Straßen führen wird, stärkt nicht gerade die Europafreundlichkeit der Bürger, insbesondere nicht derer, 10904 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 die direkt betroffen sind von mehr Luftverschmutzung und mehr Lärmbelastung. Es besteht kein Zweifel: die Regierungen, die Maastricht ausgehandelt haben, haben mit einer europäischen Umweltunion nichts im Sinn. Man kann nicht zuerst die Wirtschafts- und Währungsunion schaffen und dann den Umweltschutz hinten dranhängen. Ich bezweifle, ob diese verhängnisvolle Weichenstellung noch reparabel ist. Ich frage mich, und ich frage Sie: wie können die Europäer von der übrigen Welt, insbesondere von den Entwicklungsländern, eine ökologische Neuorientierung erwarten oder gar verlangen — d. h. eine Wende zu einer Wirtschaftsform, die weniger Energie verbraucht, weniger Rohstoffe verschwendet, weniger Abfälle erzeugt —, wenn sie selbst nicht bereit sind, die ersten Schritte zu tun? Maastricht ist eine politische Zäsur. Unsere Zukunft, besonders für uns Deutsche, kann nur zu einem gemeinsamen Europa führen. Dazu gibt es keine Alternative. Wir brauchen ein großes Ja unserer Bürger zu Europa, wir brauchen eine Perspektive, die aufzeigt, daß sich die EG nicht als rein wirtschaftlich orientierter Machtblock versteht, nur darauf angelegt, die Konkurrenz mit den USA und Japan aufzunehmen und erfolgreich durchzuhalten. Das künftige Europa muß als demokratisches, sozial gerechtes und ökologisch orientiertes Europa ausgestaltet sein. Nur dann kann es seine Verpflichtung erfüllen, Vorreiter eines neuen zukunftsfähigen Entwicklungsmodells zu sein. Der Vertrag von Maastricht eröffnet diese Perspektive nicht. Hier wird eine große Chance vertan. Deshalb werden wir darauf hinarbeiten, daß ein revidiertes Maastricht endlich diese Voraussetzungen schafft. Ich werde mich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU): 1. Meine Zustimmung zu dem Vertrag beruht auf dem Vorbehalt, daß es sich bei der Politischen Union in Europa nicht um die Bildung eines Bundesstaates handelt. Auch wenn bestimmte Souveränitätsrechte an Europa abgegeben werden, darf dies auf keinen Fall zu einer Verringerung von Demokratie und Kontrolle durch nationale Parlamente führen. Mein Ziel ist ein vereintes Europa der Vaterländer und nicht ein europäischer Bundesstaat mit einer zentralen EG-Regierung. Die nationale Identität der jeweiligen Staatsbürger muß strikt gewahrt bleiben. Durch die derzeitige vertiefende europäische Politik darf ein baldiger Beitritt von EFTA-Staaten und ein langfristiger Beitritt von mittel-und osteuropäischen Staaten nicht verhindert werden. 2. Besonders wichtig ist die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Europa darf wirklich nur das gemeinsam regeln, was Europa nachweislich besser regeln kann als die Nationalstaaten. 3. Bei der Währungsunion sind die Stabilitätskriterien strikt einzuhalten, und jegliche politische Beeinflussung ist zu unterbinden. Nur die Mitgliedstaaten dürfen eine Europäische Währungsunion bilden, die hierzu auch wirklich reif sind. Die Europäische Zentralbank muß unabhängig und der Preisstabilität verpflichtet sein. Es ist wichtig, daß die Bundesregierung für ihr Stimmverhalten zum Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedarf. Es darf keine automatische Entwicklung zu einer einheitlichen europäischen Währung gebe. Erst am Ende eines Prozesses, in dem die Volkswirtschaften, die Haushaltspolitik und die Stabilitätspolitik sich angeglichen haben, darf nach einem Beschluß des Deutschen Bundestages die europäische Währung eingeführt werden. Und dies nur dann, wenn wirklich nachgewiesen ist, daß eine europäische Währung genau so stabil ist wie die Deutsche Mark. Die D-Mark ist für mich mehr als eine Währung. Sie ist ein nationales Symbol, ein Symbol für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufstieg Deutschlands aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs. 4. Die Einführung eines Ausländerwahlrechtes halte ich für bedenklich. Ein Ausländerwahlrecht bei Kommunalwahlen ist kein Mittel zur Integration von bei uns lebenden Ausländern. Vielmehr ist das Wahlrecht eines der vornehmsten Rechte eines Staatsbürgers, das nur der ausüben sollte, der auf Dauer der Schicksalsgemeinschaft einer Nation zugehört. Statt dessen wäre es notwendig, die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit für — über viele Jahre in Deutschland lebende — Ausländer zu erleichtern. 5. Neue finanzielle Mittelanforderungen für die EG dürfen die eigene deutsche Leistungsfähigkeit nicht überschreiten. In Deutschland sind die Sonderbelastungen aus der Aufarbeitung von 40 Jahren kommunistischer Diktatur zu berücksichtigen. 6. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es besser gewesen wäre, an der sogenannten Krönungstheorie festzuhalten, die besagt, daß die Währungs- und Wirtschaftsunion eben den Abschluß einer engen europäischen Zusammenarbeit bildet und nicht den Anfang. 7. Es ist wichtig, daß die Grundgesetzänderungen, die tatbestandlich an die Existenz der Europäischen Union anknüpfen, erst dann anwendbar sind, wenn diese Europäische Union entstanden ist. 8. Der Vertrag und seine innerstaatliche Umsetzung stellen einen Kompromiß dar. Nach langer Abwägung meiner z. T. erheblichen Bedenken stimme ich dem Vertrag dennoch zu. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ich empfinde eine immer größer werdende Unruhe darüber, in welcher schnellen, zum Teil umfangreichen und oft nicht ausreichend untersuchten Weise der Deutsche Bundestag in dieser Zeit staatliche Grundsätze „über Bord kippt" , die über viele Jahre Grundpfeiler unserer Demokratie gewesen sind. Ich will eine weitere Fortführung der europäischen Einigung. Dennoch merke ich an: Der Maastrichter Vertrag über die Weiterführung der Europäischen Union wird durch die vorbereitete Beschlußfassung vom Deutschen Bundestag vollinhaltlich übernommen. Lediglich in Zusatzerklärun- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10905' gen und Entschließungen werden besondere deutsche Interessen und politische Ansichten formuliert. Auf die formale Wirkung der Vertragsinhalte hat dies aber keine konkreten Wirkungen. Daraus ergeben sich für mich eine Reihe von Problemen, die bei ehrlicher Betrachtung viele Sorgen bestehen lassen. Die Demokratie in Deutschland auf der Basis des Grundgesetzes hat sich bewährt. Für mich ist es unverständlich, daß über den Vertrag mit wachsender Tendenz Hoheitsrechte von demokratischen Organen in Deutschland auf nicht demokratisch legitimierte Organe der EG übertragen werden. Das ist aus meiner Sicht möglicherweise sogar verfassungswidrig, auf jeden Fall aber politisch nicht zu akzeptieren. Viele problematische Entwicklungen in Deutschland und im übrigen Europa, insbesondere der wachsende Nationalismus, werden durch den Vertrag nicht im Ansatz ernsthaft angegangen. Die notwendigerweise im europäischen Rahmen zu klärende Asylrechts-Lösung ist noch weit entfernt. In allen EG-Mitgliedsländern sind die Bedenken aus den unterschiedlichsten Gründen sehr stark in den Vordergrund gerückt. Der Maastrichter Vertrag nimmt darauf keine Rücksicht, durch die Ratifizierung in Deutschland und anderen Ländern werden die noch zurückhaltenden oder ablehnenden Länder vielmehr stark unter Druck gesetzt, was ein schlechter Ausdruck von Partnerschaft ist und sich künftig als „Bumerang" erweisen könnte. Insbesondere die weiter ungehemmt umweltbelastende und meist auf vordergründige kurzfristige Wirtschaftsinteressen ausgerichtete Europapolitik wird durch die Vertragsbestimmungen keiner strukturellen Veränderungen zugeführt. Im Vertrag nicht zu finden sind sozialorientierte Aspekte. Daß die EG-Sozialunion erst weit später auf den Weg gebracht werden soll, ist in der Zeit hoher Arbeitslosigkeit und großer sozialer Belastungen für viele Millionen Menschen in Europa nicht hinnehmbar. Obwohl es die derzeitige Verfassungslage nicht hergibt, hätte ich es für angemessen gehalten, in dieser sehr bedeutsamen Entscheidung über die weitere Entwicklung — wenigstens informell — eine Bürgerbefragung durchzuführen. Nicht nur aus deutscher Sicht ist festzuhalten: Die Bundesregierung hat diesen Vertrag zweifellos schlecht verhandelt. Trotzdem stimme ich dem Ratifizierungsgesetz und damit dem Vertrag zu. Ich erwarte jedoch, daß Regierung, Bundestag und Bundesrat intensiv für Nachbesserungen auf dem weiteren Weg zu einem geeinigten Europa eintreten. Wolfgang Schulhoff (CDU/CSU): Bis zur Abstimmung über die Maastrichter Verträge in Dänemark hat man sich eigentlich mit Europa und den weiteren Integrationsschritten wenig beschäftigt. Wenn man sich politisch mit Europa befaßte, war es meist Thema exklusiver Kreise, des Europäischen Parlaments, der Administrationen, der Regierungschefs, des Ministerrats oder der direkt durch Beschlüsse Betroffenen, wie z. B. der Bauern, und da wurde das Thema gleich negativ belegt. Die Bürger in ihrer Mehrzahl nahmen das politische Europa weitgehend nur bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wahr, aber meistens nicht ernst. Anders war es bei den alltäglichen Begegnungen von Bürger zu Bürger. Da wurde Europa zu etwas Selbstverständlichem. Man reist von Land zu Land, ohne sich behindert zu fühlen, man genießt die Vielfalt der einzelnen Länder und Regionen, entschließt sich sogar, anderswo seßhaft zu werden. Aus der Fremde wird dann oft Heimat. Deshalb ist es unstreitig, daß die Bürger in Europa aufeinander zugegangen sind und das ohne Zwang in Freiheit. Hier unterscheidet sich der westliche Integrationsprozeß wesentlich vom östlichen Zwangszusammenschluß. Ein knappes Nein in Dänemark und ein knappes Ja in Frankreich — die Stimmung in Deutschland ist nicht anders — malmen, innezuhalten. Die Menschen in Europa haben nämlich begriffen, daß wir uns jetzt in einer Entscheidungsphase von grundsätzlicher Bedeutung befinden, und reagieren sensibler als Politiker. Sie haben Angst, ihre Identität zu verlieren. Der freiwillige Integrationsprozeß droht in Zwang überzugehen. Diese Sorgen und Nöte der Bevölkerung müssen ernst genommen werden. Es geht nicht nach dem Motto „Augen zu und durch", denn sowohl ein Scheitern von Maastricht als auch ein bloßes Durchpauken hinterlassen gleich große Schäden, deshalb war es richtig und wichtig, daß sowohl die Diskussion im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen als auch die Arbeit im Sonderausschuß Europäische Union breiten Raum eingenommen haben. Wichtig war dies auch schon deshalb, um dem Anschein zu begegnen, die Maastrichter Verträge sollten in einem Hau-Ruck-Verfahren ratifiziert werden. Aktionismus schafft kein Einheitsgefühl. Europa sollte Hoffnungen wecken, aber keine Angst erzeugen. In diesem Zusammenhang kann man die Ankündigung unseres Außenministers Kinkel nur begrüßen: „Wir müssen die Probleme mit einer Erklärung oder Entscheidung auffangen, die das enthält, was wir dazugelernt haben." Dies ist durch die Arbeit am Maastrichter-Vertrag und die daran anschließende ausführliche Berichterstattung überzeugend gelungen. Das intensive Nachdenken über Europa hat erfreuliche Ergebnisse gezeitigt. Weitgehend ist man sich nämlich einig, daß einiges bisher schiefgelaufen ist. Die institutionalisierte Gemeinschaft hat sich nämlich anders entwickelt, als wir es uns gewünscht haben: nicht als ein freiheitliches, innovatives und damit zutiefst demokratisches Europa, sondern viel mehr als ein Gebilde unsinniger bürokratischer und unifizierender Reglementierungen, bei der die Vielfalt teilweise auf der Strecke bleibt. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Rüttgers, stellte kürzlich zutreffend fest, daß die Bürger Europapolitik fast ausschließlich als Kabinettspolitik wahrnehmen, in der zum Perfektionismus neigende Technokraten fernab jeder parlamentarischen Kontrolle über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden. Das Zusam- 10906* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 menspiel zwischen EG-Kommission, Ministerrat und Europäischem Parlament ist nicht mehr nachzuvollziehen. Es ist aber noch viel schlimmer. Die europäische Bürokratie läßt die Gemeinschaft zu einem durch Dirigismus und Planwirtschaft bewegungsunfähigen Moloch verkümmern. Hier muß zuallererst angesetzt werden. Der Reparaturbedarf ist immens. Trotzdem bleiben noch Restbedenken, die durchaus erwähnt werden müssen: 1. Die Einführung des Subsidiaritätsprinzips in die Verträge dürfte der richtige Ansatzpunkt sein. Jedoch bestehen hier erhebliche Bedenken, ob dieser Begriff von allen Mitgliedstaaten gleich definiert wird (Dieter Grimm) . Die Sozialenzyklika „Quadragesimo anno" bezieht das Subsidiaritätsprinzip auf Tätigkeiten, der EG-Vertrag auf Ziele. Da der EG durch ihre Aufgabenstellung, der Schaffung eines gemeinsamen Marktes, kein Aufgabengebiet, sondern ein Zukunftsziel zugewiesen ist, fällt potentiell alles in ihre Kompetenz (Allzuständigkeit); das Subsidiaritätsprinzip wird dadurch begrenzt. Als nicht justiziable Norm ist das Subsidiaritätsprinzip zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten umstritten, jeder definiert es aus seinen traditionellen Ordnungsvorstellungen anders. Während Briten und Deutsche sich erhoffen, daß die Aktivitäten der EG dadurch limitiert werden, glauben andere Staaten, daß die Lösung der Probleme durch ein Verlagern nach Brüssel besser gelöst würde. Fazit: Das Kräfteverhältnis zwischen Einzelstaat und Gemeinschaft und deren Aufgabenverteilung ist durch das Subsidiaritätprinzip nicht gelöst. Hier muß Klarheit geschaffen werden, damit nicht der Europäische Gerichtshof zu anderen Ergebnissen kommt, als wir sie aus unserem erlebten Subsidiaritätsverständnis mit tragen können. Im übrigen muß über die Rolle des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere die Wirkungsbreite seiner Entscheidungen intensiv nachgedacht werden. Auch auf europäischer Ebene sollte das Gewaltenteilungsprinzip außer Frage stehen. 2. Der Prozeß europäischer Beschlußfassung muß demokratischer und transparenter werden. Dies gilt sowohl für die EG-Kommission wie auch für die nationalen Administrationen. Die Parlamente sind schon im Vorfeld der Entscheidung mit zu berücksichtigen, ja, sie müssen künftig darüber entscheiden, was harmonisiert wird. Hier wäre auch zu überlegen, inwieweit die Kompetenzen des Europäischen Parlaments zu erweitern sind. 3. Wir verlassen mit der vorgezogenen Währungsund Sozialunion den Weg der Krönungstheorie. Es ist ein fataler Trugschluß, daß man mit der Währungsunion nun glaubt, über die Fehlentwicklungen im ökonomischen und währungspolitischen Bereich — die Bedenken der 60 namhaften Nationalökonomen sind sehr ernst zu nehmen — hinwegtäuschen zu können. Einer der großen Gestalter der Römischen Verträge, Müller-Armack, sah immer die Währungsunion als die Krönung des europäischen Integrationsprozesses und niemals als dessen Motor. Dieser bedeutende Nationalökonom wußte, warum er erst nach vollzogener politischer Integration eine gemeinsame Währung einführen wollte. Was ökonomisch richtig ist, kann politisch nicht falsch sein. Wenn man diesen umgekehrten Weg nun einschlagen will — der Vertrag dürfte wohl hier nicht mehr grundsätzlich zu ändern sein —, muß jedoch gewährleistet werden, daß neben einer gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik stärker als bisher koordiniert wird. 4. Wenn dieser Vertrag so in Kraft treten wird, wie er konzipiert wurde, wird es automatisch ein Europa mehrerer Geschwindigkeiten geben, denn nur wenige Länder werden die Konvergenzkriterien bis zum Ende dieses Jahrhunderts erfüllen können. Dies muß jetzt in aller Deutlichkeit angesprochen werden, damit es später nicht zu unnötigen Reaktionen führt. Die Konvergenzkriterien dürfen auch aus politischem Opportunitätsdenken nicht verändert werden. 5. Es muß allen Partnern noch einmal deutlich gemacht werden, daß eine europäische Zentralnotenbank nur der Geldwertstabilität verpflichtet sein darf. Sie muß wie die Deutsche Bundesbank unabhängig sein und bleiben. 6. Nach Vollzug einer Währungsunion — mit wie vielen Staaten auch immer — muß institutionell garantiert werden, daß die Konvergenzkriterien auch zukünftig bindend bleiben. 7. Die ordnungspolitischen Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft müssen Grundlage auch der europäischen Wirtschaftspolitik werden. Die im Vertrag geforderte Industriepolitik paßt nicht in dieses Konzept. Vor Vollzug der Währungsunion muß hierüber Klarheit geschaffen werden. Wir Deutschen können und dürfen uns nicht mit planwirtschaftlichen Regelungsmechanismen abfinden. Eine Marktordnung (Agrarmarkt) ist schon zuviel. Es zeigt sich, daß das Schiff Maastrichter Vertrag, mit dem wir uns auf die Reise in die Deutsch-Europäische Zukunft begeben wollen, eine Reihe von Konstruktionsfehlern aufweist. In den letzten Monaten, insbesondere in den intensiven Beratungen im Sonderausschuß Europäische Union — ich erwähnte es bereits —, konnten wir nicht die Fehler der Ingenieure beheben; dafür war der Bau des Schiffes zu weit vorangekommen. Wir haben aber für klare Interpretationen gesorgt, die für die Auslegung später wichtig sind. Somit haben wir versucht, uns die Werkzeuge zu beschaffen, die notwendig sind, die sich schon jetzt abzeichnenden Reparaturen — notfalls auf hoher See — auszuführen. Wir haben des weiteren versucht, Mechanismen zu entwickeln, die das Vertrauen der Passagiere, der Menschen Europas, für die gewagte Reise gewinnen und die eine Panik auf hoher See von vorneherein ausschließen. Nicht zuletzt haben wir — ich meine, erfolgreich — auch versucht, dem Parlament ungehindert Zugang zur Brücke zu verschaffen, um notfalls nicht unbedingt den Weg zurück, aber einen anderen Kurs durchzusetzen: mit dem sogenannten „Parlamentsvorbehalt", auf dessen Eindeutigkeit ich persönlich immer großen Wert gelegt habe. Mir ist bewußt, daß dieser Vorbehalt völkerrechtlich auf schwankendem Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10903' Boden steht, da er nicht notifiziert wird. Also hat er de jure nur eingeschränkte Bindungswirkung. Aber de facto ist er so schwerwiegend, daß keine Regierung an ihm vorbeikommt. Dies führt letztlich dazu, daß das Parlament über die dritte Stufe dei Währungsunion noch zu entscheiden hat. Nicht zuletzt werde ich trotz meiner Bedenken dem Vertrag zustimmen müssen, weil ich von der Politik des Bundeskanzlers und seiner Vision, daß die Europäische Integration zu unser aller Zukunftssicherung weiter fortschreiten muß, zutiefst überzeugt bin. Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Mit der Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung vom 7. Februar 1992 (Maastricht-Vertrag) durch den Deutschen Bundestag wird ein entscheidender Schritt zur weiteren Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft unternommen. Es handelt sich um eine folgenreiche Entscheidung, die die europäische Gemeinschaft immer stärker zu einer politischen Union ausgestaltet, wodurch sich das bisherige europäische Staatensystem qualitativ verändern wird. Aus meiner Sicht weist der Vertrag viele Schwächen an den Stellen auf, in denen die Elemente der politischen Union beschrieben werden. Trotz dieser offenkundigen Schwächen werde ich dem Vertrag zustimmen. Der Vertrag vom 7. Februar 1992 kann m. E. nur die Grundlage darstellen, auf der die politische Union Europas aufzubauen ist. Dieser Aufbau der Europäischen Union wird nur dann erfolgreich sein, wenn auch in Deutschland die Bevölkerung diese Weiterentwicklung bejaht. Gegen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung werden wir Europa nicht gestalten können. Ich halte es daher für dringend geboten, beim Umsetzungsprozeß zum Vertrag von Maastricht folgendes zu berücksichtigen: 1. Es muß alles vermieden werden, was auf die Schaffung eines europäischen Zentralstaates oder eines Bundesstaates mit bundesstaatlichen Kompetenzen im Sinne einer Überregierung hinausläuft. Damit stellt sich die Frage nach der inneren verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Europäischen Union. Es ist zu begrüßen, daß der Grundsatz der Subsidiarität in Art. 3 b des Vertrages niedergelegt worden ist. Entscheidend wird aber sein, welche Bedeutung dieser Grundsatz bei der Lösung der anstehenden Detailfragen erhält. Europa wird nur dann seine innere Kraft bewahren können, wenn es die nationale Identität, Kultur und Lebensweise eines jeden Landes achtet und diese Gesichtspunkte bei der Ausgestaltung der inneren Verfassung berücksichtigt. 2. Wesentlich für meine Zustimmung ist, daß der Bundestag hinsichtlich des Übergangs zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion einen Zustimmungsvorbehalt ausgesprochen hat. Die Deutsche Mark darf erst dann aufgegeben werden, wenn zu erwarten ist, daß die neue Europa-Währung so stabil ausgerichtet ist wie die Deutsche Mark. Eine Automatik auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion unter Aufweichung der Stabilitätskriterien lehne ich ab. Gegenüber unseren Vertragspartnern ist aus völkerrechtlichen Gründen zu erklären, daß die Bundesregierung dieses Votum des Deutschen Bundestages respektieren wird. 3. Durch die Verankerung der Industriepolitik in Art. 130 des Vertrages darf keine schleichende Aushöhlung des Grundprinzips der marktwirtschaftlichen Ordnung erfolgen. Die vorgesehene europäische Zentralbank muß mit einem solchen Instrumentarium ausgestattet werden, daß sie zu einer konsequenten Stabilitätspolitik befähigt ist. Sitz der europäischen Zentralbank sollte Frankfurt a. M. werden. Europa ist für uns alle eine wichtige politische Idee. Nur eine einige Gemeinschaft wird in der Lage sein, die wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Das Ja zum Maastrichter Vertrag hat für mich aber nur dann einen Sinn, wenn es ausgeht von einem Bekenntnis zu der jeweiligen nationalen Identität der Mitgliedstaaten und einer konsequenten Stabilitätspolitik im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion. Albrecht Müller (Pleisweiler) (SPD): Ich bin vorbehaltlos für die europäische Einigung. Ich bin für die Zusammenarbeit der Völker in Europa und für die internationale Zusammenarbeit insgesamt, weil wir damit Nationalismus und völkisches Denken überwinden können. Engstirniger Nationalismus war zu häufig in unserer Geschichte das Elend der Völker Europas, der Anlaß von Streit und Krieg. Das zeigt sich leider auch heute wieder. Alles was möglich ist, um künftig solche Konflikte zu vermeiden, muß getan werden. Über dieses Ziel herrscht Einigkeit. Der Weg, der in den letzten Jahrzehnten mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften eingeschlagen wurde, hat viele Erfolge gebracht. Es hat aber auch eine Vielzahl schwerwiegender Fehlentwicklungen gegeben. Die Änderung der Römischen Verträge und die Aushandlung des Vertrags über die Europäische Union wären eine gute Gelegenheit gewesen, über die strukturellen Mängel der Europäischen Gemeinschaft, ihrer Institutionen und ihrer Politik nachzudenken und sie zu korrigieren. Diese Chance ist nach meiner Einschätzung nicht ausreichend genutzt worden: Es ist die Chance nicht genutzt worden, die Willensbildung in der EG wirklich demokratisch zu gestalten. Die „Gewalt" der EG geht auch weiterhin vor allem von Regierenden und nicht vom Volke aus. Das Europäische Parlament wird weiterhin viel zu wenig Rechte haben. Es ist die Chance nicht genutzt worden, das „ Wertesystem" der Europäischen Gemeinschaft zu korrigieren. Bisher herrscht die ökonomische Sichtweise vor. Das hat schon nachteilige Folgen gehabt und wird weitere haben. Ich nenne ein Beispiel: Die Verbreitung von Informationen und Meinung im Fernsehen wird nach den Regeln des gemeinsamen Marktes als eine Ware/Dienstleistung wie jede andere betrachtet. Diese Sichtweise und ihre Durchsetzung hat in den letzten zehn Jahren wesentlich dazu beigetragen, das 10908' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 deutsche Rundfunkwesen zu kommerzialisieren und der „Amerikanisierung" des Fernsehens in Europa insgesamt den Weg zu bereiten. Die EG ist so mitschuldig daran, daß der Artikel 5 des Grundgesetzes (Meinungsfreiheit) und sein auf bitterer geschichtlicher Erfahrung in der Weimarer Zeit gründender Auftrag ausgehöhlt und zur Farce geworden ist. — So wie hier gibt es viele gute Gründe, die ökonomische Sichtweise der Europäischen Gemeinschaft zu korrigieren. Mit dem Maastrichter Vertrag wird dies nicht erreicht. Auch in den anderen Bereichen geht die Europäische Gemeinschaft bisher Wege, die moderne, soziale und ökologische Einsichten und Belange mißachten: Wieso sollen wir einen Weg weitergehen, der in der Verkehrspolitik nur das Ziel kennt, möglichst billig und unter Preis Transporte anzubieten, und der die tatsächlichen Kosten für Mensch, Umwelt und Klima so deutlich vernachlässigt, wie dies zur Zeit geschieht? Wieso sollen wir einen Weg weitergehen, der in der Umweltpolitik und im Verbraucherschutz allzuoft dringend notwendige Maßnahmen zu Wettbewerbshindernissen erklärt? Wieso sollen wir einen Weg weitergehen, der in der Sozialpolitik den abhängig Beschäftigten und den unteren Einkommensschichten eine ungleich größere Last der Harmonisierung aufbürdet als den Besserverdienenden? Während zur Wirtschafts- und Währungsunion klare Vorgaben und Automatismen niedergelegt sind, bleibt es im sozialen Bereich bei unverbindlichen Absichtserklärungen. Die Angst der Menschen mit geringem Einkommen und einer einfachen Ausbildung vor Lohndrückerei, Sozialdumping und erhöhtem Leistungsdruck ist sehr real. Diese Bedrohung wird auch nicht durch strukturpolitische und sozialpolitische Reparaturmechanismen auf EG-Ebene abgewendet. Die Spaltung Europas in Profiteure und Opfer der Wirtschafts- und Währungsunion wird der Verdrossenheit und der Hinwendung zu rechtsradikalen Ideen neue Nahrung geben. Wieso sollen wir den Weg zu einem Europa weitergehen, das im Kern auch darauf angelegt ist, die Organisation nationalstaatlichen Machtstrebens auf höherer Ebene und die Sicherung gegen den Rest der Welt durch Ausbau der ökonomischen und militärischen Stärke zu gewährleisten? Die Furcht vor der „Festung Europa" ist so unbegründet nicht. Auch ich liebe Europa für das, was es sein könnte und was es vielleicht trotz falscher Weichenstellungen in Maastricht werden kann. Heute sollen wir aber schließlich nicht über die Idee und über Möglichkeiten abstimmen, sondern über konkrete Bestimmungen und über die Realität der Gemeinschaft und ihrer Politik. Hierbei habe ich, wie gesagt, große Vorbehalte. Aus diesen und einer Reihe anderer Gründe stehe ich dem Vertragswerk und einigen der zugrundeliegenden Prinzipien skeptisch gegenüber. Ich enthalte mich der Stimme, weil ich es gerade im Moment für kritisch hielte, das Vertagswerk ausgerechnet an einem deutschen „Nein" scheitern zu lassen. Jenen Freunden der Einheit Europas, die den Weg von Maastricht aus guten Gründen skeptisch beurteilen, möchte ich aber signalisieren, daß ihre Sorgen auch im Deutschen Bundestag geteilt werden. Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Ich stimme der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht zu, weil ich die Fortentwicklung der europäischen Einigung für so entscheidend halte, daß auch schwerwiegende Bedenken im einzelnen dahinter zurücktreten müssen. Aber diese Bedenken sind zu wichtig, als daß sie verschwiegen werden könnten. 1. Der Vertrag von Maastricht baut das Demokratiedefizit in Europa nicht ab, sondern schafft einen noch größeren demokratiefreien Raum. Bundesregierung und Landesregierungen haben ihre Rechte gesichert, Kommission und Rat erfahren einen Machtzuwachs, während die Rechte des Europäischen Parlaments, der nationalen und der Länderparlamente nicht entsprechend ausgebaut werden. Es entsteht ein Europa der Regierungen und nicht der Parlamente. Ich erwarte, daß spätestens bei der vorgesehenen Vertragsrevision die Parlamentsrechte geschaffen werden. 2. Der Unionsvertrag bewirkt nicht den Ausbau der Europäischen Union zu einer Sozial- und Umweltunion. Die Europäische Union bleibt unbefriedigend, solange nicht auch die soziale und ökologische Dimension gleichrangig neben der ökonomischen Dimension behandelt werden. 3. In den Begleitgesetzen zu den Verf assungsänderungen und in den Verfassungsänderungen selber wird die Rolle der Gemeinden in der europäischen Integration nicht gebührend berücksichtigt. Es wird die Tendenz zu einem Regierungsföderalismus verstärkt, während den Gemeinden — und auch den Landesparlamenten — eine eigenständige Rolle im Prozeß der europäischen Einigung verweigert wird. 4. Ich bedauere, daß es nicht möglich gewesen ist, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Volksentscheids zum Unionsvertrag von Maastricht zu schaffen. Eine so weitreichende Entscheidung wie die Gründung der Europäischen Union und die deutsche Beteiligung daran kann nach meinem Verständnis nicht ohne direkte Legitimierung durch das Volk getroffen werden. Das gewählte Verfahren verstärkt den Eindruck der Bürgerferne. Für mich kann das vereinte Europa nicht von Regierungschefs hinter verschlossenen Türen geschaffen werden, sondern nur von den europäischen Völkern selber. Ich bin für die Einführung plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz; Maastricht wäre ein geeigneter Beginn auf diesem Wege gewesen. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ich stimme diesem historischen Vertrag zu, weil er Europa als Friedensgemeinschaft sichert, weil er eine ökonomische Stabilitätsgemeinschaft gewährleistet, weil er eine ökologische Gesamtstrategie möglich macht, weil Europa in der Welt damit eine wirkliche Vermittlerrolle einnehmen kann, weil demokratische Freiheiten in zwölf Ländern gestärkt und Menschen- und Bürgerrechte internationalisiert werden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10909* Dabei weiß ich, daß ein Demokratiedefizit bleibt, das Europäische Parlament gestärkt werden muß und die Ängste vieler Menschen vor einem Europa der dritten Generation nicht ausgeräumt sind. Deshalb gilt von jetzt an sorgfältig und umfassend eine Aufklärungs- und Werbekampagne für Europa in der Gemeinsamkeit der Zwölf zu beginnen, offen zu sein für die Bedenken des Königsreichs Dänemark und den Beitritt besonders auch der skandinavischen Staaten. Europa muß gelebt, darf nicht verwaltet werden, sonst verspielen wir diese historische Chance. Europa ist uns allen aufgegeben, wie es die Europa-Union seit vielen Jahrzehnten propagiert. Anlage 6 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. November 1992 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz zu dem Vertrag vom 3. April 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze In der Sektion III des Grenzabschnittes „Scheibelberg-Bodensee" sowie in einem Teil des Grenzabschnittes „Dreieckmark-Dandlbachmündung" und des Grenzabschnittes „Saalach-Scheibelberg" Gesetz zur Anderung veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende EntschlieBung gefaßt: In §47 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (Artikel 6 Nr. 11 des Gesetzes zur Änderung veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften) ist vorgesehen, für Erzeugnisse, die aus anderen EG-Mitgliedstaaten stammen, jedoch bestimmten deutschen Rechtsvorschriften, die zum Schutz der Gesundheit erlassen wurden, nicht entsprechen, die Verkehrsfähigkeit durch Allgemeinverfügungen des Bundesministers für Gesundheit festzustellen, „soweit nicht zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen". Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die genannten Allgemeinverfügungen vor ihrem Erlaß intensiv mit den Ländern zu beraten und abzustimmen. Der Bundesrat hält in diesen Fällen ein enges Zusammenwirken von Bund und Ländern für unverzichtbar, da hier durch Verwaltungsakte die Verkehrsfähigkeit von Erzeugnissen festgestellt werden soll, deren Beschaffenheit geltendem, allerdings nicht harmonisiertem Recht zuwiderläuft, das darüber hinaus Ziele des gesundheitlichen Verbraucherschutzes verfolgt. Der Bundesrat nimmt im übrigen diese rechtlich und verbraucherpolitisch nicht bedenkenfreie Situation zum Anlaß, die Bundesregierung erneut aufzufordern, mit Nachdruck auf die rasche und vollständige Harmonisierung sämtlicher gesundheitsschutzbezogener Bereiche des Lebensmittelrechts unter Beibehaltung der in der Bundesrepublik Deutschland bisher vorhandenen Schutzniveaus hinzuwirken. Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/3132 Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/1681 Nr. 3.10 Drucksache 12/2867 Nr. 2.16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerd Poppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Prager und Budapester Intelektuelle Mitte der 80er Jahre den Begriff Mitteleuropa wiederbelebten, der nach zwei Weltkriegen fast vollständig aus dem Sprachgebrauch verschwunden war, geschah dies wohl nicht nur in Auflehnung gegen 40jährige sowjetische Herrschaft, sondern erinnerte den Westen zugleich an seinen allzu nachlässigen Umgang mit dem Wort Europa, was damals — und leider ist es bis heute so — ausschließlich auf die EG-Staaten angewandt wurde
    10822 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992
    Gerd Poppe
    Wenig später kam es — bemerkenswerterweise im Westteil Berlins — zu einer Begegnung von Schriftstellern und Intellektuellen aus jenem „fernen" Mitteleuropa — sofern sie reisen durften oder emigriert waren — und aus Westeuropa. Die Veranstaltung hatte den Titel „Ein Traum von Europa". Wieder etwas später, nach den revolutionären Ereignissen von 1989/90, sollte nun darangegangen werden, den Traum in die Realität zu verwandeln: ein friedliches und freiheitliches Europa zu schaffen, eine zivile Gesellschaft. Jene nun etwas näher gerückten Mitteleuropäer verkündeten die „Rückkehr nach Europa".
    Das Resümee nach drei Jahren: Statt des ersehnten Friedens herrscht Krieg in Europa. Statt erhoffter schneller gesamteuropäischer Integration wird diese auf eine ferne Zukunft verschoben. Der Westen hat mit zum Teil selbstgeschaffenen Krisenerscheinungen zu kämpfen. Mitteleuropa, der ersehnte Ort der Zivilisation, ist nach Morden und Brandanschlägen in Deutschland und anderswo erneut in Gefahr geraten, zum Ort der Barbarei zu werden. Wir sind aus unserem Traum von Europa erwacht und haben Maastricht bekommen.
    Immerhin, so könnte man sagen.

    (Zuruf von der SPD: Einen Alptraum!)

    Aber Skepsis ist allemal angebracht. Und so wird die große Mehrheit in diesem Hause, wenn sie heute für die Ratifizierung des Vertrages von Maastricht stimmt, dies wohl nicht mit großer Begeisterung tun, sondern eher trotz aller Bedenken. Es ist schon eine merkwürdige Situation: Man ist sich einig, daß dieses Werk sehr kritisch zu bewerten ist, meint aber, ihm als dem kleineren Übel die Zustimmung nicht entziehen zu können.
    Die Bundesregierung hat sich ohne Wenn und Aber auf dieses Ergebnis festgelegt und hat die Parole ausgegeben: „Ohne Maastricht stirbt Europa."
    Damit hat sie einen Mechanismus in Gang gebracht, den man eine sich selbst erfüllende Prophezeiung nennen könnte. Zwar weiß niemand, ob und wieso sie eintreffen sollte, aber es genügt der Glaube daran und der Druck, den er erzeugt. Glaubensbekenntnisse werden übrigens von allen Seiten verbreitet, von Befürwortern und Gegnern des Vertrages.
    Bemerkenswert ist die Hektik, mit der die Bundesregierung und der Bundestag auf die Tatsache reagierten, daß der Vertrag nach den dänischen und britischen Entscheidungen nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt in Kraft treten kann, die fieberhafte Eile, mit der der Sonderausschuß gearbeitet hat, die heutige Sondersitzung.

    (Peter Kittelmann immer da gewesen wären, hätten Sie bemerkt, daß das nicht richtig ist!)

    Müssen wir uns Mut machen angesichts der bestürzenden Ereignisse? Oder wollen wir unseren Nachbarn signalisieren, daß wir zu einer noch festeren Einbindung in internationale Zusammenhänge entschlossen sind und sie uns nicht zu fürchten haben? Oder wollen wir nur die eigenen Zweifel am Erfolg von Maastricht überspielen? Wohl von allem etwas.
    Zweifel sind in der Tat angebracht. Für eine kritische Sicht gibt es genügend Anlaß. Was heute verabschiedet werden soll, dient der Kontinuität der wirtschaftlichen Integration Westeuropas zu Lasten seiner Demokratisierung. Es ist der Zusammenschluß des reichen Teils Europas ohne und im ungünstigen Fall auch gegen seinen ärmeren Teil. Wenn das Ziel die Schaffung einer demokratischen Union, einer Umwelt- und Sozialunion und deren Erweiterung auf ganz Europa sein soll, dann ist zu fragen, ob die Besitzstandswahrung eines reichen Kerns in Westeuropa oder gar der Ausbau seiner Großmachtstellung als Mittel dafür tauglich ist.
    Der Vertrag von Maastricht formuliert weder die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen als gleichrangiges Ziel neben dem Gemeinsamen Markt, noch gibt er den Einstieg in die dringend notwendige ökologische Steuerreform. Er bietet auch sozialpolitisch keine strukturgestaltende Dimension. Statt sich z. B. in Richtung auf eine existenzsichernde Grundversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger der Union und eine für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindliche Konvention sozialer Grundrechte hin zu bewegen, kommt der Vertrag nicht über die traditionelle Umverteilungspolitik hinaus.
    Zu viele Kompetenzen sind der Exekutive vorbehalten, zu wenige erhält das Europäische Parlament. Die Einwanderungs- und Asylpolitik gehört z. B. zu den Bereichen, die innerhalb der Regierungszusammenarbeit verbleiben und damit legislativen Beratungen entzogen sind, wodurch die Gefahr besteht, daß die europäischen Regierungen ohne Korrekturmöglichkeiten seitens des Europäischen Parlaments Vereinbarungen treffen, die unter der euphemistischen Überschrift der „Harmonisierung" die Vorzüge einer bisher offenen Gesellschaft in Frage stellen. Nicht zuletzt aber an der humanen und rechtstaatlichen Lösung der Probleme, die die aktuellen Wanderungsbewegungen aufwerfen, wird die Qualität europäischer Demokratie gemessen werden müssen.
    Einen meiner grundsätzlichen Kritikpunkte habe ich durch meine Eingangsbemerkung schon angedeutet: den Begriff von Europa, der diesem Vertrag zugrunde liegt. Die andere Hälfte Europas wird in vielen Kommentaren zum Vertrag von Maastricht als Sicherheitsrisiko bezeichnet — zwar aus zugegebenermaßen guten Gründen, aber dennoch zu kurz greifend —, dem der Stabilitätsanker Europäische Union entgegengestellt werden soll. Stabilität wird aber nur dann erreichbar sein, wenn den ehemals sowjetisch dominierten Staaten eine klare Perspektive gegeben wird, wie sie ihrerseits eine stabile Entwicklung erreichen. Weder der Maastrichter Vertrag noch die bisherigen Regierungskonferenzen, noch die Assoziierungsabkommen bieten dafür eine ausreichende Konzeption.
    Deshalb erneuere ich unsere Forderung nach deutlichen Signalen für die Eröffnung einer langfristigen Perspektive der Einbindung, die der „Gemeinsamen Erklärung der Außenminister der EG und der" — sogenannten — „Visegrad-Länder", also Polens, der Tschechischen und Slowakischen Republiken sowie Ungarns, vom 5. Oktober diesen Jahres entspricht: unverzügliche Einbeziehung dieser Staaten in die

    Gerd Poppe
    Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union und Herstellung eines Beobachterstatus im Europäischen Parlament.
    Natürlich erstreckt sich diese Forderung auch auf die Sicherheitspolitik. Dazu sollten die gemeinsame Sicherheitspolitik und die längerfristig erwogene gemeinsame Verteidigungspolitik perspektivisch auf die KSZE als ein über die EG hinausreichendes Instrument bezogen werden, statt sie als Vehikel zum Ausbau der WEU zu benutzen. Die WEU-Option verweist doch zu sehr auf die traditionelle Vorstellung von einem westeuropäischen Militärbündnis gegen potentielle Feinde, aus welcher Himmelsrichtung sie auch kommen mögen. Die Alternative wäre ein kollektives Sicherheitssystem für ganz Europa, wie es mit der KSZE im Keim vorhanden und mit dem entsprechenden Willen ausbaufähig ist.
    Der harte Kern des Unionsvertrages ist unstreitig die Wirtschafts- und Währungsunion. Auch hier und besonders hier erscheint als tragendes Element der Stabilitätsgedanke. Wir zweifelhaft diese Stabilität ist, zeigt der Umstand, daß schon die Bundesrepublik die vereinbarten Konvergenzkriterien für den Beitritt der Währungsunion gegenwärtig nicht erfüllen könnte. Nichts spricht dafür, daß sie dies in ein paar Jahren kann, am allerwenigsten die Haushaltspolitik der Bundesregierung.
    Wenn die Währungsunion also schon vor ihrem Inkrafttreten an Unglaubwürdigkeit krankt, dann muß doch die Frage gestellt werden, welche Möglichkeiten diejenigen Staaten haben, die — wie schon jetzt abzusehen ist — außerstande sein werden, diese Kriterien zu erfüllen. Das wird eine Reihe jetziger EG-Mitglieder betreffen, erst recht aber die ostmitteleuropäischen Beitrittsanwärter. Erstere sind mittels Kohäsionsfonds noch einigermaßen abgesichert, letztere aber haben außer gutgemeinten Ratschlägen und vielen Absichtserklärungen wenig zu erwarten.
    Es gibt, meine Damen und Herren, also gute Gründe, mit Maastricht unzufrieden zu sein. Wer die Ratifizierung ablehnt, muß nicht gegen Europa sein. Den Umkehrschluß jedoch — wer für Europa ist, muß gegen den Vertrag stimmen — halte ich für unzutreffend und irreführend. Wer so argumentiert, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, das beklagenswerte Defizit an öffentlicher Auseinandersetzung und Mitentscheidung sowie den daraus ableitbaren Akzeptanzmangel von Teilen der Bevölkerung auf billige Weise für die eigenen Ziele zu benutzen. Dies ist nicht weniger fragwürdig als der Versuch, Unsicherheit und Schweigen vieler Menschen als Zustimmung zu werten.
    Geboten sind weder Schönfärberei noch Schwarzmalerei, sondern Transparenz und öffentlicher Diskurs. Wir bleiben bei unserer Auffassung, daß an dessen Ende ein Volksentscheid stehen sollte. Deshalb haben wir unseren diesbezüglichen Antrag aufrechterhalten und außerdem einen Gesetzentwurf zur Verankerung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid im Grundgesetz eingebracht.
    Es ist richtig, daß die bisherigen EG-Regelungen bestehenbleiben, falls Maastricht scheitert. Dies würde jedoch nicht zwangsläufig bedeuten, daß die
    EG auf lange Sicht so bliebe, wie sie ist, und daß beliebige Zeit für Neuverhandlungen zur Verfügung stünde. Ablehnung könnte zum Rückschlag führen, zur Rückkehr zu einer einseitigen Betonung nationalstaatlicher Politik innerhalb der EG. Sie würde darüber hinaus nationalistischen Kräften in Europa Auftrieb geben.
    Angesichts des Völkermords in Bosnien und neonazistischer Mordbrennereien in der Bundesrepublik benötigen wir jedoch eindeutige Signale, Entscheidungen von großer Tragweite, die belegen, daß Nationalismus und Rechtsextremismus in Deutschland keine Chance haben. Die feste Einbindung in eine internationale, europäische Ordnung ist ein solches Signal. Sie ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Die heutige Ratifizierung ist nur der Beginn, die Absichtserklärung, sich auf die große historisch-politische Aufgabe einer gesamteuropäischen Union einzulassen. Weitere Verträge, die die soziale und ökologische Ausgestaltung, die Demokratisierung und die perspektivische Einbeziehung der ostmitteleuropäischen Staaten betreffen, müssen bald folgen. Nur eine demokratische, ökologische und soziale Union, die von der breiten Mehrheit der Europäer getragen wird, kann ein entscheidendes Gegengewicht gegenüber den nationalistischen Gefahren bilden.
    Ich habe durchaus Zweifel daran, daß der Maastrichter Vertrag tatsächlich in die beschriebene Richtung führen wird. Mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit kann er dem auf längere Sicht sinnlosen Unterfangen des Ausbaus einer westeuropäischen Wohlstandsfestung dienen.
    Der Abschlußbericht des Sonderausschusses, der heute im Falle einer Ratifizierung von Ihnen, meine Damen und Herren, mit bestätigt wird, überspielt die Schwächen des Maastrichter Vertrages nicht und verweist an vielen Stellen auf Möglichkeiten seiner Fortschreibung. Diesen Konsens der großen Bundestagsmehrheit vorausgesetzt, überwinde ich — im Gegensatz zu einigen meiner Kolleginnen und Kollegen — meine Skepsis und stimme der Ratifizierung zu in der Hoffnung, es eines Tages nicht bereuen zu müssen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt der Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die Verfassungsväter und Verfassungsmütter unser Grundgesetz von 1949 endgültig formulierten, nahmen sie in die Präambel aus ihrer persönlichen Lebenserfahrung und aus der Erfahrung unseres Volkes bei den Heimsuchungen der Geschichte den Satz auf, daß das deutsche Volk „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt" dienen wolle. Bei aller Skepsis, bei all den Befürchtungen, die ich durchaus sehe, und bei all dem, was man an Kritik an dem Vertrag von Maastricht üben kann — er ist ein Kompromiß —, bin ich sicher, daß wir mit diesem Vertragswerk von Maas-
    10824 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    tricht dem Ziel der Präambel unseres Grundgesetzes ein entscheidendes Stück näher kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPDJ)

    Ich glaube, es ist wichtig, daß wir in dieser Stunde — und es ist in der Tat eine historische Stunde — an die Bemühungen einer ganzen Generation erinnern, die zu dieser Europäischen Union führen. Wir setzen damit eine Politik fort, die alle meine Amtsvorgänger und alle Bundesregierungen seit 1949 immer als einen wichtigen Auftrag deutscher Politik gesehen haben. Wir verwirklichen eine Vision — wir werden ja oft nach Visionen gefragt —, die von den großen Europäern der Nachkriegszeit — ich nenne für viele Robert Schuman, Alcide de Gasperi, Paul-Henri Spaak und Konrad Adenauer — entworfen worden ist. Es waren Männer und Frauen, die aus der leidvollen Geschichte Europas — vor allem in diesem Jahrhundert — mit Mut, mit Weitsicht und mit großem persönlichen Engagement die Konsequenzen gezogen haben.
    Man muß schon die Spanne der Geschichte dieses Jahrhunderts durchschreiten, um sich einmal darüber klar zu werden, was diese Stunde auch für uns, die Deutschen, bedeutet. Ich spreche bewußt die Resolution der sozialdemokratischen Bewegung vor dem Ersten Weltkrieg an. Sie können das bei Bebel nachlesen. Sie können es bei dem ersten Gefallenen des Reichstags, dem Mannheimer Abgeordneten Frank, nachlesen. Sie können es in den Briefen gefallener Soldaten des Ersten Weltkriegs nachlesen. Sie finden es in vielen Zeugnissen der Zeit zwischen 1918 und 1933. Sie finden es in eindrucksvoller Weise in den Dokumenten des 20. Juli; wenn Sie etwa das nachlesen, was im Kreisauer Kreis gedacht und entworfen wurde.
    All die, die Europa auf diesen Weg bringen wollten und jetzt endgültig bringen, wollten einen neuen Weg beschreiten. Sie haben — ich glaube, das darf man sagen — die Grundlage für eine beispiellose Erfolgsgeschichte gelegt; denn bei allen Notwendigkeiten, über europäische Agrarpolitik, über europäische Zölle, über die Probleme des Alltags zu reden, sollten wir eines nicht vergessen: daß wir heute in Westeuropa in der längsten Friedensperiode seit Mitte des 19. Jahrhunderts leben. Nur 21 Jahre nach dem Ende des Ersten begann der Zweite Weltkrieg. 43 Jahre nach der Reichsgründung 1871 brach der Erste Weltkrieg aus. Wir, die Heutigen, leben schon seit 47 Jahren in Frieden, und wir haben die sichere Gewißheit, daß dies auch weiterhin so bleiben kann. Das ist eine großartige Sache.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Dies ist nicht zuletzt auch das Verdienst der Europäischen Gemeinschaft. Sie hat mit dazu beigetragen, alte Feindschaften und nationale Rivalitäten, die es natürlich bis zum heutigen Tag gibt und immer geben wird, in Partnerschaft, ja sogar in Freundschaft zu überwinden. Sie hat uns die Chance gegeben, zu einer immer enger werdenden wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit zu kommen. Sie hat uns — darüber wird fast nie gesprochen — auch unter den Zwang gestellt, uns in die Vorstellungen unserer Partner hineinzudenken. Das gibt uns in Deutschland auch die — nicht von allen genutzte — Möglichkeit, darüber nachzudenken, was man dem anderen zumuten kann, dem Nachbarn, dem Partner.
    Wir, die Deutschen, sollten vor allem eines nie vergessen: Ohne die feste Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die europäische Integration wäre auch die friedliche Vereinigung unseres Vaterlandes so schnell nicht möglich gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Ich erinnere mich an manches Gespräch im Jahre 1990, wenn Hans-Dietrich Genscher von den Zwei- plus-Vier-Verhandlungen zurückkehrte, wo unsere Argumente nicht immer die stärksten waren und wo unsere europäischen Partner geholfen haben, weil wir längst auf einem gemeinsamen Weg in Europa waren. Die deutsche Einheit und die europäische Einigung sind, so verstanden, zwei Seiten ein und derselben Medaille.
    Meine Damen und Herren, wir alle brauchen dieses Europa, wie alle in Europa, aber für uns Deutsche ist Europa die Schicksalsfrage schlechthin. Wer die Geschichte unseres Landes im letzten Jahrhundert, vor allem im Zeitalter des nationalstaatlichen Denkens, kennt, weiß, daß auf Grund unserer geographischen und geopolitischen Lage mehr als in allen anderen europäischen Ländern in der Mitte Europas unsere Probleme immer auch die Probleme Europas sind. Das, was hier geschieht — wir erleben es in diesen Tagen in einer leidvollen Weise — findet mehr Widerhall in der Welt und damit auch in Europa als das, was in irgendeinem anderen Land geschieht. Deswegen ist es uns nicht gleichgültig, sondern es ist schicksalhaft, welchen Weg Europa geht, ob wir, die Deutschen, uns unwiderruflich auf den wirtschaftlichen und politischen Zusammenschluß festlegen oder ob wir unsere Hand reichen zu einem Rückfall in vergangene Zeiten, in nationale oder gar machtpolitische Rivalitäten.
    Dies ist in Wahrheit die Kernfrage der jetzigen Diskussion über die Europapolitik und über den Vertrag von Maastricht.
    Angesichts des dramatischen Umbruchs in Mittel-, Ost- und Südosteuropa braucht unser Kontinent mehr denn je einen festen Anker der Stabilität und damit auch eine starke Europäische Gemeinschaft.
    Die Aufgaben, vor die uns die internationale Lage stellt, können wir, auch wenn es manche immer noch glauben, nicht mehr mit den herkömmlichen Mitteln nationaler Politik lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wer sich einbildet, den deutschen Interessen, den Interessen unseres Volkes sei mit einer Rückkehr zu einer klassischen nationalen Politik am besten gedient, versteht nichts von der Gegenwart und verspielt die Zukunft. Kein europäisches Land ist mehr für sich allein imstande — obwohl viele in ihren Büros das
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10825
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    noch nicht begriffen haben —, Frieden und Freiheit, wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Stabilität zu sichern. Wir alle in Europa und vor allem die Deutschen brauchen aus ureigenstem Interesse die Einigung Europas.
    Meine Damen und Herren, die konsequente Fortsetzung der Politik der europäischen Integration ist zugleich eine zukunftsweisende Antwort auf den immer wieder zu beobachtenden Nationalimus in Europa, auf Entwicklungen des Zerfalls in Teilen Europas. Es soll doch niemand — auch in Deutschland — glauben, das Gespenst des Nationalismus in Europa sei endgültig tot oder vagabundiere lediglich noch auf dem Balkan. Auch das westliche Europa ist nicht ein für allemal vor den bösen Geistern der Vergangenheit, vor nationalistischem Denken, vor Intoleranz oder Chauvinismus, gefeit.
    Gerade deshalb ist es schlicht falsch, wenn hier und da behauptet wird, im Jahre 1992 oder generell in den 90er Jahren sei die Zeit noch nicht reif für eine Weiterentwicklung, wie sie der Vertrag von Maastricht vorsieht. Wenn wir jetzt nicht die Europäische Union schaffen, versagen wir vor der Zukunft,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    und wir setzen leichtfertig aufs Spiel, was wir bisher erreicht haben.
    Die Bundesregierung steht daher fest zu den Vereinbarungen und der Grundkonzeption des Vertrags von Maastricht. Es ist die jetzt mögliche Antwort — ich formuliere es so: die jetzt mögliche gemeinsame Antwort — auf die Veränderungen in Europa. Ich bin ganz sicher, daß wir mit dem Vertrag von Maastricht, auf den wir uns gerade vor einem Jahr beim Europäischen Rat verständigten, einen guten und tragfähigen Kompromiß gefunden haben.
    Ich bekenne auch, daß an diesem Kompromiß das eine oder das andere ist, was ich mir sehr viel anders hätte vorstellen können. Manches ist erreicht worden, manches ist nicht erreicht worden. Aber, meine Damen und Herren, die ganze Dimension des Weges kann man erst erkennen, wenn man einen Moment innehält und sich die Frage stellt: Wäre ein solcher Vertrag vor 40, vor 30, vor 20 Jahren denkbar gewesen? Wenn man das bedenkt, kann man eigentlich nur dankbar dafür sein, daß das, was jetzt möglich wird, erreicht werden konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD])

    Mit dem Maastrichter Vertrag haben wir ein ausbaufähiges Fundament für die Fortentwicklung gelegt. Ich sehe dieser Zukunft mit großem realistischen Optimismus entgegen. Vieles von dem, was wir heute beklagen, was wir heute für nicht ausreichend halten, wird sich dank der Kräfte des Faktischen verändern.
    Da dies in den verfassungsrechtlichen Bereich geht, sage ich, meine Damen und Herren: Wie sehr sich die lebende Verfassung verändert, können Sie am besten erkennen, wenn Sie die Frühgeschichte unserer Bundesrepublik betrachten, wenn Sie sich noch einmal überlegen, wie beispielsweise im Jahre 1949 die Prognosen über die Bedeutung der Rolle von Bundestag und Bundesrat gelautet haben. Ich komme auf dieses Thema gleich noch einmal zu sprechen. Wir wissen, wie sich das im praktischen Leben zusammengefügt hat. Wir sind hier mitten im Strom der Entwicklung. Deswegen, so finde ich, haben wir nach all dem, was wir in 40 Jahren an Höhen und Tiefen auch der europäischen Politik erlebt haben, allen Grund zum Optimismus. Wer glaubt, er muß jetzt jeden Buchstaben gedruckt nach Hause tragen, der weiß nichts von der europäischen Geschichte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Beide Teile des Vertrags — die Politische Union wie die Wirtschafts- und Währungsunion — haben gleiches Gewicht. Jeder sollte sich bewußt sein, daß wir die Vorteile der wirtschaftlichen Integration, die insbesondere auch uns Deutschen zugute kommen, auf die Dauer nur bewahren können, wenn wir sie politisch absichern. Es gibt kräftige Stimmen in Europa — ich denke an eine besonders kräftige Stimme in Großbritannien —, die aus dieser Europäischen Gemeinschaft eine Art gehobene europäische Freihandelszone machen möchten. Wer dies will, will ein ganz anderes Europa. Eine wirtschaftliche Einigung in Europa ohne eine politische Einbettung ist mit absoluter Sicherheit zum Scheitern verdammt, und genau dies wollen wir nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf ein paar wesentliche Punkte des Maastrichter Vertrags eingehen.
    Erstens. Der Vertrag über die Europäische Union bindet die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft noch enger zusammen und schafft damit auch zusätzliche Sicherheit für uns alle. Zu den wesentlichen Errungenschaften des Maastrichter Vertrags gehört der Ausbau der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsmöglichkeiten Europas. Gerade in den letzten 24 Monaten haben wir mehr als andere empfunden, daß Europa dringend eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik braucht, um Krisen vorbeugen zu können, um aktiver auf Ereignisse in unserem unmittelbaren Umfeld Einfluß nehmen zu können. All diejenigen, die die EG beschimpfen, sie täte im ehemaligen Jugoslawien nicht genug, sollten daran denken, daß die EG die notwendigen Mittel dazu bisher gar nicht hat. Gerade die Erfahrungen der letzten zwei Jahre sind ein Beweis für die Notwendigkeit einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Eine Politische Union muß auf Dauer auch über die Mittel verfügen, sich selbst zu schützen. Deshalb hat sich die Bundesregierung nachdrücklich dafür eingesetzt, im Vertrag von Maastricht auch das Ziel einer künftigen gemeinsamen Verteidigungspolitik festzulegen. Für uns ist es dabei ebenso selbstverständlich wie unverzichtbar, daß eine europäische Verteidigungspolitik in enger Verbindung und Zusammenar-
    10826 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    beit mit der Atlantischen Allianz und vor allem auch den Vereinigten Staaten von Amerika steht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mancher, der diesen Weg zunächst mit Unverständnis oder auch mit Kritik aufgenommen hat, sieht sich jetzt Tag für Tag vor die Tatsache gestellt, daß auch in Amerika immer mehr Menschen diesen Weg mit Sympathie begleiten. Hier geht es doch nicht um eine Politik des Entweder-Oder, sondern, wie immer in den transatlantischen Fragen, um eine Politik des Sowohl-Als-auch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Vertrag war es eine wichtige Weichenstellung, die Westeuropäische Union als integralen Bestandteil der Europäischen Union festzuschreiben. Als europäischer Pfeiler im Atlantischen Bündnis wird die WEU die NATO nicht schwächen, sondern ergänzen und stärken.
    Zweitens. Von besonderer Bedeutung ist für uns Deutsche die Wirtschafts- und Währungsunion. Wer wie Deutschland rund ein Drittel seines Bruttosozialprodukts im Außenhandel erwirtschaftet, allein drei Viertel davon im Export nach Europa, kann auf die enge Verknüpfung mit den europäischen Märkten nicht verzichten. Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland sind auf das Allerengste mit der Entwicklung in Europa verbunden.
    Die Wirtschafts- und Währungsunion ist die logische Ergänzung und Weiterentwicklung des Europäischen Binnenmarkts, der in wenigen Tagen, ab dem 1. Januar 1993, einheitliche Wettbewerbsbedingungen und Chancen für alle Unternehmer und Arbeitnehmer in allen Ländern der Gemeinschaft garantieren wird.
    Viele Menschen in unserem Land -- das sollten wir verstehen und auch ernst nehmen — machen sich Sorgen, die künftige Europäische Währungsunion könne die Geldwertstabilität gefährden.
    Ich habe in den Diskussionen in den europäischen Gremien meine Kolleginnen und Kollegen immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß diese Frage für uns Deutsche deswegen von besonderer Bedeutung ist, weil die noch lebende ältere Generation in Deutschland zweimal in ihrem Leben durch Inflation ihren Arbeitsertrag und ihr Erspartes verloren hat und weil unter vielen anderen Faktoren beim Aufkommen des Nationalsozialismus der Zusammenbruch der Währung nach dem Ersten Weltkrieg ein ganz wesentlicher Grund war. Weil die Deutschen hier besonders sensibel sind, erwarten wir das Verständnis unserer Nachbarn. Auch andere Völker haben zum großen Teil ihre eigenen Erfahrungen mit Geldentwertung machen müssen. Es ist auch deswegen wichtig, daß wir dieses Argument ganz ernst nehmen.
    Ich will deutlich sagen: Wir haben in Maastricht durchgesetzt, daß die künftige europäische Währung eine sichere Stabilitätsgrundlage erhält. Eine zentrale Vorbedingung für die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ist, daß sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung weitgehend einander annähern. Das ist noch ein langer Weg, aber auch hier muß man fairerweise bekennen: Das gleiche Argument vor zehn Jahren ausgesprochen, hätte Hohngelächter erweckt. Wenn Sie heute beispielsweise nur die Politik etwa Frankreichs oder Spaniens in dieser Hinsicht betrachten, werden Sie feststellen, daß die Gemeinsamkeit hier viel weiter vorangeschritten ist, als viele in Deutschland wahrhaben wollen.
    Die Kriterien für die Qualifikation der einzelnen Lander zur Wirtschafts- und Währungsunion sind auf unser Betreiben so streng gefaßt worden, daß nur diejenigen Mitgliedstaaten an der Währungsunion werden teilnehmen können, die den Willen und die Fähigkeit zu einer strikten Stabilitätspolitik bewiesen haben. Die Länder müssen dies im einzelnen nachweisen; wir haben oft in diesem Kreis darüber gesprochen.
    Diese Stabilitätskriterien sind nicht nur vage Vorgaben; an ihnen werden alle konsequent gemessen. Nur diejenigen Länder werden Mitglieder der Wirtschafts-und Währungsunion, die diese Kriterien erfüllen. Es muß klar sein — ich will das hier für die Bundesregierung aussprechen, weil es für uns eine Selbstbindung ist —: Ein Aufweichen der Stabilitätskriterien kann und darf es nicht geben. Das ist eine unverrückbare Position, an der wir gerade wegen deutscher geschichtlicher Erfahrung festhalten müssen.
    Ich halte es in diesem Zusammenhang für besonders wichtig, daß wir gemeinsam — Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung — in den kommenden Jahren die Entwicklung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft anhand dieser Stabilitätskriterien genau verfolgen. Ich möchte hinzufügen: Die im Vertrag von Maastricht formulierten Stabilitätskriterien, voran die Haushaltsdisziplin, werden maßgeblich für die spätere Politik in der Wirtschafts- und Währungsunion sein.
    Meine Damen und Herren, was ich für einen besonderen Erfolg deutscher Politik halte, will ich hier herausstellen: In der Frage der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank konnten wir unsere Position entgegen manchen Erwartungen durchsetzen. Wer das vor fünf Jahren hier im Saal gesagt hätte, wäre ausgelacht worden. Auch das gehört zu den Erfahrungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben die künftige Europäische Zentralbank vorrangig auf das Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet. Darüber hinaus ist die für eine effektive Stabilitätspolitik der Europäischen Zentralbank entscheidende Unabhängigkeit von politischen Vorgaben in Wahrheit besser abgesichert, als dies für die Deutsche Bundesbank gewährleistet ist. Die Wirtschafts- und Währungsunion wird eine Union der Stabilität sein. Unser Ziel muß sein, daß diese Währung genauso sicher sein wird wie die Deutsche Mark.
    Erleichterungen wie der Wegfall von teuren Umtauschverfahren und die entscheidend verbesserte Kalkulationssicherheit für Investoren werden allen in Europa Vorteile bringen. Mit dem gemeinsamen Währungsraum braucht dieses Europa für die
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10827
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Zukunft einen internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Wir werden damit für den härter werdenden internationalen Wettbewerb besser gerüstet sein als heute.
    Dank der Maastrichter Vereinbarung ist die gemeinsame europäische Währung — ihre innere Stabilität und ihre große weltwirtschaftliche Bedeutung gehören in diesen Bereich — als ein Beitrag zu verstehen, das Weltwährungssystem zu stabilisieren.
    Drittens. Wir müssen sicherstellen, daß die europäischen Institutionen einer effektiveren demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen. Wir können nicht ständig die mangelnde demokratische Kontrolle von Kommission und Rat beklagen, wenn wir in Europa insgesamt nicht bereit sind, dem Parlament mehr Rechte zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Das Eigenartige an dieser Diskussion ist, daß es zu einem großen Teil nicht mehr um Rechte geht, über die die nationalen Parlamente noch verfügen, sondern um Kompetenzen, die längst auf die europäische Ebene übergegangen sind, dort aber der parlamentarischen Kontrolle entzogen sind. Es ist auf diese Weise eine Art parlamentsfreier Raum entstanden. Ich halte es für absolut unverzichtbar, daß wir diesen nichtakzeptablen Zustand Schritt für Schritt überwinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wir haben diese Position bei den Verhandlungen mit großer Entschiedenheit vertreten. Wir haben dabei — das ist einer der Punkte, wo wir uns nicht durchsetzen konnten — keine Mehrheiten gefunden. Aber, meine Damen und Herren, ich bin ziemlich sicher, daß noch in diesem Jahrzehnt, ungeachtet der Termine, die im Verrtag vorgegeben sind, deutlich werden wird, daß der jetzige Zustand so nicht bleiben kann und daß wir zu einem früheren Zeitpunkt, als viele meinen, zu einer Veränderung kommen werden. Ich möchte fast die Behauptung aufstellen: Wenn wir in dieser Woche über diese Frage den Vertrag auszuhandeln hätten, kämen wir zu anderen Mehrheiten, weil die Diskussionen der letzten Monate auch bei den Referenden ihre Wirkung getan haben.
    Trotzdem ist festzuhalten, daß auch für das Europäische Parlament im Vertrag von Maastricht eine ganze Reihe von zusätzlichen Kompetenzen vereinbart wurde. Dies sind wichtige Mitentscheidungsrechte bei der Gesetzgebung, bei der Haushaltskontrolle und bei der Benennung der Kommissionsmitglieder. Darüber hinaus konnten wir bei der Verankerung des parlamentarischen Untersuchungsrechts, des Petitionsrechts und der Einrichtung eines Bürgerbeauftragten eine ganze Reihe von Fragen voranbringen. — Dies sind richtige und wichtige Schritte. Ich füge aber hinzu: Es sind aus meiner Sicht nicht ausreichende Schritte. Deswegen müssen wir weiterhin die notwendige Überzeugungsarbeit leisten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, daß wir selbst die Position des Europäischen Parlaments in der deutschen Öffentlichkeit positiv beurteilen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Kolleginnen und Kollegen leisten dort nach meiner festen Überzeugung gute Arbeit. Ich wünsche mir beispielsweise, daß diese Arbeit von den deutschen Medien besser und intensiver dargestellt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Vielleicht könnten wir alle auch einen ganz persönlichen Beitrag leisten — ich sage das auch als Vorsitzender meiner Partei —, wenn wir in den Parteien dazu übergingen, auch die Arbeit der Abgeordneten im Europäischen Parlament besser zu würdigen, und wenn der gelegentliche Soupçon aufhörte: „Der geht nach Straßburg", mit all den Konsequenzen im innerparteilichen Betrieb: Wer geht nach Straßburg? Wer sollte nach Straßburg gehen, damit er weder in Bonn noch in einer Landeshauptstadt anderen in die Quere kommt? Dies sollte offen ausgesprochen werden: Wer so denkt und so handelt, darf sich nicht wundern, wenn die Öffentlichkeit eine entsprechende Reaktion zeigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Für die Bundesregierung ist es im übrigen selbstverständlich — —

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich denke, meine Damen und Herren, Sie alle haben das verstanden, was ich gesagt habe.

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    Alle Anwesenden haben sich nie an einer solchen Überlegung beteiligt; wir können unbefangen über andere reden.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

    — Herr Kollege Klose, wir müßten meine Redezeit um eine Stunde verlängern, wenn wir die Namen aufzählen wollten.
    Meine Damen und Herren, für die Bundesregierung
    — ich denke, für das ganze Haus — ist es selbstverständlich, daß die 18 Abgeordneten aus den neuen Bundesländern mit der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahre 1994 das volle Stimmrecht erhalten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die dazu notwendige Entscheidung muß in Edinburgh auf alle Fälle getroffen werden;

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    sie duldet keine Verschiebung. Der Ehrlichkeit halber möchte ich aber hinzufügen: Abgesehen von dieser Frage bin ich mir nicht sicher, ob die anderen Fragen, die in Edinburgh mit Blick auf die zu vergebenden Sitze — Thema „Europäische Zentralbank" — anstehen, zur Abstimmung kommen.
    10828 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Ich will aber sagen, daß unsere Position im Blick auf Frankfurt und die Europäische Zentralbank eindeutig ist und daß Ideen, von denen ich gelegentlich höre, daß man sich am Beispiel der USA orientieren könnte, wo der Sitz der FED in Washington ist und die Geschäfte in New York gemacht werden, man also den Sitz in Deutschland haben und die Geschäfte in einer anderen schönen, großen Stadt, die an einem Fluß gelegen ist, machen könnte, für uns nicht akzeptabel sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Viertens. Es gibt viele Fragen, die nur in einem europäischen Rahmen in unserem Sinne geregelt werden können — ich nenne als ein Beispiel den Umweltschutz. Die Umweltverschmutzung macht eben nicht an den Grenzen halt. Wenn wir in ganz Europa einheitliche und strenge Bestimmungen einführen, können wir die Probleme besser lösen.
    Als ein weiteres Beispiel nenne ich eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik. Die Wanderungsbewegungen aus dem Osten und Südosten Europas sowie aus dem südlichen Mittelmeerraum stellen uns alle in Europa vor schwierige Situationen. Niemand in Europa soll glauben, daß sei die Sache des Nachbarn. Ein solches Denken gibt es jetzt auch in der EG im Blick auf Deutschland. Nein, was hier geschieht, wird auch andere betreffen.
    Es ist zwar wahr, daß sich die Wanderungsbewegungen im Augenblick vor allem hierher konzentrieren, aber auf die Dauer wird dies in einem Europa offener Grenzen ein gemeinsames Problem. Deswegen brauchen wir eine gemeinsame, eine abgestimmte europäische Asyl- und Einwanderungspolitik. Dafür müssen wir hier in Deutschland die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Wir dürfen hier nicht so handeln, daß wir dadurch europäischen Entscheidungen im Wege stehen.
    Wir brauchen auch eine gemeinsame europäische Politik der inneren Sicherheit. Das ist ein Thema
    — ich muß das ganz offen bekennen —, bei dem ich den Stand der Diskussion überhaupt nicht begreifen kann. Es gibt wenige Fragen, hinsichtlich derer wir uns in den letzten Jahren so schwertaten, ein Stück nationaler Souveränität, wie es manche verstehen
    — ich nicht —, aufzugeben. Die Bekämpfung des internationalen Verbrechens, des Drogenhandels
    — der Mafia — kann in keiner Weise erfolgreich sein, wenn sie in der nationalen Dimension erfolgt. Wer die Gefährdung in ihrem ganzen Umfang sieht, wer die Berichte aus den USA oder aus Südamerika wirklich einmal zur Kenntnis nimmt, der kann nur den Kopf darüber schütteln, wenn manche glauben, jeder in Europa könne das noch für sich selbst lösen.
    Wenn der amerikanische Präsident in seinem diesjährigen Drogenbericht schätzt, daß der weltweite Drogenhandel 300 Milliarden Dollar beträgt, dann kann sich doch jeder denken, daß diese 300 Milliarden Dollar nicht in die wirtschaftlich schwächeren Länder Europas gehen, sondern dorthin, wo die Hartwährungen zu Hause sind — und jeder weiß, wo das ist.
    Ich fürchte immer noch, daß sehr, sehr viele die wahre Dimension dieser Gefahr unterschätzen. Wir haben, weil in Maastricht eine Zusammenarbeit in Gemeinschaftskompetenz nicht durchsetzbar war, eine europäische Polizeibehörde beschlossen, deren Aufbaustab jetzt in Straßburg seine Arbeit aufgenommen hat. Aber ich erkläre hier ausdrücklich meine Unzufriedenheit mit dieser Lösung. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es ist ein Schritt, der zu schwach ist. Wir müßten hier wesentlich schneller vorankommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Fünftens. Diese Europäische Union kann nur entstehen, wenn sie von den Bürgern mitgetragen wird. Das müssen wir den Bürgern verständlich machen können. Das hat Konsequenzen für die Sprache — übrigens auch für die Sprache des Europäischen Parlaments und der Reden —, das hat aber auch für unsere eigene Diskussion zu diesem Punkt Konsequenzen. Wir müssen die Fähigkeit aufbringen, den Menschen klarzumachen, daß es ihr Europa ist, das hier entsteht, und nicht das von irgendwelchen Bürokraten, die machtbesessen sind.
    Die Debatten der letzten Monate haben etwas anderes gezeigt, und ich finde, es ist gut, daß das deutlich geworden ist, nämlich daß die Menschen Sorgen um ihre nationale Identität haben, daß sie eben nicht einen europäischen Superstaat haben wollen, sondern daß sie als Deutsche oder als Franzosen, als Niederländer oder als Italiener dieses Europa bauen wollen. Deswegen müssen wir diese Vorbehalte und Besorgnisse ernst nehmen.
    Ich persönlich bin überzeugt: Wenn wir zu dieser Frage in Maastricht noch bessere Formulierungen und Auskünfte gefunden hätten, wäre auch das eine, nicht positiv verlaufene Referendum anders ausgegangen.
    Wir werden uns jetzt in Edinburgh und in der nachfolgenden Zeit intensivst mit diesem Thema beschäftigen müssen. Es muß deutlich sein — ich erhoffe das auch von den Überlegungen in Birmingham —, daß dieses Mißverständnis aus der Welt geschafft wird. Maastricht steht nicht für ein zentralistisches Europa, einen Überstaat, sondern für ein demokratisches und bürgernahes Europa, das die nationale Identität und die Kultur sowie die Traditionen der Regionen und der Mitgliedstaaten achtet. Wir wollen diesen Überstaat nicht. Wir wollen die Einheit in Vielfalt, übrigens einem Verfassungsverständnis und einem Verfassungsprinzip folgend, das doch auch weitgehend die Geschichte unserer Bundesrepublik bestimmt hat. Es war doch eine glückliche Entwicklung, die wir hier nach 1949 erlebt haben.
    Im vereinten Europa wollen wir in Zukunft die Heimatregionen verwurzeln; ich sage es noch einmal. Gerade in einer Zeit, in der moderne Technologie und Technik den Menschen, den Staat und die Gesellschaft immer kälter erscheinen läßt, ist es ganz wichtig, daß sich der Begriff „Heimat" — ein unübersetzbares deutsches Wort — auch hier wiederfindet und daß Heimat und Europa nicht in einen Gegensatz geraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10829
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Das heißt, die Menschen müssen sich in ihrer Weise mit dem Weg nach Europa identifizieren können. Dazu gehört natürlich vor allem auch, daß wir das, was wir immer verlangt haben, auch wirklich durchsetzen, nämlich die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Natürlich ist dieses Wort dem Verständnis dessen, worum es geht, nicht gerade förderlich. Deswegen müssen wir versuchen, es für die Praxis zu übersetzen.
    Wir haben in Lissabon beschlossen, zur Ausfüllung des Prinzips Leitlinien und Kriterien auszuarbeiten, die in ein paar Tagen in Edinburgh, wie ich hoffe, nicht nur besprochen, sondern auch verabschiedet werden, um sie in eine feste Vereinbarung mit Kommission und Europäischem Parlament einzubringen. Ich bin sicher, daß wir hier die notwendigen Beschlüsse fassen.
    In den Leitlinien muß klar und deutlich festgelegt werden, daß auf der europäischen Ebene nur das geregelt werden darf, was unabweisbar auf dieser Ebene geregelt werden muß, daß Entscheidungen von Verwaltungen und Regierungen so bürgernah wie möglich fallen, daß sie nachvollziehbar sind und daß auch der Sachverstand der jeweils unteren Ebenen — „untere Ebene" bedeutet hier keine Qualifikation — mit eingebracht werden kann.
    Ich will hier übrigens etwas hinzufügen, was meistens nicht gesagt wird — vielleicht aus Respekt, aber vielleicht auch, weil ein Mißverständnis vorliegt —: Wenn wir über die europäischen Institutionen und über das reden, was sich zum Teil etwas bürgerfern gestaltet hat, muß ich auch den Europäischen Gerichtshof erwähnen. Auch dort fallen nicht wenige Entscheidungen, die beispielsweise tief in das soziale Leben unseres Landes eingreifen. Das ist eine Frage, die aus gutem Grunde die Gewerkschaften bei uns beschäftigt; sie haben dabei meine volle Unterstützung. Ohne die Souveränität des Gerichtes angreifen zu wollen, möchte ich hier diese Bemerkung machen: Man kann nicht nur über Kommission und Rat und Parlament reden, sondern wir haben auch auf dem Gebiet der sogenannten Rechtsfindung Entwicklungen zu registrieren, die ganz erhebliche Konsequenzen haben — in manchen Fällen wesentlich größere Konsequenzen als alles das, was das Parlament oder die Kommission beschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P, sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich will jetzt hier kein Klagelied anstimmen. Wenn aber über die europäische Entwicklung und einen Überstaat geklagt wird, sind wir, finde ich, nach dem Gebot der Fairneß dazu verpflichtet einzuräumen, daß ein Großteil der Initiativen, die dann anschließend nicht akzeptiert werden, nicht in Brüssel entstanden ist, sondern von nationalen Administrationen, von nationalen Interessengruppen — auch über Parlamente — nach Brüssel getragen wurde. Ich kenne nicht wenige Beispiele — übrigens auch aus Deutschland --,wo Interessen, die sich im Lande selbst nicht durchsetzen konnten, auf dem Umweg über Brüssel wieder ins Land gekommen sind. Fairerweise sollte man das in diesem Zusammenhang auch mit einbringen.
    Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit Fehlentwicklungen sollte man in der Gemeinschaft jetzt auch ernsthaft überprüfen, ob nicht bereits ergangene Entscheidungen nicht nur überprüft werden, sondern, wenn es sinnvoll ist, auch zurückgenommen werden sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es würde die Glaubwürdigkeit europäischer Politik verstärken, wenn die zuständigen Stellen — ich sage das auch für den Rat — den Mut aufbrächten zu sagen: In diesem Punkt haben wir uns schlicht und einfach geirrt.
    Meine Damen und Herren, es wird die Ratifikation des Maastrichter Vertrags in Großbritannien erleichtern und es auch der dänischen Regierung ermöglichen, ihren Bürgern bei einem neuen Referendum das Ja zu empfehlen, wenn wir in diesem Zusammenhang die notwendigen Entscheidungen treffen. Wir wollen — dazu stehen wir — den Vertrag gemeinsam mit all unseren Partnern in der Gemeinschaft in Kraft setzen, und zwar noch im ersten Halbjahr 1993. Zu Vertragsänderungen oder zu Sonderregelungen sind wir nicht bereit.

    (Beifall des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.])

    Ein Europa à la carte ist jedenfalls mit uns nicht zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei aller Bereitschaft zur Rücksicht auf die einzelnen Interessen kann auch nicht der Satz gelten, daß dieses Europa sich nach dem Tempo des langsamsten Schiffs im Geleitzug ausrichtet.
    Meine Damen und Herren, die Vertiefung der Gemeinschaft muß aber auch durch ihre Erweiterung ergänzt werden. Das ist in ein paar Tagen ein wichtiges Thema. Die Europäische Gemeinschaft war nie als geschlossene Gemeinschaft zu verstehen, und wir waren immer der Meinung, daß wir offen sein müssen für weitere Erweiterungen, die das Konzept vervollkommnen.
    Wir werden uns deshalb jetzt in Edinburgh mit Nachdruck dafür einsetzen, daß die Beitrittsverhandlungen mit den EFTA-Ländern nicht verschoben werden, bis der Vertrag wirksam wird, sondern ab Januar beginnen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich hoffe, daß die Länder, die einen Antrag gestellt haben, dann 1995 Mitglieder der Europäischen Union werden können. Der Beitritt dieser Länder — ob das Österreich, Finnland, Norwegen oder Schweden ist oder ob das möglicherweise die Schweiz ist — wird die Gemeinschaft ganz wesentlich stärken. Er wird ihre Leistungsfähigkeit nach außen steigern und nicht zuletzt — das ist eine wichtige Hoffnung, die ich damit verknüpfe — die Möglichkeiten beim Aufbau und der Stabilisierung Mittel- und Osteuropas verstärken. Aber auch Polen, Ungarn, Tschechen, Slowaken und andere Völker Mittel-, Ost- und Südosteuropas setzen
    10830 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    ihre Hoffnung auf die Gemeinschaft, und wir dürfen diese Hoffnung nicht enttäuschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Gerade bei den eben genannten Ländern darf es nicht um eine ferne und vage Chance gehen, sondern um eine klare Beitrittsperspektive, die nach meiner Vorstellung, wenn sich alles so entwickelt, wie wir hoffen, zu Beginn des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts liegen kann. Ich füge hinzu — ich hoffe, daß dies unsere gemeinsame Meinung ist —, daß es für die Bundesrepublik Deutschland völlig inakzeptabel ist, daß die Ostgrenze Deutschlands auf Dauer die Ostgrenze der Europäischen Union sein könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Polen liegt eben nicht — wie manche auch bei uns gedankenlos formulieren — in Osteuropa, sondern Polen ist ein Teil Mitteleuropas.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Nicht nur aus geographischen Gründen steht Polen uns nahe.
    Meine Damen und Herren, ich bin auch fest davon überzeugt, daß die europäische Integration unsere bundesstaatliche Grundordnung nicht schwächen oder gar in Frage stellen wird. Der Vertrag von Maastricht stärkt die Rolle der Regionen — Regionen sind bei uns die Bundesländer —, und innerstaatlich tragen wir dem durch die angestrebte Grundgesetzänderung Rechnung. Mit dem künftigen Art. 23 des Grundgesetzes haben wir dafür gesorgt, daß die Interessen und Befugnisse der Länder gesichert werden und zugleich wichtige Grundlagen unserer gesamtstaatlichen Ordnung auch innerhalb der Europäischen Union fortgelten. In der Debatte der letzten Monate — das war ja auch in den letzten Stunden spürbar — gab es immer wieder eine Neuauflage jenes leichten Mißtrauens zwischen den beiden gesetzgebenden Körperschaften, zwischen Bundesrat und Bundestag.
    Meine Damen und Herren, die einen befürchten, daß jetzt die Zentralgewalt entscheidend geschwächt wird, und die Damen und Herren auf dieser Seite des Hauses sagen, daß sie befürchten, daß ihre Position geschwächt wird. Ich verstehe — ehrlich gesagt — dies alles nicht. Wer die Geschichte der Bundesrepublik kennt, weiß, daß man im Alltag der Politik — und das ist gut so — vernünftige Lösungen und vernünftige Kompromisse gefunden hat. Sie mögen noch so viele Deklarationen abgeben — die Praxis des Lebens geht ganz andere Wege. Die parteipolitische Zusammensetzung und die Kombinationen der Koalition auf der Seite der Bundesregierung und die parteipolitischen Konstellationen auf der Seite des Bundesrates ändern sich.
    Die, die meinen, daß sie ganz fest auf ihrem Stuhl sitzen, wissen gleichwohl, daß sie ihn zu irgendeinem
    Zeitpunkt räumen müssen; das ist das Wesen von Demokratie.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    So bleibt dem einen für eine ungewisse Zeit das Prinzip Hoffnung und dem anderen die Gewißheit, daß er für eine begrenzte Zeit noch in seinem Amt verbleibt. Also warum, meine Damen und Herren, sollen wir das nicht sehr viel entspannter miteinander betrachten?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich finde allerdings — ich füge das hinzu —, wer jetzt, da wir uns gegenüber Europa öffnen und auch verfassungspolitische Fragen diskutieren, die Gelegenheit nutzt, die Frage neu aufzuwerfen, ob die Bundesrepublik ein Bundesstaat oder ein Staatenbund ist, der handelt falsch. Diese Frage ist endgültig entschieden, und an der Entscheidung ist auch in gar keiner Weise zu rütteln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Als gelernter Föderalist — ich habe einen wichtigen Teil meines Lebens in einem unserer Bundesländer gelebt und habe in jener Zeit auch gelegentlich mit Landespolitik zu tun gehabt, meine Damen und Herren —

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    möchte ich doch darauf hinweisen, daß Föderalismus sich ja nicht nur auf die Beziehungen von Bund und Ländern beschränken kann. Es ist völlig in Ordnung, daß zwischen Düsseldorf und Bonn und zwischen München und Bonn und zwischen Wiesbaden und Mainz und Bonn gerungen wird. Aber da gibt es halt auch die Beziehungen zwischen Düsseldorf und Köln und zwischen München und Nürnberg und zwischen Mainz und Ludwigshafen und — Herr Ministerpräsident, weil ich Sie gerade sehe — zwischen Wiesbaden und Kassel. Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen.

    (Heiterkeit)

    Es ist wahr, es ist eine Lebenserfahrung — ich habe es ja auch gelernt —, daß sich mit der Veränderung der Position und dem Platznehmen auf anderen Stühlen auch der Betrachtungswinkel verändert. Aber, Herr früherer Bürgermeister von Hamburg, Ilerr Kollege Klose, unser gemeinsames Verständnis sollte doch sein, daß Föderalismus in Deutschland und Föderalismus in Europa nur funktionieren kann, wenn eben nicht nur auf den Bund und die Länder als die Regionen abgestellt wird, sondern auch die Gemeinden in das europäische Einigungswerk einbezogen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wie wollen wir eigentlich das Europa der Bürger schaffen, wenn wir nicht erreichen, was wir beispielsweise in der Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich erreicht haben, daß Hunderte von Städten, Gemeinden und Kreisen partnerschaftliche Beziehungen mit französischen Gemeinden haben? Da
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1992 10831
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    nützt eben der Besuch des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz aus Mainz in der Partnerstadt Dijon und in den Departements, die dort die Partnerschaft tragen, allein nichts. Die Dörfer und die Gemeinden, die Sportvereine und die Schulen — das ist alles gemeindliches Leben — müssen zueinanderkommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich meine — das ist keine fixe Idee von mir —, daß unter 24 Mitgliedern, die aus Deutschland für diese Aufgabe bereitstehen und die die Regionen vertreten, drei Repräsentanten der gemeindlichen Ebene ihren sicheren Platz haben sollten. Das ist kein Anschlag auf das Verfassungsdenken, sondern das ist lebende Verfassung unseres Landes. Wir sollten das vernünftig regeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist das Ziel der Bundesregierung, daß wir bei dem Kompromiß, von dem ich eben sprach, immer zwei Dinge im Auge behalten: die Länder angemessen an europäischen Entscheidungen zu beteiligen — „angemessen" heißt: mit voller Überzeugung, nicht aber: mit kleinlichem Feilschen; letzteres hielte ich nicht für eine gute Politik, denn ohne die Mitwirkung von Ländern und Regionen wird dieses Europa nichts werden — und zugleich die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung nach innen und nach außen zu erhalten.
    Meine Damen und Herren, bei all dem, was wir diskutieren, sollten wir, glaube ich, von der Geschichte und der geschichtlichen Erfahrung ausgehen. Aber beim Betrachten der Geschichte sollten wir die junge Generation in Europa nicht vergessen. Vaclav Havel hat uns in diesen Tagen die Mahnung mit auf den Weg gegeben, die europäische Integration als Teil der gesamteuropäischen Verantwortung der Staaten Westeuropas nach vorne zu bringen. Er sagte:
    Europa steht jetzt an einem historischen Kreuzweg: beide Hälften sind wie miteinander kommunizierende Röhren. Ob Desintegration oder Integration — es trifft uns alle. Maastricht ist eine große Prüfung.
    Wer von uns im Sommer dieses Jahres unterwegs war, der konnte bei Treffen junger Leute in Europa dieses lebendige Europa überall erkennen. Ich habe das auf der Karlsbrücke in Prag erlebt. Es waren dort junge Russen und junge Ukrainer, Italiener, Deutsche, Briten und viele andere. Ich habe mich bei ihrem Anblick gefragt — auch bei Gesprächen mit jungen Leuten in unserem Land frage ich mich das immer wieder —, ob wir nicht hinter einer Entwicklung herlaufen, die die junge Generation in Europa längst vollzogen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dieses Lebensgefühl kennzeichnet die riesige Mehrheit der jungen Generation — nicht die paar Rabauken, die uns jetzt Sorgen machen und Abscheu erregen — in den europäischen Ländern seit langem.
    Es ist wichtig, daß die Verträge in Ordnung sind. Es ist wichtig, daß die Akten und die Dossiers in den Ministerien gut geordnet sind. Es ist aber noch wichtiger, meine Damen und Herren, daß die in der Politik Verantwortlichen — das sind besonders wir, Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung — erkennen, wie die Zeichen der Zeit stehen. Die Zeichen der Zeit werden heute mehr als je zuvor von jungen Leuten gegeben. Sie bestehen auf der politischen Einigung Europas und darauf, daß wir in einem vereinigten Europa auch zukünftig unsere Heimat haben, daß Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft ist. Diesem Ziel dient der Maastrichter Vertrag. Ich bitte um Ihre Unterstützung.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P. sowie Beifall des Abg. Günter Verheugen [SPD])