Rede von
Dr.
Ulrich
Briefs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS/LL)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)
Herr Präsident, schönen Dank für den prominenten Platz. Aber ich hatte natürlich erwartet, daß sich, wenn ich erneut am Ende reden kann, der Saal wieder füllt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Leben des Menschen beruht auf dem ständigen Stoffwechsel mit der Natur. Jede menschliche Tätigkeit und jede Lebensäußerung sind daher auch umweltrelevant.
Erst mit dem Aufkommen der modernen Industrie, des modernen Verkehrs und der auf Massenkonsum beruhenden entsprechenden Lebens- und Konsumweise sind die Umweltbelastungen entstanden, die den Planeten für Menschen unbewohnbar zu machen drohen. Die Umweltbelastung und die Umweltzerstörung sind durch Maßnahmen zu bekämpfen, die in den Poren des gesellschaftlichen Lebens, an den Ursachen dieser Zerstörung ansetzen.
Das sind viele Elemente unserer Verbrauchs- und Lebensweise, z. B. der Hausmüllanfall. Es sind Dinge wie die zum Teil schwachsinnige Werbung, die erstens desinformiert, zweitens zur Konsumsteigerung mit eskalierendem Ressourcenverbrauch verführen soll und die drittens zudem 2 % aller Umweltbelastungen verursacht; denn in Deutschland werden sage und schreibe 2 % des Bruttosozialprodukts allein für Werbung ausgegeben. Die Mittel für ökologisch orientierte Verbraucheraufklärung und -erziehung dagegen umfassen gerade einen Bruchteil dieser Summe.
Um Ökologie entsprechend der Verursachung von ökologischen Schäden zum allgemein praktizierten Prinzip in allen Lebensbereichen zu machen, müssen daher entsprechende Mittel bereitgestellt werden. Das ist weder im Bundesetat insgesamt noch im Haushalt des BMU der Fall.
Noch schwieriger sind aber die Probleme mit den Hauptverursachern ökologischer Schäden, mit der Wirtschaft, speziell der Industrie, und dem Verkehr. Das BMU, dessen Etat angesichts der Dringlichkeit ökologischer Probleme sowieso ein Kümmerdasein fristet — z. B. im Vergleich zum Verkehrs-, sprich: Autostraßenausbauhaushalt —, sieht für die notwendigen ökologischen Umbauprozesse des Verkehrssystems und der Industrie kaum Mittel vor.
Die Mittel fehlen deshalb, weil die Konzepte fehlen. Die Konzepte fehlen, weil die ökologischen Ziele fehlen. Die fehlenden ökologischen Konzepte und Ziele wiederum machen das BMU zum Ankündigungsministerium, zum Alibiministerium, fast ohne faktische Durchsetzungs- und Realisierungsmacht.
Die Abschiebung der Umweltproblematik in dieses Alibiministerium verhindert übrigens, daß eines der wichtigsten Elemente ökologischer Umbaupolitik realisiert wird: die umfassende und rechtzeitige ökologische Mitbestimmung am Arbeitsplatz und in den Betrieben. Daß wichtige Beiträge zur Ökologie, aber auch im Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik zu erbringen sind, dort aber nicht erbracht werden, entzieht selbst kleinen ökologischen Fortschritten wiederum den Boden. Die Forschungs- und Technologiepolitik ist nach wie vor auf die industriepolitische Inzucht
von mächtigen High-Tech-Sektoren hin orientiert, die jedoch die ökologischen Probleme verschärfen. High Tech — genüßlich zitieren— ist High Dreck, wie der F.D.P.-Fraktionsvorsitzende Döring aus Baden-Württemberg sagt.
High Tech bringt aber auch hohe Risiken mit sich. Deshalb ist — so Greenpeace — die geplante Novellierung des Gentechnikgesetzes gefährlich. Der Schutz der Menschen und der Natur wird von dieser Bundesregierung auf dem Altar des wirtschaftlichen Wachstums geopfert.
Spitzentechnologien machen Spitzenvorkehrungen zum Schutz der Umwelt notwendig, aber nicht nur zum Umweltschutz, sondern auch zum Datenschutz. Der Umweltverschmutzung entspricht nämlich die Innenweltverschmutzung durch mangelhaften Datenschutz.
Die Privatisierung der Bundespost wird mit dem Ziel betrieben, das Wirtschaftswachstum zu fördern.
Allein das ist ökologisch in hohem Maße zumindest problematisch. Diese Privatisierung bedroht aber auch die Vorkehrungen zum Datenschutz und zur sozialen Beherrschung der Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Telekom, der Postdienst und die Postbank
müssen daher auch wegen ihrer Infrastrukturaufgaben weiter unter öffentlicher Kontrolle bleiben.
Herr Präsident, ich danke Ihnen.