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    Plenarprotokoll 12/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 Inhalt: Verurteilung des Brandanschlags auf zwei Mehrfamilienhäuser in Mölln, dem eine türkische Frau und zwei türkische Mädchen zum Opfer fielen . . . . . 10323A Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Heinrich Lummer 10323B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 10323 C Zur Geschäftsordnung: Rudi Walther (Zierenberg) SPD , . . . , 10323 D Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 10326C Ina Albowitz F.D.P. . . . . . . . . . . . 10327 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 10327 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 10328 A Tagesordnungspunkt HI: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksachen 12/3000, 12/3541) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 12/3501, 12/3530) 10328D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 12/3502, 12/3530) 10329A Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 12/3503, 12/ 3530) 10329A Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksachen 12/3508, 12/3530) in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 12/3525) in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 12/3529) in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 12/ 3520, 12/3530) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 10330B Rudi Walther (Zierenberg) SPD . . . . 10330D, 10354A, 10365C, 10369A, 10372C, 10382A Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . 10337D Jochen Borchert CDU/CSU . . . , . . , 10345 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10345D Helmut Esters SPD 10347 D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . 10348B, 10364 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 10350A Hans Koschnick SPD 10351B Michael Glos CDU/CSU . . . . . 10354 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 10355 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . , , . , . . . 10357 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 Joachim Poß SPD 10359A Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . 10361A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 10362B Carl-Ludwig Thiele F D P 10367 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 10369B, 10380B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 10369C Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 10371C Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 10374 C Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . . 10377 C Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD . . . 10378A Helmut Esters SPD 10380A Dr. Gero Pfennig CDU/CSU . . . . . . 10381 B Ortwin Lowack fraktionslos 10383 C Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . . . . . 10384 C Tagesordnungspunkt I: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 12/3628) 10386B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 12/3630) . . . . . . . 10386 C c) Beratung des Antrags der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Internationale Initiative zur Rettung bedrohter Menschenleben (Drucksache 12/3660) 10386C d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Internationale Initiative zur Rettung bedrohter Menschenleben (Drucksache 12/3700) . . . 10386C e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Dr. Ingomar Hauchler, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Europäische Entwicklungszusammenarbeit (Drucksache 12/3647) 10386C f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Ilja Seifert und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Erarbeitung eines ökologischen integrierten Gesamtverkehrskonzeptes für die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 12/3736) 10386D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze (Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz) (Drucksache 12/3773) 10386D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zollrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 12/3734) . . . . . . . . . . 10387 A Tagesordnungspunkt II: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes (Drucksachen 12/3566, 12/3741, 12/3756) . . . . 10387A c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Mai 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche (Drucksachen 12/3379, 12/3539, 12/3640, 12/3644) . . . 10387B d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Fischwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 12/3378, 12/3638) . . . . . . . . . . . . . 10387 C e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Walter Kolbow, Hans Gottfried Bernrath, Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel (Drucksachen 12/2494, 12/3793) 10387 C f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Brigitte Adler, Gerd Andres und weiterer Abgeordneter: Zuckerrübentransport auf die Schiene (Drucksachen 12/2772, 12/3567) 10387D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 85/73/EWG über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (Drucksachen 12/2257 Nr. 3.34, 12/ 3637) 10387D h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Lebensmittelhygiene (Drucksachen 12/2257 Nr. 3.59, 12/3639) . . . . 10388 A i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Fünfundzwanzigste Verordnung zur Anderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 12/3143, 12/ 3652) . . . . . . . . . • . . . . . 10388 A j) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 12 Titel 616 31 — Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit (Drucksachen 12/3354, 12/3655) . . . . . . . . . . . . . 10388 A k) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel apl. 652 12 — Beseitigung von Folgen der Dürreschäden in Nord- und Ostdeutschland im Jahre 1992 (Drucksachen 12/3360, 12/3663) 10388B 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPD: KSZE-Parlamentarierversammlung (Drucksachen 12/2893, 12/3672 [neu]) 10388B m) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Vierundzwanzigste Verordnung zur Anderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 12/3125, 12/3749) 10388B n) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 80 zu Petitionen (Drucksache 12/3708) . . . . . . . . . 10388 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 12/3511, 12/3530) Karl Diller SPD 10389 D Hans-Gerd Strube CDU/CSU . . . . . 10393 B Dr. Gisela Babel F.D.P. . . . . . . . . 10395B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10396D Petra Bläss PDS/Linke Liste 10397 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . . . . . 10399 B Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 10400 A Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit (Drucksachen 12/3515, 12/3530) Uta Titze SPD 10403 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 10406 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 10407 D Arnulf Kriedner CDU/CSU . . . . . 10408A Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin BMG 10409C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . 10409D Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend (Drucksachen 12/3517, 12/3530) Dr. Konstanze Wegner SPD 10412A Susanne Jaffke CDU/CSU 10415A Uta Würfel F.D.P . . . . . . . . . . . . 10416 D Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . . . . 10418B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10419A Einzelplan 18 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Senioren (Drucksachen 12/3518, 12/3530) Dr. Konstanze Wegner SPD 10422 A Irmgard Karwatzki CDU/CSU 10423 C Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 10426A Dr. Peter Struck SPD 10426 D Arne Fuhrmann SPD . . . . . . . . . 10427 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS . . . . . . . . . . . . . . . . . 10429C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft (Drucksachen 12/3524, 12/3530) Hinrich Kuessner SPD 10432 C Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 10435B IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 Ernst Kastning SPD 10437 D Carl-Ludwig Thiele F D P 10438 C Dr. Peter Struck SPD 10439 C Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 10440A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 10441 C Berichtigung 10441 Anlage 1 Liste der entschúldigten Abgeordneten . 10443* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt III 2 —Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Helmut Esters SPD . . . . . . . . . . . 10443* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt III 9 — Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit — Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10444' D Dr. Dieter Thomae F.D.P. 10445* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt III 10 — Einzelplan 17 Geschättsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend — Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10446* D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt III 12 — Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 10448* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 10323 122. Sitzung Bonn, den 24. November 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 120. Sitzung, Seite III, rechte Spalte, 19. Zeile von unten: Statt „Dr. Marliese Dobbertien F.D.P." ist „Dr. Marliese Dobberthien SPD" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 24. 11. 92 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 11. 92 * Wilfried Büttner (Ingolstadt), SPD 24. 11. 92 Hans Burchardt, Ulla SPD 24. 11. 92 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 24. 11. 92 Peter Harry Eymer, Anke CDU/CSU 24. 11. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 24. 11. 92 ** Ganseforth, Monika SPD 24. 11. 92 ** Gattermann, Hans H. F.D.P. 24. 11. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 24. 11. 92 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 24. 11. 92 Gries, Ekkehard F.D.P. 24. 11. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 24. 11. 92 Homburger, Birgit F.D.P. 24. 11. 92 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 24. 11. 92 Kolbe, Regina SPD 24. 11. 92 Kubatschka, Horst SPD 24. 11. 92 ** Marx, Dorle SPD 24. 11. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 24. 11. 92 ** Müller (Pleisweiler), SPD 24. 11. 92 Albrecht Odendahl, Doris SPD 24. 11. 92 Oesinghaus, Günther SPD 24. 11. 92 Oostergetelo, Jan SPD 24. 11. 92 Dr. Pfaff, Martin SPD 24. 11. 92 Rempe, Walter SPD 24. 11. 92 Reuter, Bernd SPD 24. 11. 92 Dr. Röhl, Klaus F.D.P. 24. 11. 92 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 24. 11. 92 Ingrid Schaich-Walch, Gudrun SPD 24. 11. 92 Dr. Scheer, Hermann SPD 24. 11. 92 * Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 24. 11. 92 Andreas Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 24. 11. 92 Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 24. 11. 92 Dr. Seifert, Ilja PDS/LL 24. 11. 92 Dr. Sopart, Hans-Joachim CDU/CSU 24. 11. 92 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 24. 11. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt III 2 - Einzelplan 02 Deutscher Bundestag -*) Helmut Esters (SPD): Wie in den vergangenen Jahren ist die große Mehrzahl der Ansätze des Einzelplans 02 zwischen den Fraktionen unstreitig. Dieses Einvernehmen betrifft jedoch - erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - nicht die Festlegung der Höhe der Fraktionszuschüsse, die nach dem Willen der Koalitionsfraktionen um 10 Millionen DM reduziert werden. Die Kürzung in dieser Höhe geschieht gegen die Stimmen der Fraktion der SPD, weil der abrupten und überraschenden Absenkung der Zuschüsse nicht die Idee des sachlich gerechtfertigten Sparens, sondern möglicherweise die Absicht der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zugrundeliegt, die Fraktion der SPD in ihren Oppositionsmöglichkeiten zu schwächen und in ihrem Recht auf Chancengleichheit zu verletzen. Die Arbeit der Fraktionen liegt nicht nur im Interesse ihrer jeweiligen Mitglieder, sondern auch dem des Bundestages als Ganzem, so die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Fraktionen wirken an der Erfüllung der Aufgaben des Parlamentes mit, indem sie politische Positionen zu handlungs-, verständigungs- und entscheidungsfähigen Einheiten zusammenfassen und die parlamentarische Arbeit dadurch koordinieren, daß sie die „Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren, gemeinsam Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie eine umfassende Information ihrer Mitglieder unterstützen" (BVerfGE 80, 188, 231). Auf diese Weise schaffen die Fraktionen als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens (BVerfGE 10, 4, 14) und als ständige Gliederungen des Parlaments (BVerfGE 80, 188, 231) die entscheidenden Voraussetzungen dafür, daß der Deutsche Bundestag handlungs- und entscheidungsfähig, also in der Lage ist, seine Gesetzgebungs-, Kontroll- und Wahlfunktion zu erfüllen. Die Tätigkeit der Fraktionen steht daher auch im staatlichen Interesse, für dessen Wahrnehmung die Fraktionen indes - nicht anders als andere Arbeitseinheiten - organisatorischer, administrativer und wissenschaftlicher Zuarbeit und sachlicher Ressourcen bedürfen, die finanziert werden müssen. Im Hinblick hierauf hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt, daß den Fraktionen die für die Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben notwendigen Mittel zu gewähren sind (BVerfGE 20, 56, 104, 62, 194, 202; 80, 188, 231): Die Festlegung der Fraktionszuschüsse und ihrer Höhe steht wegen dieser verfassungsrechtlichen Zusammenhänge daher auch nicht zur beliebigen Disposition der Mehrheitsfraktionen, sondern ist an den sachlichen Erfordernissen der Arbeit der Fraktionen zu orientieren. Die Entscheidung der Mehrheit verstößt gegen diese Grundsätze: Die Absenkung der Fraktionszuschüsse geschah - jedenfalls für die Fraktion der SPD - überraschend und unerwartet. Der Kürzung *) Vgl. Seite 10329 A 10444 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 ging keine sachliche Analyse voraus, ob und in welchem Umfang Einsparpotentiale vorhanden sind und so realisiert werden können, daß die Aufgabenerfüllung der Fraktionen nicht Schaden nimmt. Die abrupte Senkung der Zuschüsse wird mithin nicht an den sachlichen Erfordernissen der Fraktionsarbeit orientiert. Vielmehr werden die Oppositionsfraktion und die Gruppen ohne zeitlichen Vorlauf vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie haben die Kürzung sachgerecht vorzubereiten. Die auf die SPD-Fraktion entfallene Kürzung der Zuschüsse um 10 v. H., also um 3,6 Mio. DM, vertieft einseitig zu ihren Lasten das ohnehin bestehende Ungleichgewicht zwischen Opposition einerseits sowie Koalitionsfraktionen und Bundesregierung andererseits. Die Fraktion der SPD setzt, wie den von ihr seit Jahren veröffentlichten Wirtschaftsplänen zu entnehmen ist, den ganz überwiegenden Teil — nämlich derzeit 75 v. H. — des ihr zur Verfügung stehenden Zuschusses für das ihr zuarbeitende Personal ein. Gleichwohl nimmt sich die zahlenmäßige Größe ihrer Fraktionsverwaltung vergleichsweise bescheiden aus. Denn während der Bundesregierung ca. 22 000 Beamtinnen und Beamte der Bundesministerien zuarbeiten, ihr ferner der Sachverstand aus den zahlreichen Beiräten zur Verfügung steht, beschäftigt die Fraktion der SPD lediglich 299 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Personalbestand der Verwaltung der SPDBundestagsfraktion erreicht damit nicht einmal die Anzahl derjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Stäben der Bundesminister, der Parlamentarischen Staatssekretäre und der beamteten Staatssekretäre tätig sind. Denn die Kürzung des Zuschusses um 10 v. H. bedeutet für die Fraktion der SPD, daß sie in entsprechendem Umfang Personal abbauen und Sachaufgaben reduzieren muß. Ein vergleichbares Opfer haben die Koalitionsfraktionen ihrer Bundesregierung nicht zugemutet. Hier galt eine Reduzierung des Personals der Bundesministerien nur um 1 v. H. als gerade noch vertretbar. Die Kürzung der Fraktionszuschüsse verschiebt indes nicht nur die Gewichte im Verhältnis zur Bundesregierung, sondern auch innerhalb des Parlamentes zu Lasten der Opposition: Denn den Koalitionsfraktionen stehen — anders als der SPD-Fraktion — nicht nur ihre Fraktions-Verwaltungen zur Verfügung; sie können vielmehr im Bedarfsfall auch auf die Zuarbeit der Ministerien zurückgreifen. Die Fraktion der SPD wendet sich nicht gegen Einsparungen — auch bei den Fraktionszuschüssen. Sie war und ist bereit, Kürzungen mitzutragen. Sie ist indes nicht mit unvorbereiteten Streichungen einverstanden, die nicht an der Aufgabenerfüllung der Fraktionen orientiert sind und die auf die ohnehin ungleichgewichtigen parlamentarischen Strukturen keine Rücksicht nehmen. Eine sachlich orientierte Reform des Systems der Fraktionszuschüsse hält sie dagegen für dringend notwendig — auch mit dem Ziel der Einsparung. Zu einer solchen Reform besteht aller Anlaß, weil das bestehende Zuschußsystem die Fraktionen ungleich behandelt. So stehen im Jahre 1993 der Fraktion der CDU/CSU 40,23 Millionen DM, der SPD 35,2 Millionen DM, der F.D.P. 14,55 Millionen DM zur Verfügung, den Gruppen PDS/Linke Liste 4,8 Millionen DM und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4,0 Millionen DM. Legt man diese Beträge auf die Anzahl der jeweiligen Fraktions-/Gruppen-Mitglieder (CDU/ CSU 318; SPD 239; F.D.P. 79; PDS/Linke Liste 15; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8 Abg.), um, so ergibt sich, daß der Bundeshaushalt 1993 die Arbeit eines Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU mit 132 000 DM, der Fraktion der SPD mit 146 000 DM, der Fraktion der F.D.P. mit 184 000 DM, der Gruppe PDS/Linke Liste mit 320 000 DM und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit 500 000 DM jährlich bemißt: Je kleiner die Fraktion/Gruppe, desto deutlicher wird sie von der geltenden Finanzierung bevorzugt. Der Unterschied zwischen der für die CDU/CSU und der SPD maßgebenden Meßzahl ist auf Grund des Oppositionszuschlages gerechtfertigt, der gewährt wird, um den geschilderten unterschiedlichen Arbeitsmöglichkeiten von Regierungs- und Oppositionsfraktionen jedenfalls ansatzweise Rechnung zu tragen. Es ist zu hoffen, daß die jeweiligen Koalitionsfraktionen in Zukunft, auch wenn es um Einsparungen geht, in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Opposition sachorientierte Reformvorschläge besprechen, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt III 9 — Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit —*) Christina Schenk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In den letzten Wochen haben alle Beteiligten — zum Teil sehr leidenschaftlich — das aktuelle Gesundheitsstrukturgesetz in seinen Einzelheiten diskutiert. Nicht nur von dieser Stelle aus habe auch ich wiederholt unsere Kritik am vorliegenden Entwurf der Großen Gesundheitspolitischen Koalition aus Regierung und SPD vorgebracht. Ich will die heutige Gelegenheit nutzen, Ihnen noch einmal eine gesundheitspolitische Perspektive zu entwickeln, die offensichtlich völlig von der Mehrheitsmeinung dieses Hauses abweicht. Aber Wiederholungen können ja gelegentlich Lernprozesse fördern. Lassen Sie mich dazu die grundsätzliche Frage stellen, was denn die zentralen Aufgaben der Gesundheitspolitik sein sollten. Bisher ist sie dahingehend beantwortet worden, daß Gesundheitspolitik in erster Linie dafür zu sorgen hat, die öffentliche Hand von Verantwortung und Kosten zu entlasten. Als Aufgabe der Gesundheitspolitik wurde und wird es offenbar auch angesehen, vor allem die Pharmaindustrie und *) Vgl. Seiten 10402 D, 10407 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 10445* die medizinisch-technische Industrie zu bedienen. Gesundheitspolitik war und ist so angelegt, daß sie den privaten Krankenkassen nützt. Daß die Antworten auf die Frage nach dem Sinn und dem Inhalt von Gesundheitspolitik bislang so beantwortet worden sind, wie ich das eben benannt habe, macht auch ein Blick in den jüngst von Regierungskoalition und der SPD vorgelegten Gesetzentwurf zur Gesundheits-Strukturreform deutlich. Unsere Auffassung unterscheidet sich von dem darin praktizierten Ansatz erheblich: Vorrangige Aufgabe einer humanen Gesundheitspolitik muß die Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen sein. Hier stellt sich die Frage nach dem Gesundheitsbegriff. Die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit nicht schlicht als Abwesenheit von Krankheit, sondern — unter anderem — als einen Zustand des völligen geistigen und körperlichen, insbesondere auch des sozialen Wohlbefindens. Ein so gefaßter Begriff von Gesundheit wird unter den realen Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft zur Utopie. Ich möchte Sie z. B. an die direkten Opfer des zunehmenden Individualverkehrs erinnern und auch an die steigende Zahl schwerer und schwerster Allergien, die durch wachsende Umweltbelastungen hervorgerufen werden. Zu dieser Bilanz gehört auch die ungeheure Zahl derjenigen, die unter dem Druck der Leistungsgesellschaft ihre Gesundheit, ja sogar ihr Leben einbüßen. Die seit Jahren kontinuierlich steigende Tendenz zur Frühverrentung belegt — neben ihrer primären Funktionalisierung zum Zwecke einer gezielten Verdrängung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozeß — ebenfalls den hohen Grad der Abnutzung des Produktionsfaktors Mensch. Diese Abnutzung ist keineswegs eine rein physische, sondern vor allem auch eine psychische. Speziell dieser Aspekt wurde von den Bürgerinnen und Bürgern Ostdeutschlands mit großer Sensibilität schon bald nach dem Beitritt als äußerst bedrohlich erlebt. Nicht zuletzt auf Grund der kollektiven Mitverantwortung verbietet es sich, das Verursacherprinzip in Gestalt einer fiktiven Indivivalschuld in der gesetzlichen Krankenversicherung zu etablieren. Genau dies geschieht z. B. im Falle der neugeregelten Krankenversicherung der Rentner oder bei den nach Pakkungsgröße bzw. nach dem Preis gestaffelten Arzneimittelzuzahlungen. Von Gesundheitspolitik darf, ja muß erwartet werden, daß sie die tatsächlichen gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen wahrnimmt und ihren Maßnahmen zu Grunde legt. Die Gesundheitspolitik, wie sie sich im aktuellen Gesundheitsstrukturgesetz manifestiert, scheint diesen Realitätsbezug zum Leben der Betroffenen verloren zu haben. Was das besonders Fatale ist: Diese Gesundheitsreform bemüht sich nicht um eine zukunftsweisende qualitative Überprüfung und Verbesserung des Gesundheitswesens, sondern sie hat a priori nur ein Ziel: der öffentlichen Hand weitestgehende Entlastung zu verschaffen. Das Problem sind eben nicht die Defizite der gesetzlichen Krankenversicherungen oder steigende Krankenkassenbeiträge — das wahre Problem sind die maroden Staatsfinanzen. Diese Bundesregierung ist offensichtlich willens, die von ihr selbst durch Ignoranz und Inkompetenz ruinierten Staatsfinanzen durch drastische Einschnitte im sozialen Bereich bruchstückhaft zu flicken. Auch die Gesundheits-Strukturreform fügt sich nahtlos in dieses Szenario der sozialen Demontage ein. Das Gesundheitsstrukturgesetz ist ebenso wenig sozial ausgewogen, wie es die übrigen Versuche zur Haushaltskonsolidierung, z. B. die kürzlich verabschiedete 10. AFG-Novelle, sind. Es handelt sich um ein gesundheitspolitisch völlig kontraproduktives Spargesetz, mit dem sich der Gesundheitsminister zum willfährigen Erfüllungsgehilfen eines inkompetenten Finanzministers gemacht hat. Der Haushalt für die Gesundheitspolitik bildet keine Ausnahme. Wir lehnen ihn daher ab. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Wenn in diesen Tagen über Gesundheitspolitik diskutiert wird, dann geht es in erster Linie um das Gesundheitsstrukturgesetz; es geht um Ausgaben und Einnahmen und um die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Qualitative Aspekte kommen in dieser Diskussion zu kurz. Elf Milliarden DM Einsparungen lassen sich schließlich auch nicht lautlos realisieren. Und trotzdem: Wir können über die Versorgungsstrukturen, über die Finanzierungsprobleme der GKV und über die Fehlsteuerungsmechanismen reden, soviel wir wollen. Das alles bleibt unzureichend, wenn es nicht gelingt, die Gesundheitsvorsorge bzw. die Krankheitsvermeidung stärker in die Köpfe der Menschen zu bringen. Sicherlich gibt es natürliche Anfälligkeiten für Krankheiten, andere sind Folgen von Fehlverhalten und Selbstschädigung: So bringen die Folgen des Rauchens nicht nur millionenfach Leid, sie kosten die Solidargemeinschaft auch Milliarden. Genauso die Folgen von Alkohol- und Medikamentenmißbrauch und falscher Ernährung. Im großen Maße sind aber Krankheiten verhaltensbedingt. Im Mittelpunkt einer qualitativ ausgerichteten Gesundheitspolitik muß deshalb die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit für die Gesundheit und muß die Aufklärung über die gesundheitlichen Gefahren des Fehlverhaltens stehen. Diese qualitative Gesundheitspolitik hat, wie der Einzelplan 15 zeigt, einen hohen Stellenwert. Genauso wichtig ist aber, daß das Heilen nicht nur finanziert wird, sondern daß die medizinischen Möglichkeiten optimal den Kranken helfen. Dabei haben die Modellprogramme, die mit diesem Haushalt gefördert werden, eine große Bedeutung. Daß Gesundheitspolitik eben nicht nur Reparaturbetrieb ist, das wird bei der Durchleuchtung des Einzelplanes 15 deutlich. Ein wichtiger Schwerpunkt sind die Modellprogramme zur Verbesserung der Versorgung chronisch Kranker und Krebskranker. Gefördert wird die Entwicklung in allen Bereichen, in der Prävention, in der Diagnostik, in der Therapie, in der Nachsorge und Rehabilitation. Neben den Krebserkrankungen stehen vor allem die Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Herz-/Kreislauferkrankungen und Stoffwechselkrankheiten im Mittelpunkt. In den Jah- 10446' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 ren 1993 bis 1995 wird der Aufbau von 20 regionalen Rheumazentren gefördert. Zur besseren Versorgung von Krebskranken werden weitere Tumorzentren und Häuser mit onkologischen Schwerpunkten in den neuen Bundesländern auf- und ausgebaut. Hier ist wegen der ganz anderen Ausgangslage besondere Unterstützung notwendig. Es geht nicht nur um die Ausstattung dieser Zentren mit modernen Geräten. Auch die fachübergreifende Zusammenarbeit und damit die Bündelung des medizinischen Wissens wird unterstützt. Inzwischen ist auch der Aufbau einer bundesweiten Knochenmark- Fremdspenderdatei ein gutes Stück vorangekommen. Mit Bundesmitteln wird der Aufbau eines Zentralregisters in Ulm gefördert. Für die Gewinnung von freiwilligen Spendern werden der Deutschen Knochenmarkspender-Datei in Tübingen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt. Zugleich werden die Voraussetzungen für die Errichtung einer bundesweiten Stiftung für Knochenmark-Transplantationen erarbeitet. In diese Stiftung sollen dann das Zentralregister und die Deutsche Knochenmarkspender-Datei integriert werden. Sobald das Gesundheitsstrukturreformgesetz verabschiedet ist, und wir uns von dem Verhandlungs- und Gesetzgebungsmarathon erholt haben, kündige ich schon heute für meine Fraktion an, daß wir uns an eine umfassende Organisationsreform des Bundesgesundheitsamtes machen werden. Mit 2 000 Beschäftigten ist das BGA zu einem nur noch schwer steuerbaren Tanker geworden. Trotz massiver Stellenausweitungen in den letzten Jahren hören die Klagen über den Zulassungsstau bei Arzneimitteln nicht auf. Das Gutachten, das wir 1990 zur Feststellung der Effizienz des Arzneimittelinstituts in Auftrag gegeben haben, liegt vor. Wir haben darüber bereits im Gesundheitsausschuß beraten. Es ist eindeutig: Bei der Arzneimittelzulassung gibt es Defizite, die durch Änderungen in der Organisationsstruktur behoben werden könnten. Die Effizienz der Entscheidungsabläufe muß verbessert werden. Wunder können von solchen Maßnahmen natürlich nicht erwartet werden. Das Dilemma besteht darin, daß einerseits die pharmazeutischen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen eine schnelle Bearbeitung ihres Antrages verlangen. Mit gutem Grund hat daher der Gesetzgeber die Sieben-Monats-Frist in das AMG geschrieben. Andererseits verpflichtet die Arzneimittelsicherheit zu einer gründlichen Prüfung der eingereichten Unterlagen. Eine Abspeckung des Prüfumfanges könnte sich als gefährlicher Bumerang erweisen. Wie gesagt, das BGA-Personal ist bereits mehrfach aufgestockt worden. Ich sehe in dieser Situation nur einen sinnvollen Ausweg: Die Prüfung der eingereichten Unterlagen sollte vom BGA an externe Experten vergeben werden. Die letztliche Entscheidung muß natürlich von der Behörde getroffen werden. Aber der Entscheidungsprozeß könnte wesentlich verkürzt werden, zumal wenn sich das BGA unabhängiger Sachverständiger bei der Prüfung bedienen würde. Die Finanzierung einer solchen Verlagerung an Externe ist sicherlich schwierig — immerhin haben die Unternehmen einen Rechtsanspruch darauf, daß das Amt innerhalb der gesetzlichen Frist zu den gesetzlichen Gebühren die Prüfung durchführt. Dennoch haben mir die Gespräche, die ich hierzu geführt habe, gezeigt, daß bei den Unternehmen durchaus eine Bereitschaft bestünde, bei einer Prüfung der eingereichten Unterlagen durch Externe, die zu einer spürbaren Beschleunigung des Zulassungsprozesses führt, die entstehenden Kosten zu tragen. Eine solche Reform der Arzneimittelzulassung muß schnellstmöglich in Angriff genommen werden. Jedes Arzneimittel, das verzögert auf den Markt kommt, verhindert mehr Wettbewerb und bedeutet natürlich, daß der medizinische Fortschritt und Innovationen länger als notwendig den Patienten vorenthalten bleiben. Eine Verlängerung der Bearbeitungsfrist von jetzt sieben Monaten als Antwort auf die Probleme, das wäre der falsche Weg, das wäre die Kapitulation vor der Bürokratie. Die knappen finanziellen Mittel, die eine weitere Ausweitung des Personals nicht zulassen, sind immer auch eine Chance für eine ordnungspolitische Neubesinnung und für die Rückführung von Staatsaufgaben auf das Notwendigste. Das gilt nicht nur für das Arzneimittelinstitut. Mit zwei Prozent ist der Zuwachs der Mittel für das Bundesgesundheitsministerium eng begrenzt. Die Aufgaben dürften dagegen im weitaus stärkeren Maße wachsen. Dazu wird die binnenmarktsbedingte Harmonisierung auf dem Gesundheits- und Verbrauchersektor genauso beitragen wie neue Aufgaben, die sich aus dem Vollzug des Gesundheitsstrukturgesetzes ergeben. Deshalb haben wir uns bei letztem so vehement dafür eingesetzt, daß nur das Allernötigste dem Staat übertragen wird, ansonsten die Selbstverwaltung Vorrang hat. Unbeschadet dessen gewähren wir Freien Demokraten aber schon heute dem Gesundheitsminister Ablaß, wenn er angesichts der Fülle der neuen Aufgaben beim Haushaltsvollzug Prioritäten setzt. Ich hoffe allerdings, daß das nicht zu Lasten der guten Informationsarbeit geht, die das Haus in den vergangenen Monaten begleitend zum Gesundheitsstrukturgesetz geleistet hat. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt III 10 — Einzelplan 17, Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend -*) Christina Schenk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um Frauenpolitik ist es in der Bundesrepublik Deutschland schlecht bestellt, nicht nur deswegen, weil es vielen Frauen objektiv schlecht geht, sondern auch, weil ein großer Teil derer, die Frauenpolitik einst auf ihre Fahnen geschrieben haben, diese nur vorgeben aber nicht praktizieren, bzw. immer mehr *) Vgl. Seite 10419 A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 10447' und immer öfter von ihr abrücken — damit meine ich nicht nur die Regierung. Die Meldung, daß die Losung des DGBs zum 1. Mai „Frau geht vor", zurückgezogen worden ist, weil sie dem obersten Herrn der IG-Metall, Steinkühler, nicht paßte, ist kein Witz, sondern ernst gemeint, und es wäre schlimm, wenn Frauen in großen Massen trotzdem zur Mai-Demo gehen würden, als wäre nichts geschehen. Bei den GRÜNEN, die vormals auch in diesem Hause die Vorreiterrinnenrolle in Sachen feministischer Politik eingenommen haben, sieht es kaum besser aus. Wie zu hören ist, will man es dort mit der Frauenquotierung im Zuge der Vereinigung mit der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht mehr ganz so ernst nehmen. An den grünen Frauen im Lande, fernab von Bonn, scheint der Coup ihrer Parteifreunde unbemerkt vorbeizugehen. Ein hörbarer Widerstand läßt jedenfalls bisher auf sich warten. In anderen Parteien sieht es nicht besser aus. Wenn es Ansätze feministischer Frauenpolitik überhaupt gibt, kommt davon kaum etwas nach außen. Die einzige Hoffnung, die ich habe, ist die, daß Frauen sich das nicht mehr lange mit ansehen, sondern das böse Spiel, das mit ihnen und auf ihre Kosten betrieben wird endlich durchschauen. Die Frauen, die wie ich im Unabhängigen Frauenverband organisiert sind, werden der nächsten Mai-Demo des DGB jedenfalls fernbleiben. Wir reden zwar hier, heute und zu dieser Stunde über den Haushalt des Bundesfrauenministeriums. ln Wirklichkeit gibt es hier in Bonn aber gar kein Frauenministerium, sondern höchstens ein Frauenbeschwichtigungsministerium. Alle paar Wochen kommt die medienbegabte Ministerin mit einer neuen, vermeintlich frauenfreundlichen, frauenunterstützenden Parole heraus. Sie will die Vergewaltigung in der Ehe verbieten, redet permanent von Gleichstellung oder von dem, was sie dafür hält, erweckt Hoffnungen und spendet trügerischen Trost. Nur, heraus kommt dabei — zumindest bis jetzt — für die Frauen rein gar nichts. Die Bundesfrauenministerin macht keine Frauenpolitik. Das kann sie auch gar nicht als Alibifrau an des Kanzlers Seite. Würde sie Frauenpolitik machen, wäre sie vom Kanzler längst entlassen worden. So sieht das aus. Die Arbeitslosigkeit der Frauen im Osten wird von Woche zu Woche größer. Im Westen ist es nicht etwa besser. Dort ist die Frauenerwerbslosigkeit nur weniger sichtbar, weil den Herren das, was sie im Osten vorhaben, im Westen schon gelungen ist — nämlich die Frauen an Heim und Herd zu verbannen und ihnen höchstens noch einen „Zuverdienst" zu gönnen über ungeschützte Teilzeit, Kapovaz oder sonstige, für Unternehmer sehr günstige, für Frauen äußerst ungünstige Bedingungen. In dem zusammenfassenden Bericht der vom Bundeskabinett eingesetzten Arbeitsgruppen „Aufbauhilfe neue Bundesländer" lese ich, daß Frauen künftig entsprechend ihrem Anteil an der Erwerbslosigkeit an AB-Maßnahmen beteiligt werden sollen. Das wäre wirklich begrüßenswert, wenn man da nicht gleichzeitig dabei wäre, die Mittel für ABM bis zum Gehtnichtmehr zu kürzen. Daß von dem kläglichen Rest Frauen dann den ihnen zustehenden Anteil bekommen sollen, klingt dann nur noch hämisch und stimmt bitter. Allein in Thüringen zittern 22 Frauenberatungsstellen, die überaus stark frequentiert werden, um ihr Bestehen, da sie alle von ABM-Stellen existieren, die Ende dieses Jahres ablaufen. Der vermeintliche Sieg des Kapitalismus geht einher mit einem Sieg des Patriarchats. Es sind nicht allein wirtschaftliche Gründe, die zur Vernichtung der Frauenerwerbsplätze im Osten führen, es ist die Ideologie dieser Bundesregierung, die dazu führt, teils absichtlich und planvoll, teils weil in den eigendynamischen Prozessen, die konstitutiv für die Marktwirtschaft sind, nicht gegengesteuert wird. Eine Erwerbsquote von 90 % im Osten wäre ein Beispiel gewesen für die Frauen im Westen. Sie wäre dazu geeignet gewesen, die sog. „Erwerbsneigung" von westdeutschen Frauen und damit ihr Streben nach Emanzipation weiter zu fördern. Das durfte nicht passieren. Deswegen werden die frauenpolitischen Errungenschaften im Osten — die wohlgemerkt weit davon entfernt waren, als vollendet oder befriedigend zu gelten — systematisch kaputt gemacht, wozu dem Kanzler die Alibifrau an seiner Seite durchaus unentbehrlich zu sein scheint. Frauen müssen schließlich nicht nur wegen der verlorengehenden Erwerbsarbeit, sondern auch wegen der geschlossenen Kindertagesstätten und wegen der drohenden Ausdehnung des § 218 in den Osten beschwichtigt werden. Das Recht auf einen Kindergartenplatz für jedes Kind, das in der DDR selbstverständlich war, hier aber erst mit der Novellierung des Abtreibungsrechtes als soziale Begleitmaßnahme eingeführt werden sollte — entpuppt sich als Augenwischerei. 600 000 Plätze fehlen allein im Westen. Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung und die Kosten dafür zu. In Wirklichkeit besteht weder da noch dort Interesse an diesem Projekt, und zwar deswegen, weil sowohl in den Ländern als auch auf Bundesebene Politik nicht von Frauen, sondern von Männern gemacht wird, die ganz offensichtlich am Patriarchat hängen und offensichtlich nicht wollen, daß sich irgend etwas an den gesellschaftlichen Verhältnissen hier ändert. Die Politik in Bund und Ländern sähe sofort anders aus, wenn sowohl hier im Bundestag und in den Länderparlamenten als auch in den Regierungen 50 Prozent Frauen säßen. Daß Frauen sich allerdings mit noch so vielen schönen Worten nicht beschwichtigen lassen, zeigt der Haushalt der Bundesfamilienministerin: Knapp eine Milliarde Mark wurde als Folge des Geburtenrückganges an Kindergeld, Kindergeldzuschlag und Erziehungsgeld eingespart. „Unfreiwillig", wie Frau Rönsch einräumen muß. In diesem Bereich wird die Bundesregierung noch mehr Einsparungen zu verzeichnen haben, wenn sie so weitermacht wie bisher. Nicht zu heiraten und keine Kinder zu bekommen, die vom Patriarchat zugedachte Beschränkung der Frau auf Reproduktionstätigkeit zu verweigern, das ist eine konsequente 10448' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 und schlüssige Antwort auf das Desaster, das die Politik der Bundesregierung angerichtet hat, und das ist auch eine vernünftige Antwort auf die Fessel und die ökonomische Abhängigkeit, die Frauen durch den Artikel 6 GG — Ehe — zugemutet wird. Machen Sie sich nichts vor: auch im Westen gibt es Geburtenrückgang, auch im Westen wird weniger geheiratet — das Frauenbeschwichtigungsministerium und das Ministerium zur Rettung der patriarchalen Kleinfamilie werden daran wenig ändern. Frauen werden erst wieder Lust dazu kriegen, Kinder zu bekommen, wenn ihre ökonomische Eigenständigkeit gesichert ist, wenn Vaterschaft für männliche Karrieren eine gleich starke Bedeutung bekommt wie Mutterschaft für die Karriere von Frauen. Frauenpolitik hieße, Frau Ministerin, beispielsweise das zu bewirken. Frauenpolitik wäre auch, Arbeitszeitverkürzung einzufordern, anstatt unwidersprochen zuzusehen, wie Finanz- und Arbeitsminister den Arbeitnehmerlnnen in Deutschland einen Feiertag nach dem anderen klauen wollen, was nichts anderes heißt, als die Arbeitszeit zu verlängern. Welche Logik hat es denn bitte schön, in Zeiten der Arbeitslosigkeit die Arbeitszeit zu verlängern? Sie muß im Gegenteil für jede Einzelperson ganz erheblich gekürzt werden: Erstens damit Arbeit für alle da ist, für alle Frauen und für alle Männer, die Erwerbsarbeit wollen, und zweitens um den Kindern der Industriegesellschaft ihre Väter zurückzugeben. Frauenpolitik wäre, eine Wirtschaftspolitik einzufordern, die die Unterstützung von Unternehmen davon abhängig macht, ob sie Frauenerwerbsarbeitsplätze schaffen. Frauenpolitik wäre, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Väter dazu verpflichtet, einen Kindertagesstättenplatz nachzuweisen, wenn sie mehr als 19 Stunden erwerbstätig sein wollen. Was meinen Sie, wie schnell die Betriebskindergärten dann wie Pilze aus dem Boden schießen würden! Eine Ministerin, die Frauenpolitik machen will, muß dazu bereit sein, sich mit dem Rest der Regierung anzulegen, ebenso wie Frauen, die für eine Veränderung eintreten, dazu bereit sein müssen, sich mit dem Patriarchat anzulegen. Im übrigen bin ich der Meinung, daß auch die Jugendpolitik in diesem Lande anders aussehen würde, wenn die Schaltstellen der Macht zu 50 Prozent mit Frauen besetzt wären. In Westdeutschland war die Offene Jugendarbeit schon immer ein Stiefkind der Politik. Wie sollte es auch anders sein: Dieser Staat gibt 50,8 Milliarden Mark fürs Militär und nur 2,83 Milliarden für Frauen- und Jugendpolitik aus. Der Bereich Frauen und Jugend ist der Bundesregierung also nur ca. 5,5 Prozent soviel wert wie das Militär. Ca. 90 Prozent aller Jugendclubs, die es in der DDR früher gab, sind geschlossen, und zwar ohne daß ein Ersatz dafür geschaffen wurde. Nichtkommerzielle Angebote fehlen außerhalb von Großstädten völlig, was früher anders war. Wenn jetzt über Maßnahmen gerätselt wird, wie der Rechtsradikalismus bekämpft werden kann, dann erzähle mir doch bitte niemand, daß die Jugendpolitik, die Offene Jugendarbeit und die Summe der Gelder, die dafür ausgegeben wird, in dieser Frage keine Rolle spielen. Wenn die Jugendarbeit so vernachlässigt wird, wie das im Westen und im Osten jetzt der Fall ist, wenn der Militärhaushalt, den Sie Verteidigungshaushalt nennen, diesem Staat 20 mal mehr wert ist als die Erziehung der Jugend zu humanen Werten, zur Achtung vor anderen und Fremden, zur Freundlichkeit und zur Nächstenliebe, dann braucht sich bei gleichzeitig betriebener Hetze gegen Flüchtlinge und Asylsuchende — einer Hetze, an der sich Frau Rönsch mit der Forderung nach Kürzung der Sozialhilfe ganz erheblich beteiligt hat — doch niemand zu wundern, wenn manche deutsche Jugendliche sich neuerdings Springerstiefel anziehen, nicht als Modegag, sondern um Andersdenke oder Fremde damit totzutrampeln. Dann frage ich mich allerdings, was an diesem Staat — so er nicht ernsthaft und tiefgreifend was unternimmt, um das zu verhindern — noch verteidigenswert ist. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt III 12 — Einzelplan 31, Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft —*) Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Ich will in der Kürze meiner Zeit nicht über das Spiegelbild reden, sondern über das Original. Denn der nichtzustimmungsfähige Haushalt Bildung und Wissenschaft ist nichts anderes als das Spiegelbild einer ablehnungsbedürftigen Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Man muß schon bis zur Picht'schen „Bildungskatastrophe", also an die 30 Jahre, zurückgehen, wenn man ein ähnliches Niveau an bildungs- und wissenschaftspolitischen Negativschlagzeilen vorfinden will, wie es die gegenwärtige Bundesregierung mitproduziert. „Das macht dich echt fertig" titelt der „Spiegel" im Ergebnis seiner jüngsten Recherche zur Hochschulpolitik. Mit „Lehrstelle im Osten wie Fünfer im Lotto" oder „Dürfte Ortleb in Rostock Professor sein?" könnte man fortfahren. Im krassen Gegensatz zu dieser veröffentlichten und wohl auch öffentlichen Meinung steht das bildungs- und wissenschaftspolitische Eigenlob der Bundesregierung und der hier und in den meisten ostdeutschen Ländern regierenden Parteien. Dieses Eigenlob ziert auch die nach immerhin neun Monaten gegebene Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage unserer Abgeordnetengruppe zur Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Die zwischen Krise und *) Vgl. Seite 10440 A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. November 1992 10449* Katastrophe schwankende Lage im Osten und die, zumindest im Hochschulbereich, kritische Situation im Westen wird entweder beschönigt, verdrängt oder in die Verantwortung der Länder, namentlich der ostdeutschen abgeschoben. Ansonsten legt man sich in die vom Bundeskanzler unter dem Titel „Bildung für den Standort Deutschland" vorgeschriebene wirtschaftsliberale Rechtskurve, das heißt, man produziert Mosaiksteinchen für eine streng marktwirtschaftliche Reform des Hochschul- und Wissenschaftssystems bei gleichzeitiger Abschottung dieses Systems gegen irgendwelche Europäisierungen. Im selben Atemzug, in dem sich die Bundesregierung für die ostdeutsche Bildungsmisere als nicht zuständig erklärt, verweist sie nicht ohne Stolz darauf, daß sie ja strukturelle Voraussetzungen für die Anpassung der ostdeutschen an die westdeutsche Bildungs- und Wissenschaftslandschaft geschaffen habe und dafür, was sie so vornehm „personelle Erneuerung" nennt. Aber gerade der Versuch, ostdeutsche Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte und deren Ergebnis durch das schlagartige Aufdrücken westdeutscher Strukturen und Gepflogenheiten, durch massenhafte Verteufelung und Vertreibung des ostdeutschen Personals ungeschehen machen und quasi über Nacht westdeutsche Landschaften erblühen lassen zu wollen, ist gründlich gescheitert. Gelungen ist die Verwandlung einer grundlegend erneuerungsbedürftigen Bildungs- und Wissenschaftslandschaft DDR von Ende '89 in eine beträchtlich entvölkerte Ruinenlandschaft Ost Ende 1992. Wie man stolz darauf sein kann, daran maßgeblich mitgewirkt zu haben, verstehe ich nicht. Der Haushalt Bildung und Wissenschaft ist die Fortsetzung des öffentlich gewordenen bildungs- und wissenschaftspolitischen Trauerspiels der Bundesregierung hinter geschlossenem Vorhang. Das geht soweit, daß in vielen Fällen nicht die Einheit, sondern neue Mauern finanziert werden. Oder wie soll man es sonst nennen, wenn sich die Bundesregierung weiterhin mit 50 % bis zu einem Betrag von 12 000,— DM pro Ausbildungsplatz und Jahr an der Aufrechterhaltung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebotes im Ruhrgebiet beteiligt und gleichzeitig selbst die klägliche und auf Kleinbetriebe beschränkte 5 000,—Mark Förderung für den Osten streicht? Oder soll man es einheitsstiftend finden, wenn aus dem Hochschulerneuerungsprogramm Ost unter dem Stichwort „personelle Erneuerung" vorrangig der Transfer von häufig zweit- und drittklassigem Hochschulpersonal aus dem Westen finanziert wird, während gleichzeitig ostdeutsches Personal, darunter auch internationale Spitzenkräfte, gnadenlos abgewickelt wird? Ich erinnere nur an den „Fall" Prof. Klinkmann.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein. Ich weiß, was kommt, und möchte darauf verzichten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir gehen weiter und beschäftigen uns einmal mit Ihrer Verlängerung der Geltung des Eigenkapitalhilfeprogramms Ost. Das ist richtig, darin besteht allgemeiner Konsens; aber haushaltswirksam ist auch das erst 1994.
    Die Aufstockung des KfW-Programms für die Wohnraummodernisierung Ost, als großer Erfolg gefeiert, steht überhaupt nicht im Bundeshaushalt. Es braucht dafür auch nichts im Bundeshaushalt zu stehen, denn durch die Senkung der Zinsen wird der Spielraum geschaffen, um dieses Programm automatisch aufzustocken. Das feiern Sie als Erfolg? Das ist der Erfolg, den Sie immer hätten haben können. Wenn Sie nicht soviel Schulden gemacht hätten und die Zinsen unten geblieben wären, dann hätten wir hier ein wesentlich größeres Programm fahren können.
    Zur Aufstockung der industrienahen Forschung um 200 Millionen DM kann ich nur sagen: richtig. Die SPD hat im Ausschuß verlangt, die Zerschlagung der Industrieforschung in den neuen Ländern zu stoppen. Die Koalition hätte sich anschließen können.
    Das nächste ist die Aufstockung der regionalen Wirtschaftsförderung um 1 Milliarde DM. Die Forderung des Wirtschaftsministers war auch schon während der Haushaltsberatungen nicht unbekannt. Weshalb erst jetzt?
    Die Aufstockung der Wohnungsbaumittel um 800 Millionen DM: Richtig, sage ich, ein richtiger



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Schriftt, aber zuwenig. Wir hatten 1,5 Milliarden DM beantragt.

    (Dr. Albert Probst [CDU/CSU]: Wie finanzieren Sie es denn?)

    Wenn wir uns dazwischen getroffen hätten, wäre es gut gewesen.
    Fazit: Bei diesem Sechs-Punkte-Programm haben Sie eines vergessen, nämlich die Fußnote „Copyright: SPD".

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht kleinlich, wir freuen uns, daß Sie dazulernen.
    Ich frage mich nur: Wenn das alles war, Herr Finanzminister, weshalb dann das Getöse um den Nachtragshaushalt? Was hier von Ihnen als zweistelliges Milliardenprogramm verkauft wird, entpuppt sich doch wieder nur als ein Trick. Das kostet Sie im nächsten Jahr nur glatt 1,3 Milliarden DM, die bereits im Haushalt eingestellt sind. Das wird bei Ihnen alles doppelt und dreifach gezählt. Was über vier Jahre geht, wird addiert. Wenn man eine noch größere Zahl haben will, addiert man es über sechs Jahre, und der nächste rechnet es dann auf zehn Jahre hoch. Das gibt dann die „Verläßlichkeit" der Aussage, auf die die Wirtschaft ihre Planungen einstellen soll! Herr Kollege Weng, das müssen Sie der Wirtschaft wirklich einmal plausibel machen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wo es aber wirklich ans Geld geht, wie etwa bei der kommunalen Investitionspauschale, die in der Erfurter Erklärung der CDU steht, müssen Sie passen, weil Sie nämlich pleite sind, weil Sie kein Geld haben, das Sie dort hingeben können.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie den Durchbruch im Osten wollen, dann setzen Sie mit uns gemeinsam das in der letzten Woche von der SPD beschlossene Zukunftsprogramm Ost um, damit endlich der wirtschaftliche Aufbau durchgreifend auf den Weg gebracht wird, damit die Hoffnung der Millionen arbeitslosen Menschen in Ostdeutschland nicht vergeblich ist. Hoffnung braucht Erfolge, sonst verzehrt sie sich, schlägt um in Enttäuschung sowie — das merken wir schon — in Verbitterung und Aggressivität. Nicht nur in der Asylfrage, sondern auch in der Aufbau- und Vereinigungskrise liegt eine explosive Gewalt, die diesen Staat erschüttern könnte.
    Ich möchte mich namens der SPD-Fraktion für die einfühlsamen Worte, die der Präsident in dieser Angelegenheit heute morgen an uns gerichtet hat, ganz herzlich bedanken. Sie entsprachen voll und ganz unseren Überlegungen, Wünschen und Hoffnungen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, unter Ihrer Verantwortung ist die Treuhandanstalt zu einem Synonym für Plattmachen geworden. Die Glaubwürdigkeit unseres marktwirtschaftlichen Systems sozialer Prägung wird durch falsche Weichenstellung, Fehleinschätzung und Versagen verspielt. Was muß geschehen? An erster Stelle brauchen wir eine marktwirtschaftliche Industriepolitik, in die der Sanierungsauftrag der
    Treuhand eingebunden ist. Es ist skandalös, wie die Spitze der Treuhandanstalt in aller Öffentlichkeit eine Strategie der Selbstauflösung betreibt. Die Menschen wollen doch wissen, wie es mit ihren sanierungsfähigen, aber noch nicht wettbewerbsfähigen Betrieben langfristig weitergeht; sie haben ein Recht darauf.
    Wir fordern Sie auf, Herr Finanzminister, das Primat der Politik gegenüber der Treuhandanstalt endlich eindeutig zur Geltung zu bringen und durchzusetzen. Sie können sich beim Kollegen Rühe einiges absehen, wie der es gemacht hat. Sie haben ja Vorbilder in den eigenen Reihen.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir es genau!)

    Wir brauchen Märkte für ostdeutsche Produkte. Deshalb brauchen wir eine Strategie der Absatzförderung für ostdeutsche Waren. Wir brauchen eine Verbesserung der Investitionszulage, um die Eigenkapitalbasis der ostdeutschen Betriebe zu stärken. Ob der Koalitionsvorschlag inhaltlich das gleiche meint wie wir, werden wir sehen.
    Wir brauchen ein langfristiges Zukunftsinvestitionsprogramm für den Ausbau der Infrastruktur, für Verkehrsinvestitionen, für Abwasser und Kläranlagen, für Sanierung und Bau von sozialen Einrichtungen. Auf die Anstoßwirkung der Investitionspauschale kann dabei nicht verzichtet werden. Voraussetzung für mehr Markt und mehr Investitionen in Ostdeutschland bleibt, daß investitionsfeindliche Eigentumsregelungen die Investitionen nicht mehr behindern oder verzögern.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundesminister, überall stehen die Zeichen auf Sturm. Konjunkturkrise mit drohender Rezession, überbordende Staatsverschuldung, grassierende Massenarbeitslosigkeit in Ost und West, Entindustrialisierung im Osten und Krise im westeuropäischen Einigungswerk, das ist der Befund. Der Sachverständigenrat, den Sie heute schon zweimal zitiert haben, bescheinigt Ihnen den endgültigen Zusammenbruch Ihrer Haushalts- und Finanzplanung unter der Wucht des Konjunktureinbruchs. Er schreibt Ihnen ins Stammbuch, daß Sie die Konsolidierung noch nicht einmal auf den Weg gebracht haben, daß Ihre Ausgabenraten so nicht zu halten und Ihre Einnahmenschätzungen illusionär sind.
    Die Ursachen der Wirtschaftskrise sind aber hausgemacht. Der Sachverständigenrat formuliert es folgendermaßen — ich zitiere —:
    Dauernde Unsicherheit über das Ausmaß der Finanzierungsprobleme, zunehmende Ungewißheit über die Art der Finanzierung und aufkommende Zweifel an der Belastbarkeit unserer Volkswirtschaft sind die hausgemachten Ursachen der konjunkturellen Krise.
    Auf Grund Ihres politischen Unvermögens in der Zeit des Einigungsbooms, die Konsolidierung nachhaltig anzugehen, haben Sie sich selbst jede Möglichkeit genommen, einer antizyklischen Finanzpolitik das Wort zu reden.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)




    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Statt dessen verschwinden die Bundesfinanzen weiter in einem Schuldenloch. Sie selbst, Herr Bundesfinanzminister, gaben beim Konjunktureinbruch noch die Losung aus — ich zitiere erneut —:
    Ein höheres Defizit darf es nicht geben. Auch international stehen wir in der Pflicht, keinen höheren Beitrag zuzulassen, ansonsten würden wir unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Hat er schon gemacht!)

    Aber lassen Sie diesen Worten denn Taten folgen?
    Im gleichen Atemzug beschlossen Sie die Erhöhung der Neuverschuldung auf 43 Milliarden DM im nächsten Jahr. Sie machen dabei ganz gegen Ihre Natur eine Anleihe bei Keynes, daß die konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen durch eine erhöhte Verschuldung ausgeglichen werden sollen. Wahr ist, Herr Finanzminister, das sind keine konjunkturpolitischen, sondern illusionsbedingte Mindereinnahmen,

    (Beifall bei der SPD)

    weil Sie keine Erwartung in die Belebung der Konjunktur setzen und Ihre Finanz- und Steuerplanung auf völlig unrealistischen Daten aufbauen. Ein 7%iges Wirtschaftswachstum war bei Ihrer Politik von vornherein Illusion, weil Sie die inländische Konjunktur in eine Vertrauenskrise stürzten. Eine führungslose Finanzpolitik setzt auf die Weltkonjunktur als Rettungsanker. Herr Finanzminister, Sie haben Roulette gespielt und verloren.
    Weil ein glaubwürdiges Konzept für die Finanzpolitik fehlt, muß jede Erhöhung der überbordenden Schuldenlasten die Gefahr abermals steigender Zinsen heraufbeschwören. Wenn die Vertrauenskrise die Grenzen Deutschlands überspringt und die D-Mark unter Abwertungsdruck gerät, wird eine zum Gegensteuern gezwungene Zinspolitik jeden konjunkturellen Impuls auf der Stelle abwürgen. Und wer garantiert der verunsicherten Wirtschaft, daß es im nächsten Jahr bei 43 Milliarden DM bleibt? Meinen Sie, Herr Minister, daß Ihnen noch jemand glaubt?
    Der Bundeshaushalt 1993 enthält eine Reihe ungedeckter Schecks. Was ist denn, wenn sich die Prognosen vom Nullwachstum bestätigen? Dann fehlen weitere 4 bis 5 Milliarden DM Steuereinnahmen in der Bundeskasse, dann wird nach Rechnung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ein weiteres Loch von 5 Milliarden DM bei der Arbeitslosenversicherung aufgerissen. Wollen Sie dann die Verschuldung des Bundes wieder deutlich über die 50-MilliardenGrenze bringen oder die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 7 % erhöhen? Welche finanziellen Risiken liegen in der Schußfahrt der Bundesbahn? Und auch beim Grundfreibetrag haben Sie schon jetzt ein erkennbares Haushaltsloch von 1 Milliarde DM.
    Meine Damen und Herren, seit dem Bundesparteitag der CDU soll doch bei Ihnen die Stunde der Wahrheit schlagen.

    (V o r s i t z : Präsidentin Dr. Rita Süssmuth)

    Wenn wir von Ihnen immer wieder hören, dieser
    Haushalt sei solide finanziert, dann kann ich nur
    feststellen, dieser Haushalt treibt wie ein Ballon hoch
    über der Wirklichkeit ohne Verbindung mehr zu diesem Land und seinen Problemen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Haushalt ist weder solide noch unsolide, er ist schlicht für den Reißwolf.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, das Haushaltsloch im gesamten öffentlichen Sektor lag im letzten Jahr bei 151 Milliarden DM. In diesem Jahr, in 1992, steigt die Finanzierungslücke in allen öffentlichen Haushalten nach Berechnungen des Sachverständigenrates auf 215 Milliarden DM. Das sind 7 % des Sozialprodukts, und im nächsten Jahr wird es nicht weniger werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Besonders in Nordrhein-Westfalen!)

    Eine führungslose und desolate Finanzpolitik läßt den Staat in diese Überschuldung abgleiten. Der Schuldenstand des öffentlichen Sektors wird 1993 sagenhafte 1,9 Billionen DM erreichen, der Anstieg der Staatsverschuldung 2,3 Billionen in 1996 laut Ihrem Finanzplan, Herr Bundesfinanzminister. Das ist vorprogrammiert. Diese Verschuldung wird den Staat mit Zinszahlungen in Höhe von 185 Milliarden DM belasten; das sind 500 Millionen DM pro Tag. Das übersteigt die ganzen Transferleistungen für den Aufbau Ostdeutschlands in Höhe von 150 Milliarden DM.
    Das ist die Realität. Sie wollten sie hören; ich habe sie Ihnen gesagt. Hören Sie zu, Sie können lernen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Allein für den Bund, einschließlich seiner Schattenhaushalte — und ich bin froh, daß der Bundesfinanzminister mittlerweile bereit ist, seine Ziehkinder jetzt auch wirklich in seinen Schoß aufzunehmen —, müssen wir dann für 100 Milliarden DM Zinsen geradestehen.
    Der Anteil der Steuereinnahmen des Bundes, der in wenigen Jahren für Zinsen ausgegeben werden muß, läuft gegen 25 %. Wie auch immer Sie das trickreich biegen, fast jede vierte Mark des Bundes muß nach Ihrer mittelfristigen Finanzplanung 1996 für Zinsen geopfert werden. Das ist eine Politik des „Nach mir die Sintflut!".
    Die Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben recht, wenn sie Alarm schlagen. Unter Ihrer Regierung wird der ohnehin begrenzte Handlungsspielraum des Staates auf Null reduziert. Weil Sie dieses Desaster vor Augen haben, erfindet der Bundeskanzler jetzt die Erblastlegende von 400 Milliarden DM. Weil Sie die fälligen 40 Milliarden DM an Zins und Tilgung nicht aus den Haushalten finanzieren können, sollen ab 1995 die Steuern erhöht werden.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wenn das die Stunde der Wahrheit ist, dann bekennen Sie sich auch dazu, daß diese Lasten dem Grunde nach auf politischen Ent-



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Scheidungen bei der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion im Juli 1990 beruhen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sozialdemokraten haben diese Entscheidungen mitgetragen. Aber seien Sie politisch redlich, wenn es darum geht, solche Entscheidungen darzustellen.
    Meine Damen und Herren, dem Bundeskanzler will ich gerne sagen: 300 Milliarden DM Schulden kosten pro Jahr 30 Milliarden DM an Zinsen, und sie sind jetzt schon da. Es ist nicht so, daß sie erst 1995 eintreten, sondern wir haben sie schon. Wir werden bis 1995 noch weitere 100 Milliarden DM zusätzlich bekommen. Das sind nämlich die fortgeschriebenen Zinsen für diese Beträge. Darüber müssen Sie sich klar werden.
    Herr Bundeskanzler, die Steuern müssen nicht etwa wegen der Erblast erhöht werden, sondern wegen Ihrer wirtschafts- und finanzpolitischen Unfähigkeiten, auf die deutsche Einheit angemessen zu reagieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Woher nehmen Sie das Recht, mit einem galoppierenden Anstieg der Staatsverschuldung die Ausbeutung der nächsten Generation zu betreiben? Sie kehren die Verantwortung der Generationen um: Nicht mehr die Eltern sorgen für ihre Kinder, sondern die Kinder und Enkel haften für ihre Eltern. Die Lasten Ihrer Schuldenpolitik trifft die nächste Generation mit Zins und Tilgung, mit Handlungsverlust des Staates und mit heutigen Wachstums- und Wohlstandsverlusten.
    Unfaßbar ist mir die Gelassenheit, mit der diese Bundesregierung seit Jahren ein Millionenheer an Arbeitslosen hinnimmt. Meine Damen und Herren, die Konjunkturkrise im Westen und die Aufbaukrise im Osten lassen die Zahl der registrierten Arbeitslosen im nächsten Jahr auf rund 3,3 Millionen steigen. Insgesamt sind dann 5 Millionen Menschen ohne vollwertige Arbeit. Der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht, weil weitere Entlassungen bei Treuhandbetrieben eintreten und der Personalabbau im öffentlichen Dienst im Osten fortgesetzt wird.
    In dieser Situation kürzt die Bundesregierung zum Stopfen von Haushaltslöchern die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik um 5 Milliarden DM. Damit erhöht sich die Arbeitslosigkeit Ost um schlicht und einfach weitere 150 000 Menschen. Allein die offene Arbeitslosigkeit von 3,3 Millionen Menschen kostet den Staat 100 Milliarden DM in Form von Unterstützungen und ausfallenden Steuern und Beiträgen.
    Eine Finanzpolitik, meine Damen und Herren, die Arbeitslosigkeit erzeugt, handelt nicht nur sozial verantwortungslos, sondern auch fiskalisch widersinnig.

    (Beifall bei der SPD)

    Unter Ihrer Regierung ist die Vollbeschäftigung leider zu einer Vokabel der Wirtschaftsgeschichte geworden.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    — Sie setzen nicht auf die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, sondern auf ihre Finanzierung, Herr Bötsch. Das ist die moralische Bankrotterklärung Ihrer Regierung. Ich freue mich sehr, daß Sie mir zustimmen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Durchaus nicht!)

    Meine Damen und Herren, in einer sozialen Marktwirtschaft muß der Staat das Recht auf Arbeit zur Geltung bringen, auch wenn es nicht in der Verfassung steht. Der einzelne Mensch muß Arbeitsbereitschaft in Wohlstand umsetzen können. Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Mit unserem Programm „Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren" wollen wir die Arbeitsmarktpolitik nicht ausdünnen, sondern zu einem wirtschaftsnahen Instrument der Arbeits- und Strukturförderung weiterentwickeln.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Warum klatschen die nicht?)

    — Ich habe die Pause falsch gelegt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ihr Gehör hat auch schon gelitten; das merke ich.

    (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Ich glaube, die SPD ist eingeschlafen!)

    — Aber Sie sind ganz schön wach. Ich merke das schon.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ruhig und gelassen! Wir kommen dazu.
    Gehen wir zunächst einmal weiter, und beschäftigen wir uns mit der Regierung; denn es ist eine Abrechnung der Opposition mit der Regierung, nicht eine Abrechnung der Regierung mit der Opposition. Der Bundesfinanzminister hat heute morgen zwar in vorbildlicher Weise die Gewaltenteilung hier einmal durchbrochen. Er hat sich hier hingestellt, als es um eine parlamentarische Debatte des Haushalts ging, als es eigentlich darum ging, daß der Haushalt vom Haushaltsausschuß dem Plenum wieder vorgelegt wurde und eigentlich ein Bericht des Haushaltsausschusses an das Plenum erfolgen mußte. Da hat der Finanzminister Ihnen allen die Arbeit abgenommen und gesagt: Das, was das Parlament machen kann, das kann ich als Regierung auch machen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Das ist eine Verwechslung der Strukturen, wie sie hier sind. Wenn Sie sagen, er hätte es gut gemacht, dann zeigt das nur Ihr mangelndes Beurteilungsvermögen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Finanzminister hatte Angst, daß vielleicht einer der Kollegen aus dem Ausschuß die Wahrheit sagen könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Er hat sich deshalb gesagt: Am besten ist, ich sage es
    selbst. Er ist ja ebenfalls gewählter Parlamentarier,



    Helmut Wleczorek (Duisburg)

    und damit konnte er das tun. Er hat es aber als Regierungsmitglied getan.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Er hat mit seiner Partei weniger Probleme als Sie!)

    — Ich will Ihnen weiter ein paar Probleme nennen, Herr Kollege Glos, und Sie einmal daran erinnern, daß Wahrheit und Klarheit, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit eigentlich das Gebot der Stunde sind. Ich sage Ihnen: Wir brauchen einen finanzpolitischen Neuanfang von Grund auf. Seit langem fordern wir ein neues soziales Bündnis für unser Land. Wir Sozialdemokraten sagen ja zu einem Sozialpakt, wenn es um wirklich solidarisches Handeln für den Aufbau Ost und für Gerechtigkeit geht. Aber die Zweifel wachsen, ob es die Bundesregierung unter diesen Gesichtspunkten ernst meint. Für einen Sozialpakt brauchen wir eine Politik der sozialen Gerechtigkeit. Die soziale Schieflage der Finanzierung der deutschen Einheit und in der Finanz- und der Steuerpolitik insgesamt muß beseitigt werden.
    Meine Damen und Herren, die Gerechtigkeitslücke entspringt doch nicht der Fantasie eines Forschungsinstituts, mit dem sich der Bundesfinanzminister über Berechnungsmethoden und Quoten streitet. Es ist gelebte Erfahrung, daß die kleinen und mittleren Einkommen zur Finanzierung der deutschen Einheit härter herangenommen worden sind als die Leistungsfähigen. Die soziale Schieflage wird von Gewerkschaften wie von Arbeitgebern, von Kirchen wie aus dem Kreis der Koalitionsfraktionen eingeräumt. Nur Sie, Herr Finanzminister, halten die Gerechtigkeitslücke beharrlich für eine Einbildung.
    Die Verlängerung des Solidaritätszuschlags oder die Erhebung einer Ergänzungsabgabe für hohe Einkommen sind für Sozialdemokraten essentielle Bestandteile eines Sozialpaktes. Natürlich kann man sich beim gegenwärtigen Konjunktureinbruch auch etwas Besseres wünschen. Aber die ursächliche Vertrauenskrise überwindet man nicht durch Wünsche, sondern durch klare Aussagen, die Bestand haben. Die Wirtschaft braucht vor allem Verläßlichkeit, Beständigkeit und Berechenbarkeit. Dazu gehört auch unsere Aussage, daß die Ergänzungsabgabe so auszugestalten ist, daß nachweisbare investive Anstrengungen für den wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands angerechnet werden.
    Wenn Sie es mit der Bündelung aller Kräfte zur Bewältigung der Einheit ernst meinen, dann sollten Sie Ihre Zumutungen an die Gewerkschaften einstellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Lohnstopp, Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, Karenztage, höhere Beiträge zur Sozial- und Rentenversicherung bei gleichzeitiger Senkung der Steuern auf Unternehmensgewinne und Vermögen — meine Damen und Herren, das solidarisiert nicht, es entsolidarisiert.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie provozieren die Verteilungskämpfe, die die ohnehin spärlich vorhandenen Wachstumskräfte vollends aufzehren würden.
    Die gesamtwirtschaftliche Vernunft der Gewerkschaften hat für den sozialen Frieden und die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland in der Vergangenheit mehr bewirkt, als ganze Politikergenerationen vom Schlage des Wirtschaftsministers je bewirken werden. Wenn Sie es mit dem Sozialpakt ernst meinen, so nehmen Sie die von Sozialdemokraten vorgelegten Vorschläge zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen und zum Investivlohn auf.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren, wer Solidarität beansprucht, muß sagen, wofür. Der Bundeskanzler ist am Zuge. Erstens. Wir brauchen einen Kassensturz. Aber die Haushaltsberatungen lassen Zweifel, ob Ihr Finanzminister überhaupt noch die Zahlen kennt. Ich sage: Herr Bundeskanzler, legen Sie eine ungeschminkte Bestandsaufnahme über das Ausmaß der Finanzierungsprobleme im vereinten Deutschland vor!

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Bestandsaufnahme muß die Haushalte von Bund und Ländern, Schatten- und Nebenhaushalte und die Haushalte der Sozialversicherungsträger umfassen.
    Zweitens. Legen Sie auf dieser Grundlage ein gesamtstaatliches Konsolidierungskonzept vor. Mit einem föderalen Konsolidierungsprogramm allein ist es nicht getan. Bisher ist auch dieses nur eine Worthülse. Eine drastische Sparpolitik und eine generelle Revision der Überprüfung der Staatstätigkeit sind unabdingbar. Diese Einsicht, meine Damen und Herren, ist den Menschen aber nur dann zu vermitteln, wenn es beim Sparen gerecht zugeht. Statt den Empfängern von Arbeitslosenhilfe, von Sozialhilfe, von BAföG die Luft abzudrücken, sollten Sie, Herr Waigel, das Urteil zur Steuerfreiheit des Existenzminimums beherzigen.
    Drittens. Sparen hat erste Priorität. Aber es ist keine Zauberformel. Auch ein durchgreifendes Konsolidierungskonzept vollbringt keine Wunder. Mut zur Wahrheit heißt auch, daß Sie klar sagen, wie die notwendigen Ausgaben beim Aufbau Ostdeutschlands insgesamt gedeckt werden sollen. Sagen Sie, in welchem Umfang es Einnahmeverbesserungen des Staates bedarf, welche Steuern wann und wo erhöht werden sollen. Bringen Sie Ordnung in die total konfuse Steuerdiskussion Ihrer Koalition:

    (Beifall bei der SPD)

    Investitionsanleihe, Mineralölsteuererhöhung, Autobahngebühr, Sondersteuer zur Altlastenfinanzierung — an einem Tag vom Tisch, am nächsten Tag wieder auf dem Tisch, entweder erst ab 1995 oder ganz bestimmt auch schon vorher. Das Steuerchaos der Koalition ist Gift für den Solidarpakt und die Konjunktur.

    (Beifall bei der SPD)

    Unsere Vorschläge, Herr Kollege Hinsken — danach haben Sie ja gefragt —, liegen sehr klar auf dem Tisch. Wir wollen eine Ergänzungsabgabe und eine



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Arbeitsmarktabgabe, klar und berechenbar, für alle nachvollziehbar.

    (Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Wieczorek, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Die rote Lampe ist allerdings durch Ihre Papiere verdeckt.

(Heiterkeit — Michael Glos [CDU/CSU]: Die da drüben langweilen sich schon die ganze Zeit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Entschuldigung, Frau Präsidentin.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Nicht immer hält das rote Licht, was es dem müden Wandersmann verspricht!)

    — Für mich ist rot immer das Zeichen für Fortschritt, Herr Kollege Bötsch.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Frau Präsidentin, ich bitte ganz herzlich darum, daß ich noch zwei Sätze sagen darf. Ich denke, daß mir meine Fraktion meine Redezeit um diesen Punkt verlängert. Die Kollegen der Koalition waren so freundlich, mich ständig zu unterbrechen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Ich habe das ja gern mit Ihnen gemacht; ich freue mich darüber. Es tut mir nur leid, daß es für Sie ein bißchen Volkshochschule war. Aber Nachhilfeunterricht kann ja nicht schaden.

    (Eckart Kuhlwein [SPD]: Nichts gegen die Volkshochschulen!)

    Meine Damen und Herren, die grundlegende Neuordnung der Finanzbeziehungen und der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern hat für mich staatspolitische Bedeutung. Im Zentrum dieser Entscheidung steht die bedarfsgerechte Finanzausstattung der neuen Länder. Dabei geht es nicht nur um das Geld, sondern es geht um eine Grundentscheidung über die Zukunft und die Funktionsfähigkeit des Föderalismus. Alle Länder sind sich darin einig, daß Ihre Vorschläge mit der Wirklichkeit im vereinten Deutschland, im neuen Deutschland nicht vereinbar sind. Sie verschärfen die konjunkturellen Spannungen im Westen und überdehnen den bundesstaatlichen Finanzausgleich. Sie verlassen die Rechtsgrundlagen des Einigungsvertrages. Zum Mut zur Wahrheit gehört auch, die Länder jetzt nicht zu Sündenböcken Ihrer verfehlten Politik zu machen.
    Ich danke Ihnen sehr, daß Sie mir so aufmerksam zugehört haben.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)