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ID1211620600

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    Plenarprotokoll 12/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. November 1992 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung um eine Aktuelle Stunde . . . . . . . . . . . . 9855 B Vertagung der von den Fraktionen der CDU/ CSU und der F.D.P. beantragten Aktuellen Stunde . . . . . . . . . . . . . . . 9899 D Dr. Peter Struck SPD (zur GO) . . . . . . 9855 B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU (zur GO) . 9856 B Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. (zur GO) 9857 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste (zur GO) 9857C Außerhalb der Tagesordnung: Technische Hinweise Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg . 9858B Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (Arbeitsgruppen „Aufbauhilfe neue Bundesländer" ; Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr; Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege; Vertragsgesetz zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen vom 12. Juni 1992 über Klimaänderungen; weitere aktuelle Fragen) Dr. Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9859 A Monika Ganseforth SPD 9859 D Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU 9860 A Monika Ganseforth SPD . . . . . . . . 9860 A Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU . 9860 A Monika Ganseforth SPD . . . . . . . . 9860 A Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU . 9860 A Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK . 9860 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 9860 B Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9860 C Peter Conradi SPD 9860 D Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9860 D Rolf Schwanitz SPD 9860 D Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9861 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 9861 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9861 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste . 9861 D Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9861 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9862 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9862 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9862 C Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9862 C Dr. Konrad Elmer SPD 9862 D Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9862 D Dr. Konrad Elmer SPD 9862 D Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9863 A Ekkehard Gries F.D.P. 9863 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9863 B Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . . 9863 C Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9863 C Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . . 9863 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1992 Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 A Jochen Feilcke CDU/CSU 9864 B Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 B Otto Schily SPD 9864 C Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9864 D Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 D Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksachen 12/3600 vom 3. November 1992 und 12/3580 vom 30. Oktober 1992 Vorbereitungen der Bundesregierung zur Eindämmung des Flüchtlingsstromes unter Inkaufnahme eines Verfassungsverstoßes; Stellungnahme der Bundesregierung zu einer Pressemeldung über einen von ihr geplanten Staatsstreich DringlAnfr 1, 2 Otto Schily SPD Antw BM Friedrich Bohl (ChefBK) . . 9865B, C, 9866 A, C, 9867 A, B, C, D, 9868 C, D, 9869 A, B, D, 9870 A, B, D, 9871 B, C, 9872 A, B, C, 9873 A, C, D, 9874B, 9875A, B ZusFr Otto Schily SPD . . 9865C, 9866A, 9871C ZusFr Norbert Gansel SPD . . . 9866B, 9871D ZusFr Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . 9866 C ZusFr Ernst Waltemathe SPD . . . . . . 9866 D ZusFr Dr. Wilifried Penner SPD . . . . 9867 A ZusFr Erwin Marschewski CDU/CSU 9867C, 9874 D ZusFr Günter Graf SPD . . . . . . . . . 9867 D ZusFr Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . 9868B, 9874 B ZusFr Dr. Konrad Elmer SPD . . 9868D, 9875 A ZusFr Wolfgang Lüder F.D.P. 9868 D ZusFr Ingrid Matthäus-Maier SPD . . . 9869 B ZusFr Dr. Dietrich Sperling SPD . 9869C, 9872 C ZusFr Margitta Terborg SPD . . . . . . 9870 A ZusFr Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 9870A, 9873A ZusFr Ludwig Stiegler SPD9870 D . . . . 9870D ZusFr Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 9872 B ZusFr Eckart Kuhlwein SPD 9873 B ZusFr Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD 9873 D ZusFr Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD , 9874 A ZusFr Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 9875 B ZusFr Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . 9875 C Dr. Peter Struck SPD (zur GO) 9875 D Aktuelle Stunde Hans-Ulrich Klose SPD 9876 A Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 9876D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 9877 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 9878 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9879 C Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9880 B Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 9881 D Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 9884 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 9885 B Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . 9886B Ernst Waltemathe SPD . . . . . . . . 9886 D Hans Eichel, Ministerpräsident des Landes Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . 9887 D Erika Steinbach-Hermann CDU/CSU . . 9890 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . . . 9891 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . 9892D Freimut Duve SPD . . . . . . . . . . . 9893 C Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK . 9894 D Wolfgang Lüder F.D.P. 9895 D Otto Schily SPD 9896 B Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU 9897 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 9898A Ludwig Stiegler SPD 9898 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 9899 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9901* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1992 9855 116. Sitzung Bonn, den 4. November 1992 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 04. 11. 92* Beckmann, Klaus F.D.P. 04. 11. 92 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 04. 11. 92 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 04. 11. 92 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 04. 11. 92 Peter Harry Clemens, Joachim CDU/CSU 04. 11. 92 Fischer SPD 04. 11.92 (Gräfenhainichen), Evelin Fuchs (Verl), Katrin SPD 04. 11. 92 Gallus, Georg F.D.P. 04. 11. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 04. 11. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 04. 11. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 04. 11. 92 Dr. Glotz, Peter SPD 04. 11. 92 Großmann, Achim SPD 04. 11. 92 Hilsberg, Stephan SPD 04. 11. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 04. 11. 92 Kretkowski, Volkmar SPD 04. 11. 92 Dr. Küster, Uwe SPD 04. 11. 92 Lennartz, Klaus SPD 04. 11. 92 Marx, Dorle SPD 04. 11. 92 Meißner, Herbert SPD 04. 11. 92 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 04. 11. 92 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 04. 11. 92 Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 04. 11. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 04. 11. 92* Rempe, Walter SPD 04. 11. 92 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 04. 11. 92 Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 04. 11. 92 Hannelore Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 04. 11. 92 Ingrid Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 04. 11. 92 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 04. 11. 92 Andreas Dr. Schmude, Jürgen SPD 04. 11. 92 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 04. 11. 92 Schröter, Karl-Heinz SPD 04. 11. 92 Thierse, Wolfgang SPD 04. 11. 92 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 04. 11. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 04. 11. 92 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 04. 11. 92 Gert Welt, Jochen SPD 04. 11. 92 Wimmer (Neuötting), SPD 04. 11. 92 Hermann Zierer, Benno CDU/CSU 04. 11. 92 ** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Lüder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bohl, ich glaube, es geht nicht darum, daß hier aus dem Hause — ich habe das jedenfalls so nicht gehört — der Bundesregierung der Vorwurf gemacht würde, sie setze nicht genügend Strafkapazität ein, um rechtsradikale bzw. rechtsextremistische Gewalt zu bekämpfen, sondern es geht darum, daß wir auch die politische Gewichtung und die politische Verurteilung sehen müssen und auch Klarheit über die Ursachenbekämpfung schaffen müssen, damit wir hier nicht aneinander vorbeireden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

    Natürlich gibt es nach wie vor die latente Gefahr der RAF. Aber in diesem Jahr droht doch aus Ostdeutschland heraus konkret die Gefahr der rechtsextremistischen Gewalt. 13 Tötungen — so hat gestern das BKA bekanntgegeben — hat es allein in diesem Jahr gegeben. 3 374 ausländerfeindliche Straftaten wurden in der Bundesrepublik verübt. Da sitzt die Verbindung zu unserem Thema, daß es bisher nicht geschafft ist, zwischen den Flüchtlingen, den Asylbewerbern, den Mißbrauchsfällen, den Zuwanderern, den Aussiedlern und den Juden klar zu trennen.
    Herr Schmidt aus Rostock, der meinen Freund und Parteifreund Ignatz Bubis aus Deutschland ausgliedern wollte, Herr Schmidt aus Rostock, von dem wir nichts hörten, als mit Mordversuch und Brandanschlag in seiner Hansestadt rechtsextremistische Gewalt ihren ersten Höhepunkt fand, ist für mich ein



    Wolfgang Lüder
    Signal, daß mehr geschehen muß, als bisher von uns allen politisch verantwortet wurde.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wenn wir uns hier vornehmen, etwas zu tun — wir wissen, daß wir einiges tun müssen; ich habe es beim letzten Mal in der Debatte über die Entschließung zum Asylrecht und zu dem Teil der Verfassungsänderung gesagt, die ich mittragen werde —, und wenn wir uns diesem Thema widmen, um den Wähler und Bürger zu überzeugen, dann müssen wir doch zunächst einmal Klarheit darüber haben, ob wir selbst, nämlich Bund und alle Länder, alles getan haben, was wir innerhalb der Verfassung tun können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

    Dann darf doch nicht die Bundeswehr damit kommen, daß der Finanzminister 2 DM Miete pro Quadratmeter von den Gemeinden für zur Verfügung zu stellende Kasernen verlangt. Wenn wir dann auch noch im Innenausschuß hören, daß die Masse der Kasernen überhaupt erst ab Sommer nächsten Jahres, also Monate nach dem April nächsten Jahres, zur Verfügung steht, dann zeigt das doch die Unfähigkeit und das Unvermögen von Verwaltungen. Dieses müssen wir erst einmal bekämpfen.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Bund und Länder, alle zusammen, tun so, als sei das Dreck, den man nicht anzupacken brauche. Keiner sieht, daß die Freiheitsfackel des Grundgesetzes — ich nehme den Ausdruck von Dr. Hirsch auf — geschützt und gehegt werden muß, damit sie nicht verbrennt. Es ist unsere Aufgabe, erst einmal damit anzufangen.
    Das zweite, das wir tun müssen: Wir müssen dem Bürger Klarheit geben. In jedem Gespräch müssen wir Verständnis dafür wecken, daß Flüchtlinge keine Asylbewerber zu sein brauchen und daß Flüchtlinge keine Asylmißbräuchler sind. Damit wäre die Zahl der Asylbewerber schon sehr viel geringer. Vielleicht kommen wir dann auch noch dazu, klarzumachen, was Aussiedler sind und daß es letztlich bei Zigeunern — ich spreche bewußt diese Gruppe an — und auch bei anderen politischen Verfolgten häufig und eigentlich nur darum geht, daß wir die Opfer der Gewalt Stalins und die Opfer der Gewalt Hitlers schützen und anerkennen müssen.
    Für den Rest müssen wir schnelle Verfahren finden. Wir haben uns das vorgenommen. Aber, dann lassen Sie uns erst einmal bitte schön praktisch anfangen. Wir können doch nicht von Staatsnotstand reden, wenn wir noch nicht sicher sind, daß wir wirklich alles getan haben, was die Verwaltungen tun können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun hat der Kollege Otto Schily das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Otto Schily


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Bohl, wir kennen uns schon eine Weile. Sie sind viel zu intelligent, als daß ich
    Ihnen heute Ihre gut gespielte Arglosigkeit abnehmen könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bohl, ich muß hier den Verdacht äußern, daß mindestens aus dem Umfeld der Bundesregierung, aber auch von Angehörigen der Bundesregierung selbst Worte in Umlauf gesetzt worden sind, die durch ihren Ausdruck böse Stimmungen, gefährliche Stimmungen im Lande erzeugen. Das ist es, worüber wir heute reden müssen.
    Wer in der Demokratie den Boden unter den Füßen behalten will, der darf den Grundkonsens der Verfassung, der sich in einer über 40jährigen Geltungszeit des Grundgesetzes bewährt hat, nicht beschädigen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Lüder [F.D.P.])

    Das gilt auch und erst recht in Zeiten neuer Gefährdungen und Herausforderungen.
    Das Einverständnis der übergroßen Mehrheit unseres Volkes mit unserer Demokratie und ihren Institutionen findet seinen wichtigsten Ausdruck im Grundgesetz, dessen Wert nicht zuletzt darin besteht, daß es staatliches Handeln an feste Regeln und Grundsätze bindet. Dazu gehört auch die Selbstverständlichkeit, daß die Verfassung nicht mit einfacher Mehrheit, deren Verfallszeit mit dem Ende der Legislaturperiode vorgezeichnet ist, verändert oder ergänzt werden darf.
    Wer sich von der Verfassung und ihren Regeln lossagen will, verabschiedet sich aus der Demokratie. Das Gerede vom vermeintlichen Staatsnotstand, mit dem die Verfassung in Frage gestellt werden soll, ist töricht und verantwortungslos,

    (Beifall bei der SPD)

    auch wenn sich die Regierung jetzt in den Nebel halbherziger Dementis zurückziehen will.
    Herr Bohl, Ihr heutiges Schweigen zu den Äußerungen, die Herrn Blüm zugeschrieben werden, und den Äußerungen von Herrn Stoiber, die man in den Protokollen, die vom Bundespresseamt versandt werden, nachlesen kann, ist sehr aussagekräftig. Selbst wenn jetzt aber erklärt wird, es sei alles nicht so oder nicht ernst oder nur politisch — was heißt eigentlich „nur politisch"? — gemeint gewesen, sind die Wirkungen verheerend, die die Bundesregierung angerichtet hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es ist und war schon schlimm genug, daß in letzter Zeit Verfassungsänderungen als Dutzendware und nach Belieben auf dem Medienmarkt gehandelt wurden. Ich erinnere an die Zwangsanleihe. Verfassungsänderungen sind immer ein tiefer Einschnitt und müssen mit Sorgfalt und Zurückhaltung bedacht und diskutiert werden. Es ehrt die SPD, daß sie es sich mit dieser Frage so schwermacht.

    (Beifall bei der SPD)

    Alles andere schadet dem Verfassungsbewußtsein des Volkes. Alles andere hieße Einsturzgefahr für die tragenden Säulen unserer Demokratie.



    Otto Schily
    Meine Kolleginnen und Kollegen, mit salbungsvollen Sonntagsreden werden Sie die Demokratie nicht bewahren, die stets erneuert werden muß. Mit Hochglanzbroschüren sogenannter politischer Bildungsarbeit werden Sie die Jugend nicht beeindrucken, wenn Sie in Ihrer Panik und Verblendung die Verbürgung der Verfassung im politischen Nahkampf in Frage stellen.
    Die Sozialdemokratie ist bereit, mit Ihnen über ein Gesamtkonzept zu reden, in dem Zuwanderung nicht nur negativ verstanden wird, sondern als positive kulturelle, zivilisatorische Aufgabe im Herzen Europas begriffen wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Das schließt nach meiner persönlichen Auffassung die Bereitschaft ein, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, das auch die europäische Dimension erfaßt, auch darüber zu reden, ob eine Änderung oder Ergänzung von Art. 16 notwendig ist. Als Dialogpartner für ein solches Gespräch qualifzieren Sie sich aber nur dann, wenn nicht der leiseste Zweifel aufkommen kann, daß Sie sich an die geltende Verfassung auch dann halten, wenn Sie Ihnen unbequem oder lästig ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Die Verfassung gehört nicht zum Reptilienfonds des Bundeskanzlers, über den er nach Belieben verfügen darf.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wer die Verfassung leichtfertig relativiert, streut ein zerstörerisches Gift aus, das die Demokratie bedroht.
    In diesen Wochen, in denen uns beinahe täglich Nachrichten von antisemitischen Äußerungen, antisemitischen Ausschreitungen, mörderischen Gewalttaten gegenüber Ausländern und von ausländerfeindlichen Aktionen anderer Art erreichen, steht die Kernsubstanz unserer Demokratie auf dem Spiel.