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ID1211616700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. November 1992 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung um eine Aktuelle Stunde . . . . . . . . . . . . 9855 B Vertagung der von den Fraktionen der CDU/ CSU und der F.D.P. beantragten Aktuellen Stunde . . . . . . . . . . . . . . . 9899 D Dr. Peter Struck SPD (zur GO) . . . . . . 9855 B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU (zur GO) . 9856 B Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. (zur GO) 9857 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste (zur GO) 9857C Außerhalb der Tagesordnung: Technische Hinweise Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg . 9858B Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (Arbeitsgruppen „Aufbauhilfe neue Bundesländer" ; Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr; Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege; Vertragsgesetz zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen vom 12. Juni 1992 über Klimaänderungen; weitere aktuelle Fragen) Dr. Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9859 A Monika Ganseforth SPD 9859 D Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU 9860 A Monika Ganseforth SPD . . . . . . . . 9860 A Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU . 9860 A Monika Ganseforth SPD . . . . . . . . 9860 A Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU . 9860 A Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK . 9860 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 9860 B Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9860 C Peter Conradi SPD 9860 D Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9860 D Rolf Schwanitz SPD 9860 D Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9861 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 9861 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9861 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste . 9861 D Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9861 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9862 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9862 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9862 C Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9862 C Dr. Konrad Elmer SPD 9862 D Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9862 D Dr. Konrad Elmer SPD 9862 D Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9863 A Ekkehard Gries F.D.P. 9863 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 9863 B Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . . 9863 C Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9863 C Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . . 9863 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1992 Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 A Jochen Feilcke CDU/CSU 9864 B Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 B Otto Schily SPD 9864 C Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9864 D Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 9864 D Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksachen 12/3600 vom 3. November 1992 und 12/3580 vom 30. Oktober 1992 Vorbereitungen der Bundesregierung zur Eindämmung des Flüchtlingsstromes unter Inkaufnahme eines Verfassungsverstoßes; Stellungnahme der Bundesregierung zu einer Pressemeldung über einen von ihr geplanten Staatsstreich DringlAnfr 1, 2 Otto Schily SPD Antw BM Friedrich Bohl (ChefBK) . . 9865B, C, 9866 A, C, 9867 A, B, C, D, 9868 C, D, 9869 A, B, D, 9870 A, B, D, 9871 B, C, 9872 A, B, C, 9873 A, C, D, 9874B, 9875A, B ZusFr Otto Schily SPD . . 9865C, 9866A, 9871C ZusFr Norbert Gansel SPD . . . 9866B, 9871D ZusFr Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . 9866 C ZusFr Ernst Waltemathe SPD . . . . . . 9866 D ZusFr Dr. Wilifried Penner SPD . . . . 9867 A ZusFr Erwin Marschewski CDU/CSU 9867C, 9874 D ZusFr Günter Graf SPD . . . . . . . . . 9867 D ZusFr Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . 9868B, 9874 B ZusFr Dr. Konrad Elmer SPD . . 9868D, 9875 A ZusFr Wolfgang Lüder F.D.P. 9868 D ZusFr Ingrid Matthäus-Maier SPD . . . 9869 B ZusFr Dr. Dietrich Sperling SPD . 9869C, 9872 C ZusFr Margitta Terborg SPD . . . . . . 9870 A ZusFr Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 9870A, 9873A ZusFr Ludwig Stiegler SPD9870 D . . . . 9870D ZusFr Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 9872 B ZusFr Eckart Kuhlwein SPD 9873 B ZusFr Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD 9873 D ZusFr Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD , 9874 A ZusFr Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 9875 B ZusFr Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . 9875 C Dr. Peter Struck SPD (zur GO) 9875 D Aktuelle Stunde Hans-Ulrich Klose SPD 9876 A Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 9876D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 9877 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 9878 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9879 C Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK 9880 B Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 9881 D Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 9884 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 9885 B Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . 9886B Ernst Waltemathe SPD . . . . . . . . 9886 D Hans Eichel, Ministerpräsident des Landes Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . 9887 D Erika Steinbach-Hermann CDU/CSU . . 9890 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . . . 9891 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . 9892D Freimut Duve SPD . . . . . . . . . . . 9893 C Friedrich Bohl, Bundesminister ChefBK . 9894 D Wolfgang Lüder F.D.P. 9895 D Otto Schily SPD 9896 B Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU 9897 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 9898A Ludwig Stiegler SPD 9898 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 9899 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9901* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. November 1992 9855 116. Sitzung Bonn, den 4. November 1992 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 04. 11. 92* Beckmann, Klaus F.D.P. 04. 11. 92 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 04. 11. 92 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 04. 11. 92 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 04. 11. 92 Peter Harry Clemens, Joachim CDU/CSU 04. 11. 92 Fischer SPD 04. 11.92 (Gräfenhainichen), Evelin Fuchs (Verl), Katrin SPD 04. 11. 92 Gallus, Georg F.D.P. 04. 11. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 04. 11. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 04. 11. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 04. 11. 92 Dr. Glotz, Peter SPD 04. 11. 92 Großmann, Achim SPD 04. 11. 92 Hilsberg, Stephan SPD 04. 11. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 04. 11. 92 Kretkowski, Volkmar SPD 04. 11. 92 Dr. Küster, Uwe SPD 04. 11. 92 Lennartz, Klaus SPD 04. 11. 92 Marx, Dorle SPD 04. 11. 92 Meißner, Herbert SPD 04. 11. 92 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 04. 11. 92 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 04. 11. 92 Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 04. 11. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 04. 11. 92* Rempe, Walter SPD 04. 11. 92 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 04. 11. 92 Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 04. 11. 92 Hannelore Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 04. 11. 92 Ingrid Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 04. 11. 92 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 04. 11. 92 Andreas Dr. Schmude, Jürgen SPD 04. 11. 92 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 04. 11. 92 Schröter, Karl-Heinz SPD 04. 11. 92 Thierse, Wolfgang SPD 04. 11. 92 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 04. 11. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 04. 11. 92 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 04. 11. 92 Gert Welt, Jochen SPD 04. 11. 92 Wimmer (Neuötting), SPD 04. 11. 92 Hermann Zierer, Benno CDU/CSU 04. 11. 92 ** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Ullmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler ist es gewesen, der vom Staatsnotstand gesprochen hat. Unsere Verfassung legt für den Gebrauch dieses Wortes mit gutem Grund ganz enge Grenzen fest. Sie kennt den Gesetzgebungsnotstand nach Art. 81 und konstatiert hierfür die Zuständigkeit des Bundespräsidenten; sie kennt den inneren Notstand nach Art. 91 und die Zuständigkeit der Länder. Diese klaren Festlegungen verbieten alle Wortspiele, auch diejenigen, Herr Rüttgers, die ich heute zu Beginn der Debatte von Ihnen gehört habe. Sie verbieten alle Leichtfertigkeiten.
    Ich konstatiere: Der Bundeskanzler hat die Grenzen, die ihm die Verfassung vorschreibt, durch seine Äußerungen überschritten.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Er hat es getan, weil er nicht mehr in der Lage ist, einen geordneten Gebrauch von seiner politischen Richtlinienkompetenz zu machen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Er hat damit das Land an den Rand einer Krise geführt. Es ist die Pflicht des Parlaments, ihn an weiteren Schritten in dieser Richtung zu hindern.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Die Regierung ist offenkundig unfähig, einen Weg aus der weiteren Destabilisierung der Bundesfinanzen heraus zu finden. Sie ist unfähig, die gesetzgeberischen und exekutiven Initiativen angesichts der innenpolitischen Herausforderungen zu ergreifen.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Und Sie reden Unsinn!)

    Sie hat damit dem internationalen Ruf unseres Landes schweren Schaden zugefügt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Sie ist, wie sie am heutigen Tage durch den Verlauf der Debatte gezeigt hat, unfähig, ein geordnetes Miteinander von Parlament und Regierung im Sinne der Gewaltenteilung zu realisieren.
    Wie hat das Parlament seine Kontrollaufgabe unter so kritischen Bedingungen wahrzunehmen? Es hat zu fordern, daß die anstehende Reform der Bundesfinanzverfassung oberste Priorität zu gewinnen hat. Es hat eine neue Innenpolitik zu fordern, bestehend aus gesetzgeberischen Schritten im Bereich der Flüchtlings-, der Einwanderungs- und der Niederlassungssowie der Staatsbürgerrechtspolitik. Es hat Initiativen zur Stützung der Kommunalrechte zu fordern, die es in den Stand setzen, den neuen Herausforderungen der gesamteuropäischen Migrationsbewegungen zu begegnen.



    Dr. Wolfgang Ullmann
    Das Parlament hat ein neues Polizeikonzept zu fordern, das es ermöglicht, Quartiere von Flüchtlingen wirksam zu schützen, statt Kundgebungen von Rechtsextremisten und deren Sympathisanten zu schützen, so wie es in Dresden geschehen ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Das Ausmaß dieser Forderungen ist — ich weiß es, meine Damen und Herren — enorm. Diese Aufgaben können nur mit außerordentlichen Anstrengungen und außerordentlichen Maßnahmen gelöst werden. Ich stimme ausdrücklich allen Mahnungen zu, daß wir hier gemeinsam zu handeln haben. Aber wir müssen handeln. Der Bundeskanzler ist an seine eigene Ankündigung zu erinnern, zu einem gesamtgesellschaftlichen Dialog und einer Konsultation einzuladen. Diese Konsultation ist umgehend einzuberufen. An ihr sind zu beteiligen: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Vertreter der Industrie, der Finanzen und der Länder, die Bundesregierung — ressortgebunden —, auch die Kirchen als Vertreter individueller und persönlicher Rechte.
    Die Autorität der Bundesregierung hängt davon ab, ob sie fähig ist, diese Konsultation einzuberufen. Die Bundesregierung hat sich entschieden, an der Demonstration für Menschenwürde und Demokratie in Berlin teilzunehmen — eine richtige und darum begrüßenswerte Entscheidung. Aber sie reicht nicht aus. Darum sind die hier formulierten Forderungen jetzt an die Bundesregierung zu richten.
    Fehlt es dem Bundeskanzler an der Autorität, diesen Forderungen nachzukommen, dann sollte er die Konsequenzen ziehen und zurücktreten und damit den Weg für eine handlungsfähige Regierung freimachen. Dieses Land braucht eine Exekutive, die ihre Verantwortung selbst wahrnimmt und sie nicht auf die Opposition abzuschieben versucht oder gar auf die Schwächsten, die diesen Schwächsten gar den Mißbrauch ihrer Rechte vorwirft, die diese Regierung zu schützen hätte.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster hat das Wort der Kanzleramtsminister Friedrich Bohl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Bohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

    (Zuruf von der SPD: Was hat Engholm gesagt?)

    Ich möchte jetzt nicht auf jede Einzelheit eingehen, die hier, wie ich finde, absolut falsch und unzutreffend vorgetragen wurde. Wenn Sie, Herr Gysi, beispielsweise davon sprechen, daß der Bund durch eine Absenkung der Sozialhilfe seinen Bundeshaushalt sanieren wolle, dann ist das Argument schon in sich unsinnig, weil ja nicht der Bund sozusagen in den Genuß verminderter Sozialhilfeleistungen kommt. Insofern habe ich wenig Verständnis für dieses Argument.
    Das macht auf der anderen Seite vielleicht deutlich, um was es Ihnen bei der Debatte geht, nämlich darum,
    einen anderen Schauplatz für die hier jetzt anstehende Auseinandersetzung zu suchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich möchte Sie, wenn ich das einmal so freimütig sagen darf, als Kollege und Mitglied dieses Hauses ansprechen. Wir müssen alle Kritik ertragen. Dazu gehört auch, daß wir nicht allzu zimperlich sind. Ich gehöre sicherlich auch zu denen, die da manchmal über das Ziel hinausschießen.
    Aber vielleicht können wir doch einmal über folgendes nachdenken. Sie unterstellen mit Ihren Fragen und Debattenbeiträgen zumindest als möglich, daß diese Bundesregierung die Absicht hat oder in Erwägung zieht, sich verfassungswidrig zu verhalten. Ich muß Sie in aller Ruhe und ganz kollegial fragen: Wie können Sie eigentlich Menschen, die Sie mehr oder weniger jeden Tag hier sehen, von denen Sie aus persönlichen Gesprächen in vielen, vielen Jahren wissen, wo sie stehen, die vielleicht hier und da ein bißchen rauhbeinig sein mögen, die vielleicht politisch nicht Ihrer Überzeugung sind, die sich aber, wie ich finde, über Jahre und häufig über Jahrzehnte als Demokraten ausgewiesen haben,

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr wahr! Im Gegensatz zu Gysi!)

    unterstellen, daß sie Verfassungsbruch begehen oder in Erwägung ziehen wollten? Ich finde das ehrenrührig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Wiefelspütz, ich möchte Ihnen in allem Freimut folgendes sagen. Schauen Sie, ich bemühe mich ja, zumindest his zu dieser Minute, kein Öl ins Feuer zu gießen; ich weiß nicht, ob mir das bis zum Schluß meiner Ausführungen gelingt. Die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers sind vom 24., 25. und 26. Oktober. Wir hatten nach diesen Ausführungen eine Parlamentswoche, nämlich die letzte Woche. In dieser Parlamentswoche haben Sie weder eine Aktuelle Stunde beantragt, noch habe jedenfalls ich einen Aufschrei der Empörung gehört.
    Diese Aussagen des Bundeskanzlers waren in allen deutschen Zeitungen nachzulesen, zum Teil wurden sie im Fernsehen übertragen. Sie haben sich darüber nicht aufgeregt, was ich ja gut finde. Aber jetzt auf einmal, eine Woche später, regen Sie sich auf.
    Nun müssen Sie mir zumindest die Frage gestatten: Wie kommt es eigentlich, daß es Sie in der ersten Woche nicht aufregt, Sie aber in der zweiten Woche den Untergang des Abendlandes an die Wand malen? Diese Frage beschäftigt mich zutiefst.
    Ich kann es mir nur so erklären, daß Sie in dieser Woche gern einen anderen Schauplatz für das politische Geschehen hätten, als es das Bild abgibt, das Sie nach den Landesparteitagen der SPD bieten, die sich von Herrn Engholm distanzieren. Das ist doch der Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir müssen die Debatte wieder auf den Kern zurückführen, und der Kern der Debatte ist, daß wir



    Bundesminister Friedrich Bohl
    jetzt eine Änderung des Grundgesetzes brauchen, so wie auch Herr Engholm es sagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da wir Herrn Engholm auch hier gerne folgen wollen,

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Nur hier! — Unruhe bei der SPD)

    nehmen wir als Bundesregierung hier im Deutschen Bundestag heute ein weiteres Mal die Gelegenheit wahr, darauf hinzuweisen, wie notwendig eine Änderung des Grundgesetzes zur Lösung des Asylproblems ist.
    Ich will Ihnen die entsprechenden Zahlen gern wiederholen: Wir hatten im Jahr 1983 19 000 Asylbewerber. Im Jahr 1990 hatten wir 190 000 Asylbewerber. Im letzten Jahr hatten wir 256 000 Asylbewerber, und in den ersten zehn Monaten dieses Jahres haben wir 370 000 Asylbewerber. Man muß davon ausgehen, daß im Jahre 1992 insgesamt 500 000 Asylbewerber zu uns kommen.
    Wenn wir am Wochenende in unsere Wahlkreise zurückkommen, dann sagen uns alle Kommunalpolitiker: Es geht nicht mehr; wir haben keine Aufnahmemöglichkeit mehr; es ist Schluß, es ist Ende. Und wenn Sie mit den Bürgern draußen sprechen, dann sagen die: Ihr in Bonn müßt handeln, ihr müßt etwas tun. — Das ist die Lage!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da wir handeln wollen — zusammen mit Herrn Engholm —, hoffen wir natürlich, daß der SPD-Parteitag zu einem guten Ergebnis für Herrn Engholm führt.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Aber bitte keinen Krampf!)

    Wenn ich in Gesprächen mit Ihnen bin, höre ich — zumindest von einigen von Ihnen —: Was machen wir eigentlich, wenn wir uns in der SPD nicht durchsetzen, wenn es nicht zur Verfassungsänderung kommt? Diese Frage wird mir in Vier-Augen-Gesprächen auch von Ihnen gestellt. Diese Frage wird sich auch die Bundesregierung stellen müssen, wenn der Fall eintritt — den wir hoffentlich nicht erleben werden. Was dann zu tun ist, werden wir sehen.
    Diese Bundesregierung wird — da kann ich Ihnen, Herr Kollege Hirsch, nur zustimmen — das tun, was sie nach gewissenhafter Prüfung als verfassungsgemäß erachtet. Wir werden uns an Recht und Gesetz, an die Verfassung und unseren Amtseid halten.
    Ich habe gelesen, daß sich die SPD, daß sich die Mehrheit dieses Hauses zu den Entscheidungen im Zusammenhang mit § 218 StGB durchgerungen hat — wohl wissend, was das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1975 zu § 218 StGB beschlossen hat.

    (Claus Jäger [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Ich habe gegen diese Mehrheit des Hauses nie den Vorwurf erhoben, daß dieser Beschluß des Bundestages in Sachen § 218 StGB — weil er im Widerspruch zu den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts von 1975 steht — ein Verfassungsbruch sei. Eine solche Behauptung würden doch sicher auch Sie als ehrenrührig auffassen. Denn Sie sind der Überzeugung, daß dieses Gesetz mit der Verfassung in Einklang steht, obwohl das Bundesverfassungsgericht etwas anderes sagt.
    Und so wird ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, das dieses Haus passieren und vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden sollte, sicher geprüft werden. Wir werden dann sehen, ob es verfassungskonform ist oder nicht.
    Aber ich sage noch einmal mit allem Nachdruck: Es gibt hierzu keine Entscheidung. Das wird zu prüfen sein, wenn der Parteitag der SPD negativ ausgegangen sein sollte.
    Deshalb appelliere ich schlußendlich noch einmal an alle Mitglieder der SPD-Fraktion, die Delegierte des SPD-Parteitages sind, auf diesem Parteitag entschlossen und entschieden dafür einzutreten, daß wir im Interesse unseres Landes und seiner Menschen zu einer Änderung des Grundgesetzes kommen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.])