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    Plenarprotokoll 12/110 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 110. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Flugzeugunglücks in Amsterdam . . . . 9311 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Wolfgang Mischnick . . 9311B Eintritt der Abgeordneten Dr. Sissy Geiger (Darmstadt) in den Deutschen Bundestag 9311B Erweiterung der Tagesordnung . . . 9311B Absetzung des Punktes 6 von der Tagesordnung . . . . . . . . 9312 A Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1993 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1993) (Drucksache 12/3331) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes über die Verwaltung des ERP-Sondervermögens (Drucksache 12/3332) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistiken der öffentlichen Finanzen und des Personals im öffentlichen Dienst (Finanz-und Personalstatistikgesetz) (Drucksache 12/3256) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ermächtigung des Gouverneurs für die Bundesrepublik Deutschland in der Internationalen Finanz-Corporation zur Stimmabgabe für eine Änderung des Abkommens über die Internationale Finanz-Corporation (IFC-Abkommensänderungsgesetz) (Drucksache 12/3321) e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder, Dr. Gisela Babel und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (Drucksache 12/3017) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Gesetzen auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft (Drucksache 12/3320) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Angela Stachowa, Dr, Dietmar Keller und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Erhalt kultureller Substanz im Zusammenhang mit der Verlagerung von Bundesbehörden in die neuen Bundesländer (Drucksache 12/3236) h) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Olympischen Winterspielen (Drucksache 12/2387) i) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu Sellafield II, der THORPWiederaufbereitungsanlage für nukleare Brennstoffe in Sellafield im II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 Vereinigten Königreich (Drucksache 12/3130) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes (Drucksache 12/3356) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Humanitäre Soforthilfe für die Menschen in Bosnien-Herzegowina gegen die Gefahren des kommenden Winters (Drucksache 12/3355) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina (Drucksache 12/2939) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Voraussetzungen der Anerkennung der neuen Bundesrepublik Jugoslawien und Initiativen zur Wiederherstellung des Friedens in Bosnien-Herzegowina (Drucksache 12/2546) . . 9312A Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. Juli 1990 zur Änderung des Abkommens vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr (Drucksachen 12/2264, 12/2862) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung adoptionsrechtlicher Vorschriften (Adoptionsrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 12/2506, 12/3362) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel, Klaus Daubertshäuser, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Generelle Sicherungspflicht für Kinder im Pkw zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), Manfred Heise, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Friedrich, Ekkehard Gries, Roland Kohn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Verbesserung des Schutzes von Kindern als Mitfahrer in Kraftfahrzeugen (Drucksachen 12/1978, 12/2252, 12/3233) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Lennartz, Dietmar Schütz, Harald B. Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbot des kommerziellen Walfangs aufrechterhalten (Drucksachen 12/2831, 12/3223) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Regelung des Besitzes von und des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Drucksachen 12/2257 Nr. 3.67, 12/2995) f) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 67 zu Petitionen (Neuorganisation Wehrverwaltung) (Drucksache 12/2942) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 69 zu Petitionen (Drucksache 12/3246) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 70 zu Petitionen (Drucksache 12/3247) i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 71 zu Petitionen (Drucksache 12/3288) j) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 72 zu Petitionen (Drucksache 12/3289) k) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 73 zu Petitionen (Drucksache 12/3290) . . . . . . . . . . 9313 B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 III Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft und des Fördergesetzes (Drucksachen 12/3340, 12/3357) . 9314 C Namentliche Abstimmung 9314 D Ergebnis 9324 A Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Drucksache 12/3334) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) (Drucksache 12/3202) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Ausführungsgesetz) (Drucksache 12/3319) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 12/3338) e) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu der Mittelung der Kommission „Von der Einheitlichen Europäischen Akte zu der Zeit nach Maastricht: Ausreichende Mittel für unsere ehrgeizigen Ziele" (Drucksache 12/3003) f) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Folgen des in Dänemark durchgeführten Referendums über den Vertrag vom 7. Februar 1992 (Drucksache 12/3004) g) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Europäischen Rat von Lissabon (Drucksache 12/3129) h) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur sozialen Dimension des Binnenmarktes (Drucksache 12/3132) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Andrea Lederer und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids über die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in einer Europäischen Union und die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages über eine Europäische Union (Europa-Abstimmungsgesetz) (Drucksache 12/3353) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Gruppe der PDS/Linke Liste: Maastrichter Vertrag über die Europäische Union (Drucksache 12/3322) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Wider den Rückfall in den Nationalismus — Für ein demokratisches Europa mit stabiler Währung (Drucksache 12/3366) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Poppe, Werner Schulz (Berlin), Dr. Wolfgang Ullmann, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Stillstand führt zu Rückschritt — Hin zu einer demokratischen ökologischen und sozialen Union Europa (Drucksache 12/3367) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Einsetzung eines Sonderausschusses zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) (Drucksache 12/3373) Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 9316B, 9318D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 9319D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . 9326 B Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 9330B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 9330 C Dr. Helmut Kohl CDU/CSU 9331D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 9333 C Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 9335 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 9336 C IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 9339 A Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 9341A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 9342 A Peter Conradi SPD (zur GO) . . . . . 9344 D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 9345 A Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 9346 C Günter Verheugen SPD 9347 A Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU . . . . 9349 D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . . 9351 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P 9351 D Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 9353 B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 9354 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . 9355D Peter Conradi SPD , . . . , . . . . 9357 B Florian Gerster, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . 9357 D Herbert Helmrich, Minister des Landes Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . , 9359 D Dr. Thomas Goppel, Staatsminister des Freistaates Bayern . . . . . , . . . . . . 9361 A Dr. Theodor Waigel CDU/CSU . . . . 9362 C Hans-Jürgen Kaesler, Minister des Landes Sachsen-Anhalt , . . . . . , , . , . . 9363 C Wolfgang Roth SPD . . . . . . . . . . 9364 C Dr. Hans Stercken CDU/CSU . . . . . . 9366 C Dr. Cornelia von Teichman F.D.P. . . . . 9367 D Petra Bläss PDS/Linke Liste 9368 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 9370 D Michael Stübgen CDU/CSU . . . . . . . 9371 D Dr. Fritz Gautier SPD 9373 C Ulrich Irmer F D P. 9373 D Wilfried Seibel CDU/CSU 9375 B Dr. Gerald Thalheim SPD . . . . . . . . 9377 B Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/ CSU 9379A Dietmar Schütz SPD 9380 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 9381 C Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 9383 A Peter Conradi SPD 9385 A Günter Marten CDU/CSU 9385 D Ulrich Irmer F D P. 9386 C Peter Kittelmann CDU/CSU 9386 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 9387 B Dr. Hartmut Soell SPD 9388 A Ulrich Irmer F D P. 9389 B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . . . , 9390 B Ortwin Lowack fraktionslos 9392 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Extremismus und Gewalt Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . . 9394 A Dr. Hans-Jochen Vogel SPD . . . 9396 C Dr. Heribert Blens CDU/CSU 9398 D Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 9400 D Ulla Jelpke PDS/Linke Liste . . . . . 9402 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 9404 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 9406 B Wolfgang Thierse SPD 9407 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . 9409 C Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. . . . . . 9410D Dr. Herbert Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 9412 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . 9414 B Norbert Geis CDU/CSU 9415A Claudia Nolte CDU/CSU 9416C Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1991 (Drucksachen 12/2200, 12/2782) Alfred Biehle, Wehrbeauftragter des Deut- schen Bundestages . . . . . . . . . . . 9418 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . . 9422 A Jürgen Koppelin F.D.P. 9423 C Heinz-Alfred Steiner SPD 9424 B Claire Marienfeld CDU/CSU 9427 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . 9429A Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9431 A Leni Fischer (Unna) CDU/CSU . . . . . 9432 D Dr. Ruth Fuchs PDS/Linke Liste 9433 C Gerhard Neumann (Gotha) SPD . . . . 9435 A Paul Breuer CDU/CSU 9436 D Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache 12/3330) Georg Janovsky CDU/CSU 9438 D Walter Kolbow SPD . . . . . . . . 9439 B Horst Niggemeier SPD 9439 D Paul Breuer CDU/CSU 9440 B Jürgen Koppelin F.D.P. 9442 A Walter Kolbow SPD . . . . . . . . . 9443 A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 V Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9443 D Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . 9444 A Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär BMVg . 9444 B Tagesordnungspunkt 9: — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Erwin Marschewski, Horst Eylmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/ CSU sowie den Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung der Juristenausbildung (Drucksache 12/2280) — Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (Drucksachen 12/2507, 12/3337) . . , . . . 9445 B Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Freimut Duve, Angelika Barbe, Hans Gottfried Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einrichtung eines Gedenkortes für Walter Benjamin in Port Bou (Drucksache 12/3039) Freimut Duve SPD 9445 D Dr. Volkmar Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 9446 C Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . 9447 D Angela Stachowa PDS/Linke Liste . . . . 9448 D Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 944913 Freimut Duve SPD 9449D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 9450C Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entbindung ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes von der ihnen auferlegten Schweigepflicht (Drucksache 12/2071) 9451A Nächste Sitzung . . . . . , . . . . . . 9451 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9453* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (Gesetzentwurf zur Verkürzung der Juristenausbildung und Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes) Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU 9453* C Dr. Eckhardt Pick SPD 9455 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . , . 9457* A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . . 9457* C Rainer Funke, Parl. Staatsminister BMJ . 9459* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Antrag betr. Entbindung ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes von der ihnen auferlegten Schweigepflicht) Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9459* D Rolf Schwanitz SPD 9460* C Hartmut Büttner (Schönbeck) CDU/CSU 9461* A Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. . . . . . 9461* D Andrea Lederer PDS/Linke Liste 9462* A Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI . . . .. . 9463* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 9311 110. Sitzung Bonn, den 8. Oktober 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 3 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 08. 10. 92* Bindig, Rudolf SPD 08. 10. 92* Blunck (Uetersen), SPD 08. 10. 92* Lieselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 08. 10. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 08. 10. 92 Büchler (Hof), Hans SPD 08. 10. 92* Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 08. 10. 92* Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 08. 10. 92 Caspers-Merk, Marion SPD 08. 10. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 08. 10. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 08. 10. 92* Gattermann, Hans H. F.D.P. 08. 10. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 08. 10. 92 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 08. 10. 92 Großmann, Achim SPD 08. 10. 92 Grünbeck, Josef F.D.P. 08. 10. 92 Haack (Extertal), SPD 08. 10. 92 Karl-Hermann Hackel, Heinz-Dieter F.D.P. 08. 10. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 08. 10. 92 Heistermann, Dieter SPD 08. 10. 92 Heyenn, Günther SPD 08. 10. 92 Jaunich, Horst SPD 08. 10. 92 Kastning, Ernst SPD 08. 10. 92 Kittelmann, Peter CDU/CSU 08. 10. 92' Dr. Kolb, Heinrich F.D.P. 08. 10. 92 Leonhard Lenzer, Christian CDU/CSU 08. 10. 92' Dr. Leonhard-Schmid, SPD 08. 10. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 08. 10. 92* Marten, Günter CDU/CSU 08. 10. 92* Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 08. 10. 92 Gerhard Dr. Modrow, Hans PDS/Linke 08. 10. 92 Liste Dr. Müller, Günther CDU/CSU 08. 10. 92* Oesinghaus, Günther SPD 08. 10. 92 Opel, Manfred SPD 08. 10. 92** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 08. 10. 92 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 08. 10. 92 Pfuhl, Albert SPD 08. 10. 92* Pofalla, Ronald CDU/CSU 08. 10. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 08. 10. 92* Rawe, Wilhelm CDU/CSU 08. 10. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 08. 10. 92* Rempe, Walter SPD 08. 10. 92 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 08. 10. 92 Ingrid Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 08. 10. 92** Helmut Dr. Scheer, Hermann SPD 08. 10. 92* Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schluckebier, Günther SPD 08. 10. 92* von Schmude, Michael CDU/CSU 08. 10. 92* Dr. Soell, Hartmut SPD 08. 10. 92* Dr. von Teichman, F.D.P. 08. 10. 92 Cornelia Terborg, Margitta SPD 08. 10. 92* Vosen, Josef SPD 08. 10. 92 Welt, Jochen SPD 08. 10. 92 Zierer, Benno CDU/CSU 08. 10. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 9 (Gesetzentwurf zur Verkürzung der Juristenausbildung und Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes)') Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Es gehört sich, daß ein Gesetz zur Kürzung und Straffung der Juristenausbildung auch in möglichst kurzer Zeit und straffer parlamentarischer Beratung verabschiedet wird. Im vorliegenden Fall ist diese Wunschvorstellung auch Wirklichkeit geworden: nur etwa 6 Monate sind seit der Einbringung des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen bis zur heutigen 3. Lesung vergangen. Das mit der heute zur Abstimmung stehenden Änderung des Deutschen Richtergesetzes verfolgte Ziel hat breiteste Zustimmung gefunden: bei Bund, Ländern und mitberatenden Bundestagsausschüssen und auch bei den Betroffenen. Worum geht es? Die Juristenausbildung in Deutschland dauert zu lange. Die Mindestzeit der Ausbildung von 31/2 Jahren Studium und 21/2 Jahren Vorbereitungsdienst wird derzeit aus den unterschiedlichsten Gründen nur noch in seltenen Ausnahmefällen eingehalten. Die tatsächliche Ausbildungsdauer liegt - in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik Deutschland in unterschiedlichem Maße - wesentlich höher und beträgt derzeit über 9 Jahre. Zwar ist die Ausbildungsdauer der deutschen Juristen seit 25 Jahren in etwa gleich geblieben, es haben sich aber innerhalb Deutschlands und für Deutschland in Europa neue Probleme und Herausforderungen ergeben, die die Verkürzung der Juristenausbildung notwendig machen. Der Aufbau einer funktionsfähigen Rechtspflege in den neuen Ländern bringt einen erheblichen Bedarf an kurzfristig zur Verfügung stehenden Nachwuchsjuristen mit sich. Außerdem gilt *) Vgl. Seite 9445 C 9454 * Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 es, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Juristen in der Europäischen Gemeinschaft sicherzustellen. Die Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. haben deshalb einen Gesetzentwurf zur Verkürzung der Juristenausbildung eingebracht. Auch der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt. Die Zielsetzung beider Gesetzentwürfe wurde im Rechtsausschuß einmütig begrüßt. Der Ausschuß hat deshalb die in den beiden Vorlagen vorgeschlagenen Maßnahmen zu einem Gesetzentwurf zusammengeführt, wobei der Koalitionsentwurf zur Grundlage der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses gemacht und zahlreiche Vorschläge des Gesetzentwurfes des Bundesrates ohne Änderungen eingefügt wurden. Im Interesse einer schnellen Verwirklichung des gesetzten Zieles haben wir uns im Ausschuß bei der strittigen Frage der Abschichtung von Prüfungsleistungen, zu der den Gesetzentwürfen unterschiedliche Auffassungen zugrunde lagen, um einen Kompromiß bemüht. Dieser konnte schließlich auch gefunden werden, so daß der nunmehr zur Abstimmung vorliegende Gesetzestext von der Zustimmung aller Mitglieder des Rechtsausschusses getragen ist. Lassen Sie mich die wesentlichen Änderungen, die der Gesetzentwurf nunmehr am Deutschen Richtergesetz vornehmen will, darlegen: 1. Der Stoff des Studiums wird hinsichtlich der Pflichtfächer auf die Kernbereiche des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts konzentriert. Neu in die Pflichtfächer mit aufgenommen werden die europarechtlichen Bezüge der eben erwähnten Kernbereiche, womit der fortschreitenden europäischen Integration, insbesondere dem bevorstehenden Europäischen Binnenmarkt Rechnung getragen werden soll. 2. Das Landesrecht kann nunmehr bestimmen, daß die Ausbildung bei den Pflichtstationen bei überstaatlichen, zwischenstaatlichen oder ausländischen Ausbildungsstellen oder einem ausländischen Rechtsanwalt erfolgen kann. Auch dies erfolgt im Hinblick auf die europäische Integration und entspricht im übrigen auch einem Wunsch der Studentenschaft. 3. In Zukunft gibt es nur noch eine Wahlstation, deren Dauer je nach landesrechtlicher Regelung 4 bis 6 Monate betragen wird. 4. Die studienbegleitenden Leistungskontrollen bis Ende des 2. Studienjahres werden abgeschafft. Diese 1984 eingeführten Prüfungen, die in einem sehr frühen Studienabschnitt feststellen sollten, ob der Student für die weitere Ausbildung fachlich geeignet ist, haben sich als ineffizient erwiesen. Sie haben an den Universitäten erheblichen Verwaltungsaufwand bewirkt und den Lehrkörper zusätzlich belastet. Die ihnen zugedachte Funktion, ungeeignete Studenten zu einem frühzeitigen Ausscheiden aus dem rechtswissenschaftlichen Studiengang zu veranlassen, haben sie nicht erfüllen können. Da die Mißerfolgsquote bei den Leistungskontrollen unter 3 % liegt, stellen sie ein untaugliches Instrument dar. Mit ihrer Einführung ist weder die Durchfallquote in der 1. Staatsprüfung noch die durchschnittliche Studiendauer gesunken oder die Anzahl der Studenten, die frühzeitig aus dem Jura-Studium ausgeschieden sind, gestiegen. 5. Der Landesgesetzgeber hat nunmehr die Möglichkeit, zu bestimmen, daß schriftliche Prüfungsleistungen im Referendarexamen abgeschichtet werden können, frühestens jedoch nach Ablauf von 21/2 Studienjahren. Über die Abschichtung ist im Rechtsausschuß ausführlich und kontrovers diskutiert worden. Von seiten der Koalitionsfraktionen wurde darauf hingewiesen, daß die Erfahrungen mit der Abschichtung von Prüfungsleistungen eher negativ sind. In der Tat ist zu befürchten, daß viele Studenten eine Universität bevorzugen werden, an der die Abschichtung möglich ist, in der Hoffnung, daß das Examen dort einfacher zu bewältigen ist. Ich möchte nicht verhehlen, daß auch ich diese Gefahr sehe. Machen wir uns doch nichts vor: natürlich ist es einfacher, eine abgeschichtete Prüfung zu absolvieren, als den gesamten Prüfungsstoff in einem Termin präsent haben zu müssen. Der Qualitätssteigerung dient dies sicher nicht. Deshalb würde ich im Interesse einer hochqualifizierten Leistungskontrolle der Prüfung des gesamten Prüfungsstoffes in einer zusammenhängenden. Prüfung klar den Vorzug einräumen und möchte deshalb der Hoffnung Ausdruck geben, daß möglichst viele Länder an der bisherigen Prüfungspraxis festhalten und von der Möglichkeit der Abschichtung nicht Gebrauch machen. Dies wäre auch im Interesse der Einheitlichkeit und damit Vergleichbarkeit der Prüfungen zwischen den einzelnen Bundesländern wünschenswert. Die nunmehr gefundene Regelung ist, ich sagte es schon, ein Kompromiß im Interesse einer zügigen Verabschiedung der ausbildungsverkürzenden Maßnahmen. Außerdem wollte sich der Rechtsausschuß insgesamt nicht dem mit großer Mehrheit beschlossenen Vorschlag des Bundesrates, die Möglichkeit der Abschichtung einzuführen, verschließen. Wir sind deshalb übereingekommen, die Möglichkeit der Abschichtung auf den schriftlichen Teil des ersten Examens zu begrenzen, d. h. also, daß die mündliche Prüfung nach wie vor über den gesamten Prüfungsstoff und am Ende des ersten Examens erfolgt; außerdem — und dies ist ebenfalls Teil des Kompromisses — haben wir die Abschichtung im zweiten Examen nicht zugelassen. Denn wir sind der Meinung, daß im Assessorexamen als der letztendlich wichtigeren Prüfung der Kandidat seine Kenntnisse und Fähigkeiten zum Ende der Ausbildung bei der letzten Pflichtstation umfassend soll unter Beweis stellen können. Im übrigen würde eine Abschichtung im Assessorexamen auch keine verkürzende Wirkung haben und somit dem Hauptanliegen des Koalitionsentwurfs nicht Rechnung tragen. 6. Der juristische Vorbereitungsdienst wird wieder von 21/2 auf 2 Jahre verkürzt. Ein so gestraffter und konzentrierter Vorbereitungsdienst von 2 Jahren reicht aus, um den angehenden Juristen die notwendigen Erfahrungen, Rechtskenntnisse und berufspraktischen Fähigkeiten zu vermitteln, die für ein selbständiges und verantwortliches Handeln in den juristischen Berufen der Rechtsprechung, der Verwaltung und der Rechtsberatung notwendig sind. Ich selbst habe auch einen nur zweijährigen Referendardienst absolviert und kann dies voll und ganz bestätigen. Eine merkliche Verbesserung der Ausbildung Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 9455* durch die Verlängerung der Referendarzeit konnte im übrigen bei den Landesjustizverwaltungen nicht festgestellt werden. 7. Nun wird bundesweit der erstmals in Bayern 1990 eingeführte sogenannte Freischuß möglich gemacht. Damit gilt eine erfolglose erste Prüfung als nicht unternommen, wenn der Kandidat sich frühzeitig zur Prüfung gemeldet und sie vollständig erbracht hat. Er hat also einen Freiversuch, mit dem sein Mut zum früheren Prüfungsantritt belohnt und risikolos gemacht werden soll. Die Erfahrungen mit dem Freischuß in Bayern sind uneingeschränkt positiv: haben im Jahr 1990 in Deutschland die Kandidaten, die sich erstmals der ersten juristischen Staatsprüfung unterzogen haben, zuvor im Durchschnitt 10,57 Semester studiert, so konnte die durchschnittliche Studiendauer solcher Kandidaten in Bayern damit bereits auf 9,49 Semester gesenkt werden. Die Schnelligkeit des Prüfungsabschlusses ist auch nicht auf Kosten der Qualität der Ausbildung gegangen: in allen drei bisher beschlossenen Prüfungsterminen haben die Freischützen eine niedrigere Mißerfolgsquote und einen höheren Anteil an Prädikatsexamen erzielt als die übrigen erstmals an der Prüfung teilnehmenden Kandidaten. Damit wird zugleich den Studenten gezeigt, daß die erste juristische Staatsprüfung mit dem gegenwärtig üblichen Prüfungsstoff durchaus bereits nach einer Studienzeit von 8 Semester bewältigt werden kann. Von der bundesweiten Einführung der Freischußregelung erwarten wir nach diesen Erfahrungen deshalb den größten Effekt im Hinblick auf eine Verkürzung der juristischen Ausbildung und auch hinsichtlich einer Verbesserung der Examensergebnisse. Die Modalitäten der Durchführung des Freiversuchs bleiben dabei in die Kompetenz der Länder gestellt. Bei Kombinierung aller im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen Verkürzungsmaßnahmen können Studenten künftig um zwei bis drei Jahre früher als im Durchschnitt bisher einen juristischen Beruf aufnehmen. Es ist zu hoffen, daß die Länder einerseits und die Studenten andererseits von den nunmehr ermöglichten Verkürzungsmaßnahmen auch Gebrauch machen. Ich möchte zum Schluß vor allem meinem Berichterstatter-Kollegen Prof. Dr. Pick sehr herzlich für die überaus sachliche und gute Zusammenarbeit danken, die nicht zuletzt dazu beigetragen hat, daß der nunmehr vorliegende Kompromiß vom gesamten Rechtsausschuß mitgetragen wird. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Rechtsausschuß empfiehlt Ihnen einstimmig, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. anzunehmen und den Gesetzentwurf des Bundesrates für erledigt zu erklären. Dr. Eckhardt Pick (SPD): Es gab kürzlich eine Umfrage unter 3 000 Studienanfängern. Sie wurden nach ihren Motiven und Absichten zur Wahl ihres Studiums gefragt. Dabei hat sich hinsichtlich der künftigen Juristinnen folgendes ergeben. Die Studie besagt u. a.: „Als am stärksten karriereorientiert erweisen sich die künftigen Betriebswirte, Maschinenbauingenieure und Juristen." Nun kann man dieser Aussage eine eher negative Tendenz entnehmen. Aber es gibt auch Positives zu vermelden. Besagte Studie führt weiter aus: „Juristen hingegen (i. G. zu angehenden Ingenieuren) können reformerischen Gedanken bis zu einem gewissen Grad etwas abgewinnen." Was auch immer das heißt: Der Gesetzgeber sollte nicht hinter dieser maßvollen Bereitschaft zur Reform zurückstehen und in der Tat das reformieren, was notwendig ist. Ich habe schon bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß die Ausbildungsdauer des juristischen Nachwuchses ein besonderes Ärgernis darstellt, insbesondere im Hinblick auf die Juristen aus den anderen EG-Staaten, die durchweg jünger in das Berufsleben einsteigen. Nun hat ein überlanges Studium die verschiedensten Ursachen. Sie können in erster Linie im persönlichen Bereich der StudentInnen liegen. Sie beruhen aber auch auf den Anforderungen des Studiums, der Prüfungen und ihres Ablaufs sowie ihrer Dauer. Zum Studium kommen dann zusätzlich Vorbereitungsdienst und Prüfung. Was der Staat seinerseits tun kann, um allzu lange Studienzeiten zu verhindern, sollte er konsequent verfolgen. Wir unternehmen dies heute mit der einstimmig im Rechtsausschuß verabschiedeten Empfehlung zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes. Nun gehören die JurastudentInnen sicher nicht zu den Extremfällen bei der Dauer des Studiums. Die Tübinger Soziologen hielten 1990 den Rekord mit 19 Semestern bis zum Diplom. Demgegenüber wirkt die durchschnittliche Studiendauer der JuristInnen mit (1988) 11,7 Semestern gering, trotzdem ist sie zu lang. Sie ist übrigens von Universität zu Universität unterschiedlich. Sie reicht von 10,3 (Hamburg) bis 14,1 Semester (Augsburg). Angesichts dieser Sachlage kommt es darauf an, die Selbstverantwortung der StudentInnen zu stärken. Sie ersparen sich und den Ländern Kosten, die besser anderswo angelegt wären als bei einer unnötigen Belastung der Hochschulen. Dem Bundestag lagen zwei ganz unterschiedliche Vorschläge zur Beratung vor. Einmal der des Bundesrats, zum anderen der der Koalitionsfraktionen im Bundestag. Es hätte vollauf genügt, wenn die Koalition ihre abweichenden Standpunkte gegenüber dem Bundesratsentwurf in Form von Änderungsanträgen eingebracht hätte. So hat sie das Verfahren komplizierter gemacht und außerdem ein nicht gerade bundesratsfreundliches Verhalten an den Tag gelegt. Immerhin haben 15 von 16 Bundesländern den Entwurf eingebracht, und die Länder sind es auch, die Studium und Ausbildung organisieren müssen. Die SPD hätte die weitergehenden Vorschläge des Bundesrats gemessen am Koalitionsentwurf am liebsten ohne Einschränkung übernommen, stellen sie doch schon einen Kompromiß dar, der dem kleinsten gemeinsamen Nenner entspricht. Demgegenüber beschränkt sich der Koalitionsentwurf auf eher organisatorische Maßnahmen wie die Abschaffung der studienbegleitenden Leistungskontrollen, die bundesweite Einführung des sog. Freischusses und die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes. 9456e Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 Alle diese Vorschläge sind auch im Bundesratsentwurf enthalten, und er weist darüberhinaus weitere Verbesserungen auf. Deswegen bin ich froh darüber, daß es gelungen ist, beide Gesetzentwürfe gemeinsam zu beraten und nicht eine Art Abschichtung zu veranstalten, d. h. zuerst Verabschiedung des Koalitionsentwurfs und erst später Behandlung der Bundesratsinitiative. Dem hätte die SPD nicht zugestimmt, übrigens auch nicht der Bundesrat. Es ist hingegen gelungen, aus zwei Entwürfen einen konsistenten Vorschlag zu machen. „Ballast über Bord werfen", heißt ein Stichwort aus der Reformdiskussion der vergangenen Jahre, übrigens nicht nur in bezug auf das juristische Studium. Dazu leistet die Empfehlung des Rechtsausschusses auf der Grundlage der Vorschläge des Bundesrats einen wichtigen Beitrag. Ich hebe die Konzentration des Studienstoffes der Pflichtfächer auf die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts hervor. Wichtig ist auch die zusätzliche Einbeziehung der jeweiligen europarechtlichen Bezüge. Damit ist zum ersten Mal ein Einstieg in die Begrenzung des Studienstoffes gelungen. Es liegt nun an den Ländern und den Hochschulen, dies auch umzusetzen. Mit der ausdrücklichen Aufnahme des Europarechts wird unterstrichen, wie wichtig dieser Bereich des Studiums jetzt schon ist und dies mit zunehmender Tendenz. Auch unsere JuristInnen müssen sich fit für Europa machen. Alle Beteiligten sind sich einig, die sog. studienbegleitenden Leistungskontrollen wieder abzuschaffen. Sie haben die Erwartungen nicht erfüllt. Die vorzeitige Selbstkontrolle der Studierenden, ob sie für das Jurastudium geeignet sind, wurde nicht erreicht. Die damit verbundene organisatorische und administrative Belastung der Fakultäten und Fachbereiche hat sich nicht ausgezahlt. Einige Länder haben es bereits unternommen, einen besonderen Anreiz zu schaffen, damit die Studierenden möglichst frühzeitig das erste juristische Staatsexamen ablegen und damit das Studium flott absolvieren. Die Erfahrungen stimmen zuversichtlich, so daß sich der Ausschuß entsprechend dem Koalitionsvorschlag entschlossen hat, die sog. Freischußregelung in das Gesetz aufzunehmen. Sie besagt nun, daß die erste Prüfung — wenn sie nicht bestanden wird — dann als nicht abgelegt gilt, wenn der Bewerber sich frühzeitig zur Prüfung gemeldet und die vorgesehenen Prüfungsleistungen vollständig erbracht hat. Das ist ein Wink mit dem goldenen Zaunpfahl, das Studium ökonomisch zu gestalten. Auch dies als Angebot an die Bundesländer. Sie entscheiden, ob sie sie übernehmen wollen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, inwieweit Prüfungsleistungen in den beiden Examina sukzessive abgelegt werden können, die Möglichkeit der Abschichtung von Prüfungsteilen. Dies ist der eigentliche Kernpunkt der Reform. Sie steht in engem Zusammenhang mit dem Bestreben, Studium und Examen zu verkürzen. Der Bundesratsentwurf sah eine unbeschränkte Möglichkeit der Abschichtung sowohl im ersten als auch im zweiten Examen vor. Wir haben uns dem nicht so weitgehend angeschlossen. Die Empfehlung des Ausschusses sieht im ersten Staatsexamen eine Abschichtung nur der schriftlichen Prüfungsleistungen vor. D. h. ab dem 5. Semester können Teile der schriftlichen Prüfung abgelegt werden. Ich erwarte von der Abschichtung, daß damit die Angst vor der „flächendeckenden" Prüfung abgebaut wird, der Examensdruck vor der alles entscheidenden Gesamtprüfung verringert und demgegenüber die Bereitschaft gesteigert wird, früher ins Examen zu gehen. Auch hier wollen wir den Ländern Freiraum geben, in welcher Form und nach welchem Semester Teile der schriftlichen Prüfung abgelegt werden. Das mündliche Examen soll sich allerdings wie bisher auf den gesamten Prüfungsstoff beziehen. Ich befürchte nicht, wie das auch in der Diskussion geltend gemacht wurde, eine Entwertung des Examens. Ich gehe auch davon aus, daß man nach einiger Zeit Bilanz ziehen muß, welche Modelle sich bewährt haben. Ich vertraue aber auch darauf, daß die Länder sich insoweit verständigen als die Vergleichbarkeit der Prüfungsanforderungen gewährleistet sein muß. Unser Vertrauen ist also fast grenzenlos. Beim zweiten Staatsexamen soll es im wesentlichen bei der bisherigen Möglichkeit der Abschichtung bleiben. Hier sehen wir angesichts des straffen Vollzugs des Vorbereitungsdienstes weitere Abschichtungen als nicht so zwingend an. Neben der Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf jetzt zwei Jahre soll künftig auch ermöglicht werden, daß eine Station bei einer internationalen Behörde oder einem ausländischen Rechtsanwalt abgeleistet werden kann. Dies trägt einerseits der Tendenz zur Internationalität Rechnung, zum anderen auch der gestiegenen Bedeutung der rechtsberatenden Berufe, in denen der Großteil der JuristInnen ja tätig ist. Insgesamt ist bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Konzentration in Studium, Prüfungen und Vorbereitungsdienst eine effektive Verkürzung der Ausbildung um zwei bis zweieinhalb Jahre möglich. Dies ist ein großer Schritt in Richtung der allseits geforderten Straffung der Ausbildung im universitären wie administrativen Bereich. Es ist nun Sache der Betroffenen, StudentInnen, Universitäten und Länder, die gebotenen Chancen zu nutzen. Die SPD begrüßt den einstimmig im federführenden Ausschuß gefundenen Kompromiß, auch im Interesse der neuen Bundesländer, die nun eine gute Grundlage beim Aufbau der Juristenausbildung haben. Er ist gleichzeitig eine Antwort auf die gestern im Hochschulbericht angesprochene Überlastung der Hochschulen. Es wird darin von einer kritischen Lage gesprochen. Meines Erachtens ist der vom Rechtsausschuß gewiesene Weg der Reform der angemessene. Die Einführung eines Nummerus Clausus ist j eden-falls die ungerechteste der Lösungen, um den Zustrom zu den Universitäten zu kanalisieren. Ich möchte am Schluß allen danken, die am Zustandekommen dieses Ergebnisses Anteil haben, vor allem den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus den Justizministerien von Bund und Ländern. Die SPD stimmt dem Gesetzentwurf zu. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 9457* Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): Nach den trü- ben Erfahrungen mit früheren Versuchen, die Juristenausbildung praxisgerechter zu gestalten, haben wir bei dieser Gelegenheit uns den vom Bundesrat gestellten Aufgaben nur mit gedämpfter Begeisterung zugewandt. Das heißt überhaupt nicht, daß wir das Ziel einer vernünftigen mehrheitlich ausgerichteten Juristenausbildung aufgegeben haben, es heißt lediglich, daß wir erkannt haben, daß eine unverkennbare Indolenz bei den Landesjustizverwaltungen und den Hochschulen uns nach der Verfassungslage zwingt, den Gedanken an eine vernünftige Reform zunächst ruhen zu lassen. Somit tragen wir die praktischen Dinge, die vorgeschlagen worden sind, mit. Dies allerdings mit unterschiedlicher Begeisterung. Ob man das Studium durch das neuerdings in Mode gekommene sogenannte Abschichten sinnvoll verkürzen kann, ist mir zweifelhaft. Auch in anderen Bereichen, z. B. bei Medizinern oder Ingenieuren, stellt sich heraus, daß scheinbar eine besondere Wissenstiefe in dem jeweils anstehenden Einzelbereich erzielt wird, die sich jedoch am Tag nach der Einzelprüfung in Luft auflöst. Nur die im Einzelfach überzeugende Prüfung führt dazu, daß gleichmäßig, wenn auch nicht so tief wie bei der Abschichtung, Wissen erworben wird, das dann etwas mehr Aussicht hat, in späteren Jahren des Berufslebens auch noch präsent zu sein. Wir stimmen trotz dieser Überlegungen dem Begehren der großen Zahl der Bundesländer zu, obwohl uns die bayerische Auffassung sympathischer ist. Wir stimmen zu, weil wir in den Unterhaltungen, die wir unter den Kollegen aller Fraktionen, wie es sich gehört, gepflogen haben, einen Kompromiß finden konnten, der jedenfalls für das mündliche Examen die gleichzeitige Präsenz des Wissens erfordert. Wir stimmen auch zu, weil es zunächst die Hoffnung gibt, daß die Abschichtung der Klausuren, wenn die Länder von ihnen möglichst geschickt Gebrauch machen und die erste Klausur z. B. aus dem grundlegenden Bereich des bürgerlichen Rechts wählen, auf andere Weise den weitgehend fehlgeschlagenen Versuch einer Zwischenprüfung ersetzen könnte. Vielleicht gelingt es ja doch, daß der eine oder andere, der für die Juristerei wirklich etwas weniger geeignet ist, bei Gelegenheit einer solchen ersten Klausur zur Einsicht kommt und sich und anderen seine weitere Laufbahn als Jurist erspart. Die Anwaltsstation im Rahmen der Ausbildung ist hervorgehoben worden, weil dies nach den tatsächlichen Berufszielen der jungen Juristen das mindeste ist, was zu geschehen hat. Die Zahl der Richter beträgt derzeit etwa 18 000, die Zahl der Rechtsanwälte hat die Zahl 60 000 überschritten; darüber hinaus ähneln die Berufsbilder derjenigen, die in der Wirtschaft, in Verbänden, in der allgemeinen öffentlichen Verwaltung tätig werden, viel mehr dem des Rechtsanwalts als dem des Richters. Die Festschreibung des sogenannten Freischusses halten wir für eine gute Möglichkeit, dem Ziel einer Studienverkürzung näher zu kommen. Wir wissen, daß die Regelung auch ohne dieses Gesetz möglich gewesen ist, möchten aber die insbesondere in Bayern eingeführte und bewährte Regelung auf diesem Wege allen Ländern empfehlen. Sehr wesentlich erscheint mir die Möglichkeit, den recht toten und quälenden Zwischenraum zwischen mündlichem und schriftlichem Examen durch die freie Station auszufüllen und damit etwa ein halbes Jahr, wie es auch immer genutzt werden möge, zusätzlich einzusparen. Die Ausbildung der zukünftigen Juristen würden wir gern grundlegender mit dem Ziel einer für die zukünftige Tätigkeit besser vorbereitenden Ausbildung ändern. Daran sind wir aus den gleichen Gründen wie bei der vor etwa 15 Jahren mißlungenen Ausbildungsreform gehindert. Der pragmatische Weg, einzelnen erkannten Mißständen mit gezielten Maßnahmen abzuhelfen, führt uns vielleicht im Wege von Versuch und Irrtum besser in die seinerzeit schon beabsichtigte Richtung. In diesem Sinne wünschen wir denen, die dieses Gesetz anwenden sollen, eine glückliche Hand. Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS/Linke Liste): Der Bundestag sollte heute über einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen entscheiden, mit dem die Juristenausbildung verkürzt werden soll. Diese Verkürzung war nach der Begründung dieses Entwurfes die entscheidene Intention der Verfasser. Begründet wird deren Notwendigkeit unter anderem mit der Wiederherstellung der staatlichen Einheit, für die dringend und vorzeitig neu ausgebildete Juristinnen benötigt werden. Bedenkt man aber die Dauer der jetzigen Juristenausbildung von ca. zehn Jahren und die Erwartung der Verfasser, diese Dauer um ca. ein Jahr zu verkürzen, so offenbart die Berufung auf die Deutsche Einheit allenfalls das Unverständnis und die Hilflosigkeit der Verfasser. In der Tat: Die Juristenausbildung ist reformbedürftig. Notwendig ist sogar ein Gesamtkonzept der grundsätzlichen Neuordnung der Juristenausbildung. Dagegen hätte der Entwurf der Koalitionsfraktionen nur Stückwerk bedeutet. Dieser Entwurf griff aus einer Gesamtheit notwendiger Reformregelungen nur bestimmte Teile über die Prüfungsabläufe heraus. So begrüßenswert einige Regelungen dieses Gesetzentwurfes zur Erleichterung der Prüfungsbedingungen waren: Ausreichend konnten sie für eine Verbesserung der Studien- und Ausbildungsbedingungen nicht sein. Zu einer Verkürzung der Juristenausbildung gehört meines Erachtens zwingend eine Regelung über den während der Ausbildung zu vermittelnden und schließlich zu prüfenden Stoff. Mit der Verkürzung der Ausbildung ergibt sich doch auf jeden Fall das Problem, wie in der kürzeren Ausbildungszeit der Studien- und Prüfungsstoff von allen Beteiligten bewältigt werden soll. Es zeigt sich die Gefahr, daß die Studentinnen und Studenten und die Auszubildenden verstärkt belastet werden, so daß letztlich das beabsichtigte Ziel, die Verkürzung der Ausbildungszeiten, wieder in Frage steht. Insofern ist der im Rechtsausschuß erzielte und hier nun zur Abstimmung stehende Kompromiß nur zu begrüßen. Ich begrüße die Abschichtung der verschiedenen Prüfungen für beide Staatsexamen, den 9458* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 sog. Freischuß, die Konzentration und Beschränkung des Ausbildungsstoffes auf den Kern der klassischen Rechtsgebiete, des EG-Rechts und schließlich des Wahlfaches. Ich begrüße auch, daß die Notwendigkeit gesehen wird, zusätzlich noch den Prüfungsstoff zu beschränken. Ich werde diesem Vorschlag des Rechtsausschusses zustimmen, weil er die Situation aller Beteiligten, insbesondere der auszubildenden JuristInnen verbessern und erleichtern kann. Angesichts der besonderen Härte dieses Studiums und der juristischen Referendarzeit halte ich eine Erleichterung für dringend geboten. Der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft stimme ich deshalb auch nicht zu. Ich bin mir andererseits auch darüber im klaren, daß auch dieser Vorschlag letztlich nicht ausreichend ist. Deutlich wird dies meines Erachtens an § 5 d Buchstabe a des Entwurfes. Es wird hier leider nichts über die konkrete Gestaltung des Prüfungsstoffes, ebensowenig etwas über das System der Vermittlung und schließlich der Prüfung des vermittelten Stoffes ausgesagt. Mit der Stoffülle steht meines Erachtens aber auch die Tauglichkeit des universitären Ausbildungs- und Prüfungssystems und die der sich daran anschließenden Referendarzeit zur Diskussion. Auch das juristische Ausbildungssystem zeigt eine krisenhafte Entwicklung, ich nenne nur einige Krisenerscheinungen wie überfüllte Hör- und Seminarsäle, die unzureichende sachliche und personelle Ausstattung der Fachbereiche und Gerichte, der steigende Zustrom von StudentInnen und schließlich auch von ReferendarInnen auf der anderen Seite, die wachsende Zahl derjenigen, die durch die Prüfung fallen und schließlich die immer lauter werdende Warnung vor den Gefahren des völligen Zusammenbruchs der akademischen Ausbildung, so auch der juristischen Ausbildung. Die bloße Verkürzung der Stoffülle löst so in der Tat nicht das Problem, zumal wenn man noch darüber diskutiert, den bundesdeutschen Juristen für den nationalen und internationalen Konkurrenzkampf besser auszustatten. Gerade solche Konkurrenzkämpfe haben die Anforderungen hochgetrieben. Zusätzlich zu diesen Krisenerscheinungen und den in den Entwürfen genannten Problemen zeigen sich entscheidende Probleme offenbar in der krassen Diskrepanz von Ausbildungs- und Prüfungsstoff, die in keiner der Gesetzentwürfe überhaupt nur erwähnt wird. Tatsächlich gelingt es weder während des Studiums noch während der Referdarausbildung, die Fülle der Möglichkeiten der Prüfungsthemen und -fragen ausreichend zu vermitteln. Hassemer-Kübler sieht in seinem Gutachten zu dem deutschen Juristentag 1990 den Kern studentischer Ängste vor der juristischen Prüfung in der krassen Differenz von Ausbildungs- und Prüfungsstoff und in dem Umstand, daß am ersten Staatsexamen Praktiker folgenreich mitwirken. Dies seien die Gründe dafür, daß so viele JurastudentInnen ihr Heil bei Repetitoren suchen, die die Diskrepanz zwischen Ausbildung und Prüfung zu mildern versuchen, nicht unbedingt mit durchschlagendem Erfolg aber mit hohen Kosten. Bis zu DM 4 000,— müssen die Studentinnen für ihre Hoffnung auf eine bessere Prüfungsvorbereitung zahlen können, ein angesichts der ehemals geforderten Chancengleichheit auch für sozial schwächere StudentInnen ein unhaltbarer Zustand. Hassemer-Kübler übt vor allem deshalb Kritik an den Justizprüfungsämtern und den prüfenden Praktikern, weil diese in den Prüfungen Prüfungsstoff mit Kasuistik völlig überfrachten, so für die StudentInnen und Referendarinnen unberechenbar und kaum zu bewältigen erscheinen lassen. Hassemer-Kübler und andere universitäre Prüfer ziehen die Konsequenz, daß das 1. Staatsexamen eine echte Universitätsprüfung und damit eine Prüfung des an den Universitäten angebotenen Lernstoffes sein soll. Sie fordern die weitgehende Zurückdrängung der fallorientierten, den Prüfungsstoff völlig überlastenden Praktiker und der Justizprüfungsämter. Mir scheinen diese Vorstellungen für ein weiteres, grundlegenderes Gesetzesvorhaben dringend überlegenswert. Ähnliche Erwägungen leiten auch den Deutschen Anwaltverein bei seinem Modell einer Reform der Juristenausbildung. Dem Anwaltverein geht es ebenfalls um eine Entfrachtung des unkontrollierbaren und die StudentInnen und ReferendarInnen völlig überfordernden Prüfungsstoffes, wobei diese Entfrachtung auch dazu dienen soll, daß die angehenden JuristInnen sich mit ihrem Fach sowie auch mit anderen Studienfächern verstärkt wissenschaftlich auseinandersetzen können. Es geht also um eine gesetzlich garantierte Kontrolle der Prüfungen, des Prüfungsstoffes, der Übereinstimmung von Lehr- und Prüfungsstoff und schließlich auch um die Kontrolle der Prüfer. Eine solche gesetzliche Regelung steht noch aus, sollte aber bald in Angriff genommen werden. Solche gesetzlichen Regelungen haben nun aber wenig Sinn, wenn nicht oder nur unzureichend darüber nachgedacht wird, wie die beschriebenen Krisenerscheinungen behoben werden können. Die Tatsache, daß über solche Fragen während der Beratungen über die verschiedenen Gesetzentwürfe nicht diskutiert wurde, läßt mich vermuten, daß es bei der Verkürzung der Juristenausbildung auch um Einsparungen geht. Auf die Dauer ist dies aber keine Lösung. Man schiebt das Problem nur vor sich her. Die Bundesregierung und der Bundestag können sich auf Dauer auch nicht damit herausreden, daß die Länder letztlich für die Lösung der krisenhaften Probleme zuständig seien. Es handelt sich hier um eine Gemeinschaftsaufgabe nach Art. 91 a Abs. 1 GG, die den Bund zugleich auffordert, etwas zu unternehmen. Dazu gehört natürlich auch, die krisenhaften Erscheinungen bei der finanziellen, sachlichen und personellen Ausstattung der Ausbildungseinrichtungen zu beheben. Unter den zusätzlich von mir genannten Voraussetzungen läßt sich dann auch über weitere sinnvolle Vorschläge, etwa den des Deutschen Anwaltvereins, nachdenken, bereits in der Ausbildung zum ersten Staatsexamen ein 13 Monate dauerndes Praktikum aufzunehmen. Ich halte das vorliegende Gesetzesvorhaben demgegenüber nur für eine vorübergehend akzeptable Lösung, der ich aber aus den genannten Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 9459* Gründen zustimmen werde, in der Erwartung, daß die Probleme weitergehende Regelungen erzwingen werden. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Lassen Sie mich für die Bundesregierung — die dazu keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat — mit wenigen Sätzen hervorheben, wie sie das Ergebnis der Beratungen im Deutschen Bundestag sieht. Dem Rechtsausschuß ist es gelungen, aus den beiden dem Hohen Hause vorliegenden Gesetzentwürfen zur Juristenausbildung die sich ergänzenden Teile zusammenzufügen und dort, wo Divergenzen waren, tragfähige Lösungen zu entwickeln. Ich danke dem Rechtsausschuß für seine Bemühungen um einen Kompromiß. Die seit 1986 erneut und lebhaft geführte Debatte zur Reform der Juristenausbildung hat damit ein gutes Ergebnis erzielt. Es ist nicht spektakulär, doch das Gesetz wird für die Beteiligten von Nutzen sein. Ein zentraler Punkt der neuerlichen Reformdiskussion ist die übermäßige Dauer der Ausbildung. Möglich und notwendig zur Verkürzung der Gesamtausbildungsdauer sind Anreize zu einem rascheren Abschluß des Studiums, eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes und ein Abbau der Prüfungszeiten. Das vorgeschlagene Gesetz enthält zu diesen drei Punkten praktikable Neuerungen, indem es Regelungen des Fraktionsentwurfs und des Bundesratsentwurfs zusammenführt. Auf der Grundlage des Fraktionsentwurfs soll der Freiversuch im Bundesrecht verankert und bundesweit eingeführt werden. Bayern war mit dem Freiversuch vorangegangen und konnte, wie unterdessen auch andere Länder, erstaunliche Erfolge melden. Allerdings wird nur ein Teil der Studentenschaft über den Freiversuch zu einer Senkung der durchschnittlichen Studiendauer beitragen. Es werden nur die Studentinnen und Studenten sein, die sich dies zutrauen und möglichst bald ihren angestrebten Beruf ergreifen wollen. Der Gesetzgeber darf nicht nur diesen Teil der Studentenschaft vor Augen haben. Es ist deshalb zu begrüßen, daß die Vorschläge des Rechtsausschusses, dem Bundesratsentwurf folgend, auch eine Beschränkung des Lehr- und Prüfungsstoffes vorschreiben. Der Stoffbegrenzung dient die jetzt an die Adresse der Länder gerichtete Verpflichtung, den Stoff der ersten Prüfung so zu bemessen, daß das Studium nicht nur von qualifizierten, sondern auch von durchschnittlichen Studenten nach dem vierten Studienjahr abgeschlossen werden kann. Die dritte Maßnahme zur Verkürzung der Studienzeit, die jetzt vorgeschlagen wird, war zumindest in ihrem Ausmaß nicht unumstritten: Die „Abschichtung" von Prüfungsteilen. Von den Befürwortern wird geltend gemacht, daß dadurch die Prüfungsangst abgebaut und die Studienzeit herabgesetzt werden kann. Die Kritiker befürchten einen Leistungsabfall und betonen, daß kein Rechtsanwalt ein Rechtsgebiet als „abgeschichtet" betrachten darf. Andererseits wird im Vorbereitungsdienst und in der zweiten Prüfung ohnehin der Stoff der ersten Prüfung erneut behandelt. Der Rechtsausschuß hat hier einen, wie ich meine, guten Kompromiß gefunden: Nur die schriftlichen Leistungen der ersten Prüfung können, wenn der Landesgesetzgeber dies bestimmt, abgeschichtet werden. Die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes ist gemeinsames Anliegen des Bundesratsentwurfes und des Fraktionsentwurfes. Trotz mancher Kritik halte ich einen Vorbereitungsdienst von zwei Jahren für ausreichend, vorausgesetzt, daß diese Zeit voll genutzt wird. Die Effektivität der einzelnen Stationen hängt vor allem von den Ausbildern und den Referendarinnen und Referendaren selbst ab. Ein weiterer zentraler Punkt in der Reformdiskussion ist die bessere Vorbereitung der jungen Juristen auf Europa. Nach der Empfehlung soll das Europarecht als Teil des Pflichtfachstudiums einbezogen werden. Wie das zu geschehen hat, muß dem Landesrecht und vor allem der Praxis überlassen bleiben. Zu unterschiedlich ist bei den Pflichtfächern, die Hauptgegenstand der Ausbildung sind, die unmittelbare oder mittelbare, die gegenwärtige und die künftige Bedeutung des Europarechts. — Ein Pluspunkt für Europa ist ferner, daß nach der Empfehlung auch Pflichtstationen im Ausland absolviert werden können. Und schließlich ist alles, was zur Verkürzung unserer deutschen Juristenausbildung geschieht, ein Beitrag zu gleichen Chancen in Europa. Durch die zügige Behandlung des Entwurfs durch das Hohe Haus kann die dringend notwendige Verkürzung der Juristenausbildung rasch verwirklicht werden, zugleich wird den neuen Ländern der bundesgesetzliche Rahmen für die Neuordnung ihrer Juristenausbildung gegeben. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 11 (Antrag betr. Entbindung ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes von der ihnen auferlegten Schweigepflicht) *) Ingrid Köppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung muß die dienstliche Schweigepflicht, die allen hauptamtlichen und inoffiziellen ehemaligen Mitarbeitern des MfS bis heute grundsätzlich obliegt, endlich förmlich aufheben. Soweit der Ministerrat der ehemaligen DDR diese Verpflichtung im Mai 1990 gelockert hat, ist dieser Beschluß, der nach dem Einigungsvertrag wirksam bleibt, natürlich völlig unzureichend. Denn in wichtigen Bereichen — und das war die eigentliche Intention jenes Beschlusses — besteht die förmliche Schweigepflicht fort: 1. hinsichtlich MfS-Tätigkeit, soweit diese der DDRVerfassung entsprach. Leider müssen wir davon ausgehen, daß der größte Teil der Stasi-Praktiken formal im Einklang mit der damaligen Rechtslage erfolgte. *) Vgl. Seite 9451 C 9460* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 2. Die Schweigepflicht besteht hinsichtlich aller geheimdienstlichen Tätigkeiten fort: also gerade bezüglich der empörendsten Aktivitäten des MfS. 3. Ehemalige hauptamtliche MfS-Mitarbeiter dürfen sich nicht einmal gegenüber einer Person ihres Vertrauens offenbaren. 4. Zwar dürfen ehemalige Mitarbeiter gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft aussagen, aber gegenüber Gerichten gilt weiterhin die Schweigeverpflichtung. Daß es ein einziges Gerichtsurteil gibt — nämlich des Kammergerichts Berlin im Mauerschützenverfahren gegen den Zeugen Neiber —, welches die grundsätzliche Aussagepflicht auch gegenüber Gerichten bejaht hat, ändert an dem Problem nichts. Denn diese einmalige kühne Auslegung eines Gerichts erfolgte entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des fraglichen Ministerrats-Beschlusses. Daraus läßt sich für die Zukunft nicht herleiten, daß gerichtliche Aussagen nicht aus formalen Gründen verweigert werden können. 5. Schließlich dürfen Ehemalige auch gegenüber heutigen parlamentarischen Untersuchungen schweigen. Denn von der Schweigepflicht entband sie der Ministerrat nur bezüglich Untersuchungen von Kommissionen in der DDR — die nicht mehr existieren — und außerdem nur bezüglich Tätigkeiten, die der DDR-Verfassung widersprachen. Auch dies betrifft, wie bereits gesagt, allenfalls einen geringen Teil der MIS-Aktivitäten. Die Streichung der Schweigepflicht gegenüber Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ist besonders wichtig, wenn wir z. B. an die künftige Arbeit der KoKo-Ausschüsse im Bundestag und in Bayern denken, an die hiesige DDR-Enquete oder an den Brandenburger Stolpe-Ausschuß. In diesem letztgenannten Ausschuß haben sich auch bereits mehrere Zeugen auf die Schweigepflicht berufen. Und ihre Rechtsanwälte haben in jener Ausschußsitzung am 19. Mai 1992 hinzugefügt, schließlich habe ja gerade die Bundesregierung den damals zuständigen DDR-Innenminister bedrängt, den einschlägigen Ministerratsbeschluß zu fassen, der die Schweigepflicht grundsätzlich aufrecht erhält. Der Fortbestand dieses Beschlusses ist ja sodann im Einigungsvertrag zwischen den Verhandlungsführern Diestel und Schäuble ausdrücklich festgeschrieben worden. Zu diesem Sachverhalt hat die Bundesregierung nun auf meine Anfrage wie ein Orakel geantwortet. Erstens könne sie diese Darstellung über die Entstehung der fraglichen Regelung „nicht bestätigen". Wir meinen jedoch: die Regierung schuldet der Öffentlichkeit Aufklärung, wie es quasi unter den Augen ihrer damaligen Ost-Berater — voran der heutige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz — zu diesem skandalösen Beschluß kommen konnte sowie zu dessen Zementierung im Einigungsvertrag durch Herrn Schäuble. Zweitens hat die Bundesregierung — sogar schon zweimal geantwortet, sie „gehe davon aus", daß die Schweigepflicht gegenüber „Strafverfolgungsbehörden" und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht gelte. Dies hat nun allerdings sogar das Kammergericht nicht anzunehmen gewagt, sondern jedenfalls bezüglich Polizei und Staatsanwaltschaft das genaue Gegenteil juristisch überzeugend begründet. Wie also gelangt die Regierung zu ihrer nebulösen Annahme, auch hinsichtlich der Untersuchungsausschüsse? Schließlich drittens: Was hindert denn die Bundesregierung eigentlich, den fraglichen Beschluß aufzuheben und statt dessen den einen Satz zu verabschieden: „Alle ehemaligen Mitarbeiter des MfS/AfNS sind von ihrer dienstlichen Schweigepflicht entbunden. "? Warum war die Bundesregierung bisher nicht bereit, hier Rechtssicherheit zu schaffen und Behinderung der künftigen Aufarbeitung zu verhindern? Ich hoffe, daß die Ausschußberatungen über unseren Antrag sehr zügig durchgeführt werden und daß sich die anderen Fraktionen unserem Anliegen anschließen werden. Rolf Schwanitz (SPD): Das Berufen auf eine fortbestehende Schweigeverpflichtung durch ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit hat die Öffentlichkeit mittlerweile in mehreren Fällen miterleben müssen. Insbesondere der Auftritt von Herrn Neiber beim Mauerschützen-Prozeß vor dem Berliner Kammergericht ist uns noch sehr gut in Erinnerung. Die Menschen in Ost- und Westdeutschland können ein derartiges Verhalten, ein Zurückgreifen auf geltendes Bundesrecht, nicht verstehen. Im Gegenteil, wenn Stasi-Offiziere sich bei ihrem fortdauernden und mittlerweile unerträglichen Schweigen zu ihren Taten von gestern heute auch noch auf bundesdeutsches Recht berufen können, so sind Wut und Enttäuschung bei den Mitmenschen nur zu berechtigt. Um so mehr begrüßen die Sozialdemokraten die in der Drucksache 12/2071 vorliegende Intitative der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Diese Initiative ist längst überfällig, und man ist versucht, sich erstaunt die Augen zu reiben und zu fragen, weshalb noch niemand vorher auf dieses Problem gestoßen ist. Doch Fragen drängen sich gerade für einen Ostdeutschen auch noch in anderer Richtung auf. Es war ein Beschluß des Kabinetts Lothar de Maizière, welcher am 16. Mai 1990 dafür gesorgt hat, daß die Schweigeverpflichtung der Stasi-Mitarbeiter nicht vollständig aufgehoben worden ist. Nach diesem Ministerratsbeschluß soll die Schweigerverpflichtung unter anderem dann fortbestehen, wenn es sich um mit der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Übereinstimmung stehende frühere geheimdienstliche und nachrichtendienstliche Tätigkeit handelt. Welche Geheimnisse der Stasi-Tätigkeit glaubte die aus freien Wahlen hervorgegangene Regierung der DDR Mitte Mai des Jahres 1990 noch schützen zu müssen? Lag hier nicht ein vollkommen anderes Bild vom DDR-Geheimdienst vor, eine Einteilung in die gute und in die böse Staatssicherheit? Aus welchem Ressort kam die Kabinettsvorlage damals, und wie intensiv sind die Folgen dieses Beschlusses auf der Ministerratssitzung am 16. Mai 1990 beraten worden? Und vor allem, was hat die Bundesregierung, die im Oktober 1990 richtigerweise von einem ganz anderen, von einem realistischeren Stasi-Begriff ausgegangen ist, bewogen, diesen Ministerratsbeschluß als weitergeltendes Recht in den Einigungsvertrag Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 9461 aufzunehmen? Die Abgeordneten der Volkskammer und, ich fürchte, auch die Abgeordneten des Bundestages, hatten im September 1990 jedenfalls keinerlei Chancen, dieses Überbleibsel aus vergangenen DDR-Zeiten im Dickicht des Einigungsvertrages bei den Beratungen zu entdecken. Über diese und andere Fragen werden wir unter anderem auch in den Ausschußberatungen noch einmal Gelegenheit haben nachzudenken, auch deshalb verdient dieser Antrag unsere Unterstützung. Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Der Untersuchungsausschuß Kommerzielle Koordinierung hat sich bisher zweimal mit der Frage der formalen Entbindung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter von der ihnen auferlegten Schweigepflicht beschäftigt. Auf Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN soll eine vom DDR-Ministerrat am 16. Mai 1990 beschlossene „Festlegung zur Aufhebung der Schweigepflicht" abgeändert werden. Ziel des Antrages ist die den hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit auferlegte Verpflichtung zur Verschwiegenheit über anvertraute Staats- und Dienstgeheimnisse aufzuheben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte ein gleiches Ergebnis erreichen. Es gibt keinerlei Begründung für eine Aufrechterhaltung der Schweigepflicht. Sie kann und darf in der Praxis keine Rolle mehr spielen. Deshalb sind auch die Beschränkungen auf Staatsanwaltschaften und Gerichte, wie sie durch die „Festlegungen" der DDR-Regierung beschlossen worden sind, obsolet geworden. Die Bundesregierung teilt diesen Standpunkt. Sie erklärt, daß der bereits zitierte Beschluß des Ministerrats nach bundesdeutschem Recht als allgemeine Verwaltungsvorschrift, Richtlinie oder allenfalls als Regierungsakt zu qualifizieren sei. Sie verweist auf den Einigungsvertrag. Der Ministerratsbeschluß vom 16. Mai 1990 sei dort nicht aufgeführt, obwohl in der Anlage II des Vertrages im übrigen durchaus andere Anordnungen verzeichnet sind. Die Bundesregierung stellt sich weiter auf den Standpunkt, daß ein nicht mehr existenter Staat, wie die DDR, seine „Geheimnisse" nicht mehr schützen könne. Mangels einer bestehenden Schweigepflicht sei deshalb auch eine Entbindung von derselben nicht nötig. Für die praktische Arbeit, z. B. im 1. Untersuchungsausschuß bedeutet dies: „Die Bundesregierung geht davon aus, daß alle früher in der öffentlichen Verwaltung beschäftigten Arbeitnehmer zum Thema des 1. Untersuchungsausschusses auszusagen haben", so der Parlamentarische Staatssekretär der Finanzen, Dr. Grünewald, in einem Schreiben vom 3. September 1991. Diese Rechtsauffassung wird vom Berliner Kammergericht leider nicht geteilt. Es geht bei einem Urteil im Rahmen des „Mauerschützenprozesses" von einem zumindest teilweisen Weiterbestehen der Schweigepflicht aus. Ich kann die Haltung der Bundesregierung sehr gut verstehen. Wer möchte — als Bundesinnenminister zum Beispiel — schon gern als Rechtsnachfolger von Herrn Erich Mielke gelten. Sich die demokratisch gewählte Regierung der Bundesrepublik Deutschland als treusorgenden Dienstherren der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter des verbrecherischen Ministeriums für Staatssicherheit vorzustellen — das ist noch nicht einmal komisch. Neben diesen psychologisch durchaus wichtigen Überlegungen gibt es für den Rechtsstandpunkt der Regierung gute weitere Gründe. Allerdings haben wir alle nicht die Zeit, uns rechtlich streitig über die Frage auseinanderzusetzen, ob nun der Standpunkt des Berliner Kammergerichtes sich durchsetzen wird oder die Meinung der Bundesregierung. Wir brauchen in Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen, aber auch vor den Gerichten, jetzt die Aussagebereitschaft der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter. Wir müssen jetzt aufarbeiten und aufklären. Wir müssen den letzten MfS-Getreuen jetzt verbieten, sich auf eine imaginäre Schweigepflicht zu berufen. Wir sollten deshalb in gründlichen Beratungen des Innenausschusses und des Rechtsausschusses einen gerichtsfesten Weg suchen. Mir ist sehr an einer Erarbeitung eines gemeinsamen Standpunktes gelegen. Sollten andere Wege nicht gangbar sein, würde ich persönlich folgendes Verfahren vorschlagen: Unter Aufrechterhaltung des Rechtsstandpunktes entbindet die Bundesregierung vorsorglich alle ehemaligen Mitarbeiter des MfS von der unter DDR-Recht vorhandenen Schweigepflicht. Damit würden keinerlei Aussagehindernisse entstehen und wir könnten zeitgerecht die Aufarbeitung dieses Teils der deutschen Geschichte weiter voranbringen. Dr. Jürgen Schmieder (F.D.P.): Das Sachanliegen, welches hinter dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht, verdient es allemal, hier im Bundestag vordringlich behandelt zu werden. Die Vorlage 12/2071 muß an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden und dem Plenum schnellstmöglich wieder zur abschließenden Beschlußfassung vorgelegt werden. Es geht darum, unverzüglich alle geeigneten und erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die am 16. Mai 1990 vom DDR-Ministerrat beschlossenen „Festlegungen zur Aufhebung der Schweigepflicht" dahingehend abzuändern, daß alle ehemaligen Mitarbeiter des MfS im vollen Umfang von der ihnen auferlegten Schweigepflicht über anvertraute Staats-und Dienstgeheimnisse entbunden werden. Aus meiner Sicht verdient die dringende Klärung der Fortgeltung und des Umfangs der Fortgeltung der „Festlegungen zur Aufhebung der Schweigepflicht" besondere Aufmerksamkeit, da sowohl der 1. Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung", möglicherweise die Enquete-Kommission zur „Aufarbeitung der Geschichte und der Folgen der SEDDiktatur", als auch auf jeden Fall die Untersuchungsausschüsse der Landtage in ihrer Arbeit behindert werden. Der Beschluß des DDR-Ministerrates scheint mir aus heutiger Sicht ziemlich fragwürdig, unscheinbar und nicht nachvollziehbar. 9462* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 Bekanntlich hat das Kammergericht zu Berlin in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 1991 in einem Ordnungsgeldverfahren gegen den früheren stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, Dr. Gerhard Neiber, festgestellt, daß die in dienstlichen Angelegenheiten früher auferlegte Schweigepflicht zumindest teilweise auch nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland fortbesteht. Das Kammergericht Berlin folgert die Fortgeltung der entsprechenden Festlegungen aus Art. 19 des Einigungsvertrages, und zwar als sogenannte Allgemeinverfügung, das heißt als ein Verwaltungsakt mit einem zwar nicht bestimmten, aber eindeutig bestimmbaren Personenkreis. Die Bundesregierung vertritt hingegen die Auffassung, daß für Mitarbeiter des ehemaligen MfS/AfNS gegenüber Strafverfolgungsbehörden oder parlamentarischen Untersuchungsausschüssen heute keine Schweigepflicht hinsichtlich der im Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit erlangten Informationen mehr besteht. Hierin kann man die Bundesregierung nur bestätigen und jetzt entschieden darum bitten, aktiv zu werden. Das Bundesministerium des Innern sollte zur Vorbereitung der Behandlung der Thematik im Innenausschuß einen Bericht über seine Einschätzung der Rechtslage vorlegen und sofortige Möglichkeiten zur weitgehenden Aufhebung gemäß der Rechtsprechung des Kammergerichtes zu Berlin fortbestehender Schweigepflichten prüfen und zur Diskussion stellen. Andrea Lederer (PDS/Linke Liste). Auf den ersten Blick scheint der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Aufhebung der Schweigepflicht ehemaliger Mitarbeiter des MfS ja logisch zu sein: die Verfassung der DDR und die Behörden der DDR, die zur Schweigepflicht binden können, gibt's nicht mehr, und das Auspacken über Geheimdienstmethoden könnte theoretisch und generell ein Beitrag zur Aufklärung über geheimdienstliche Tätigkeit sein. Aus einem gründlicheren zweiten Blick aber ergeben sich Zweifel, politisch, juristisch und sogar moralisch: 1. Da heißt es im Antrag: „Insbesondere erschwert die Schweigepflicht den notwendigen Prozeß der gesellschaftlichen Aufarbeitung (in dem bestehengebliebenen Umfang) ungemein". Das bestreite ich, weil dieser Satz die Verwechslung von Ursache und Wirkung beinhaltet. Wenn erstaunlicherweise im Einigungsvertrag die nun beanstandete Regelung enthalten war, dann war dies vermutlich der Tatsache geschuldet, daß Drittstaaten Bedenken angemeldet oder solche zu befürchten gewesen wären, wenn die Tätigkeit der DDR-Nachrichtendienste in vollem Umfang auf den Tisch gekommen wäre. Indiz dafür ist übrigens auch, daß es mal die CDU/CSU war, die ein Straffreiheitsgesetz für ehemalige Mitarbeiter der Nachrichtendienste der DDR eingebracht hatte. Was dann kam, nachdem der Vertragspartner DDR schlicht untergegangen ist, hatte Kohl nicht versprochen. Massenhafte Ermittlungsverfahren, die sich auf immer weitere Berufsgruppen erstrecken. Die Schweigepflicht ist eine Begründung, die ehemalige Mitarbeiter des MfS heranziehen, um in der Rolle der Zeugen vor Gericht die Auskunft zu verweigern. Hintergrund ist aber, daß es derzeit völlig unkalkulierbar ist, ob nicht eine Zeugenaussage, selbst wenn sie mit dem ehrlichen Anspruch, zur Aufklärung beizutragen, gemacht wurde, umgehend zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen führt. Was also den notwendigen Prozeß der gesellschaftlichen Aufarbeitung ungemein erschwert, ist das hierfür ungeeignete Instrument der Strafjustiz. Dieses ist tatsächlich kontraproduktiv für eine umfassende Analyse und Aufarbeitung der Tätigkeit eines Geheimdienstes wie des MfS. Wer einen Mindeststandard an Rechtsstaatlichkeit aufrecht erhalten will — nämlich daß Beschuldigte und Angeklagte das Recht zu schweigen haben, Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht haben dort, wo sie sich selbst belasten könnten —, der müßte die im Einigungsvertrag getroffene Regelung akzeptieren, zumal sie nur ein Argumentationsstrang ist, um ein bestehendes Auskunftsverweigerungsrecht zu begründen. Oder es soll doch bitte gleich offen gesagt werden, daß die Rechte von Beschuldigten und Zeugen nicht für Mitarbeiter des ehemaligen MfS gelten sollen, und dann eigentlich auch nicht für all diejenigen, die derzeit unter dem Stichwort Regierungskriminalität verfolgt werden, also einige Zigtausend. 2. Die Forderung nach Transparenz, die eine Tradition übrigens nicht nur in den DDR-Bürgerbewegungen, sondern auch in demokratischen und linken Bewegungen der BRD hat, ist eine Forderung, die das Brechen von Herrschaftswissen beinhalten sollte. Wohlwollend interpretiert könnte man annehmen, in dem Antrag stecke diese Intention. Dem ist allerdings nicht so: denn erstens gibt es keine Herrschaft mehr bei denjenigen, deren Offenbarung nunmehr gefordert wird, und zweitens sind diese Leute derzeit der BRD-Justiz ausgeliefert. Sie ist dann keine fortschrittliche Forderung mehr, wenn mit ihr gleichzeitig rechtsstaatliche Prinzipien aufgegeben werden, was kurz-, mittel- und langfristig katastrophale Auswirkungen für den rechtsstaatlichen und demokratischen Stand dieser Gesellschaft hat. Mal ganz abgesehen von der Frage, was davon eigentlich die Opfer der Bespitzelung und Repression in der DDR haben. 3. Und es gibt ein moralisches Argument, auch wenn ich mir der nun folgenden, politisch motivierten empörten Reaktion hier im Hause bewußt bin. Jeder liebt den Verrat, keiner den Verräter. Unter der Vorgabe, die Strukturen in Erfahrung bringen zu wollen, werden Fragen nach anderen Personen gestellt. Bestes Beispiel ist die Verhörmethode im Schalck-Untersuchungsausschuß, an der sich auch die Gruppe Bündnis 90 einigermaßen erfolgreich beteiligt: „Kennen Sie den und den, der für das MfS gearbeitet hat? — Ja — Aha", im Anschluß die Pressemitteilung, daß nunmehr der Kontakt zur Stasi erwiesen sei, und das Klagen über mangelndes Aktivwerden der Strafjustiz. Gelegentlich folgt auch der Hinweis an die Staatsanwaltschaft auf dem Fuße. Die gesamte Strafprozeßordnung kennt kein Mittel und keinen Weg, zum Verrat von Mittätern zu zwingen. Das aber genau wird verlangt von denjenigen, die sich auf die Schweigepflicht stützen wollen. Stel- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1992 9463* len wir uns irrwitzigerweise einmal kurz vor, die BRD sei der DDR beigetreten. Und die DDR-Regierung würde die Anklage gegen Mitarbeiter des BND und des Verfassungsschutzes betreiben. Welche Achtung hätten Sie gegenüber solchen Mitarbeitern, die die Kollegen preisgeben würden um den Preis, daß diese ebenfalls verurteilt würden? Dies unabhängig von der Frage, ob man generell die Tätigkeit von Geheimdiensten politisch mitträgt oder nicht, was ich nie getan habe. Und ich erinnere an den subjektiven Aspekt dieser Problematik. Der eine empfindet seine Aussage als Beitrag zur Aufklärung, der andere als Verrat an Kollegen. Letzterem können Sie diese subjektive Empfindung nicht absprechen. Und man sollte niemanden dazu zwingen, sich subjektiv als Verräter wahrzunehmen, auch wenn man den gleichen Vorgang selbst anders sieht. Aus diesen Gründen werden wir diesen Antrag ablehnen. Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich halte eine Beschlußfassung im Sinne des Antrags der Kollegin Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 12/2071 zur Entbindung ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes von der ihnen auferlegten Schweigepflicht nicht für angezeigt. Selbst eine Annahme dieses Antrags würde an der bestehenden Rechtslage nichts ändern, da sich die ehemaligen Stasi-Angehörigen bereits jetzt nicht mehr auf eine Verschwiegenheitspflicht berufen können. Der Beschluß des DDR-Ministerrats vom 16. Mai 1990 mit den „Festlegungen zur Aufhebung der Schweigepflicht" ist mit der Herstellung der Einheit Deutschlands gegenstandslos geworden. Die dem Antrag zugrunde liegende Rechtsauffassung, dieser Beschluß des Ministerrats sei nach Art. 9 des Einigungsvertrages nach wie vor geltendes Recht, ist nicht zutreffend. Gemäß Art. 9 Abs. 2 des Einigungsvertrages bleibt nur das in Anlage II des Einigungsvertrages aufgeführte Recht der DDR mit den dort genannten Maßgaben in Kraft. Der Ministerratsbeschluß vom 16. Mai 1990 ist jedoch nicht in diese Anlage II aufgenommen worden. Aus diesem Grunde können die „Festlegungen" zur Verschwiegenheitspflicht nicht als fortgeltendes DDR-Recht angesehen werden. Im übrigen könnte auch die Heranziehung des Art. 9 des Einigungsvertrags zu keiner Fortgeltung des Ministerratsbeschlusses führen. Dieser Beschluß ist nämlich kein Verwaltungsakt oder eine gleichartige Verwaltungsentscheidung, was er sein müßte, um nach Art. 19 des Einigungsvertrages fortzugelten, sondern muß vielmehr als allgemeine Verwaltungsvorschrift, Richtlinie oder evtl. auch als Regierungsakt qualifiziert werden. Vor allem kann generell der Geheimnisschutz als Teil der staatlichen Selbstorganisation nur so lange andauern wie die Staatsgewalt selbst, die ihn verlangt. Ein nicht mehr existenter . Staat wie die DDR kann seine „Geheimnisse" mithin nicht mehr schützen. Schon aus diesem Grunde kann hier nicht vom Fortbestehen einer früheren Schweigepflicht ausgegangen werden. Die Bundesregierung hat diese Auffassung bereits in den Antworten auf die Schriftlichen Fragen des Kollegen Lowack in Drucksache 12/2318 und der Kollegin Köppe in Drucksache 12/3047 zum Ausdruck gebracht. Da es einer Aufhebung des Beschlusses des DDRMinisterrates vom 16. Mai 1990 nicht bedarf, geht der Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ins Leere.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Cornelia Schmalz-Jacobsen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Überfälle, die Nacht für Nacht auf Unterkünfte verübt werden, in denen Flüchtlinge leben, die täglichen Attacken, Beschimpfungen und Beleidigungen gegenüber Ausländern, die schon lange bei uns leben, sind eine Schande für unser Land.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Darin sind wir uns auch alle einig. Aber die Debatte um das Asylrecht — und fast ausschließlich um das Asylrecht — hat uns in eine Sackgasse geführt.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Mit Paragraphen kann man weder den Wanderungsdruck noch die aufgeheizte Stimmung wegzaubern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ebensowenig kann man den Rechtsextremismus bekämpfen, indem man ihm die Opfer wegnimmt.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    Meine Vorgängerin im Amt der Ausländerbeauftragten, Liselotte Funcke, hat bereits vor zwei Jahren vor einer zunehmenden Ausländerfeindlichkeit gewarnt; sie hat auf schreckliche Weise recht behalten.
    Die Polizei und die Justiz müssen kriminelle Gewalt verfolgen — nachhaltig und schneller als bisher. Aber, meine Damen und Herren, es ist doch in erster Linie Sache der Politik und aller demokratischen Kräfte, den gemeinsamen Willen hierzu eindeutig klarzustellen, und zwar ohne auf eigene Vorteile zu schielen und ohne zu wackeln. Dazu bedarf es eines politischen Konsenses, der gewissermaßen wasserdicht ist. Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt haben keinen Platz in der Bundesrepublik. Das muß die Botschaft sein!

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD)

    Diese Botschaft muß den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt werden. Sie muß überzeugend, sie muß glaubwürdig, sie muß konsequent sein, ohne Wenn und Aber und ohne eine Hintertür für Verharmlosungen.
    Ich bin froh darüber, daß wir heute eine innenpolitische Debatte führen. Die Frage nach dem Bild, das wir im Ausland bieten, oder auch die Sorgen um ausbleibende Investitionen in den neuen Bundesländern sind gewiß wichtig. Aber sind sie nicht letzten Endes zweitrangig? Die wirklich zentralen Fragen lauten doch: Was lassen wir eigentlich in unserem eigenen Land zu?

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Was können wir gegen den latenten und offenkundigen Rassismus tun? Dabei schließt Rassismus Antisemitismus immer ein. Wo liegen die Ursachen, und wie gehen wir mit Konflikten um?
    Es gibt Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Sie sind in meinen Augen, auch im Zusammenhang mit der heutigen Debatte, gravierend. Festzustellen ist allerdings, daß sich das Klima für Ausländer in der ganzen Bundesrepublik in dramatischer Weise verschlechtert hat.

    (Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Leider!)

    Je fremder sie aussehen, desto schlimmer ist es für sie. Die Bekundungen, daß niemand etwas gegen „unsere Ausländer" habe, gegen diejenigen, die bei uns leben und arbeiten, taugen wenig, und den Betroffenen helfen sie gar nichts.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

    Viele haben einfach Angst. Es steht ja nicht auf ihrer Stirn geschrieben, woher sie kommen und wie lange sie schon da sind, ob sie Steuern zahlen oder ob sie Sozialhilfe empfangen.
    Die Beispiele dessen, was sich die „ausländischen Mitbürger" — wie sie so schönfärberisch genannt werden — alltäglich bieten lassen müssen, würde jeden von Ihnen entsetzen.
    Aber in den offiziellen Stellungnahmen von Abscheu und Scham kommen diese Mitbürger fast überhaupt nicht vor. Das vermissen sie sehr. Darauf warten sie, und nicht nur darauf; auch hier, bei diesen Personen, besteht Handlungsbedarf.
    Meine Damen und Herren, ich male Deutschland nicht schwarz. Aber ich halte es für untauglich, wenn man sich selbst auf die Schulter klopft und sich Sand in die Augen streut.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Kolleginnen und Kollegen, Bonn ist nicht Weimar. Darum führt die künstliche Herstellung von Ursachenparallelen — vom Nationalsozialismus zum heutigen Rechtsextremismus — ins Leere. Auch die Paranoia — ich kann das gar nicht mehr anders nennen —, mit der „die Ausländer" heute von vielen zu Sündenböcken gemacht werden — für alle realen oder vermeintlichen Defizite —, spielt sich doch vor einem ganz und gar anderen Hintergrund ab als der Antisemitismus nationalsozialistischer Prägung. Auch wenn die Losungen ähnlich klingen: Es ist etwas ganz anderes.
    Der Verfassungsschutz hat uns wissen lassen, daß es sich bei den Rechtsextremisten um keine wohlorganisierte Gruppe handelt. Das mag stimmen. Aber ich finde es überhaupt nicht beruhigend.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

    Kommandostrukturen, meine Damen und Herren, lassen sich vielleicht eher bekämpfen. Wie aber steht es mit der willkürlich auflodernden Allgegenwärtigkeit des Hasses und des Terrors, in der wir zur Zeit leben?
    Gebenüber diesem eruptiven Aufbrechen der Gewalt, die kaum koordiniert, weitgehend planlos, zeitlos, unberechenbar, aber intensiv und sehr brutal ist, sind die Gegenmaßnahmen hilflos und oft schwerfällig. Es kann jederzeit irgendwo losgehen; und das tut es leider auch.
    Der Rechtsextremismus, den wir zur Zeit erleben, hat tiefliegende Ursachen, und er hatte wohl auch so etwas wie eine politische Inkubationszeit, meine Damen und Herren.
    Damit es gar kein Mißverständnis gibt: Ich entschuldige Gewalt mit keiner Silbe. Erklärung und Entschuldigung dürfen auf keinen Fall miteinander vermischt werden; das muß ganz klar sein. Aber nichts und niemand entbindet uns von der Aufgabe, genau hinzusehen und uns auch einigen schmerzlichen Wahrheiten zu stellen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Da das heute keine Feierstunde ist, sondern eine Parlamentsdebatte, will ich dies auch tun. Parteiraster oder andere liebgewordene Stereotype sind an der Garderobe abzugeben, meine Damen und Herren; sie sind hinderlich.
    Folgende Punkte halte ich für besonders wichtig. Sie scheinen mir nach meinen letzten Besuchen in verschiedenen Städten in den neuen Ländern dringender denn je.



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    Erstens. Wir sollten auch in dieser Hinsicht die rosa Brille „deutsche Einheit" absetzen. Wir müssen die Spannungen sehen, die zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen herrschen und dürfen die zu hohen gegenseitigen Erwartungen nicht verschweigen oder vertuschen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

    Die Bürger in den neuen Bundesländern sind in einem autoritären Regime aufgewachsen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte geschah in der DDR einseitig und zu Lasten Dritter. Konfliktfähigkeit wurde nicht geübt, statt dessen ein Freund-FreindDenken gepflegt. Ostdeutsche und Westdeutsche sind mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Lebensformen konfrontiert. Wir setzen unterschiedliche Prioritäten, haben unterschiedliche Einstellungen, auch im Umgang mit Konkurrenz.
    Vierzig Jahre getrennter Entwicklung, meine Damen und Herren, sind einfach nicht zu leugnen. Das schafft Fremdheit und Enttäuschung auf beiden Seiten, die wir überwinden müssen.
    Zweitens. Moralische Appelle sind in ihrer Wirkung sehr begrenzt. Eigentlich ist das bekannt. Gute Absichten haben oft fatale Wirkungen. Besonders töricht sind die Multikulturapostel, die ins Schwärmen geraten,

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    ganz so, als sei das Zusammenleben mit Fremden ein nicht enden wollendes Straßenfest.
    Besonders unangenehm sind mir aber auch die aggressiven Antirassisten, deren Wortwahl ebenso intolerant ist wie die der Rechtsextremisten. Man muß sich nur einige Slogans auf den Häuserwänden ansehen. Das trägt zur weiteren Polarisierung bei anstatt zur Einsicht, die wir brauchen.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Drittens. Es ist bestürzend, daß insbesondere Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren für fremdenfeindliche Parolen und Aktionen anfällig sind. Ich habe es selbst erlebt — übrigens in Ost- wie in Westdeutschland —, daß der negative Begriff „Neonazi" einfach in etwas Positives, in eine stolze Selbstbezeichnung umgewertet wird. Also Vorsicht mit Etiketten!
    Aus allen Untersuchungen wissen wir, daß Rechtsextremismus seine Ursache auch in fehlender Orientierung hat. Wenn wir diese fehlende Wertorientierung beklagen, dann hat das etwas Heuchlerisches, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Wir setzen die Normen, wir, die Erwachsenen. Wir müssen die Leitbilder sein.
    Übrigens fände ich eine Sondersitzung der Kultusminister ebenso angebracht wie eine Sondersitzung der Innen- und Justizminister.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Viertens. Das vielleicht schwierigste Thema lautet: Wie sieht es mit der Bindungsfähigkeit in unserer Gesellschaft aus? Wo ist das Gemeinsame, wo ist der Kitt, der uns zusammenhält? Gerade wir Liberalen haben die fortschreitende Individualisierung in der Gesellschaft wohl allzu positiv gesehen. Wenn der Preis dafür die Distanz voneinander ist, das Wegfallen von sozialer Verankerung, dann ist mir der Preis zu hoch.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die Tatsache, daß Jugendliche Geborgenheit bei extremen Gruppierungen suchen, statt sie in ihrem normalen Lebensumfeld zu finden, ist ein Trauerspiel, und das hat Folgen. Je mehr wir uns voneinander entfernen, meine Damen und Herren, desto schwieriger wird auch jede Integrationsanstrengung gegenüber Fremden.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD)

    Die Ursachen dieser Entwicklung sind vielschichtig. Unsere Gesellschaft ist unübersichtlich; das ist wahr. Also machen wir uns doch daran, diese Unübersichtlichkeit zu durchdringen; sonst werden immer weitere Konflikte gespeist. Ich rege eine Anhörung des Bundestages zum Phänomen Rechtsextremismus an.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der PDS/ Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Auf diesem Gebiet ist viel geforscht worden; aber wir als handelnde Politiker wissen offenbar zuwenig darüber. Wir sollten eine Generaldebatte darüber beginnen, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen: wir mit uns, wir mit Fremden, wir mit unseren näheren und ferneren Nachbarländern.
    Meine Damen und Herren, das Versteckspiel mit der Wirklichkeit muß ein Ende haben.

    (Beifall im ganzen Hause)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau Jelpke das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulla Jelpke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich dem Kollegen Ganschow zu seinem couragierten Auftreten und seinen klaren Worten an die Adresse vieler Politikerinnen gratulieren. Zugleich aber möchte ich Sie alle bitten, einige Sekunden darüber nachzudenken, wie die Schlagzeile im „Express" gestern gelautet haben würde, hätte z. B. mein Kollege Gregor Gysi oder ein Autonomer zugeschlagen und die Schläge so begründet wie Kollege Ganschow, nämlich daß die Neofaschisten offenbar nur diese Sprache verstehen und daß es nichts nutzt, wenn Politiker durch Asylbewerberheime reisen und Kinderköpfe streicheln.
    Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist sich sicher, daß sämtliche Maßnahmen gegen Asylsuchende auf Zustimmung einer Mehrheit in diesem Lande stoßen werden, sofern sie mit Ausgrenzung und Entrechtung der Flüchtlinge begründet werden. Gegen diesen Rechtsruck, der den Spielraum militanter Rassisten bis auf bisher unvorstellbare Weise



    Ulla Jelpke
    vergrößert hat, hat meine Gruppe dem Parlament heute drei Entschließungsanträge vorgelegt.
    Unserer Meinung nach ist in dieser Situation das Parlament aufgerufen, sich schützend vor Flüchtlinge zu stellen und Rechtsradikalismus und Rassismus entgegenzutreten. Wir brauchen keine neuen Gesetze; wir brauchen statt dessen die kompromißlose Verteidigung bestehender Grundrechte.
    Meine Damen und Herren, in diesen letzten Monaten hat die Bundesregierung gezielt eine scharfe Politik gegen Flüchtlinge und Einwanderinnen betrieben. Ich möchte herausstreichen: Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit vernichtende Zeugnisse erhalten. An sich müßte es eine Katastrophe für eine Regierung sein, wenn sie sich anläßlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes von einer ganzen Reihe von Zeitungen nachsagen lassen muß, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer Politik gegen die Flüchtlinge und dem Hochschnellen der Zahl neofaschistischer Anschläge gibt. Presseorgane wie die „Süddeutsche Zeitung", die „Frankfurter Rundschau" oder die „Berliner Zeitung" haben die Bundesregierung ganz offen für den Terror an Flüchtlingen und Immigrantinnen mitverantwortlich gemacht.
    Ergänzt wird dieser Fakt noch durch die Tatsache, daß es eigentlich auch keinen ernsthaften Streit darüber gibt, daß dieser Staat brandsatzwerfende Neofaschisten mit Glacéhandschuhen anfaßt, während er gegen Demonstrantinnen, die — wie in München anläßlich des Wirtschaftsgipfels geschehen — ihren Protest pfeifend ausdrücken, mit aller Härte vorgeht.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste und der SPD)

    Es ist erschreckend, daß es mittlerweile zu einer einfachen Wahrheit in dieser Gesellschaft geworden ist, daß diese Regierung unwillig ist, gegen die neofaschistischen Banden mit aller Konsequenz vorzugehen. Es wäre doch unvorstellbar, daß z. B. das Bundeskanzleramt tagelang mit Steinen und Brandsätzen angegriffen wird und daß sich dann, irgendwann, vor laufenden Kameras, die Polizei zurückzieht, um den mit Regierungsmitgliedern, Ministerialbeamten vollbesetzten Westflügel den Angreifern als Beute freizugeben — der gesamten Bevölkerung quasi als Lehrstück serviert.
    Aber das eigentlich Erschreckende ist, daß in der Unvorstellbarkeit dieses Gedankens das Wissen steckt, daß das Leben und die Gesundheit eines Flüchtlings oder einer vietnamesischen Arbeiterin im Vergleich zu Leben und Gesundheit von hochdotierten Staatssekretären weniger wert ist. Das zieht sich durch alle Handlungen dieser Regierung.

    (Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Was soll das denn?)

    Der Brandsatz auf die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen machte aller Welt deutlich, welche Geister in
    Hoyerswerda, Rostock und fast überall am Werke sind.

    (Dr. Hartmut Soell [SPD]: Zu den 40 Jahren vorher sagen Sie nichts! Die systematische Erziehung zum Haß!)

    Die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth reagiert auf den Brandanschlag in Sachsenhausen mit folgenden Worten:
    Wer heute die Erinnerungsstätten an die Verbrechen der NS-Zeit schändet, ist morgen auch bereit, Gewalt gegen Menschen anzuwenden.
    Meine Damen und Herren, so oberflächlich, gedankenlos und ritualisiert werden hierzulande die Sonntagsworte gegen Antisemitismus gesprochen. Fünf Wochen, nachdem in Rostock mehr als hundert Menschen rechtsradikalen Mordbrennern hilflos ausgeliefert worden sind, nachdem in sechs Monaten mehr als zehn Menschen aus rassistischen Motiven getötet worden sind, Zigtausende Flüchtlinge mit Brandsätzen angegriffen wurden, ihre Tötung wollend in Kauf genommen wurde, warnt Frau Süssmuth, daß sich die Gewalt morgen vielleicht auch gegen Menschen richten könnte. Ich frage: Was sind dann diese Leute, diese Flüchtlinge gewesen, die angegriffen wurden, die umgebracht wurden?
    Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Bubis, hat es gewagt, die Politik der Bundesregierung angesichts der rassistischen Anschläge in den letzten Monaten zu kritisieren. Statt die Gewalt zu bekämpfen, sagte er, habe sich die Politik auf eine Asyldebatte konzentriert, die nichts bringe, außer daß die Gewalttäter das Gefühl bekämen, ihre Taten brächten die Politiker endlich zum Handeln. Vom Regierungssprecher mußte er sich abkanzeln lassen: Bubis habe „eine etwas eigenartige Vorstellung" von den Möglichkeiten, die eine Bundesregierung habe, ließ ihm eben diese Regierung antworten.
    Diese höchstamtlichen Reaktionen machen überdeutlich, daß Pogrome, Brandflaschen gegen Asylunterkünfte, Messerstechereien, Überfälle an Ausländerinnen in Privatwohnungen — begangen auf der Grundlage eines seit Jahren verharmlosten Nationalismus, Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus — überhaupt nicht als alltägliche massenhafte, akute Gefährdung von Menschenleben begriffen werden.
    Wer glaubt, ein bißchen Rassismus zur Durchsetzung seiner politischen Ziele nutzen zu können, wer zudem glaubt, in Deutschland sei dieses bißchen Rassismus ohne Antisemitismus zu haben, der irrt. Wer in einer sozial so angespannten Situation, wie sie derzeit herrscht, diesen Irrtum zur Grundlage seiner Politik macht, spielt mit dem Feuer. Hinter der völligen Unfähigkeit dieser Bundesregierung zur Selbstkritik muß der Wille vermutet werden, diesen Zusammenhang zu verwischen.
    Deshalb, meine Damen und Herren, heißt das Thema der heutigen Debatte auch nicht mehr — wie ursprünglich vorgesehen — „Rechtsradikalismus und Gewalt", sondern „Extremismus und Gewalt".



    Ulla Jelpke
    Meine Damen und Herren, unter dem Motto „Gegen Extremismus und Gewalt" wird die alte Hitparade der inneren Sicherheit heruntergeleiert. Tatkraft wird demonstriert, und ein wildes Gemisch — vom verschärften Haftrecht bis zum Lauschangriff, vom Aufwärmen der Landfriedensbruchdiskussion bis zum Sondermeldedienst für fremdenfeindliche Straftaten — steht plötzlich im Programm. Nichts davon hätte meiner Meinung nach etwas gegen die Pogrome genutzt. Gefragt war und ist der politische Wille, eindeutig gegen Rechtsradikalismus aufzutreten.
    In merkwürdigem Kontrast zu der jetzigen Hektik steht auch die Auskunft der Bundesregierung, daß sich die nach Hoyerswerda durch die Innenministerkonferenz eingeleiteten Maßnahmen „bewährt haben". So heißt es vieldeutig in einer Antwort auf meine Anfrage zu Rostock.
    Wichtiger Bestandteil des damaligen Maßnahmekatalogs der Innenministerkonferenz war die schnelle Verurteilung der Täterinnen und die Bekanntmachung der Urteile zur Abschreckung. Was das praktisch heißt, möchte ich an einem Beispiel darstellen.
    Am 17. November 1991 marschierten in Halbe in Brandenburg etwa 1 000 Neonazis auf. Völlig ungehindert von Polizei, Staats- und Verfassungsschutz konnten sie ihre Huldigungen an die Waffen-SS feiern, gegen das Uniformverbot verstoßen und den „Heil Hitler"-Gruß rufen. Ich stellte deshalb einen Strafantrag und eine Dienstaufsichtsbeschwerde Anfang Dezember 1991. Heute, nach fast einem Jahr, ist der Stand des Verfahrens immer noch nicht bekannt.
    Neue Gesetze würden derartige Verfahren gewiß nicht beschleunigen. Dasselbe gilt für Festnahmen, Untersuchungshaft, Landfriedensbruch usw. All die Vorhaben haben mit dem Anwachsen rassistischer Gewalt nichts zu tun. Gesetze und Polizei mit den entsprechenden Befugnissen gibt es mehr als genug.
    Seit Beginn der 80er Jahre sind einschlägige Untersuchungen über die Verbreitung rechtsextremistischer Weltbilder, antisemitischer und rassistischer Grundpositionen bekannt. Die Sinus-Studie von 1980/81 beispielsweise ermittelte bei 54,4 % der CDU/CSU-Wählerinnen rechtsextremistisch ausrichtbare Einstellungen. 1982 ergab eine andere Studie, daß bei 20 % der Bevölkerung ausgeprägte antisemitische Vorurteile vorhanden sind; bei weiteren 30 % sei Antisemitismus in Latenz vorhanden. 1984 ergab eine Studie des Innenministeriums, daß 80 % der Bevölkerung der Meinung sind, in der Bundesrepublik lebten zu viele Ausländer. Auf dieses Potential hat die Regierung mit ihrer Politik gesetzt und damit den Spielraum für die Neofaschisten vergrößert.
    Die jetzt inszenierte Kampagne gegen rechtsextremistische Gewalt mit Strafverschärfung und Abbau demokratischer Rechte unterstreicht, daß die Regierung an ihrer Politik der Ausgrenzung und Abschottung weiterhin festhält. Gestärkt wurde sie darin leider auch durch die neue Beweglichkeit der SPD.
    Eine Offensive gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, wie sie in den letzten Tagen Gott sei Dank verstärkt gefordert worden ist, wird sich gegen die
    Grundlinien der Regierungspolitik richten müssen. Die Unterstützung der Anträge, die meine Gruppe hier heute eingebracht hat, könnte ein kleiner Anfang sein.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)