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    Plenarprotokoll 12/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. September 1992 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Aktuelle Entwicklung in der Europapolitik Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 9217B Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . . . . . 9221 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . 9224 C Peter Conradi SPD . . . . . . . . . . 9225 D Peter Kittelmann CDU/CSU . . . . . . . 9226 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 9228A Ingrid Matthäus-Maier SPD. . . . 9228B, 9242 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 9230 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 9232 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 9235 A Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . 9236B Dr. Theodor Waigel CDU/CSU . 9236 C Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . 9238 C Dr. Thomas Goppel, Staatsminister des Frei- staates Bayern . . . . . . . . . . . . 9240 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . 9242 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 9244 D Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . 9246 B Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . . . . 9247 B Michael Stübgen CDU/CSU 9248 B Ortwin Lowack fraktionslos . . . . . . 9250B Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Andres, Dr. Ulrich Böhme (Unna), Hans Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schaffung eines Arbeitsschutzgesetzbuches (Drucksache 12/2412) Manfred Reimann SPD 9251 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . 9254 A Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . . . . 9255 C Dr. Gisela Babel F.D.P. . . . . . . . . 9257 A Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 9258 C Ottmar Schreiner SPD 9261 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . 9263 C Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . 9265 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Antifaschistische und antirassistische Aufklärungskampagne (Drucksachen 12/1193, 12/3268, 12/3292) Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 9266 A Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI , 9267 A Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 9267 D Uwe Lambinus SPD 9268 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 9269 A Wolfgang Lüder F.D.P. 9269 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 9270 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9271* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. September 1992 9217 108. Sitzung Bonn, den 25. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 25. 09. 92 Andres, Gerd SPD 25. 09. 92 Antretter, Robert SPD 25. 09. 92* Bayha, Richard CDU/CSU 25. 09. 92 Blank, Renate CDU/CSU 25. 09. 92 Bleser, Peter CDU/CSU 25. 09. 92 Brandt, Willy SPD 25. 09. 92 Bredehorn, Günther F.D.P. 25. 09. 92 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. von Büllow, Andreas SPD 25. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 25. 09. 92 Herta Deß, Albert CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Eckardt, Peter SPD 25. 09. 92 Eichhorn, Maria CDU/CSU 25. 09. 92 Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 25. 09. 92 Eylmann, Horst CDU/CSU 25. 09. 92 Formanski, Norbert SPD 25. 09. 92 Gallus, Georg F.D.P. 25. 09. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 25. 09. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. von Geldern, CDU/CSU 25. 09. 92 Wolfgang Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 25. 09. 92 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Großmann, Achim SPD 25. 09. 92 Harries, Klaus CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 25. 09. 92 Hauser CDU/CSU 25.09.92 (Rednitzhembach), Hansgeorg Hollerith, Josef CDU/CSU 25. 09. 92 Ibrügger, Lothar SPD 25. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 25. 09. 92 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 25. 09. 92 Kampeter, Steffen CDU/CSU 25. 09. 92 Keller, Peter CDU/CSU 25. 09. 92 Klein (München), Hans CDU/CSU 25. 09. 92 Kolbe, Regina SPD 25. 09. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 25. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 25. 09. 92 Leidinger, Robert SPD 25. 09. 92 Lennartz, Klaus SPD 25. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 25. 09. 92 Elke Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 25. 09. 92 Klaus W. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lühr, Uwe F.D.P. 25. 09. 92 Magin, Theo CDU/CSU 25. 09. 92 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Mescke, Hedda CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Modrow, Hans PDS/LL 25. 09. 92 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 25. 09. 92 Neumann (Gotha), SPD 25. 09. 92 Gerhard Oesinghaus, Günther SPD 25. 09. 92 Oostergetelo, Jan SPD 25. 09. 92 Ostertag, Adolf SPD 25. 09. 92 Paintner, Johann F.D.P. 25. 09. 92 Peters, Lisa F.D.P. 25. 09. 92 Pfeffermann, Gerhard O. CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 25. 09. 92 Raidel, Hans CDU/CSU 25. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92* Rempe, Walter SPD 25. 09. 92 Rennebach, Renate SPD 25. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 25. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 25. 09. 92 Helmut Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 25. 09. 92 Scheu, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 25. 09. 92 Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 25. 09. 92 Cornelia Schmidt (Nürnberg), SPD 25. 09. 92 Renate Dr. Schmude, Jürgen SPD 25. 09. 92 Dr. Schneider CDU/CSU 25. 09. 92 (Nürnberg), Oscar Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 25. 09. 92 Andreas Dr. Soell, Hartmut SPD 25. 09. 92** Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92 Terborg, Margitta SPD 25. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 25. 09. 92 Titze, Uta SPD 25. 09. 92 Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 25. 09. 92 Hans-Peter Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 25. 09. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 25. 09. 92 Weißgerber, Gunter SPD 25. 09. 92 Welt, Jochen SPD 25. 09. 92 Wissmann, Matthias CDU/CSU 25. 09. 92 Wohlleben, Verena SPD 25. 09. 92 Ingeburg Zierer, Benno CDU/CSU 25. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Hans-Joachim Fuchtel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zum Kollegen Manfred Reimann bin ich der Meinung, daß die Koalition und die Opposition bezüglich der Bewertung und der Einordnung des Arbeitsschutzes gar nicht so weit auseinanderliegen. Sie formulieren das Wünschenswerte und noch etwas darüber hinaus; das ist auch die Aufgabe einer Opposition. Wir realisieren das Machbare; das ist die Aufgabe der Koalition.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wünschen etwas mehr Planung und damit auch etwas Bürokratie. Das liegt im Wesen der Sozialdemokraten. Wir machen es etwas weniger planerisch und dafür mittelstandsfreundlicher. Das ist eben die Stärke dieser Koalition.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für den Arbeitnehmer ist es im übrigen zweitrangig, ob alles in einem schönen Buch zusammengeschrieben ist. Es kommt nur darauf an, daß es in der Praxis auch wirkt, und dafür wollen wir sorgen.
    Niemand kann behaupten, daß sich in Deutschland in den letzten Jahren nichts getan hat. Ich nenne nur die Gefahrstoffverordnung, das Chemikaliengesetz, das Gerätesicherheitsgesetz und die Ratifikation der internationalen Abkommen. Deutschland gehört in der Zwischenzeit unter den 154 Mitgliedstaaten der IAO zur Spitzengruppe der 15 Staaten, die die meisten Ratifikationen vorgenommen haben. 90 % der Staaten haben weniger Übereinkommen unterschrieben. Das Spezielle in Deutschland ist auch noch, daß hier die unterschriebenen Abkommen tatsächlich umgesetzt werden.
    Manche versuchen trotzdem, den deutschen Arbeitsschutz mit Hinweis auf Statistiken herunterzureden. Vergleiche in Europa hinken deswegen, weil es keinen einheitlichen Begriff des Arbeitsunfalls in der EG gibt. So schlecht kann es auch gar nicht sein. Sonst hätten wir in den letzten Jahren hier im Bundestag nicht immer wieder über Entschließungen debattiert, wo es uns darauf ankam, daß der hohe deutsche Standard bei einer europäischen Norm nicht abgesenkt wird. Im übrigen ist die Zahl der meldepflichtigen Unfälle bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften zwischen 1970 und 1990 immerhin um 679 000 gesunken, und das bei einer Zunahme der Zahl der Berufstätigen.
    Hier wird in der Praxis sehr viel geleistet. Ich meine, es steht uns Politikern sehr gut an, wenn wir den Beteiligten dafür dankbar sind.
    Warum kommen so viele Ausländer und wollen vom deutschen Arbeitsschutz etwas lernen? Wenn schon so viele Ausländer kommen und unser hohes Niveau als vorbildlich einschätzen, warum sind manche in Deutschland dann selbst so pessimistisch? Gerade die Gewerkschaften sollten auf das Erreichte stolz sein, denn sie haben es schließlich mitgeschaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Ottmar Schreiner [SPD]: War das richtig: Die Asylbewerber kommen wegen des Arbeitsschutzes?)

    Trotzdem sind natürlich Verbesserungen denkbar. Wir wollen auch eine weitere Entwicklung des Arbeitsschutzrechts. Wir wollen das vor allem im gesamten Europa. Denn es kann nicht akzeptiert werden, daß die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Rükken der Arbeitnehmer — egal, ob in Deutschland, in Italien oder sonstwo in der EG — ausgetragen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist das Verdienst der deutschen Bundesregierung, daß sie 1988 die soziale Dimension in Europa eingebracht hat. Daraus ist die Europäische Sozialcharta entstanden. Dies führt zu der Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz, vor deren Umsetzung in nationales Recht wir im Augenblick stehen. Da frage ich: Sollen wir ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mit der Entwicklung eines neuen Arbeitsschutzgesetzbuches beginnen,

    (Dr. Ulrich Böhme [Unna] [SPD]: Ja, genau!)

    oder wollen wir nicht besser erst einmal die inhaltlichen Entwicklungen zum Abschluß bringen, um dann das Ganze neu zu kodifizieren?

    (Manfred Reimann [SPD]: Nochmals zehn Jahre warten?)

    Heute sagt uns die Opposition — diese. Erfahrung machen wir mit Ihnen —, daß wir ein neues Gesetzbuch machen sollen. Morgen hält uns die gleiche Opposition vor, daß wir die europäischen Richtlinien nicht rechtzeitig umgesetzt haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da kann die CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Regierung nur empfehlen, den Kurs zu halten. Dieser Kurs heißt: zunächst das breit angelegte Arbeitsschutzrahmengesetz — wobei mit der Novelle zum Gerätesicherheitsgesetz bereits ein wichtiger Aspekt verwirklicht ist —, dann ein neues Arbeitszeitgesetz, Beibehaltung der Spezialgesetze wie Chemikaliengesetz oder Gefahrstoffverordnung. Wir wissen alle:



    Hans-Joachim Fuchtel
    Arbeitsschutz ist ein Gebot der Humanität und der wirtschaftlichen Vernunft. In erster Linie geht es um den Menschen. Hinter den nüchternen Zahlen verbergen sich Schicksale und menschliches Leid, das soweit wie möglich verhindert werden muß.
    Am besten geschieht das durch Maßnahmen der Prävention. Hier sind wir uns einig: Der präventive Gedanke muß im künftigen Arbeitsschutzbegriff stärker verankert sein. Denn er ist der Schlüssel für die Verwirklichung eines Arbeitsschutzes, der bewußt auf den sozialen Aspekt der Marktwirtschaft abhebt.
    Im neuen Arbeitsschutzrahmengesetz muß Arbeitsschutz daher alle Maßnahmen zur Abwehr arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren und zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit umfassen und gibt damit eine Definition dessen, was geschehen muß. Ich denke, daß wir wenigstens von der Tendenz her hier ähnlich denken.
    Die Aufgabe besteht darin, vernünftige und praktische Abgrenzungen zu finden. Wir brauchen nicht allzuviel Kleingedrucktes, aber wir brauchen die Motivation vor Ort, um einen wirksamen Arbeitsschutz durchzuführen. Man kann nicht alles zur Chefsache machen. Aber die Qualität der betrieblichen Verantwortung wird sehr wohl auch am Dialog zwischen allen Beteiligten in der Firma sichtbar. Dazu gehört zweierlei: erstens die konsequente Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ermittlung und Bewertung von Gefahrensituationen und die Durchführung der erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen und zweitens eine klare Aussage zu den Rechten und Pflichten des einzelnen Arbeitnehmers im Blick auf sein Gesundheitsinteresse.
    Für unsere Betriebe ist es aber auch sehr wichtig, daß Behörden und Institutionen ihre Besuche koordinieren und daß die Zahl dieser Besuche begrenzt ist. Wenn an einem Tag die Berufsgenossenschaft kommt und am nächsten Tag die Gewerbeaufsicht zum gleichen Problem, haben wir die Fälle der Verärgerung, die sicher nicht zur Kooperation beitragen. Deswegen werden wir alle Vorschriften auf das Ziel einer verbesserten Kooperation und Koordination im Arbeitsschutz überprüfen müssen. Das ist im Antrag der SPD weniger enthalten, dafür ist ihr Wunschkatalog natürlich noch etwas länger.
    Es ist nicht unsere Absicht, den Betrieben Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung vorzuschreiben. Sie verlangen von Beamten doch auch nicht, daß sie Sturzhelme zum Schutz gegen herunterfallende Aktenordner tragen.

    (Ottmar Schreiner [SPD]: War das ein Witzversuch?)

    Wir können auch nicht erkennen, wieso das gut funktionierende Arbeitsschutzwesen weiterer Beiräte bedarf. Die Leute sollen ihrer Verantwortung im Betrieb gerecht werden. Heute braucht alles Beiräte, und niemand denkt daran, welche Ressourcen das alles in Anspruch nimmt, die an anderer Stelle fehlen.
    Ich fasse zusammen: Wir werden das Niveau des Arbeitsschutzes weiterentwickeln, konsequent und zügig, national und europäisch, wobei den Belangen
    sowohl der einzelnen Arbeitnehmer als auch der Volkswirtschaft Rechnung getragen wird. Mit dem Arbeitsschutzrahmengesetz wird die Koalition nach den erfolglosen Versuchen zur Schaffung eines solchen Gesetzes in den Jahren 1928, 1959 und 1981 erstmals eine umfassende Grundlage schaffen. Wir werden uns davon nicht durch eine langatmige Diskussion über ein später einmal sicher sinnvolles Arbeitsschutzgesetzbuch abhalten lassen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Jetzt hat unsere Kollegin Petra Bläss das Wort.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt immer mehr Menschen in der Bundesrepublik, die krank werden, weil ihnen ihre Arbeit fehlt, weil sie sich nutzlos und ausgegrenzt fühlen. Doch das Paradoxe ist, daß auch die Zahl derjenigen wächst, die trotz eines relativ gesicherten Arbeitsplatzes gesundheitliche Probleme haben, ihre Arbeitsumwelt als Belastung empfinden und oft vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen. Also auch Arbeit macht krank.
    Der DGB geht davon aus, daß gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen Hauptursache für Krankenstand, Schwerbehinderung, Frühinvalidität und Frühsterblichkeit sind. Schätzungen zufolge sterben jährlich 200 000 Menschen an den langfristigen Folgen einer krankmachenden Arbeitsumwelt. Seit langem ist bekannt, daß etwa zwei Drittel der Beschäftigten im gewerblichen Bereich wegen Erwerbsunfähigkeit, Frühverrentung oder Tod das Rentenalter nicht erreichen.
    Die Gesundheitsrisiken im Arbeitsleben sind größer geworden, sie haben sich qualitativ verändert, und sie treten als Mehrfachbelastungen auf. Zusammengenommen hat das in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme arbeitsbedingter Erkrankungen bewirkt. 1990 haben sie mit fast 58 000 Anzeigen einen vorläufigen Höchststand erreicht. Zugenommen haben vor allem psychische Erkrankungen und Gesundheitsschäden an Bindegewebe, Muskeln und Skelett. Allein 58 % der Frühverrentungen gehen heute auf derartige Erkrankungen zurück. Frauen sind dabei überdurchschnittlich stark betroffen.
    Zusammengenommen haben aber auch Hauterkrankungen und Erkrankungen des Nervensystems und der Sinnesorgane durch Lärmbelästigungen, Stäube, Gifte und ähnliches. Obwohl empirische Untersuchungen und arbeitsmedizinische Forschung den Zusammenhang arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren und tatsächliche Erkrankung immer besser nachweisen können, gibt es in der BRD die erschrekkende Tendenz, daß trotz erhöhter Anzeigen die Anerkennung von Berufskrankheiten und ihre Entschädigung weiter rückläufig ist. 1990 wurden nur noch 7,9 % aller angemeldeten arbeitsbedingten Krankheiten auch wirklich entschädigt.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Wie sah das in Bitterfeld aus? — Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Und Wismut AG!)




    Petra Bläss
    Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die äußerst starre Anerkennungspraxis in der Bundesrepublik, der zufolge Tausende Beschäftigte trotz schwerer Exposition gegenüber krankmachenden Arbeitsbedingungen an ihrem Arbeitsplatz aushalten müssen.
    Mit dieser bedrückenden Situation sind jetzt auch die Beschäftigten in den neuen Bundesländern konfrontiert — und dies unter dem ohnehin riesigen Druck des drohenden Arbeitsplatzverlustes.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist unglaublicher Unsinn, was Sie da reden! — Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das ist wirklich toll!)

    — Ich denke, über Arbeitsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik muß man eine sehr kritische Diskussion führen, aber diese ist heute im Bundestag nicht angesagt. Es liegt ein Antrag der SPD zum Arbeitsschutz in der Bundesrepublik Deutschland vor.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Eduard Oswald [CDU/CSU]: Unglaublich solch ein Unsinn!)

    Anders als etwa in Dänemark gibt es in der BRD keine Bewertungskriterien zur Erfassung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, sonst sähe die Bilanz arbeitsbedingter Erkrankungen vermutlich noch bedrohlicher aus.

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Es ist schade, daß man sich das anhören muß!)

    — Sie können j a hinausgehen, wenn Sie nicht zuhören wollen.
    Das Ausmaß von im Arbeitsumfeld erworbenen chronischen oder tödlich ausgehenden Gesundheitsschäden kann so lange kaschiert werden, wie es keine Institution gibt, wo zentral und systematisch arbeitsbedingte Gesundheitsrisiken erfaßt, dokumentiert und ausgewertet werden. Das ist für mich kein falscher Zentralismus.
    Zur Verschleierung trägt auch der enggefaßte Berufskrankheitenkatalog bei, wie er bis heute in der BRD existiert, und schließlich der Umstand, daß bei bestehenden Arbeitsschutzregelungen ganze Bereiche der Arbeitswelt gar nicht erfaßt werden, so der öffentliche Dienst und die Landwirtschaft. Gerade was den öffentlichen Dienst betrifft, ist dies absolut unzeitgemäß: Durch die technologische Entwicklung — Laserdrucker, Bildschirmarbeit usw. — haben gerade hier die arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken enorm zugenommen.
    Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf für die Neuordnung des Arbeitsschutzes ist riesengroß. Daß die Bundesregierung offensichtlich erst internationalen Druck braucht, um sich hier zu rühren, ist wirklich verantwortungslos. Statt den seit langem angekündigten Gesetzentwurf endlich auf den Tisch zu legen, beglückt uns Bundesarbeitsminister Blüm mit einer neuen Arbeitszeitordnung, die mit der Festschreibung des Zehn-Stunden-Tages allen Gesundheitsschutzüberlegungen ins Gesicht schlägt.
    Frau Ministerin Merkel freut sich im Frauenausschuß über die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots für Arbeiterinnen, wohl wissend, daß gerade Nacht-
    und Schichtarbeit zu einem der gravierendsten arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken gerechnet wird — natürlich nicht nur bei Frauen, aber bei ihnen besonders. Ich hätte mir entsprechend der Querschnittsaufgabe des Frauenministeriums gewünscht, daß von dort Druck wenigstens zur Aktualisierung und zur zeitgemäßen Gestaltung des Frauenarbeitsschutzes entwickelt wird.
    Meine Damen und Herren, mindestens Art. 30 des Einigungsvertrages hätte ausreichend Anlaß geboten, die Neuregelung des Arbeitsschutzes in Angriff zu nehmen, und die Aufforderung, den — ich zitiere — „Arbeitsschutz in Übereinstimmung mit dem Recht der EG und dem damit konformen Teil des Arbeitsschutzrechts der ehemaligen DDR zeitgemäß (...) zu regeln", hätte zudem dafür wichtige Impulse liefern können.
    Im alten DDR-Arbeitsschutzrecht — die Praxis, das betone ich durchaus, mag davon weit entfernt gewesen sein — war neben einem umfassenden Gesundheitsziel auch die Pflicht zur Prävention und Gesundheitsförderung festgeschrieben. Auch der Berufskrankheitenkatalog konnte sich sehen lassen. Neue Volksseuchen wie die Erkrankungen von Stütz- und Bewegungsapparaten waren darin ebenso aufgeführt wie krankmachende chemische, physikalische und biologische Risikofaktoren.
    Ein Hauptproblem der gegenwärtigen Arbeitsschutzregelungen besteht nicht nur in dem defizitären Regelungsbereich, sondern vor allem darin, daß ganz unterschiedliche Zuständigkeits- und Verantwortungsebenen bestehen. Für die Betroffenen ist dieses Gewirr kaum zu durchschauen, geschweige denn handhabbar. Notwendig erscheint es mir — wie es auch im Antrag der SPD gefordert wird —, ein einheitliches Gesetz zu schaffen mit dem Ziel, Prävention, Gesundheitsförderung und Abbau gesundheitsgefährdender Stoffe im Arbeitsumfeld umfassend zu regeln und sich nicht nur an europäischen Mindeststandards zu orientieren, wie die Bundesregierung das zu beabsichtigen scheint. Im Zentrum müßte dabei die Reform der Berufskrankheitenregelung stehen.
    Aber auch der Frauenarbeitsschutz hat dringenden Reformbedarf. Insbesondere seine ein Jahrhundert alten Schutzkriterien bedürfen einer Aktualisierung entsprechend technologischer und sozialer Entwicklung.
    Die Aufsichtskompetenz über den Vollzug von Arbeitsschutzregelungen müßte grundsätzlich beim Gesetzgeber liegen, der die dafür erforderlichen Institutionen entsprechend großzügig auszustatten hätte. Diese Bereiche sollten mit der eindeutigen Aufgabenstellung „Prävention und Arbeitsschutz" ausgebaut werden. Gemeinsam mit den Berufsgenossenschaften ist eine entsprechende Aufsichts- und Kontrollkompetenz einzuräumen. Gleichzeitig halte ich es für unabdingbar, daß Entscheidungen über Arbeitsschutzmaßnahmen auch im Mitbestimmungsrecht betrieblicher Interessenvertretungen festgeschrieben werden.



    Petra Bläss Ich danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD)