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ID1210805200

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    Plenarprotokoll 12/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. September 1992 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Aktuelle Entwicklung in der Europapolitik Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 9217B Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . . . . . 9221 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . 9224 C Peter Conradi SPD . . . . . . . . . . 9225 D Peter Kittelmann CDU/CSU . . . . . . . 9226 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 9228A Ingrid Matthäus-Maier SPD. . . . 9228B, 9242 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 9230 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 9232 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 9235 A Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . 9236B Dr. Theodor Waigel CDU/CSU . 9236 C Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . 9238 C Dr. Thomas Goppel, Staatsminister des Frei- staates Bayern . . . . . . . . . . . . 9240 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . 9242 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 9244 D Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . 9246 B Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . . . . 9247 B Michael Stübgen CDU/CSU 9248 B Ortwin Lowack fraktionslos . . . . . . 9250B Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Andres, Dr. Ulrich Böhme (Unna), Hans Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schaffung eines Arbeitsschutzgesetzbuches (Drucksache 12/2412) Manfred Reimann SPD 9251 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . 9254 A Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . . . . 9255 C Dr. Gisela Babel F.D.P. . . . . . . . . 9257 A Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 9258 C Ottmar Schreiner SPD 9261 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . 9263 C Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . 9265 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Antifaschistische und antirassistische Aufklärungskampagne (Drucksachen 12/1193, 12/3268, 12/3292) Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 9266 A Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI , 9267 A Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 9267 D Uwe Lambinus SPD 9268 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 9269 A Wolfgang Lüder F.D.P. 9269 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 9270 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9271* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. September 1992 9217 108. Sitzung Bonn, den 25. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 25. 09. 92 Andres, Gerd SPD 25. 09. 92 Antretter, Robert SPD 25. 09. 92* Bayha, Richard CDU/CSU 25. 09. 92 Blank, Renate CDU/CSU 25. 09. 92 Bleser, Peter CDU/CSU 25. 09. 92 Brandt, Willy SPD 25. 09. 92 Bredehorn, Günther F.D.P. 25. 09. 92 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. von Büllow, Andreas SPD 25. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 25. 09. 92 Herta Deß, Albert CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Eckardt, Peter SPD 25. 09. 92 Eichhorn, Maria CDU/CSU 25. 09. 92 Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 25. 09. 92 Eylmann, Horst CDU/CSU 25. 09. 92 Formanski, Norbert SPD 25. 09. 92 Gallus, Georg F.D.P. 25. 09. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 25. 09. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. von Geldern, CDU/CSU 25. 09. 92 Wolfgang Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 25. 09. 92 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Großmann, Achim SPD 25. 09. 92 Harries, Klaus CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 25. 09. 92 Hauser CDU/CSU 25.09.92 (Rednitzhembach), Hansgeorg Hollerith, Josef CDU/CSU 25. 09. 92 Ibrügger, Lothar SPD 25. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 25. 09. 92 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 25. 09. 92 Kampeter, Steffen CDU/CSU 25. 09. 92 Keller, Peter CDU/CSU 25. 09. 92 Klein (München), Hans CDU/CSU 25. 09. 92 Kolbe, Regina SPD 25. 09. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 25. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 25. 09. 92 Leidinger, Robert SPD 25. 09. 92 Lennartz, Klaus SPD 25. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 25. 09. 92 Elke Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 25. 09. 92 Klaus W. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lühr, Uwe F.D.P. 25. 09. 92 Magin, Theo CDU/CSU 25. 09. 92 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Mescke, Hedda CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Modrow, Hans PDS/LL 25. 09. 92 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 25. 09. 92 Neumann (Gotha), SPD 25. 09. 92 Gerhard Oesinghaus, Günther SPD 25. 09. 92 Oostergetelo, Jan SPD 25. 09. 92 Ostertag, Adolf SPD 25. 09. 92 Paintner, Johann F.D.P. 25. 09. 92 Peters, Lisa F.D.P. 25. 09. 92 Pfeffermann, Gerhard O. CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 25. 09. 92 Raidel, Hans CDU/CSU 25. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92* Rempe, Walter SPD 25. 09. 92 Rennebach, Renate SPD 25. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 25. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 25. 09. 92 Helmut Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 25. 09. 92 Scheu, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 25. 09. 92 Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 25. 09. 92 Cornelia Schmidt (Nürnberg), SPD 25. 09. 92 Renate Dr. Schmude, Jürgen SPD 25. 09. 92 Dr. Schneider CDU/CSU 25. 09. 92 (Nürnberg), Oscar Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 25. 09. 92 Andreas Dr. Soell, Hartmut SPD 25. 09. 92** Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92 Terborg, Margitta SPD 25. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 25. 09. 92 Titze, Uta SPD 25. 09. 92 Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 25. 09. 92 Hans-Peter Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 25. 09. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 25. 09. 92 Weißgerber, Gunter SPD 25. 09. 92 Welt, Jochen SPD 25. 09. 92 Wissmann, Matthias CDU/CSU 25. 09. 92 Wohlleben, Verena SPD 25. 09. 92 Ingeburg Zierer, Benno CDU/CSU 25. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das französische „Ja" zur Ratifizierung erlaubt es, den Maastricht-Prozeß fortzusetzen. Ich sage ausdrücklich den Prozeß. Das ist zu



    Dr. Norbert Wieczorek
    begrüßen. Es hat aber auch deutlich gemacht, daß das dänische „Nein" kein Zufallsergebnis war und daß das Motto, das danach ausgegeben wurde „Augen zu und durch", wahrscheinlich falsch war.
    Wenn ein Mann wie Jacques Delors, wie am Mittwoch gegenüber dem Europa-Ausschuß, seine tiefe Besorgnis über die Krise in der EG zum Ausdruck gebracht hat, ist das ernst zu nehmen. Es ist wohl auch kein Zufall, daß der Kanzler und Präsident Mitterrand jetzt von einem „Interpretationspapier zum Vertrag" sprechen. Wenn ein Sondergipfel ansteht, ist wohl auch klargeworden, daß die Kritik am Vertrag nicht unberechtigt ist. Die Krise mag insofern nützlich sein, wenn sie offenkundige Schwächen in der Demokratieentwicklung der EG, in der Transparenz der Entscheidungsprozesse, in der Entbürokratisierung und Dezentralisierung und bei einzelnen Regelungen zu beseitigen hilft. Weitere Integration ist im Interesse der Wirtschaft, der Friedenssicherung und der Selbstbehauptung Europas notwendig. Sie wird aber gefährdet, wenn legitime Kritik nicht aufgenommen wird. Dies ist die Lehre sowohl aus dem dänischen wie aus dem franzöischen Referendum.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Lehre muß gezogen werden, wenn wir das rechtlich klare Nein in Dänemark, das den Vertrag eigentlich erst einmal nicht existent gemacht hat, überwinden wollen. Das gilt erst recht auch für die sehr kritische Situation hinsichtlich der Ratifizierung in Großbritannien. Sie wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Hier muß man die Kritik aufnehmen.
    Ich glaube nicht, daß das allein mit Aufklärung getan ist. Das mag notwendig sein, da stimme ich zu. Aber es ist bemerkenswert, daß in Frankreich jeder Bürger diesen Vertrag zugesandt bekam und anschließend in den Umfragen das Nein-Votum stieg. In Dänemark sind ebenfalls 500 000 Exemplare verteilt worden. Da mag es auch einen Zusammenhang geben.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich meine das nicht ganz so spöttisch, wie ich es gesagt habe. Ich glaube nämlich, daß es vielmehr daran liegt, Kollege Faltlhauser, daß wir in einer Zeit wirtschaftlicher Schwäche nicht nur in Europa, sondern auch in Japan und in den USA den bisherigen wirtschaftlichen und politischen Prozeß nicht so fortsetzen können wie bisher.
    Der Bürger, der gewohnt war, Integration mit Wohlstandsmehrung zu verbinden, erlebt diese zur Zeit nicht. Die ersten konkreten Auswirkungen des Binnenmarktes sind für ihn — ob er nun recht hat oder nicht, ist unerheblich, es kommt auf sein Empfinden an — eher negativ: die Mehrwertsteuererhöhung von Herrn Waigel, die Diskussion in den Betrieben über Arbeitsplatzverlagerungen nach Südeuropa, die hohen Zinsen mit ihren negativen Beschäftigungswirkungen. Er steht daher aus diesen materiellen Gründen der Wirtschafts- und Währungsunion skeptisch gegenüber.
    Es ist auch die Asymmetrie des Maastrichter Vertrages im wirtschafts- und währungspolitischen Teil, die für mich im Vordergrund steht. Diese Asymmetrie
    besteht darin, daß für den geldwirtschaftlichen Teil per saldo gute Regelungen gefunden sind, daß aber das, was die Lebensinteressen der Bürger berührt, nämlich Arbeitsplätze und ökonomische Sicherheit, im Vertrag nicht direkt zu finden ist, sondern eigentlich nur über die abstrakten Formulierungen zur Währungsunion vermittelt wird, da allerdings mit einem Inhalt, der erst einmal wachstumsdämpfende Wirkungen hat, sonst ist Konvergenz in den Inflationsländern nicht möglich. Das muß man klar sehen.
    Es ist richtig, daß bei der gegebenen wirtschaftlichen Integration in der EG, aber auch bei der weltwirtschaftlichen Verflechtung nationale Wirtschaftspolitik ihre Grenzen erreicht hat. Der Vertrag bleibt aber recht vage, wenn es darum geht, z. B. eine koordinierte Beschäftigungspolitik zu betreiben. Zu Recht ist das nicht an Brüssel überwiesen worden. Das sehe ich auch so. Nur, die Koordinierung in dieser Politik ist sehr vage beschrieben, aber sie ist notwendig. Der Bürger muß sich daher fragen, was ihm der Vertrag bringt. Denn Währungspolitik ist für ihn schlechthin abstrakt, auch wenn die D-Mark in der Bundesrepublik Teil unserer Identität ist. Der Währungspolitiker kritisiert diese Asymmetrie zwischen Währungs- und Wirtschaftsunion unter dem Gesichtspunkt der Währungspolitik. Der Bürger aber sieht sein Sicherheitsbedürfnis, seine Zukunftsaussichten nicht hinreichend berücksichtigt. Ich glaube daher, daß der Maastricht-Prozeß politisch besser abgesichert werden muß. Das gilt nicht nur für die angesprochene Wirtschaftspolitik, sondern auch für die Bereiche Außen- und Verteidigungspolitik und andere politische Bereiche. Die Zeit, in der sich unter dem Druck des Ost-West-Verhältnisses die politische Übereinstimmung in weiten Bereichen relativ einfach erreichen ließ, ist vorbei.

    (Beifall bei der SPD)

    Die weitere Integration muß damit nach meiner tiefen Überzeugung im politischen Bereich ansetzen und kann nicht nur über die Wirtschaftspolitik vorangetrieben werden.
    Wenn jetzt Anlaß und Möglichkeit besteht, auf verschiedenen Wegen nachzubessern — darüber darf ja jetzt geredet werden, ohne daß man verdächtigt wird, man wolle den Vertrag in die Luft sprengen —, dann ist das für die Interpretation der Vertragsabsichten, für seine Durchführung, aber auch für seine Akzeptanz gut.
    Wir haben in den letzten Wochen ein weiteres Problem erlebt, nämlich, daß ein Teil bestehender Integration plötzlich stark gefährdet ist. Ich meine das, was wir im EWS erlebt haben. Das EWS ist in die Krise gekommen, weil sich die Volkswirtschaften der Partnerländer realwirtschaftlich auseinanderentwickelt haben, aber aus politischen Prestigegründen die im Währungssystem vorgesehenen Wechselkursanpassungen nicht durchgeführt haben. Ein Punkt, den übrigens die Bundesbank seit Jahren kritisiert.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das Prestigedenken, wie auch immer es motiviert war, ist wirtschaftlich und politisch teuer geworden. Der Versuch einiger Partnerländer, ihre Währungen



    Dr. Norbert Wieczorek
    trotz ihrer inneren wirtschaftlichen Schwächen zu halten, ist gescheitert. Mit dem Nein der Dänen haben die Märkte gemerkt, daß sie diese Schwäche ausnutzen können. Deswegen beschimpfe ich nicht die Spekulanten. Sie haben ihre Rolle gespielt, sie haben diese Schwächen schonungslos offengelegt — ich glaube, das muß man deutlich sagen —, sie haben als Korrektiv gewirkt. Es hat sich aber auch exemplarisch gezeigt, daß Währungspolitik allein wirtschaftliche Differenzen im realwirtschaftlichen Bereich nicht beheben kann und daß, wenn die Krise offenbar wird, im Gegenteil die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit um so mehr gefährdet wird. Das ist die gegenwärtige Lehre aus der Situation des Europäischen Währungssystems, auch für Maastricht und die geplante Währungsunion.
    Ich bin übrigens dafür, daß wir das Währungssystem fortsetzen. Ich kann mir auch Verbesserungen vorstellen. Ich würde es begrüßen, wenn im Zuge der Diskussion um eine Neukonzipierung des Währungssystems z. B. die Partnerländer ihre Zentralbanken in die Unabhängigkeit entließen. Das wäre hilfreich.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Jawohl! Sehr gut!)

    Ich könnte mir auch vorstellen, daß man die unbeschränkte Interventionspflicht, die praktisch eine Interventionsverpflichtung nur für die Bundesbank ist, vielleicht beschränkt. Immerhin sind nach meinem Kenntnisstand von der Bundesbank über 90 Milliarden DM in den letzten 14 Tagen in Interventionen geflossen. Das ist verbesserungsfähig.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU])

    Aber ich möchte mit aller Deutlichkeit vor einer Tendenz warnen, die man aus der Presse entnehmen konnte und auch sonst hörte, daß man überlegt, wenn es mit Maastricht nicht so richtig weitergeht, aus dem EWS eine vorgezogene Währungsunion zu machen und dann die Integration über die Währungsunion voranzutreiben. Das halte ich für gefährlich. Ich kann mir vorstellen — der Vertrag sieht das auch vor —, daß nach den Kriterien nur eine kleine Gruppe von Ländern mit der Währungsunion 1999 beginnt. Seit der Stellungnahme von Herrn Kinkel ist klar, daß dies nicht mehr automatisch geschieht, sondern daß der Deutsche Bundestag und der Deutsche Bundesrat dazu etwas zu sagen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Nur, die Partnerländer müssen dies auch rechtlich anerkennen. Dies bleibt noch zu leisten, Herr Kinkel.

    (Karl Lamers [CDU/CSU]: Das haben wir doch schon einmal im Plenum beschlossen! — Widerspruch bei der SPD)

    — Das haben wir beschlossen, aber die Partnerländer müssen es rechtlich anerkennen. Sehen Sie sich einmal den Vertrag an, Herr Kollege. Danach können wir zwar Nein sagen, aber die anderen können über uns bestimmen. Das ist noch nicht geregelt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Da nickt auch Herr Faltlhauser!)

    Aber das bekommen wir noch hin, ich sehe die Tendenzen bei Ihnen.
    Aber mir kommt es auf etwas anderes an. Mir kommt es darauf an, daß man sich darüber im klaren sein muß, daß bei einer Währungsunion, an der nur wenige teilnehmen, die Struktur der EG geändert werden muß. Dies gilt für den Ministerrat, das gilt für die Kommission, und das gilt auch für das Parlament. Sonst kann das Ganze nicht funktionieren. Deswegen warne ich davor, jetzt so locker vom Hocker — wie wir es in den Zeitungen lesen können — zu sagen: Machen wir doch aus dem EWS eine vorgezogene Währungsunion. Man sollte daraus nicht wieder den Fehlschluß ziehen, man könne über die Wirtschaft und erst recht nur über die Währung als Teil der Wirtschaft die europäische Integration voranbringen. Davor warne ich ausdrücklich, denn das führt zu nichts. Wer — sollte es anders kommen — sagt, dann gehen wir aber danach vor, der muß dies im Rahmen der Gemeinschaft tun, mit gemeinschaftlichen Regelungen und mit Zustimmung aller Partnerländer. Sonst kann das nicht funktionieren.
    Das EWS ist es wert, gerettet zu werden. Die dafür notwendige Anpassung der Wechselkurse hat zum Teil stattgefunden. Wir wünschen uns, daß wir ein vernünftiges Realignment bekommen, und zwar deshalb, weil dadurch Ruhe auf den Märkten einkehren würde, weil damit die rezessiven Wirtschaften, die wir überall in Europa haben, die mit für dieses Europamißtrauen, für diese leichte Abneigung, die wir verspüren, verantwortlich sind, überwunden werden könnten. Dies würde den entscheidenden Vorteil bringen, daß die Bundesbank in ihrer Hoheit die Zinssenkungen vornehmen kann, die sie durch die Wirkung einer Aufwertung, die die Inflation dämpft, vertreten kann. Damit ist aber nicht der Teil geregelt, lieber Theo Waigel, den Sie als Finanzminister noch im Rahmen Ihrer Haushalts- und Finanzpolitik regeln müssen. Aber dies wäre ein gutes Signal für die weitere Entwicklung in Europa, weil dann die Chance besteht, im Laufe der nächsten zwölf Monate die gegenwärtige Krisensituation zu überwinden und dadurch eine größere Zustimmung für Europa zu bekommen, als dies jetzt der Fall ist.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster Redner spricht Herr Abgeordneter Faltlhauser.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Faltlhauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem vorübergehenden Ausstieg Englands aus dem Europäischen Währungssystem — ich hoffe vorübergehend — rief der stellvertretende Parteivorsitzende der Konservativen, Tim Smith, in die bereitstehenden Mikrophone: „Die Deutschen haben gegen das Pfund Sabotage betrieben. " Diese eilfertige Schuldzuweisung ist ökonomisch falsch, und sie ist politisch, wie ich meine, unanständig! Wir müssen sie ausdrücklich zurückweisen.
    Die Anpassung des EWS war — das hat der Kollege Wieczorek schon betont — das notwendige und folgerichtige Ergebnis ökonomischer Grundtatsachen. Die Leistungskräfte der verschiedenen Volkswirtschaften innerhalb der EG liegen noch sehr weit auseinander.



    Dr. Kurt Faltlhauser
    Konvergenz und Harmonie der wirtschaftlichen Grunddaten sind in Europa bei weitem noch nicht erreicht. Der Druck, der zur Anpassung der Lira und auch des Pfundes geführt hat, hat dokumentiert, daß eine solide Währung nicht auf Konferenzen beschlossen werden kann, sondern daß sich jedes Land selbst eine solide Währung erarbeiten muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Die Probleme sowohl der Italiener als auch der Briten sind weitgehend hausgemacht. Dies muß auch Herrn Smith gesagt werden, wobei bei England — das hat die Kollegin Matthäus-Maier schon angedeutet — noch der zu hohe Eintritt des Pfundes in das EWS vor zwei Jahren hinzukommt. Die notwendigen Währungsanpassungen sind, wie ich meine, zu lange verzögert worden. Wir haben in den letzten zwei Wochen erlebt, daß sich notwendige Korrekturen der Wechselkurse durch politische Festlegungen — und seien sie noch so kategorisch — auf Dauer nicht verhindern lassen.

    (Dr. Norbert Wieczorek [SPD]: Völlig richtig!)

    Dies sollten unsere Freunde in England erkennen. Hier von Sabotage zu reden, zeugt von wirtschaftspolitischer Selbstgefälligkeit. Wir müssen die Bundesbank, die ihre gesetzliche Pflicht zur Wahrung der Stabilität erfüllt, ausdrücklich vor unsachlichen Angriffen in Schutz nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für die Stabilität oder Instabilität der Wechselkurse kommt es auf die Realitäten des wirtschaftlichen Zustandes der einzelnen Mitgliedsländer an. Mir persönlich sind deshalb die Spekulationen gegen den Franc völlig unverständlich. Frankreich betreibt eine hervorragende und vorbildliche Stabilitätspolitik und hat beste Ergebnisse vorzuweisen. Dies sollte bei den Spekulationen gesehen werden, diese sollten sich an den Grundtatsachen orientieren.
    Welche Schlußfolgerungen müssen wir aus den Erfahrungen mit der Anpassung des EWS und den Unruhen in den letzten Tagen ziehen?
    Erstens. Wir müssen alles tun, um das EWS zu erhalten. Es ist das richtige System. Es muß nur richtig gehandhabt werden. Es ist punktuell falsch gehandhabt worden. Dies hat zu entsprechenden Verzerrungen geführt.
    Zweitens. Mit Blick auf die Maastrichter Verträge möchte ich eine positive Schlußfolgerung aus diesen Unruhen ziehen. Die von den Märkten erzwungenen Realignments sind eine nachhaltige Mahnung für alle Maastrichter Vertragspartner, die in diesem Vertrag festgelegten Konvergenzkriterien tatsächlich ernst zu nehmen und intensiv daran zu arbeiten, diese Kriterien zu erfüllen. Die ständigen Appelle des Finanzministers Theo Waigel, die Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrages müßten eng und streng interpretiert werden, sind jetzt durch die Wechselkursgeschehnisse nachhaltig bestätigt worden. Politische Beschlüsse und guter Wille allein können diese gewünschten Wechselkursrelationen nicht halten.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist fest entschlossen, auf die strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien auf dem Wege in die dritte Stufe der Währungsunion zu drängen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden dies in einem Entschließungsantrag — ich hoffe gemeinsam mit der Opposition — noch einmal ausdrücklich unterstreichen. Wir wollen nicht, daß politische Willenskundgebungen und nationales Prestigedenken ökonomische Sachverhalte überdekken.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Drittens. Was uns im übrigen nach diesen Turbulenzen besorgt machen muß, sind die von mir bereits genannten Schuldzuweisungen über die Grenzen hinweg. Der monetäre Fremdenhaß — wie ihn Wilhelm Hankel in einem „Handelsblatt"-Beitrag genannt hat — ist nicht der Geist, mit dem man eine Währungsunion macht und der eine Währungsunion zusammenhält. Wir brauchen nicht nur eine Konvergenz der ökonomischen Ergebnisse, sondern auch eine Konvergenz des ökonomischen Denkens und des ökonomischen Strebens. Wenn die Bestrebungen einzelner Länder darin bestehen, eigene Versäumnisse durch unsinnige Schuldzuweisungen zuzudekken, verspricht dies nichts Gutes für den Bestand einer Währungsunion.
    Nun ist in allen politischen Lagern modern geworden, noch eine Volksabstimmung über die Verträge von Maastricht zu wollen. Ich hielte eine Volksabstimmung über die Maastrichter Verträge für einen gravierenden Fehler.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)

    Dabei möchte ich nicht schlicht auf die Gegebenheiten des Grundgesetzes verweisen. Dieser Hinweis würde auch viele Bürger nicht befriedigen, die von dem Wunsch nach unmittelbarer Beteiligung beseelt sind. Ich möchte vielmehr auf einen politischen Aspekt hinweisen. Viele Franzosen, Politiker und andere, haben sich im Frühsommer immer wieder gefragt, was Präsident Mitterrand veranlaßt haben mag, ohne Not das Risiko des Referendums zu Maastricht einzugehen. Wie groß dieses Risiko war, hat das „petite oui" in Frankreich gezeigt. Man stelle sich vor, welches Signal die Bundesrepublik Deutschland ihren Partnern in Europa geben würde, wenn wir nach dem riskanten französischen Spiel, das gerade noch gutgegangen ist, unsererseits ohne Verpflichtung und ohne rechtliche Grundlage das Risiko des plebiszitären Scheiterns eingehen würden.

    (Karl Lamers [CDU/CSU]: Verrückt und unverantwortlich!)

    Das wäre ein Signal der Resignation, das wäre ein Signal des Versteckten Nein und ein Signal fahrlässigen Populismus. Nein, eine Volksabstimmung können und sollten wir nicht machen!
    Bundestag und Bundesrat als Organe einer repräsentativ verfaßten demokratischen Ordnung sind diejenigen, die die ausreichende demokratische Legitimation geben können und müssen. Um so wichtiger ist eine angemessene Beteiligung des Bundestages zu



    Dr. Kurt Faltlhauser
    den einzelnen im Vertrag vorgesehenen Entscheidungszeitpunkten auf dem Weg in die dritte Stufe. Die Fraktion der SPD hat hierzu bereits eine Formulierung vorgelegt. Darüber müssen wir noch diskutieren.
    Wir stehen dabei in einem Abwägungsprozeß: Einerseits müssen wir den Ideen einer Volksbefragung das Element einer qualifizierten Mitsprache des deutschen Parlaments deutlich gegenüberstellen. Wir sollten aber andererseits auch vor einer einseitigen Opting-out-Klausel zurückweichen. Ich empfehle, daß sich die Ideenfinder einmal die Erklärung zur Rolle der nationalen Parlamente im Vertragstext von Maastricht anschauen. Hier könnte der Anknüpfungspunkt für weitere Formulierungen liegen.
    Auf dem Sondergipfel am 16. Oktober sollten meiner Ansicht nach neue positive Ansätze und Ideen entwickelt werden. Bundeskanzler Kohl hat damit unter Hinweis auf die Entschlackung bürokratischer Anmaßung auf europäischer Ebene schon begonnen.
    Wir werden die Zustimmung der Bevölkerung für unseren Weg nach Europa nicht durch Farbbroschüren erlangen, sondern nur durch verständliche politische Entscheidungen und durch mutiges Eintreten aller Führungspersönlichkeiten innerhalb und außerhalb dieses Hauses für Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD — Eduard Oswald [CSU/CSU]: Sehr beeindruckend!)