Rede:
ID1210428000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Frau: 1
    2. Kollegin: 1
    3. Cornelia: 1
    4. Schmalz-Jacobsen,: 1
    5. Sie: 1
    6. haben: 1
    7. das: 1
    8. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Renate Jäger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Herrn Blüm mit sehr vielen Lobesreden gehört. Wir haben Herrn Geißler gehört. Ich akzeptiere Ihre Art. Ich begrüße sie auch. Aber wesentlich entschärft haben Sie die Streitsituation dadurch leider nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Blüm, mit einem Satz möchte ich einen Superlativ in diesen Lobgesang einfügen: Ostdeutschland ist weltweit die größte Region mit den höchsten arbeitsmarktpolitischen Ausgaben. In folgendem Sinne muß man das Lob auslegen. Diese hohen Ausgaben sind gerade die Folge des Arbeitsmarktverfalls. Sie sind die Folge einer Nichtpolitik. Sie sind die Folge der Entindustrialisierung in den neuen Bundesländern. Mit diesem Prozeß der Entindustrialisierung ist gleichzeitig ein Prozeß der Entrechtung von Frauen einhergegangen

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS/Linke Liste)

    und, wie auch das Expertenhearing im Mai dieses Jahres deutlich machte, ein Prozeß, der zu einer unheimlich krassen Altersarmut bei Frauen — aber nicht nur bei Frauen — führt.
    Die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert nicht nur die ökonomische und soziale Lage der Frauen. Sie bringt sie auch wieder stärker in die materielle Abhängigkeit von ihren Partnern oder in die Abhängigkeit vom Sozialamt. Sie festigt weiterhin patriarchalische Strukturen und programmiert alleinerziehende und ältere Frauen ab 45 zu Randgruppen der Gesellschaft. 30 % der arbeitslosen Frauen gehören inzwischen zu den Langzeitarbeitslosen. Die Tendenz ist weiterhin steigend.
    Frauen erfahren eine Diskriminierung des Geschlechts und des Alters und gehören bereits zur Gruppe der schwer Vermittelbaren. Wenn man sich überlegt, daß fast eine gesamte Frauengeneration fast gleichzeitig aus dem Berufsleben ausgegrenzt wurde,



    Renate Jager
    darf man nicht handlungsunfähig bleiben. Trotz guter beruflicher Qualifikation wurden und werden sie in weitaus größerem Umfang als Männer entlassen und in den Vorruhestand geschickt. Mehr und mehr qualifizierte Arbeitsplätze gehen von der Frauen- in die Männerwelt über. Das betrifft besonders Arbeitsplätze in Dienstleistungsbereichen wie Sparkasse, Post- oder Verkehrswesen.
    Im Juni 1990 hatten über 100 000 Ost-Frauen Leitungsfunktionen inne. Bei den Männern waren es ca. 200 000. Über 600 000 Frauen waren in hochqualifizierten Angestelltentätigkeiten beschäftigt. Bei Männern betrug die Zahl ca. 850 000. Bis Mitte 1991— also nicht zum jetzigen Zeitpunkt; das muß man sich einmal vergegenwärtigen — gab es im Osten kaum noch Frauen in Leitungsfunktionen und nur noch die Hälfte der Frauen in hochqualifizierten Tätigkeiten.
    Dieser Prozeß der Abdrängung von Frauen aus qualifizierten Bereichen läuft weiter. Er bedeutet eine starke Entwertung ihrer Qualifikation.

    (Regina Kolbe [SPD]: Und Diskriminierung!)

    Wenn Frauen dennoch erwerbstätig sein wollen, sehen sie sich gezwungen, unterqualifizierte, schlecht bezahlte oder ungeschützte Arbeitsplätze anzunehmen.
    Bei Arbeitsplatzwechsel gibt es nach Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bei Frauen weitaus häufiger Verschlechterungen als bei Männern. Die Verschlechterungen betreffen die Arbeitsbelastung und die Sicherheit am Arbeitsplatz. Sie betreffen weiterhin die betrieblichen Sozialleistungen, und sie betreffen auch die Länge des Arbeitsweges. Es gibt Fälle von Frauenausbeutung in den neuen Bundesländern, wo Frauen 60 und 70 Stunden in der Woche arbeiten, ohne zu mucksen,

    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Wie die Abgeordneten!)

    weil sie einfach Angst um ihren Job haben.
    Besonders dramatisch ist die Situation der Frauen auf dem Land. Ihre Arbeitslosenquote steigt bis auf 80 %, ja bis auf 90 %. Ein Regierungsprogramm, das Bedingungen für eine gleichberechtigte Erwerbstätigkeit schafft, ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Es ist doch kein Zufall, daß die Senkung der Erwerbsquote im Osten hauptsächlich zu Lasten der Frauen erfolgt. Das — sei es Strategie oder ein Laufenlassen — sind die Folgen eines konventionellen konservativen Frauenbildes.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es ist gut, wenn die Frauenministerin Appelle zur Beschäftigung von Frauen an die Unternehmen richtet und wenn sie Frauen zu Projekten und Initiativen auffordert. Aber wenn sie im Änderungsentwurf zum AFG bei der Beschäftigungsquote von Frauen einer Soll-Vorschrift zustimmt und daraus nicht eine MußVorschrift machen kann, besteht die Gefahr, daß es eben nur bei den Appellen bleibt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Meines Erachtens müßte auch eine Frauenministerin empfinden,

    (Günter Rixe [SPD]: Wo ist die eigentlich?)

    daß die Frauen betreffs Einarbeitungszuschuß nach Kindererziehungszeiten nunmehr verschlechterte Bedingungen haben. Auch der Appell zu Frauenprojekten ist ebensowenig wert, wenn die finanziellen Mittel für ABM eingeschränkt werden.
    Auch diese Fragen sind nicht an ein bestimmtes Ressort gebunden. Sie betreffen in gleicher Weise das Ressort des Arbeits- und Sozialministers. Läge es nicht im Interesse beider Ressorts, die Lage von Frauen zu verbessern?
    Eines steht fest: Die ostdeutschen Frauen neigen nicht dazu, freiwillig in die Rolle der Erwerbslosen zu gehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Bei allen Programmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation ist diese ihre Interessenlage zu berücksichtigen. Der Ausbau des zweiten Arbeitsmarktes ist als Brücke mehr denn je notwendig, besonders für Frauen. Beschäftigung ist immer noch besser als Lohnersatz.
    Eine Frage verstehe ich nicht. Wenn die Opposition und die Gewerkschaften mit weitaus geringerer Personalausstattung als Ministerien Konzepte fordern und sie zum Teil auch vorlegen, wieso erhebt dann ein Ministerium die gleiche Forderung über gleich lange Zeit, ohne tatsächlich ein Konzept auszuarbeiten? Mit einem wesentlich größeren Personalstab müßte das meines Erachtens in kürzerer Zeit möglich sein. Vorschläge von anderen Seiten liegen vor, die man als Grundlage nehmen und an denen man weiterarbeiten könnte.
    Die SPD hat einen Vorschlag zur zukunftsorientierten Arbeitsmarktpolitik gemacht. Die SPD in Sachsen hat ein Programm zur Sicherung von 100 000 Industriearbeitsplätzen vorgelegt. Das Land Brandenburg hat ein Strukturförderprogramm. Der DGB startete im August eine Frauenoffensive gegen die zunehmende Verdrängung von ostdeutschen Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Und was bietet die Bundesregierung? Ein Konzept, das die Frau schneller an den Herd bringt.
    Herr Waigel hat heute morgen gesagt, Politik macht man mit dem Kopf und nicht mit dem Kehlkopf. Aber den Kopf allein zu haben nützt nichts. Man muß ihn auch benutzen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS/Linke Liste)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Cornelia Schmalz-Jacobsen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Im Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung muß wie überall gespart werden. Darüber zu klagen nützt nichts. Ich halte Klagen angesichts der immensen Sparmaßnahmen, die uns im Zusammenhang mit



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    dem Wiederaufbau in den neuen Bundesländern insgesamt bevorstehen, auch für deplaziert.

    (Beifall des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU])

    Als Ausländerbeauftragte begrüße ich vor diesem Hintergrund besonders den Umfang der vorgesehenen Maßnahmen in dem wichtigen Bereich der Förderung der Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer. Das ist wichtig und gar nicht so selbstverständlich.
    Ich möchte darüber hinaus etwas aufgreifen, was mein Kollege Lühr heute morgen angesprochen hat und was immer wieder durch die Debatte gegangen ist, nämlich die AB-Maßnahmen. Meine Kolleginnen und Kollegen, so hinderlich sie sind, so verhängnisvoll sie dort sind, wo sie mittelständische Arbeitsplätze nicht entstehen lassen oder gar vernichten, so wichtig sind sie in dem großen sozialen Bereich. Es kann nicht angehen, daß hier ganze Aufgabenbereiche zusammenbrechen.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich weiß nicht, ob Sie folgendes wissen: Der Ausländerbeauftragte der Stadt Rostock, der sich in beispielloser Weise vor seine Schützlinge gestellt hat,

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    der übrigens im Gegensatz zu mir für Asylbewerber zuständig ist, arbeitet mit drei Leuten. Zwei davon sind in AB-Maßnahmen, die am 14. November dieses Jahres auslaufen. Das kann ja wohl nicht so sein.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Darum — ich sage das auch an die Adresse der Länder, an die Adresse der Arbeitsämter — differenzieren Sie bei den AB-Maßnahmen, und lassen Sie dort nicht etwas zusammenbrechen.
    Ich bin der Bundestagspräsidentin sehr dankbar für die Worte, meine Damen und Herren, die sie vorgestern im Deutschen Bundestag zu den beschämenden Vorkommnissen in Rostock, Eisenhüttenstadt und anderswo gefunden hat.
    Meine Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, nicht allein und immer wieder bis zum Überdruß über die Modifizierung des Asylrechts zu sprechen, sondern zunächst einmal mit der Gewalt fertigzuwerden.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie ist erschreckend, und wir werden sie offenbar leider weiterhin tagtäglich erleben.
    Natürlich sind nicht die Ausländer, sondern die rechtsextremistischen Kriminellen und ihre Sympathisanten das eigentliche Problem. Alles andere hieße, die Dinge auf den Kopf zu stellen.
    Ohne Wenn und Aber muß unmißverständlich klar sein, daß Gewalt in unserem Land nichts zu suchen hat.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Bei aller Notwendigkeit der Analyse der Ursachen für die rassistischen Ausschreitungen darf es eines nicht geben: das Verschwimmen von Erklärung und Entschuldigung. Das halte ich für verhängnisvoll.
    Es gibt auch verhängnisvolle Vergleiche, meine Damen und Herren. Ich höre häufig: Es ist wie 1933. — Lassen wir uns das nicht einreden. Nichts ist wie 1933, nichts!

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die ganze Folie stimmt nicht.
    Ich wünsche mir auch, daß wir in einem anderen Punkt im nachhinein sagen können: Nichts war wie 1933. — Damit meine ich, daß man nicht wie damals die Gefahr nicht ernst nimmt, nicht früh genug ernst nimmt. Wir müssen sie ernst nehmen.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Deswegen übrigens ist ein deutliches Signal der Solidarität und der Unterstützung an die Adresse der ausländischen Mitbürger, die lange bei uns leben, die immer hier sind, erforderlich; denn inzwischen ist es leider so, daß sich die Gewaltbereitschaft über die Asylbewerber hinaus eben auch gegen die Ausländer ganz allgemein richtet und niemand mehr von der bedenklichen Klimaverschlechterung verschont bleibt. Es gibt viele, viele Beispiele.
    Ich weiß, daß die große Mehrheit unserer Landsleute Gewalt verabscheut und sie verurteilt. Ich weiß, daß es nach wie vor eine große Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gegenüber Ausländern gibt. Das hat zuletzt die große Hilfsbereitschaft gegenüber den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien gezeigt.
    Meine Damen und Herren, es wäre aber leichtfertig — ich betone das noch einmal — und einseitig, die Dinge immer nur durch die Asylrechtsbrille zu betrachten. Bei einer Bestandsaufnahme unserer Ausländerpolitik springt so mancher Mißstand ins Auge, der dem Ziel der Integration entgegensteht, ohne daß dies notwendig wäre.
    Als Stichwort nenne ich z. B. die Neuregelung des Aufenthaltsstatus, insbesondere für diejenigen, für die Deutschland längst Lebensmittelpunkt geworden ist. Eine Vielzahl von Ausländern lebt schon länger als 20 Jahre in Deutschland, über 40 % länger als 15 Jahre, insgesamt 60 % länger als zehn Jahre, und von den Kindern und Jugendlichen sind zwei Drittel bei uns geboren. Es ist wirklich an der Zeit, die Einbürgerung dieser Personenkreise zu erleichtern

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS/Linke Liste)

    und ihre rechtliche Gleichstellung Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen. Damit geben wir nicht etwas aus der Hand, sondern wir gewinnen alle dabei, nämlich im Sinne eines friedlichen Miteinanders.
    Ich spreche das Stichwort Bildungschancen an und führe dazu jetzt nichts weiter aus. Aber angesichts der Unterrepräsentation ausländischer Kinder und Jugendlicher an weiterführenden Schulen, in Ausbildungsberufen — dies betrifft besonders die Mäd-



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    chen —, bleibt auch hier noch sehr viel nachzuholen.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD und PDS/Linke Liste)

    Gerade diese Gruppe, meine Damen und Herren, muß unsere Aufmerksamkeit und Fürsorge erhalten, übrigens auch, um mögliches Potential für soziale Konflikte zu entschärfen. Das Wort vom ungelernten Ausländerproletariat ist hart, und es mag überspitzt sein, aber als Gefahr ist es nicht von der Hand zu weisen.
    Der Zulauf zu fundamentalistischen Organisationen darf uns nicht gleichgültig lassen. Es ist um so bedrückender, wenn man feststellen muß, daß dieser Zulauf oftmals eine unmittelbare Konsequenz der versperrten Möglichkeiten zur Integration darstellt.
    Auch die ökonomische Perspektive fordert zum Handeln auf; denn wir sollten doch endlich begreifen, meine Damen und Herren, daß der Rückgang unserer eigenen Bevölkerung die Bedeutung der ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland wachsen läßt. Gerade vor zwei Tagen hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung mit eindrucksvollen Zahlen belegt, welchen Anteil an der Schaffung des Bruttosozialprodukts ausländische Arbeitnehmer bei uns haben. Es würde unsere Gesellschaft in gefährlicher Weise spalten, wenn wir weiterhin zuließen, daß Menschen, die ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht haben, rechtlich diskriminiert werden. Das können wir ändern.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich habe in den letzten Wochen und Monaten immer wieder auf die Defizite unserer Ausländerpolitik hingewiesen. Sie werden leider auch eine große Rolle in meinem Jahresbericht spielen, den ich im Herbst veröffentlichen werde. Integration, das ist viel zu häufig immer noch ein Lippenbekenntnis ohne konkrete Folgen. Glauben Sie mir, sehr viele in der Bevölkerung wissen, spüren, daß hier etwas nicht stimmt.
    Was wir brauchen, ist ein schlüssiges Gesamtkonzept und endlich eine offene Diskussion darüber, was über die Entschärfung des Asylproblems hinaus in den Bereichen Einbürgerung, Staatsbürgerschaft, Zuwanderungsregulierung und Integration zu geschehen hat. Die erschreckenden Vorfälle der letzten Zeit sollten uns auch dafür wachgerüttelt haben, die Zeit nicht länger ungenutzt verstreichen zu lassen.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS/Linke Liste)