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ID1210424100

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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sehr die diesjährige Haushaltsdebatte am wirklichen Leben der Menschen in Ost und West vorbeigeht, zeigen wohl am nachdrücklichsten ihre vielfältigen öffentlichen Begleitumstände. Über 300 Betriebs- und Personalräte aus Ostdeutschland scheuten gestern nicht die Strapazen stundenlanger Nachtfahrten, um der



    Petra Bläss
    Regierung und den Politikerinnen und Politikern hier in Bonn ihre Probleme und Forderungen zu unterbreiten und deutlich zu machen, daß der bisher eingeschlagene Weg der Anschlußpolitik im wesentlichen der Bereicherung der Reichen zugute kommt und für die Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland — derjenigen, die noch Arbeit haben, aber vor allem jener, die aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt sind — ein Weg in die soziale Misere zu werden droht.
    Rechtzeitig zu dieser Debatte veröffentlichte auch das Statistische Bundesamt aktuelle Zahlen zur wirtschaftlichen Lage und zur Einkommenssituation in den neuen Bundesländern. Daraus geht hervor, daß die Talfahrt dort noch längst nicht gestoppt und das berühmte Licht am Ende des Tunnels ferner denn je ist. Ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2 080 DM brutto im Osten bei gleichzeitiger Angleichung des dortigen Preisniveaus an Westverhältnisse reicht gerade für das Nötigste, und jede unplanmäßige Belastung gefährdet die Existenzsicherung.
    Hierzu paßt dann auch die in diesen Tagen veröffentlichte Studie über das Ausmaß der Armut in Deutschland. Mit der Feststellung, daß in diesem Land jeder zehnte Deutsche und jeder vierte Ausländer 'unter der Armutsschwelle lebt, unternimmt nun mit der Caritas schon der zweite große Wohlfahrtsverband neben dem Paritätischen den Versuch, Sachwalter der Armen zu sein und damit auch dem dickfelligsten Parlamentarier die Chance zu nehmen, dieses Problem mit dem Verweis auf die Sozialhilfe für erledigt zu erklären.
    Allem Frohreden zum Trotz: Das bundesdeutsche System der sozialen Sicherung verhindert Armut nicht, verhindert nicht, daß zunehmend mehr Menschen in materielle Not geraten und Obdachlosigkeit um sich greift. Gerade in den neuen Bundesländern werden wir in nicht allzu ferner Zeit erleben, daß diese unwürdigen Lebensumstände zur bitteren Normalität werden. In bestimmten Landstrichen, wo schon heute jeder bzw. jede zweite arbeitslos ist, ist die drohende Armut allgegenwärtig. Und wenn man weiß, daß in den neuen Bundesländern die durchschnittliche Arbeitslosigkeitsdauer inzwischen auf knapp 40 Wochen gestiegen ist, muß einem klar sein, daß dies ein rasantes Anwachsen der Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger und vor allem der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in diesem Jahr und in den folgenden Jahren signalisiert.
    Die in den letzten Wochen angebotenen und verworfenen Konzepte zur Finanzierung des Anschlusses werden dies nicht ändern. Im Gegenteil, sie machen die Verwirrung komplett, fördern Frust und Hoffnungslosigkeit und vor allem eine tiefe Vertrauenskrise in diese Gesellschaft und ihre scheinbar undurchdringlichen Machtstrukturen. Der Haß gegen die da oben richtet sich gegen die, die noch schlechter dran sind: Ausländerinnen und Ausländer, Flüchtlinge, Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Rostock und anderswo stehen auch dafür.
    Statt sich wirklich diesen Problemen zu stellen und mit diesem Haushalt eine Wende hin zum sozialen Ausgleich wenigstens einzuleiten, werden die Lasten weiterhin völlig einseitig verteilt. Statt auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen denjenigen spürbare Solidarbeiträge abzufordern, die an Großdeutschland nicht schlecht verdient haben, wird auf Hausbackenes zurückgegriffen. Dies läßt sich auch mit den schönsten Formulierungen nicht mehr kaschieren.
    Solidarpakt heißt nun das neue Zauberwort. Seine Botschaft ist so alt wie schlicht: Lohnstopp und Zwangssparen statt Investitionshilfeabgaben, Ergänzungs- und Arbeitsmarktabgabe oder Besteuerung von hohen Zinseinkommen. Wieder einmal soll der großen Masse der Bezieherinnen und Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen die Sanierung der Staatsfinanzen aufgebürdet werden, indem Löhne und Gehälter auf Jahre eingefroren werden. Die Großverdiener bleiben wie eh und je ungeschoren.
    Daß mit diesem Politikkonzept die gesellschaftliche Nachfrage unverantwortlich geschwächt wird, ist ökonomisch problematisch. Schlimmer noch finde ich, daß damit den westdeutschen Beschäftigten der Eindruck vermittelt wird, daß sie jeden Tag tiefer für ihre mittlerweile nicht mehr so geliebten ostdeutschen Schwestern und Brüder in die Tasche greifen müssen. Daß dies die soziale, menschliche Einheit nicht gerade fördert, sondern die Kluft zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen weiter vertieft, halte ich für verheerend. Wenn die Regierung sich damit auf dem richtigen Weg sieht, mag sie aus ihrer Sicht recht haben. Sie will die ungleiche Lastenverteilung. In ihrem Deregulierungshaushalt wird dies ebenso konkretisiert wie in der morgen zur Debatte stehenden AFG-Novelle. Ich finde diese Politik zutiefst ungerecht und einer dem Sozialstaatsprinzip verpflichteten Gesellschaftsordnung unwürdig.
    Aber an diese Linie setzt sich in den hier zur Debatte stehenden Einzelplänen 11, 15, 17 und 18 nahtlos fort. Mit 128,8 Milliarden DM werden für die Bereiche Arbeit und Sozialordnung, Frauen und Jugend, Familie und Senioren sowie Gesundheit 29,5 % der Gesamtausgaben aufgewendet. Gegenüber dem ursprünglichen Ansatz des Vorjahres heißt das plus/ minus Null und bleibt damit unterhalb der 2,5%igen Zuwachsrate des Gesamthaushalts. Mit zusätzlichen 8 Milliarden DM hat wenigstens der Haushalt für Arbeit und Sozialordnung eine beträchtliche Steigerung gegenüber 1992 zu verzeichnen; sein Volumen ist damit auf 98,8 Milliarden DM gewachsen.
    Doch auch mit dieser Steigerung ändert sich nichts am Grundproblem des Sozialetats. Sein Löwenanteil entfällt auf gesetzlich gebundene, ständig wiederkehrende Individualleistungen etwa in Form von Sozialversicherungszuschüssen an die Rentenversicherung und die Arbeitslosenhilfe. Lediglich 1,1 % der Gesamtmittel des Einzelplans 11, also gut eine Milliarde DM, bleiben übrig, um sich Aufgaben vorzunehmen, die den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen entsprechen und eine wirklich gestaltende Sozialpolitik darstellen.
    Da unser soziales Sicherungssystem Armut nicht verhindert und nachweislich bestimmte Personengruppen, wie alleinerziehende und ältere Frauen, Ausländerinnen und Ausländer, Pflegebedürftige und zunehmend auch junge Menschen, besonders gefährdet sind, müssen Haushaltsmittel für differenzierende Maßnahmen zur Ergänzung des bestehenden Sozialsystems frei sein. Die PDS/Linke Liste wird noch in



    Petra Bläss
    diesem Jahr Grundbezüge für eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung vorlegen und Vorschläge zur Finanzierung von Arbeit statt von Arbeitslosigkeit unterbreiten.
    Ganze 480 Millionen DM werden 1993 zur besonderen Förderung von Langzeitarbeitslosen aufgewendet — ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe im gleichen Zeitraum; die Milliarden, die jährlich die Sozialhilfe verschlingt, gar nicht gerechnet. Das sind doch die Langzeitarbeitslosen, die dringend auf Wiedereingliederungsmaßnahmen angewiesen sind. Hier lohnt es sich, Arbeit zu subventionieren statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
    Es ist doch ein Armutszeugnis für verantwortungsbewußte Sozialpolitikerinnen und -politiker, wenn von den 18,7 Milliarden DM unter dem vielversprechenden Titel „Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsschutz" allein 11,4 Milliarden DM für Arbeitslosenhilfe festgelegt sind und gleichzeitig der Ansatz für Anpassungsmaßnahmen und produktive Arbeitsförderung von 9,1 Milliarden DM auf unverantwortliche 5,9 Milliarden DM gesenkt wurde; ebenjener Ansatz, von dem neue Impulse gegen die Arbeitsmarktmisere, vor allem im Osten Deutschlands, ausgehen könnten.
    Der Arbeitsschutz wird mit ganzen 124 Millionen DM bedacht. Dies, wohl gemerkt, im Jahr des Arbeitsschutzes und angesichts der Tatsache, daß die BRD beim Erkennen, Anerkennen und der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen den europäischen Standards vielfach hinterherhinkt.
    In diese Unlogik paßt es denn auch, daß im Einzelplan 15 der Posten für gesundheitliche Aufklärung gegenüber dem Vorjahr um 16,5 Millionen DM gekürzt wird. Die Begründung hierfür finde ich besonders interessant: Die Mittel werden umgesetzt in den nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan. Nicht etwa, daß ich das nicht für eine extrem wichtige Aufgabe halte. Nur, deutlicher kann man es nicht machen, nämlich daß mit den diesjährigen Haushaltsmitteln nur noch repariert, kuriert und Löcher gestopft werden.

    (Uta Würfel [F.D.P.]: Woran liegt denn das, daß wir kein Geld haben?)

    Dazu müssen auch die Gelder herhalten, die ursprünglich wenigstens noch einen Funken von Prävention, Vorsorge und Gestaltung ermöglicht hätten.
    Geradezu fatal — insbesondere in Anbetracht der jüngsten Ereignisse — finde ich die Kürzung im Einzelplan 17. 50 Millionen DM zur Förderung besonderer Maßnahmen im Rahmen des jugendpolitischen Aufbauprogramms für die neuen Bundesländer verschwinden einfach; ursprünglich eingeplant für Ausbau und Qualifizierung der freien Jugendhilfe, Maßnahmen, die dringender erforderlich sind denn je. Kollegin Niehuis hat ausführlich dazu berichtet.
    Um beim Einzelplan 17 zu bleiben: Frauen sind in dem ohnehin sehr schmalbrüstigen Papier kaum zu finden. Projektarbeit für Mädchen wird mit ganzen 2,5 % des Gesamtansatzes bedacht. Wichtiger aber
    finde ich noch — Frau Fuchs hat bereits darauf hingewiesen —, daß sich in diesem Haushalt kein Signal dafür findet, daß die Bundesregierung die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum § 218 auch in seiner Gänze ernst nimmt. Ich vermisse Haushaltsansätze, die erkennen lassen, daß tatsächlich hier und heute mit der Einführung der sozial flankierenden Maßnahmen begonnen wird.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und der SPD sowie der Abg. Christina Schenk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Da absehbar ist, daß die Länder diese Investitionen nicht allein bewältigen werden, brauchen wir jetzt im Haushalt ausgewiesene Bundeszuschüsse. Die PDS/ Linke Liste wird zur abschließenden Beratung des Haushalts Vorschläge zur Absicherung des Rechts auf einen Kindergartenplatz einbringen.
    Ich danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christina Schenk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat die Abgeordnete Christina Schenk.

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    Rede von Christina Schenk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den wenigen Dingen in diesem Hohen Hause, die mich — zumindest von Zeit zu Zeit — amüsieren, gehören die Presseerklärungen der Damen Merkel und Rönsch. Da rühmt sich die Frauenministerin in ihrer Erklärung vom 1. Juli 1992 damit, daß ihr Haushalt um 25 % angehoben wurde. Das hört sich gut an. Wenn man aber genau hinguckt, stellt man folgendes fest: Es handelt sich um eine Steigerung von sage und schreibe 20 auf 25 Millionen DM.
    Frau Merkel, um in diesem Lande, in dieser Situation eine Frauenpolitik zu machen, die diesen Namen überhaupt ansatzweise verdient, bräuchten Sie mindestens 20 Milliarden DM.
    Einen Lachanfall verursachte in meinem Büro auch die Presseerklärung von Frau Rönsch vom 14. August 1992, in der sie aus der Tatsache, daß 96 % aller Eltern das Erziehungsgeld und den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, messerscharf einen Erfolg der Familienpolitik der Regierung ableitete.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Abgesehen davon, daß es mit Logik nicht viel zu tim hat, wenn eine staatliche Zuwendung allein deswegen als gut bezeichnet wird, weil sie in Ermangelung von Besserem angenommen wird, halte ich das Erziehungsgeld und den Erziehungsurlaub in dieser Form für einen absoluten Mißerfolg, und zwar sowohl für die Frauen als auch für die Kinder;

    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das gibt es doch nicht! )

    denn die Väter nehmen diese so hoch gerühmte Leistung nur zu 1,5 % — ich wiederhole: 1,5 % — in Anspruch.
    Etwas anderes war von der Bundesregierung allerdings, denke ich, auch nicht beabsichtigt; denn nie-



    Christina Schenk
    mand kann auch nur einen Moment lang geglaubt haben, daß sich Männer mit einer derart läppischen Summe abspeisen ließen.

    (Beifall der Abg. Petra Bläss [PDS/Linke Liste])

    Wesentlich weniger amüsant als diese Presseerklärungen der Ministerinnen fand ich den Videofilm „Ich lasse mich nicht unterkriegen", der als Auftragswerk des Frauenministeriums entstanden ist. In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen sagen: Das ist Propaganda, wie sie mich an alte DDR-Zeiten erinnert.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)

    „Nur Mut" wird dort als Botschaft den Frauen entgegengerufen, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Wer keine Arbeit mehr hat, so die Aussage des Films,

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    macht sich eben selbständig oder wird am besten gleich Eigentümerin des Betriebes, in dem sie früher gearbeitet hat. Die, die es nicht schafft,

    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Warum nicht? Es gibt viele Frauen, die sich selbständig machen!)

    ist garantiert selber schuld, da sie sich hat „unterkriegen lassen", weniger „Mut" bewiesen hat oder eben einfach nicht fleißig genug war. So einfach ist das offenbar.
    Meine Damen und Herren, dieser Film enthält zwei ganz entscheidende Lügen: Lüge Nummer eins ist die Behauptung, es würde schon werden, wenn Frau nur will. Daß dem nicht so ist, sieht Frau schon an der Situation der Frauen im Westen, denen es kaum besser geht als denen im Osten.