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ID1210422300

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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Paterna


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn sich der Herr Bundespostminister die letzten zwei Minuten erspart hätte, hätte es zwischen uns beiden eine Premiere im Deutschen Bundestag gegeben, denn ich hätte nämlich gesagt: Ich stimme Ihnen, Herr Minister, ausdrücklich zu, und dann hätte ich mich wieder hingesetzt. Das geht nun leider nicht mehr.
    Zuzugeben ist — ich denke, die Fairneß gebietet es, das festzustellen —, daß es nach meinem Urteil außer Post und Fernmeldewesen keinen Bereich gibt, in dem so schnell und so durchgreifend etwas getan worden ist, was zu deutlichen Verbesserungen führt und was Voraussetzung für den Aufbau in den neuen Bundesländern ist. Aber das Beispiel lehrt gleichzeitig auch, daß die Annahme der Bundesregierung, man müsse da einfach nur marktwirtschaftliche Verhältnisse schaffen und dann würde sich das alles im freien Spiel der Kräfte fein entwickeln, natürlich nicht stimmt. Es ist vielmehr so, daß für das Entstehen marktwirtschaftlicher Strukturen, für das Entstehen mittelständischer Strukturen Infrastruktur notwendig ist. Zu dieser Infrastruktur gehören Gas, Wasser, Strom, saubere Böden und Gewässer, Telekommunikation, eine funktionierende Verwaltung, innere Sicherheit, also Polizei und sonstige Sicherheitskräfte. All dies entsteht nicht selbstverständlich im freien Wuchs, sondern ist Voraussetzung für eine soziale marktwirtschaftliche Ordnung.
    Insofern denke ich — wir haben das im Ausschuß und auch im Infrastrukturrat Sitzung für Sitzung kritisch-konstruktiv begleitet —, daß auf diesem Gebiet wirklich Beispielhaftes geschehen ist. Wir können die Bundesregierung nur ermuntern, in dem Tempo, in dem sich das bisher vollzogen hat, auch weiterhin zu fahren.
    Aber wenn der Minister es sich nun nicht verkneifen kann, aus dieser positiven Erfahrung gleichzeitig abzuleiten, man müsse die Deutsche Bundespost nun um so schneller privatisieren, dann ist dies ein Salto mortale; denn gerade dieses Beispiel lehrt ja, daß es sich eben nicht um einen x-beliebigen wirtschaftlichen Sektor handelt, sondern um einen Sektor, der unserer besonderen Pflege, Fürsorge und staatlichen Verantwortung bedarf.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Christina Schenk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Die Bundespost findet nicht umsonst im Grundgesetz Erwähnung. Die entsprechende Vorschrift regelt nicht nur die Zuständigkeit, sondern sie bringt auch zum Ausdruck, daß Post- und Fernmeldepolitik grundgesetzlich geschützten Werten — von der Gemeinwohlorientierung, über die Sozialpflichtigkeit, den Gleichbehandlungsgrundsatz bis insbesondere hin zur Infrastrukturverantwortung — verpflichtet ist. Diese Infrastrukturverpflichtung wird nicht zu Ende sein, wenn es Ende 1996/97 gelungen sein wird, etwa den Qualitätsstandard in der Post- und Fernmeldeversorgung herzustellen, wie wir ihn in den alten Bundesländern gewohnt sind, sondern er bleibt dauernde Aufgabe, um gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen der Bundesrepublik Deutschland



    Peter Paterna
    in ihrer größeren Form weiterhin zu sichern. Da wir alle, wenn wir uns etwas intensiver mit dem Bereich beschäftigt haben, wissen, daß die Kostenstrukturen der Verkehre in den Ballungsräumen und zwischen ihnen einerseits und in den ländlichen Räumen andererseits extrem unterschiedlich sind, muß man sehr vorsichtig darangehen, rein wettbewerbliche Strukturen zu schaffen, ohne öffentliche, demokratisch legitimierte Kontrolle, weil sonst dieser Infrastrukturauftrag verlorenzugehen droht.
    Ich wehre mich dagegen, Herr Minister, sich immer nur nach der Rosinenpickermethode mal so ein Feld herauszusuchen und jetzt meinetwegen die Telekom zu vergleichen mit NTT und ATT oder was weiß ich — France Telecom haben sie bemerkenswerterweise ausgelassen; sie ist nämlich gerade eben eine Anstalt des öffentlichen Rechts geworden, wie wir sie auch vorschlagen —, und dann aber die übrigen Ergebnisse dieser volkswirtschaftlichen Philosophien völlig hintanzustellen. Es mag ja sein, das AT & T wirklich wettbewerbsfähig ist. Aber wollen Sie denn eine deutsche Gesellschaft à la amerikanische Gesellschaft mit all den negativen Folgen, die damit verbunden sind? Das wollen Sie doch wohl nicht. Selbst wenn NTT international wettbewerbsfähig ist, wollen wir damit noch nicht automatisch das japanische Wirtschaftssystem.

    (Beifall bei der SPD)

    Also wir wollen, wenn wir einzelne volkswirtschaftliche Sektoren und einzelne Unternehmen betrachten und für sie zukunftsträchtige Strukturen schaffen, dies doch bitte in allgemeine, größere gesellschaftspolitische Zusammenhänge stellen und uns das nicht ganz so einfach machen, wie Sie das eben getan haben.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als nächste hat die Bundesministerin Hannelore Rönsch das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hannelore Rönsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar, daß ich zu Beginn der Beratungen meines Haushaltes reden darf, weil mir dies heute die Gelegenheit gibt, einmal einige grundsätzliche Ausführungen zu machen und nicht nur erwidern zu müssen auf die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen in der Haushaltsdebatte.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Zeiten knapper Haushaltskassen und großer Herausforderungen ist es durchaus verständlich, wenn darüber diskutiert wird, ob wir unser soziales Netz inzwischen an der einen oder anderen Stelle vielleicht nicht schon zu feinmaschig geknüpft haben.
    Als Bundesministerin für Familie und Senioren trage ich für vier wesentliche Säulen unserer sozialen Ordnung Verantwortung, die ganz erhebliche Lasten tragen.
    Da ist zunächst und vor allem die Familie. Sie ist die von den meisten Menschen bevorzugte Lebensform, und sie erbringt unentbehrliche und durch andere nicht ersetzbare Leistungen. Der Markt indessen honoriert diese Leistungen nicht. Gerade hier muß die staatliche Gemeinschaft einen Ausgleich schaffen, sonst geraten Familien gegenüber Kinderlosen ins Hintertreffen: beim Lebensstandard, am Arbeitsmarkt und bei der Altersversorgung.
    Unsere Solidarität mit den älteren Menschen ist in anderer Weise gefordert. Die Rente ist Lebenslohn für Arbeitsleistung. Aber auch jenseits des Erwerbsalters wollen Senioren am gesellschaftlichen Leben teilhaben, sie wollen integriert bleiben. Materielle Absicherung und gesundheitliche Versorgung sind wichtig. Dazu gehört neben der finanziellen Sicherung vor allem auch die Qualität und ein ausreichendes Angebot an Pflegeleistungen. Nicht weniger wichtig ist älteren Menschen aber auch das Gefühl, mit ihren Fähigkeiten gebraucht, mit ihrer Lebenserfahrung gefragt und mit ihren Vorstellungen ernstgenommen zu werden. Hier brauchen wir neue politische Konzepte für die Integration der Älteren und für das Zusammenleben der Generationen.
    Das Bundessozialhilfegesetz ist einer der wichtigsten Bausteine unserer Sozialstaatsverfassung. Sozialhilfe ist Ausdruck unserer Solidarität mit jenen Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht selbst helfen können. Sozialhilfe verhindert, daß Menschen in Armut abgleiten, und stellt nicht nur die materielle Existenzgrundlage sicher, sondern ermöglicht auch die Teilhabe am sozio-kulturellen Leben. Gleichwohl muß es unser vorrangiges Ziel sein, Bedürftigkeit vorzubeugen, anstatt sie zu verwalten.
    Die Förderung der Verbände der freien Wohlfahrtspflege schließlich trägt dazu bei, daß soziale Dienste und Einrichtungen in unserem Land unabhängig vom Staat in pluraler Trägerschaft angeboten und ausgebaut werden können. Wie sonst nur noch die Vereine in unserer Freizeitkultur sind die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in der Lage, das ehrenamtliche Engagement von Millionen unserer Mitbürger zu mobilisieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Die Bedeutung dieser vier großen Aufgaben ist unübersehbar, gerade wenn es unser fester Wille ist, im wiedervereinigten Deutschland einheitliche Lebensverhältnisse zu schaffen. Ich halte es für ausgesprochen notwendig, in der Familien- wie in der Seniorenpolitik, bei der Weiterentwicklung des BSHG und bei der Zusammenarbeit mit der freien Wohlfahrtspflege die Erfahrungen, die Sichtweisen und Erwartungen der Menschen in den fünf neuen Bundesländern besonders aufmerksam aufzunehmen und zu berücksichtigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unsere Politik muß den Familien in den neuen Bundesländern den Rücken stärken, sie muß auf ihre Bedürfnisse eingehen, und sie muß Antworten geben auf Fragen, die dort gestellt werden. Zu Recht erwarten gerade die älteren Menschen gerade auch in den neuen Bundesländern, voll- und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben des vereinten Deutschland teilhaben zu können, und ich denke, gerade diese Generation, ganz besonders diejenigen Menschen, die in den Altenheimen und Altenpflegeeinrichtun-



    Bundesministerin Hannelore Rönsch
    gen leben, haben es verdient, daß wir so schnell wie möglich die ungeheuer bedrückenden Lebensumstände, in denen sie existieren und teilweise — man muß das Wort gebrauchen — vegetieren müssen, zu andern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ganz wichtig!)

    Wir sind alle aufgerufen, auch Maßstäbe zu setzen und die Folgen des über 40jährigen SED-Unrechtsregimes rasch zu beseitigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Handeln Sie doch!)

    — Aber selbstverständlich! Wir sind doch die ganze Zeit dabei. Ich würde mir wirklich wünschen, Herr Kollege,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Brandenburg macht am wenigsten!)

    daß Sie der Sozialpolitik einmal größere Aufmerksamkeit widmen könnten, gerade der Seniorenpolitik, dann wäre Ihnen nicht entgangen, daß wir an dieser Stelle schon ganz Erhebliches getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie müßten doch wissen, was in 40 Jahren DDR-Diktatur gerade mit den alten Menschen, die nicht mehr im Berufsleben standen, gemacht wurde, wie sie verwahrt wurden, wenn sie den Lohn für die Arbeitsleistung ihres Lebens haben wollten — ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich das einmal vor Ort anzusehen,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Da haben Sie ja recht!)

    ich bin ganz, ganz sicher, daß dann Ihr Engagement vielleicht auch etwas stärker werden würde.
    Aber lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf die Sozialpolitik und auch auf die Sozialhilfe zurückkommen! Auch und gerade den alten Menschen in den neuen Bundesländern müssen wir deutlich machen, daß auf Sozialhilfe ein Rechtsanspruch besteht,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    damit sie nicht Scham empfinden, wenn sie die Sozialhilfeämter in Anspruch nehmen, wenn sie Hilfe benötigen. Die Sozialhilfe muß einen neuen, anerkannten Stellenwert erhalten. Die sozialen Dienste und Einrichtungen müssen in freier und pluraler Trägerschaft angeboten werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch richtig!)

    Es könnte zur Versachlichung auch mancher akademisch geführten Diskussion beitragen, wenn Eiferer ihre Ansichten und Forderungen auch einmal an den Erfahrungen der Menschen in den neuen Bundesländern prüfen würden.
    Ich habe diesen Satz hingeschrieben, als ich noch nicht wußte, daß Ihr Zwischenruf kommen würde. Aber er paßt an dieser Stelle haargenau. Ich bitte Sie, sich wirklich vor Ort einmal mit dem Schicksal der älteren Menschen auseinanderzusetzen. Meine Bitte richtet sich natürlich ganz besonders an die Kolleginnen und Kollegen auf der ganz linken Seite, denn sie haben über 40 Jahre miterfahren und miterlebt, was mit diesen alten Menschen gemacht wurde, ohne einzugreifen und ohne etwas zu unternehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die SED-Schuld! — Zuruf von der PDS/Linke Liste: Da müßte man schon differenzieren!)

    Es mag sein, meine sehr geehrten Damen und Herren zur linken Seite dieses Hauses, daß Sie wesentlich mehr Erfahrungen haben, weil Sie vielleicht dichter am System gewesen sind. Wir haben die Tiefe der Schwierigkeiten nicht erkennen können. Ich bin in den vergangenen 30 Jahren in jedem Jahr in der ehemaligen DDR gewesen; ich habe die Zustände der Heime, in denen alte Menschen, in denen behinderte Menschen zusammen untergebracht wurden, vor der Maueröffnung nicht erfahren und erleben können.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, allein in der kurzen Zeitspanne dieses Jahres ist zum Thema Ehe und Familie höchst Widersprüchliches in die Öffentlichkeit getragen worden. Da gab es etwa vor fast genau drei Wochen eine von allen Medien ausführlich behandelte Aktion mit dem Ziel, gleichgeschlechtliche Partnerschaften amtlich mit Trauschein als Ehe anzuerkennen. Andere wiederum vertreten den Standpunkt, die Ehe sei überhaupt ein auslaufendes Modell ohne Zukunft. Und es ist für mich teilweise ausgesprochen interessant gewesen, daß es oft dieselben Personengruppen waren, die sich einerseits mit Vehemenz für die gleichgeschlechtliche Ehe eingesetzt haben, andererseits aber immer noch von der Ehe als einer überholten Institution gesprochen haben. Das materielle Privileg der Ehe lasse sich nicht mehr rechtfertigen, so wird manchmal behauptet, und alle Lebensgemeinschaften müßten rechtlich und auch materiell gleichgestellt sein. Aus einer dritten Ecke werden daraufhin Zweifel an der Gerechtigkeit und der Sinnhaftigkeit von Familienpolitik ganz generell geäußert. All diese Skeptiker erheben sich nicht nur über das von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gewählte Lebensmodell, nein, sie verkennen auch die vielfältigen und erheblichen Entlastungsfunktionen, die Ehe und Familie gegenüber der Gesamtgesellschaft wahrnehmen.
    Ich vertrete ja nun hier den viertgrößten Einzelhaushalt, und ich sage es immer wieder gerne, weil dieser Haushalt deutlich macht, welchen Stellenwert gerade diese Bundesregierung der Familienpolitik und den Zuwendungen für die Familie beimißt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich denke, daß wir uns darin einig sind, daß mit Erziehungsgeld, mit Kindergeld, mit Erziehungsurlaub, mit Unterhaltsvorschuß, Familienberatung usw. den Bedürfnissen der Familien auch entsprechend Rechnung getragen wird.
    Ich möchte zu den Leistungen noch hinzurechnen, was beim Bundesfinanzminister ressortiert, nämlich die Ausbildungsfreibeträge, das Ehegattensplitting und die Kinderfreibeträge. Ich erwähne dies einmal, weil es vielen gar nicht so gegenwärtig ist und weil sich in vielen Durchschnittsfamilien angesichts der von mir eingangs genannten Botschaften natürlich oft die berechtigte Frage stellt: Sollen die Institutionen
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8945
    Bundesministerin Hannelore Rönsch
    Ehe und Familie in Zweifel gezogen werden? Soll ihre Förderung eingeschränkt oder vielleicht sogar abgeschafft werden? Oder geht es manchmal einfach nur darum, den Kreis der Berechtigten ganz unabhängig davon zu erweitern, ob sie bereit sind, auch die rechtlichen und materiellen Bindungen und Verpflichtungen zu übernehmen?
    Ich denke, wir dürfen nicht zulassen, daß vor allem Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehende von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung abgekoppelt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir müssen durchsetzen, daß der Staat, daß Wirtschaft und Gesellschaft mehr als bisher Rücksicht auf die Familien nehmen, auf ihre Bindungen, auch auf ihre Belastungen und auf ihre Verletzlichkeit. Bei manchen habe ich den Eindruck, Familie ist für sie ein politisch wichtiges Thema erst dann, wenn sie in Not geraten ist und wenn sie scheitert, wenn es in Überforderungssituationen zu Fehlverhalten bis hin zur Gewalt gekommen ist. Selbstverständlich muß sich Familienpolitik auch gerade um diese Familien kümmern.
    Im Mittelpunkt der Familienpolitik sollte aber die ganz normale Familie stehen, weil sie Lebensmittelpunkt und Lebensziel der allermeisten Menschen in unserem Land ist.
    Ich hätte gerne noch mehr Zeit, um grundsätzlich mit Ihnen zu diskutieren, denn ich denke, wir sollten uns gerade auch hier im Plenum darüber unterhalten, daß wir nicht nur Politik für Randgruppen machen, sondern auch für die Menschen, die sich tatsächlich Ehe und Familie als Lebensziel gesetzt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Schaffung des Ministeriums für Familien und Senioren hat Bundeskanzler Helmut Kohl 1991 Signale gesetzt, die dem Altersaufbau, der Demographie Rechnung tragen. Und ich denke, daß wir mit der Arbeit in diesem Ministerium der Bedeutung einer aktiven, zukunftsgestaltenden Seniorenpolitik auch entgegenkommen. Ich halte nichts von den düsteren Szenarien angeblicher Alterslast, Szenarien, die z. B. bei Kongressen der SPD von einer erdrückenden Mehrheit der über 60jährigen zu Beginn des nächsten Jahrhunderts ausgehen.
    Ich denke, wir brauchen Strukturveränderungen in unserer Gesellschaft, und wir müssen alles dazu tun, daß der Generationenvertrag weiterhin eingehalten wird, aber auch daß sich die Generationen nicht auseinanderdividieren lassen. Wir müssen an die Bereicherung denken, die durch das entsteht, was alte Menschen mit in die Gesellschaft einbringen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben deshalb einen Bundesaltenplan entwikkelt, und dieser Bundesaltenplan hat gerade bei den älteren Menschen großen Zuspruch erfahren.

    (Lachen bei der SPD)

    Ich wundere mich über Ihre Freude darüber; denn auch aus Ihren Reihen haben sehr, sehr viele Kollegen
    Briefe geschrieben und um die Einrichtung von Seniorenbüros gebeten, die in diesem Bundesaltenplan auch vorgesehen sind. Es war mir ganz klar: Sie wollen auch in Ihren Reihen die Seniorenbüros.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie viele haben Sie denn?)

    — Frau Fuchs, darüber werden wir uns noch ausführlich unterhalten. Mir läuft die Zeit weg, und ich hatte vor, noch so viel Grundsätzliches zu sagen. Doch möchte ich noch einmal kurz auf die Seniorenbüros eingehen.
    Das zeigt mir, daß Sie alle — Sie wissen hoffentlich, daß Bundesministerien nur modellhaft fördern können — aufgerufen sind, in Ihren Kommunen diese Arbeit für die Senioren zu leisten, diese Seniorenbüros einzurichten. Die Bundesregierung und mein Ministerium können dies nur modellhaft tun. Und wir werden an vielen weiteren Stellen in der Bundesrepublik Seniorenbüros einrichten, so wie es im Rahmen unserer Modellförderung möglich ist.
    Ein seit Jahren aufgestauter Reformdruck macht eine Weiterentwicklung des Sozialhilferechts erforderlich. Ein Referentenentwurf unseres Ministeriums zur Reform des Sozialhilferechts wird zur Zeit innerhalb der Bundesregierung beraten. Ihm liegen Leitvorstellungen zugrunde, die von der Fachwelt nahezu einhellig als problemangemessen begrüßt worden sind. Wesentliches Ziel der Novelle ist, daß wir die Grundsätze der Prävention in der Sozialhilfe künftig noch stärker betonen als bisher.
    Wir wollen zum anderen unbestreitbare Defizite in der Sozialhilfepolitik abbauen und gleichzeitig die besonderen Verhältnisse in den neuen Bundesländern berücksichtigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin mir bewußt, daß neben der Position der Leistungsberechtigten auch die der Leistungserbringer berücksichtigt werden muß. Ich bin allerdings nicht bereit, angesichts der Defizite in der Sozialhilfepolitik lediglich eine Einsparungsnovelle vorzulegen, so wie es von manchen Kommunen und einzelnen Bundesländern gefordert wird, die einseitig den Interessen der Leistungserbringer entsprechen würde. Wir haben ohnehin schon auf eine Reihe sehr erwägenswerter Veränderungen, die bei den Anhörungen vorgebracht worden sind, verzichtet, um den Entwurf nicht zu überfrachten.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu einem Haushalt, der in ganz besonderem Maße dazu beitragen kann, Solidarität erfahrbar zu machen, Solidarität mit Familien, die unsere Zukunft sichern, Solidarität mit der älteren Generation, die geschaffen hat, worauf wir aufbauen, und Solidarität mit den Schwächeren in unserer Gesellschaft, die sich selbst nicht helfen können.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)