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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulrich Junghanns


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Standort Deutschland — das ist eine Kategorie, die wir alle in möglichst untrüglichen Zahlenkolonnen und -vergleichen auszufüllen bemüht sind. Nur scheinbar entrückt von diesen Zahlenspielen, möchte ich von dieser Stelle aus Ihren Blick etwas weiten.
    Neben Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sowie dem Geflecht auf dem Sozialsektor als den vordergründigen Standortkomponenten machen besonders die natürlichen landschaftlichen Bedingungen die Standortqualität Deutschlands aus. Jeder von uns kann das nachvollziehen und zu Recht mit Genugtuung seine heimatlichen Landschaften über alle Grenzen hinweg preisen.



    Ulrich Junghanns
    Ich will bestehende Probleme nicht unter den Teppich kehren oder ein gänzlich undifferenziertes Bild zeichnen; wir stimmen aber mit Sicherheit darin überein, daß dieser Standortwert entscheidend mit der Arbeit der Bauern verknüpft ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man glaubt immer noch, ihre Leistung vorrangig als die eines Nahrungsmittel- und Rohstofflieferanten werten und mitunter abtun zu können. Das greift viel zu kurz. Die Landwirtschaft erbringt unter schwierigen Wirtschaftsbedingungen vielfältige Leistungen der Landschaftspflege und des Umweltschutzes und erhält unsere über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Nur eine funktionsfähige Landwirtschaft kann sicherstellen, daß diese landschaftspflegerischen Leistungen kostengünstig erbracht werden.
    Neben der Wertschätzung für Nahrungsmittel aus deutschen Landen erfährt diese Seite der Wertschöpfung durch die Bauern noch eher Geringschätzung. Da haben es die Bauern, ob in Brandenburg oder in Baden-Württemberg, gleichermaßen schwer. Ihre Befürchtungen, der wirtschaftlichen Zukunft beraubt und von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt zu werden, müssen wir sehr ernst nehmen.
    Es geht um die Standortqualität Deutschlands, wenn wir uns mit mehr Konsequenz daranmachen, der Land- und Forstwirtschaft, dem Wein- und Gartenbau sowie der Fischerei in der Politik das Gewicht zu geben, das sie mehr als verdienen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das heißt zunächst, meine Damen und Herren: Wir müssen die GATT-Verhandlungen zum erfolgreichen Abschluß treiben.

    (Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/CSU]: Das ist ganz entscheidend!)

    Mit dem Abbau der EG-Subventionierung ist das entscheidende Hemmnis beseitigt, wobei die EG-Agrarreform zu einem fairen Verhandlungsangebot geworden ist. Ich möchte die Regierung ermuntern, die EG-Kommission in ihrem Verhandlungsmandat vehement zu unterstützen, wobei ausschlaggebend bleibt, daß die bei der Agrarreform beschlossenen Ausgleichszahlungen dauerhaft und verläßlich gesichert und keine betrieblichen Förderobergrenzen zugelassen werden. Denn: So wichtig der erfolgreiche Abschluß der GATT-Verhandlungen für die Wirtschaft insgesamt auch ist, der hohe Preis dafür darf nicht allein von der Landwirtschaft getragen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ohnehin empfinden viele Bauern die EG-Agrarreform als Kreuz. Kritik richtet sich gegen Regelungen bei Getreide und Rindfleisch, bei Mutterkühen und Schafen sowie insbesondere gegen den Verwaltungsaufwand. Gleichwohl gibt es — das sei auch festgestellt — insgesamt eine ausgewogene Bilanz beim Ziel der Mengenbegrenzung und Preissenkung, bei Ausgleichsleistungen und sogenannten flankierenden Maßnahmen wie Aufforstung, Vorruhestand, umweltverträgliche Landwirtschaft. Letztere beginnen im Jahre 1993 kostenwirksam zu werden.
    135 Millionen DM sind zusätzlich im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben eingestellt. Aber es sei sofort angemerkt: Wie so oft ist Geld dabei nicht alles. Reformakzeptanz kann nur wachsen, wenn der Verwaltungswust abnimmt. Mit Vertrauen und Unnachgiebigkeit richten wir diese Erwartung an die Verhandlungsführer der Bundesregierung. Die Bauern wollen im Stall und auf dem Feld wirtschaften und sich nicht am Schreibtisch zermartern!

    (Zurufe von der CDU/CSU: So ist es! — Sehr richtig!)

    In dieser Situation einer noch reifenden EG-Agrarreform und des offenen Ausgangs der GATT-Verhandlungen sind wir gefordert, das national Mögliche zu tun, um mit dem Haushalt 1993 feste Orientierungspunkte zu setzen, die unserem konstruktiven Reformwillen für die Bauern Gestalt geben.
    Leitlinien dafür sind und bleiben: den Abbau der Überschüsse durch eine wirkungsvolle Marktentlastung herbeizuführen; die von der Landwirtschaft für die Allgemeinheit erbrachten besonderen ökologischen und landschaftspflegerischen Leistungen entsprechend zu honorieren, wobei nach der Verfassungslage die Länder gefordert sind; zur Weiterentwicklung und Stabilisierung der ländlichen Räume die Agrarmarktpolitik und -strukturpolitik durch eine integrierte und vernetzte Politik für den ländlichen Raum zu ergänzen; die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft

    (Horst Sielaff [SPD]: Warum legt die Regierungskommission dazu keine Vorschläge vor?)

    — Sie können nach mir reden! Hören Sie erst einmal zu, was ich sage, Herr Sielaff! —

    (Horst Sielaff [SPD]: Das werde ich tun!)

    durch eine konkurrenzfähige Produktvermarktung auf den europäischen und außereuropäischen Märkten zu verbessern.
    Mit dem Haushalt 1993, der einen Budgetzuwachs in Höhe von 3,1 % aufweist, stellen wir uns den Erwartungen der Bauern in Ost und West.
    Erstens. 1,41 Milliarden DM sind im Etatentwurf eingestellt, um auf der Grundlage der noch ausstehenden EG-Vorgaben eine unabdingbare Fortführungsregelung zum Mehrwertsteuerausgleich zu treffen.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist einer der wichtigsten Schritte!)

    Dieser Betrag könnte auf 2,2 Milliarden DM erhöht werden, wenn sich die Länder zur Komplementärfinanzierung bekennen. Bleibt es bei der bisherigen ablehnenden Haltung, die uns schon in diesem Jahr vor den Vermittlungsausschuß führt, kann man das nur als Absage gegenüber den Sorgen und Nöten der Bauern betrachten.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Da ist die Wahrheit!)




    Ulrich Junghanns
    Ich appelliere an die Landesregierungen, insbesondere an die SPD-geführten, in dieser Sache Vernunft walten zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zweitens. Rund 55 Millionen DM sind für den großen und zukunftsträchtigen Komplex nachwachsender Rohstoffe eingestellt. Wir brauchen einen Durchbruch in der Koordinierung aller Beteiligten aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Industrie, urn die Zielstellungen mit schlüssigen und kostengünstigen Konzepten zu erreichen. Dafür soll eine Fachagentur die Arbeit aufnehmen, welche ihren Standort noch sucht. Ohne die guten Gründe ambitionierter Kollegen falsch auslegen zu wollen, möchte ich doch anmerken, daß diese Einrichtung nach meinem Dafürhalten in einem unserer neuen Bundesländer am besten aufgehoben wäre.
    Drittens. Die Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe wurden auf 2,73 Milliarden DM aufgestockt. Dabei entspricht es der Situation, daß der Bewilligungsrahmen für die jungen Länder im Jahre 1993 mit 465 Millionen DM größer ist als für die alten Bundesländer. Die Bauern reden eben nicht über Solidarbeitrag, sie handeln.
    Noch deutlicher zu den Problemen der Landwirtschaft in unseren neuen Ländern: Nach wie vor vollzieht sich ein dramatischer Arbeitskräfteabbau, ohne daß schon ausreichende Alternativprogramme greifen. Die Marktzugangsbedingungen sind so schwierig, daß die Erlöse, besonders bei Rindfleisch und Milch, hinter denen hierzulande noch zurückstehen. Der Kapazitätsabbau konnte noch nicht korrigiert werden. Die Folgen der Trockenheit dieses Sommers tun das Übrige zur Verschärfung der Lage.
    Diese Situation verlangt auch im kommenden Jahr, die Umstrukturierung der Betriebe in den neuen Bundesländern hin zur Marktwirtschaft durch spezifische Maßnahmen zu unterstützen. Dafür gilt es, jetzt schnell die Regelung zur Abwendung von Existenzgefährdung in den betroffenen Ländern zu treffen. Für die Bundesregierung soll dafür die Regierungsvereinbarung, die im Entwurf vorliegt, Grundlage bleiben.
    2,63 Milliarden DM sieht der Landwirtschaftsetat für unsere jungen Bundesländer in 1993 insgesamt vor. Erstmalig werden unter diesem Titel die Ausgleichsmaßnahmen für die Bauern in Ost und West gemeinsam ausgewiesen. Das ist ein notwendiger Schritt. Gleichwohl werden wir uns einen scharfen Blick dafür bewahren, daß der den neuen Ländern zustehende Anteil — Berechnungsgrundlage für den Etatentwurf — in Höhe von 420 Millionen DM den Bauern zwischen Rostock und Suhl, zwischen Frankfurt/Oder und Wernigerode auf Heller und Pfennig chancengerecht über alle Betriebsformen hinweg zufließt.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wir müssen aufpassen, daß nicht die Falschen die Anträge stellen!)

    Spezielle Hinwendung zu unseren jungen Bundesländern heißt ferner: Entschädigungsleistungen in Höhe von 300 Millionen DM für verlorengegangene
    Inventarbeiträge der Bauern, verteilt auf 1993 und 1994. Damit löst die Regierungskoalition ihr Wort ein, hilft, die vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen vielerorts zu entkrampfen, und beseitigt mit diesem finanziellen Ausgleich Hemmnisse bei der Wiedereinrichtung bäuerlicher Betriebe und bei der Entwicklung des ländlichen Raumes.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die deutliche Aufstockung des Bundeszuschusses für die landwirtschaftliche Unfallversicherung von 52 auf 85 Millionen DM hilft dem Versicherungsträger LBG Berlin, in seine Verantwortung hineinzuwachsen.
    Schließlich seien die Mittel erwähnt, die der Etat für die Förderung agrar- und forstkultureller sowie agrar- und forsthistorischer Einrichtungen in unseren Ländern bereithält. Den Verfall einzudämmen bzw. die Nutzung zu bewahren ist ein wichtiger Baustein ländlicher Traditionspflege.
    Die entscheidende Herausforderung aber für alle Bundesländer ist, entsprechend ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit, bezogen auf ihre landwirtschaftlichen und landeskulturellen Erfordernisse, alle Möglichkeiten der Finanzierung umweltverträglicher Landbewirtschaftung auszuschöpfen.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Da sollten gerade die SPD-regierten Länder die Ohren aufmachen!)

    Für die jungen Länder steht angesichts riesiger Stillegungsflächen im Vordergrund, der Umwidmung von Flächen zur forstwirtschaftlichen Nutzung und der Landschaftspflege mittels Landesprogrammen viel mehr Gewicht zu geben. Allein das verdient es, die Landesbeteiligung am Ausgleich der Mehrwertsteuer nicht auszuschlagen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Landwirt wird abverlangt, sich auf den Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen einzustellen. Das gibt uns gemeinsam auf, mit unserer Agrar- und Finanzpolitik Perspektiven für den unternehmerischen Landwirt aufzuzeigen und zu eröffnen, die ihm wirtschaftliche und soziale Sicherheit in unserer sich verändernden Welt geben.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nunmehr das Wort dem Abgeordneten Horst Sielaff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Sielaff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß hier feststellen: Die Agrarpolitik scheint in dieser Regierung völlig an den Rand und in die Bedeutungslosigkeit abgeschoben worden zu sein

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das scheint nur so!)

    — das scheint leider nicht nur so —, erkennbar auch daran, daß sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu diesem Bereich weder der Landwirtschaftsminister noch ein anderes Mitglied der Regierungskoalition zu



    Horst Sielaff
    Wort gemeldet hat. Ich hoffe, daß das nach dieser Rede anders wird.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Vorhin wurde das Gegenteil moniert, daß nur der Minister redet!)

    Die Agrarpolitik wird offenkundig, lieber Herr Hornung, von der Wirtschaftspolitik ganz und gar bestimmt und der Wirtschaftspolitik untergeordnet. Ich verweise auf das Vorgehen von Herrn Möllemann auf dem Münchener Weltwirtschaftsgipfel, wo die Agrarpolitik nicht von Herrn Kiechle, sondern vom Wirtschaftsminister gemacht worden ist. Sie wissen genau, wovon ich spreche.
    Da versteht man schon, daß Sie, Herr Kiechle, praktisch das Handtuch werfen und frühzeitig angekündigt haben, Ihr zugegebenermaßen schwieriges Amt — besonders schwierig in dieser Regierungskoalition — aufzugeben.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das, was Sie jetzt tun, ist unfair!)

    — Daß sich die F.D.P. hier wehrt und nicht zugeben will, daß Herr Möllemann bestimmt, was Sie in der Agrarpolitik sagen dürfen, das ist sicherlich verständlich, aber trägt hier zur Aufklärung nicht bei.
    Agrarpolitik, meine Damen und Herren, ist nicht nur Politik für einen Berufsstand, der ums Überleben kämpft, sondern Agrarpolitik hat Entscheidendes mit Raumordnungspolitik und mit der künftigen Entwicklung des ländlichen Raumes insgesamt zu tun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie recht!)

    Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, daß Sie im Zuge der Koalitionsvereinbarungen die Erstellung eines Konzeptes zur Entwicklung des ländlichen Raumes festgelegt haben. Wir müssen mit Unverständnis feststellen, daß dieses Konzept bis heute nicht vorliegt. Dabei wäre es angesichts der Schwierigkeiten der ländlichen Räume und der Dörfer gerade in den neuen Ländern so dringend nötig. Herr Junghanns hat hier im Grunde darauf verwiesen. Wenn er könnte, würde er hier genauso deutlich fordern, daß diese Regierungsvereinbarung endlich auch realisiert wird.
    Ungelöste oder in der Vergangenheit falsch gelöste Fragen der Raumordnung, das Problem der fehlenden Hofnachfolger, Fragen der auch künftig flächendekkenden, ökologisch sinnvollen Landbewirtschaftung oder auch die schwierige Situation der deutschen Fischereiwirtschaft, die durch wachsende Unsicherheit und ungerecht vergebene Fangquoten gekennzeichnet ist — alles Probleme, die in diesem Haushalt nicht den Platz einnehmen, der ihnen zukommen müßte.

    (Beifall bei der SPD — Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das stimmt auf keinen Fall!)

    Diese Sorgen scheinen nur von einem kleinen Kreis in der Regierungskoalition erkannt worden zu sein. So muß man wohl feststellen, daß die Agrarpolitik ein weiteres Mal die allgemeine Hilflosigkeit und Konzeptlosigkeit der gegenwärtigen Bundesregierung unterstreicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Kollegen der Regierungskoalition müssen sich fragen lassen, welchen tatsächlichen Stellenwert Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in diesem Haushaltsgesamtpaket wirklich haben.
    Wir Sozialdemokraten wissen, wie groß die Bedeutung der Agrarpolitik nach wie vor ist, nicht zuletzt auch wegen unserer Verantwortung für die Sicherstellung der Welternährung. Sie können dies daraus ersehen, daß in den Redebeiträgen des Fraktionsvorsitzenden, des Parteivorsitzenden und insbesondere von Hinrich Kuessner die Agrarpolitik und Landwirtschaft ausdrücklich genannt worden sind, bei der Regierungskoalition dagegen bisher kaum ein Wort zur Agrarpolitik außerhalb des Fachressorts.
    Im Einzelplan 10 werden fast 14 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet ein Plus von 3,1 % gegenüber dem letzten Jahr. Aber wo ist das Konzept mit klaren Zukunftsperspektiven für die Landwirte, das sich in diesem Finanzplan widerspiegelt?

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mehr Geld gab es noch nie!)

    Wir Sozialdemokraten fordern seit 1982 eine EG-Agrarreform; wir stehen dazu. Sie, Herr Kiechle, haben sich dem lange widersetzt. Was dann nach den fortgesetzten Verhandlungen herausgekommen ist, kann man nun wirklich nicht als gelungen bezeichnen. Diese Agrarreform mit einer übermäßigen Betonung der Flächenstillegung und den zum Teil unausgegorenen Regelungen für die Extensivierungsmaßnahmen — dabei denke ich u. a. an die Mutterkuhprämie, die noch immer nicht völlig unabhängig von der Milcherzeugung gezahlt werden kann — wird weder bei den Landwirten noch in der sonstigen Bevölkerung Akzeptanz finden.

    (Beifall bei der SPD — Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Die SPD-regierten Länder sind noch nicht einmal bereit, den Anteil zu leisten, den sie leisten sollten!)

    Überdies, Herr Hornung, wird diese Reform an ihrer Widersprüchlichkeit und Kompliziertheit ersticken.
    Bürokratie — das ist das Kennzeichen dieser Reformbemühungen, von vielen beklagt und von der Bundesregierung offensichtlich noch nicht einmal ansatzweise gelöst oder auch nur in den Griff bekommen. Der Mechanismus der Ausgleichszahlungen ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch mißlungen. Der Forderung nach standortgerechter Landwirtschaft wird durch diese Bestimmungen entgegengearbeitet. Viele der notwendigen Durchführungsbestimmungen zu den Reformbeschlüssen fehlen, werden herausgegeben, widerrufen, erneuert, kompliziert und zurückgezogen. Die Behörden vor Ort können inzwischen ganze Opern davon singen. Wenn der Landwirtschaftsminister zuhören würde, würde er sich daran erinnern, daß der Landwirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz ihm dies in einem Brief sehr plastisch dargestellt hat.