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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
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    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich habe heute sehr bewußt zugehört und mir auch über jene Kollegen meine Gedanken gemacht, die jetzt an vorderster Front Politik machen müssen und mit unserem System vorher noch wenig Erfahrung sammeln konnten.
    Der Kollege Thierse hat den Zustand sicher sehr gut beschrieben; aber er hat ein paar Fehler gemacht. Er hat den Abbau von Arbeitsplätzen und den großen Zusammenbruch zu sehr auf die Marktwirtschaft geschoben, statt die eigentlichen Ursachen zu nennen. Die Ursachen der Misere in Ostdeutschland liegen eindeutig in der Vergangenheit; sie liegen im Kommunismus und im Sozialismus.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.])

    Dann war der Herr Kollege Krause dran. Er ist von Ihnen, Frau Matthäus-Maier, sehr attackiert worden. Dabei komme ich zu einem weiteren Unterschied: Der Kollege Krause packt im Gegensatz zum Kollegen Thierse etwas an. Er ist ein Handwerker und nicht nur ein Mundwerker. Herr Thierse hat sich doch noch nicht einmal getraut, die SPD in Berlin zusammenzuführen und auf diese Art seinen Beitrag zum Wiederaufbau zu leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es wird in diesen Tagen auf der Suche nach Rezepten sehr viel Ludwig Erhard bemüht. In der Tat kann man von Ludwig Erhard viel lernen. Aber man darf nicht vergessen, daß auch Ludwig Erhard eine Forderung gestellt hat, die ihn am Schluß nicht sehr populär gemacht und möglicherweise sogar mit zu seinem Sturz geführt hat: Er hat das Maßhalten gefordert. Auch das dürfen wir nicht vergessen, wenn ständig neue Forderungen an den Haushalt insgesamt kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Damit meine ich nicht nur die Forderungen zum Wiederaufbau unseres Landes.
    Wir müssen auch ganz deutlich sehen — das ist heute bei der Rede des Bundeswirtschaftsministers angeklungen —, daß wir in einer konjunkturell sehr schwierigen Situation sind. Der Investitionsboom hat fürs erste ein Ende erreicht. Branchen wie die Chemie verzeichnen kräftige Ertragseinbrüche. Der Maschinenbau meldet Umsatzrückgänge. Andere Bereiche, etwa die Datenverarbeitung, kämpfen mit Überkapazitäten. Da ist viel hausgemacht.
    Aber nicht alle Probleme sind hausgemacht. Für die deutsche Konjunktur spielt die weltwirtschaftliche Entwicklung auf Grund ihrer hohen Außenhandelsabhängigkeit eine herausragende Rolle. Da sieht es im Moment nicht sehr gut aus: In den USA läßt der Aufschwung noch immer auf sich warten. Japan kämpft mit den Folgen früherer Überhitzungserscheinungen. Unsere westeuropäischen Nachbarn, vor allem Großbritannien, haben Probleme. Die Reformanstrengungen in Osteuropa sind mit tiefen Wirtschaftseinbrüchen verbunden. Dies alles wirkt sich auf uns aus.
    Deshalb ist es klar, daß in diesem schwierigen Umfeld die Bundesrepublik Deutschland keine Insel der Glückseligen sein kann. Jetzt macht sich bemerkbar, daß Deutschland ein sehr teurer Standort ist. Dieses Problem wäre sehr viel früher aufgebrochen, wenn wir nicht den wiedervereinigungsbedingten Boom gehabt hätten. Die Lohnstückkosten sind im internationalen Vergleich hoch. Bei den Lohnzusatzkosten sind wir leider trauriger Weltmeister. Die Steuerbelastungen der Unternehmungen liegen höher als in wichtigen Konkurrenzländern. Hohe Energie- und Umweltkosten kommen hinzu.
    Die CDU/CSU-Fraktion hat sich schon länger sehr intensiv mit diesem Problem auseinandergesetzt. Ich nehme an, Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben unsere umfangreichen Unterlagen lesen lassen; denn viele von Ihren heutigen Rückschlüssen sind auch bei uns genannt. In diesem Zusammenhang darf ich Herrn von Kuenheim zitieren, der gesagt hat: „Die deutsche Volkswirtschaft ähnelt heute in fataler Weise dem gefesselten Riesen Gullliver, nur mit dem Unterschied, daß wir uns selber gefesselt haben." Darüber sollten wir nachdenken. Wir müssen uns fragen: Wo haben wir uns selbst gefesselt, und wo können wir uns wieder selber entfesseln?
    Gewerkschaften, Unternehmen und der Staat haben dazu beigetragen, daß die Arbeitszeit in Deutschland immer mehr verkürzt und gleichzeitig zementiert worden ist. Unser System ist ungeheuer starr geworden. Auf veränderte Gegebenenheiten auf den Weltmärkten können wir nicht mit der notwendigen Flexibilität reagieren. Wir brauchen deshalb Regelungen, die eine stärkere Auslastung unserer teuren Maschinen und Anlagen ermöglichen.
    Ein weiteres Beispiel für die Selbstfesselung ist die Länge der Genehmigungsdauer — das ist heute schon richtig angesprochen worden — und der bürokratische Aufwand, der bei der Durchführung von Investitionsvorhaben betrieben wird. Es hat 20 Jahre gedauert, bis der Flughafen München II endlich fertig war. Der steht in Bayern. Nur deswegen ist er überhaupt zu verwirklichen gewesen. In Hamburg hat man 20 Jahre



    Michael Glos
    über einen Flughafen diskutiert und ihn dann schließlich aufgegeben.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Der ist auch nicht nötig gewesen! Da haben wir viel Geld gespart!)

    — Gut, man hat viel Geld gespart. Durch die Wiedervereinigung ist jetzt Gott sei Dank eine andere Situation gegeben. Das wissen wir. Aber ich wollte an diesem Beispiel verdeutlichen, wie schwierig es heute ist, nötige Infrastrukturmaßnahmen letztendlich durchzusetzen.
    Es ist ganz klar — da muß ich Herrn Bundesminister Krause recht geben —: Mit den heutigen Gesetzen und mit unserer heutigen Bürokratie hätte es nach dem Kriege nie ein deutsches Wirtschaftswunder gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir alle müssen uns daranmachen, Gesetze und Regelungen zu verändern. Dazu brauchen wir den Bundesrat. Da freue ich mich, daß heute soviel Bereitschaft zur Zusammenarbeit geäußert worden ist.
    Ein anderes Beispiel, warum wir in der Konkurrenzfähigkeit unserer Volkswirtschaft etwas abgesackt sind, ist die Steuerpolitik. Alle Wettbewerberländer haben die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen nachhaltig verbessert. Häufig waren es sogar sozialdemokratische bzw. sozialistische Regierungen, die die Unternehmensteuern am weitesten senkten. Bei uns in Deutschland ist bei dem Thema bisher vor allem immer wieder eine Neiddebatte ausgebrochen. Herr Roth, insofern bin ich Ihnen heute dankbar, daß Sie gesagt haben, Sie wollten auch hier mit uns zusammenarbeiten, Sie seien zu besserer Einsicht bereit.
    Der Finanzminister hat ein mutiges Konzept zu einer weiteren Senkung von Unternehmensteuern und damit zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vorgelegt. Darum geht es doch. Es geht doch überhaupt nicht darum, irgendwelche Geldsäcke zu begünstigen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    sondern es geht darum, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen und damit insgesamt unseren Standort Deutschland zu sichern.
    Ich finde es sehr eigenartig: Bei uns sind Sportler und Künstler angesehen. Diese Gruppen können sehr viel Geld verdienen, ohne daß sich jemand aufregt. Die dürfen sogar ihre Steuern dort entrichten, wo weniger zu zahlen sind als in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Personen sind trotzdem hoch angesehen. Aber bei uns wirtschaftlich erfolgreich zu sein ist verpönt. Der wirtschaftlich Erfolgreiche muß seine Gewinne verstecken. Er muß immer wieder als Popanz herhalten, wenn es gilt, Neidideologien zu befriedrigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich sage auch an unsere eigene Adresse: Wir müssen ganz vorsichtig sein mit der Wirkung unserer Vorschläge in der Öffentlichkeit.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir dürfen nicht weiteren Attentismus auslösen. Er beginnt nämlich jetzt schon beim privaten Wirtschaftsverhalten, beim Investitionsverhalten. Viele unserer Mitbürger zögern beim Kauf eines neuen Autos, bei der Kaufentscheidung für ein neues Eigenheim oder für gehobene Ausstattung.

    (Eckart Kuhlwein [SPD]: Die sparen das Geld für die Zwangsanleihe!)

    Es kann natürlich bedeuten, daß wir damit möglicherweise die Konjunktur herunterreden. Jeder trifft täglich irgendwo Investitionsentscheidungen. Wenn aber angedroht wird, daß dem einzelnen immer tiefer in die Tasche gelangt wird, dann verhält er sich natürlich etwas vorsichtiger.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Das soll überhaupt nicht heißen, daß damit das Ende jeglicher Debatte in bezug auf mögliche Belastungen erreicht ist. Nur, glaube ich, müssen wir dabei in Zukunft — ich sage das selbstkritisch — vielleicht etwas vorsichtiger zu Werke gehen.
    Wenn sich Deutschland im Wettbewerb um mobile Investoren behaupten will, müssen wir Wettbewerbsnachteile gegenüber andern Ländern abbauen. Dabei muß klar sein, daß über den größten Kostenbrocken — das sind vor allen Dingen die Lohnkosten — in allererster Linie Arbeitgeber und Gewerkschaften entscheiden, die selbst immer wieder auf die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie verweisen.
    Herr Roth hat die Frage gestellt: Wie ist das mit der Verlagerung der Arbeitsplätze? Zu allen Zeiten hat es Verlagerungen von Fertigungen in Billiglohnländer gegeben. Das ist richtig. Es gab Zeiten, da war das sogar gewollt; sonst hätten wir noch mehr Gastarbeiter in unser Land kommen lassen müssen. Damals konnten wir uns diese Verlagerungen auch leisten. Nur, so meine ich, können wir sie uns derzeit nicht leisten.
    Sicher können wir kein Niedriglohnland werden, aber das Tempo der Verlagerung wird doch auch bei uns bestimmt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Das Tempo der Verlagerung in den letzten Jahren war eindeutig zu hoch. Es war so hoch, weil vor allen Dingen die Lohnkosten so dramatisch angestiegen sind.

    (Jochen Borchert [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Der Appell an die Gewerkschaften — da haben Sie von der SPD Ihre Freunde sitzen —, an die Tarifpartner in bezug auf ein Maßhalten ist doch von Ihnen nur mit Hohngelächter begleitet worden. Sie tragen mit Verantwortung dafür, daß es im öffentlichen Dienst einen überflüssigen Streik gegeben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wolfgang Roth [SPD]: Wer? — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unglaublich! )




    Michael Glos
    — Das war ein sehr überflüssiger Streik, weil nur von einer Seite zum Maßhalten aufgefordert worden ist. Die Warnungen kamen nur von einer Seite.

    (Franz Müntefering [SPD]: Wer trägt die Verantwortung? — Wolfgang Roth [SPD]: Meinen Sie Heide Simonis?)

    Ich befürchte — ich wünsche mir dies aber in keiner Weise —, daß das Beispiel der Lufthansa möglicherweise nicht das einzige Beispiel bleiben wird, wo man sich zusammensetzen muß, um den Konkurs von Unternehmungen durch ein Maßhalten im eigenen Unternehmen zu verhindern. Ich kann nur hoffen, daß dann die Gewerkschaften genauso kompromißbereit sein werden wie im Falle der Lufthansa.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Ich hoffe, wir haben keinen Pleitefall mehr wie die Lufthansa!)

    — Herr Roth, ich würde es begrüßen, wenn Sie Ihre Freunde in den Gewerkschaften etwas stärker auf diese Tatsachen hinweisen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ein Zweites: Wir können den Wiederaufbau Ostdeutschlands nur finanzieren — da sind wir uns einig; das hat diese Debatte ergeben —, wenn wir mit einer Verringerung unseres Zuwachses an Wohlstand und möglicherweise mit einem Stück Umverteilung unseres Wohlstandes vom Westen in den Osten endlich ernst machen. Dazu brauchen wir vor allem Dingen auch die Länder und Gemeinden.
    Ich habe gestern in meiner Post einen Brief des ehemaligen Landrats des Landkreises Kitzingen gefunden, der jetzt in Thüringen an verantwortlicher Stelle — ich glaube sogar, in einer Bezirksregierung —Aufbauhilfe leistet. Er schreibt mir: „Alle Welt weiß doch, daß zahllose Kommunen im Westen ihre Einrichtungen perfektionieren, während in den neuen Ländern so vieles Notwendige fehlt. Warum schränkt man den Kapitalverbrauch der Kommunen nicht — wie früher erfolgreich praktiziert — für etwas drei Jahre durch eine Schuldendeckelung ein?"
    Ich will Ihnen jetzt nicht alles vorlesen, was der Mann geschrieben hat. Der Mann weiß Bescheid. Er war im Westen Landrat, er sieht jetzt drüben die Not. Der Bund hat das Nötige getan, um im Haushalt umzuschichten. Wären uns die Länder und Kommunen genauso gefolgt, hätten wir heute noch größere Spielräume für öffentliche Hilfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die ostdeutsche Wirtschaft leidet u. a. unter dem Irrtum, durch rasche Lohnanpassung ohne Rücksicht auf die Produktivitätsentwicklung könne der Lebensstandard am schnellsten auf westdeutsches Niveau gehievt werden. Auch hierüber muß von allen Beteiligten nachgedacht werden. Deshalb begrüße ich nachhaltig den angestrebten Solidarpakt. Ich hoffe, daß dieser Solidarpakt zwischen Gewerkschaften, Unternehmungen und der öffentlichen Hand zustande kommt.
    Gefährlich ist allerdings die Vorstellung — davor möchte ich noch einmal warnen —, man könnte den staatlichen Korridor risikolos noch weiter ausdehnen und unsere wirtschaftlichen Probleme durch den Rückgriff auf die Kapitalmärkte lösen. Insbesondere jede weitere Erhöhung der staatlichen Kreditaufnahme — auch aus noch so ehrenhaften Gründen — engt nicht nur die Haushaltsspielräume für die Zukunft ein, sondern droht die Wachstumsdynamik von der Zinsseite her abzuwürgen. Die Bundesbank würde das auch nicht mitmachen. Aber selbst wenn die Bundesbank zuschauen würde, würden es die Weltkapitalmärkte letztendlich wieder korrigieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Die beobachten sehr kritisch, ob wir uns als Deutsche nicht überfordern.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Was ist nötig? Erstens. Priorität beim Aufbau der neuen Bundesländer müssen private Investitionen haben. Da müssen wir noch einmal genau hinschauen, ob wir für den Mittelstand, der dort ansässig ist und sich dort entwickeln soll, nicht noch Zusätzliches tun können im Rahmen von Umschichtungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu den privaten Investitionen gehört — das wurde auch schon einmal gesagt — natürlich auch das Verhalten der Kommunen. Für mich z. B. ist es unverständlich, warum man gegen den Stromvertrag klagt. Mutwillig hat man, wie ich meine — beraten vom Westen, weil es möglicherweise um Posten in den Aufsichtsräten geht — diese Klage angestrengt. Wir könnten ein ganzes Stück weiter sein, wenn man nicht geklagt hätte. Ich bin überzeugt, das hätte sich auch anders lösen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Zweitens. Wir müssen endlich die steuerlichen Bremsen bei uns wegnehmen. Ich habe es schon gesagt: Wir dürfen das nicht ideologisch — keine Scheuklappen —, sondern müssen das ganz pragmatisch sehen.

    (Ernst Waltemathe [SPD]: Das ist ja toll!)

    Drittens. Unser Bürokratie- und Genehmigungsunwesen in Ost wie West muß entrümpelt werden. Wir brauchen Baugenehmigungs-, keine Bauverhinderungsbehörden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens. Der politische Boykott von technischen und wirtschaftlichen Großprojekten und neuen Technologien, wie er vor allen Dingen in SPD-geführten Bundesländern stattfindet, muß weg.
    Fünftens. Die Finanzierung des Aufbaus der neuen Bundesländer muß endlich als Aufgabe aller Gebietskörperschaften begriffen werden. Es darf nicht weiter so sein, daß sich das Sparen nur auf den Bund bezieht. Auch hier sind wir Politiker gefordert, das in unseren Wahlkreisen auch weiterzusagen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht damm, in einer Zeit des Wandels, in einer Zeit, in der es sehr viele Gefahren gibt — auch wirtschaftliche Gefahren —, den Standort Deutschland zu sichern und unser Vaterland gemeinsam wieder aufzubauen.



    Michael Glos
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. — Lieselott Blunck [SPD]: Er ist auf einem Auge blind!)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun hat der Finanzminister des Landes Thüringen, Herr Dr. Klaus Zeh, das Wort.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir führen zur Zeit landauf, landab eine intensive Finanzdiskussion. Sie ist nicht ausschließlich durch die Haushaltsdebatte 1993 ausgelöst, sondern sie hat grundsätzlichen Ursprung. Es ist ein Spagat zu vollführen zwischen der Konsolidierung der Staatsfinanzen, der Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland und einer ausreichenden Finanzausstattung der jungen Bundesländer.
    Zwischen diesen drei Problemkreisen gibt es einen inneren Sachzusammenhang. Schaffen wir die Konsolidierung der Finanzen nicht, gefährden wir das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland. Überfordern wir den Standort Deutschland West, dann fehlt uns die Basis für die Finanzen des Standortes Ost. Ist die Finanzausstattung der jungen Bundesländer nicht ausreichend, bleibt der Standort Deutschland Ost weniger attraktiv für Investoren. Er bleibt damit am Finanztropf Deutschland West. Das würde den Standort auf lange Sicht überfordern.
    Diese Situation können wir nur meistern, indem wir den vom Bundesfinanzminister in seiner Eingangsrede angesprochenen Pakt der Vernunft und der Solidarität schließen. Wir brauchen einen Solidarpakt mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen. Dieses Solidarpaket sollte aus unserer Sicht möglichst bald geschnürt werden.
    Da ich bisher als ein Politiker hier zu Ihnen spreche, der aus dem Osten stammt, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen zunächst einen ganz herzlichen Dank ausspreche.

    (Otto Schily [SPD]: Wollen Sie demnächst in den Westen übersiedeln?)

    Ich danke ganz ausdrücklich den Menschen in den alten Bundesländern ebenso wie der Bundesregierung und allen alten Bundesländern; ich danke auch deren Gemeinden für die bislang geleistete massive Aufbauhilfe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Diese Hilfe geht weit über das Finanzielle hinaus. Ich kann auch getrost sagen, daß dies in der Geschichte ohne Beispiel ist. Nicht zuletzt mit Blick auf die unvergleichlich größeren Schwierigkeiten in Osteuropa — ich unterstreiche das — erkennen die Menschen in den jungen Bundesländern diese Aufbauhilfe dankbar an.
    Dabei ist eines klar: Die Hauptanpassungslast dieser Umstrukturierung müssen die Menschen in Ostdeutschland tragen. Sie haben schon Gewaltiges geleistet. Jeder einzelne in den jungen Bundesländern mußte all seine Lebensbereiche völlig neu ordnen. Ich meine, deshalb muß die wirtschaftliche Anpassung auch weiterhin sozial flankiert werden.
    Richtig ist auch: Die Zeitspanne der nötigen Anpassung ist schmerzlicher und länger, als erwartet. Ich weiß, wie sehr das viele Menschen im Osten und Westen unseres Vaterlands beunruhigt. Aber um so entscheidender ist, daß die Menschen in ganz Deutschland eine klare Perspektive haben. Im übrigen halte ich es mit jenen Menschen, die nicht so sehr über das lamentieren, was noch nicht geschaffen ist. Ich halte es mit denjenigen, die sich über das freuen, was alles schon geschafft worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jeder, der es sehen will, erkennt doch, daß wir in unseren Städten und Dörfern beim gemeinsamen Aufbau Ost in nur zwei Jahren schon weit vorangekommen sind. Ich lade Sie, meine Damen und Herren, die es noch nicht gesehen haben, ganz herzlich ein: Schauen Sie es sich an.
    Das bedeutet aber: wir müssen gemeinsam weiter alle Anstrengungen unternehmen, damit sich der Aufschwung Ost fortsetzt.

    (Dr. Fritz Schumann [Kroppenstedt] [PDS/ Linke Liste]: Anfängt!)

    Dies liegt im wohlverstandenen gemeinsamen Interesse; denn wir sitzen buchstäblich alle in einem Boot. Deshalb begrüße und unterstütze ich ausdrücklich die Initiativen zu einem Solidarpakt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Außer der PDS, die das nicht wollen!)

    Trotz unserer Sorgen sind wir jungen Bundesländer auch zu einem eigenen Beitrag bereit. Nicht zuletzt mit Hilfe der Altländer unternehmen wir weiterhin alles, damit durch Investitionen neue Arbeitsplätze mit steigenden Einkommen entstehen können. Im Thüringer Haushalt sind z. B. 34,5 % für Investitionen geplant. Ich meine, nur so erreichen wir auf Dauer jene Steuerkraft, die zur Erfüllung unserer staatlichen Aufgaben nötig ist. Wir können dann auch von Transferzahlungen unabhängiger werden.
    Auch im Personalabbau hat Thüringen seine Hausaufgaben gemacht. Von ca. 110 000 Ende 1990 werden wir auf 80 000 Landesbedienstete Ende 1992 kommen. Ich glaube, das ist auch einmalig in der Geschichte: ein Abbau von ungefähr einem Viertel der Landesbediensteten in etwa zwei Jahren.
    Aber selbst wenn wir in den jungen Bundesländern die Personalüberhänge weiter rasch abbauen, selbst wenn die Eigentumsfragen zügiger geklärt werden und alle Einsparungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, bleiben wir bis zum Erreichen einer vergleichbaren Steuerkraft auf weitere Hilfe angewiesen.
    Hierbei plädieren wir nachhaltig für ein mittelfristiges Infrastrukturprogramm für die jungen Bundesländer. Der Nachholbedarf besteht insbesondere beim Umweltschutz, beim Wohnungsbau, aber auch im Städtebau, beim öffentlichen Personennahverkehr, bei Hochschulen, bei Krankenhäusern und Kultureinrichtungen. Ich muß auch hinzufügen: Auch die Finanzausstattung der Kommunen muß verbessert werden. Ich begrüße deshalb ausdrücklich die gestrige Zusage des Bundeskanzlers, die Mittel für kulturelle Einrichtungen aufzustocken.



    Minister Dr. Klaus Zeh (Thüringen)

    Wir sind uns gewiß einig: Wenn die jungen Bundesländer ihre Aufgaben erfüllen sollen, müssen sie finanzpolitisch solide und haushaltsmäßig handlungsfähig bleiben. Wir stimmen sicherlich auch darin überein, daß die geltende Rechtslage zur Behandlung der Altschulden weder sachlich noch politisch durchsetzbar ist. Dann nämlich würde die Pro-KopfVerschuldung der jungen Bundesländer schon 1995 rund das Dreifache des Vergleichswertes der alten Bundesländer betragen, und zwar ohne daß wir auch nur annähernd über jene Infrastruktur und Finanzkraft der alten Länder verfügen würden, die diese nach über 45 Aufbaujahren haben.
    Das zeigt doch aber auch, daß wir alle begreifen müssen: Das Beseitigen der Erblast von über 40 Jahren Sozialismus ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Alle Ebenen unseres föderativen Staates müssen entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit an der Beseitigung dieser Erblast mittragen.