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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich möchte den Gedanken zu Ende führen. Dann tue ich das gerne.
    Das Tempo der zusätzlichen Verschuldung muß gebremst werden. Auf allen Ebenen, also bei Bund, Ländern und Gemeinden, auch bei allen Nebenhaushalten, müssen die Ausgaben eingeschränkt werden.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Richtig!)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir werden uns im Haushaltsverfahren zwischen erster und dritter Lesung mit Ruhe, aber auch großer Entschlossenheit damit zu befassen haben, die öffentlichen Ausgaben zu durchforsten. Ich setze darauf, daß das nicht nur hier geschieht, sondern auch in den Ländern und in den Kommunen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich finde es nicht akzeptabel, wenn Bundesländer mit einer im Vergleich zu anderen Ländern wirklich boomenden, kräftigen Wirtschaft wie in Bayern den Vorgaben des Finanzplanungsrates, nicht mehr als 3 %ige Zuwächse, einfach nicht entsprechen wollen. Wer soll es denn tun, wenn nicht solche Länder? Ich appelliere deswegen an die Bayerische Staatsregierung, aber auch an die anderen Länderregierungen, diese Eckwerte einzuhalten.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich will klar sagen, meine Damen und Herren: Dieses Ziel, die Konsolidierung der Staatsfinanzen, ist so wichtig, daß wir bei Bund und Ländern, wenn es gar nicht anders geht, wenn die gezielte Kürzung das Ergebnis nicht bringt, den gleichen Weg werden gehen müssen, wie wir ihn mit großem Erfolg Anfang der 80er Jahre gegangen sind, nämlich die Belastung der Wirtschaft mit Steuern zu senken — das machen wir jetzt — und gleichzeitig kräftig zu sparen — ob-



    Bundesminister Jürgen W. Möllemann
    wohl manche das als einen Widerspruch empfinden —, und zwar am besten durch gezielte Aktionen. Notfalls muß man Bund und Ländern auch den Weg über ein Haushaltsstrukturgesetz offenhalten, wenn kein anderer Weg gangbar ist.
    Meine Damen und Herren, die Diskussion um eine Zwangsanleihe, eine Deutschland-Anleihe, eine Ergänzungsabgabe und ähnliche Vorschläge ist erfolgt. Sie muß möglichst schnell durch eine klare Orientierung beendet werden.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Durch eine Einigung! Wir nehmen die Vorschläge von Graf Lambsdorff immer ernst!)

    Die Zeiten, in denen die Bundesregierung ohne Gefahren für die gesamte Wirtschaftsentwicklung zusätzliche Belastungen übernehmen konnte, sind vorbei. Jede zusätzliche Kreditaufnahme drückt die Kapitalzinsen noch oben und verhindert eine Zinssenkung. Jede zusätzliche Kreditaufnahme verschiebt die Belastungen in die Zukunft.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, da es also offenbar nötig ist, für längere Zeit höhere Beträge für die neuen Bundesländer bereitzustellen — und jeder, der sich vormacht, das sei nicht so, täuscht sich —, setze ich mich für folgende eindeutige Rangfolge in den Beratungen, die vor uns stehen, ein:
    Erstens. Einsparungen in allen öffentlichen Haushalten und Privatisierung der öffentlichen Unternehmen, Beteiligungen, aber auch Leistungen.
    Zweitens. Umschichtung weiterer Mittel von West nach Ost.
    Drittens. Soweit es sich um konjunkturbedingte Defizite handelt, müssen sie hingenommen werden.
    Viertens. Nur als Ultima ratio kann eine Steuererhöhung in Betracht gezogen werden, dann jedoch als saubere Finanzierung, die die Steuerpflichtigen nach ihrer Leistungsfähigkeit heranzieht.
    Über ein geeignetes Gesamtpaket sollten wir im Rahmen des Solidarpaktes, der sich auch mit der Finanzierung der Einheit beschäftigen muß, Einvernehmen erzielen.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den neuen Bundesländern verläuft die wirtschaftliche Umstrukturierung trotz vieler hoffnungsvoller Entwicklungen noch nicht befriedigend. Insgesamt ist die Anzahl der Beschäftigten um rund vier Millionen zurückgefallen; die Entlassungen übersteigen immer noch die Neueinstellungen.
    Im letzten Jahr lagen die Ausgaben in den neuen Bundesländern mit knapp 360 Milliarden DM fast doppelt so hoch wie das Bruttosozialprodukt mit 195 Milliarden DM. Die Schere zwischen Nachfrage und wirtschaftlicher Leistung wird sich in diesem Jahr, insbesondere auf Grund der Lohn- und Rentensteigerungen, weiter öffnen. Die Abhängigkeit vom Westen nimmt also weiter zu.
    Auch der Abstand in der Kapitalausstattung vergrößert sich noch; denn die Investitionen je Erwerbstätigen lagen 1991 in Ostdeutschland nur bei 60 % des Niveaus in Westdeutschland. Das bedeutet: Beschäftigung, Produktion und Produktivität müssen in den neuen Bundesländern massiv verbessert werden, bevor die wirtschaftliche Leistungskraft gegenüber dem westdeutschen Niveau aufholt. Das bedarf einer großen Kraftanstrengung aller verantwortlichen Gruppen und der Menschen in den neuen Bundesländern, aber vor allem auch einer anhaltenden Unterstützung aus Westdeutschland; das bedarf eines Solidarpaktes.
    Der Aufbau der Infrastruktur und die Sanierung von Umweltschäden werden noch über viele Jahre ein Schwerpunkt der westlichen Hilfe sein müssen. Die neuen Länder und Kommunen müssen in großem Maße und entschlossen Infrastrukturaufgaben auf Private übertragen, insbesondere im Wasser- und Abwasserbereich, bei der Abfallbeseitigung und im öffentlichen Personennahverkehr. Meine Damen und Herren, sie können das nicht alles aus eigener Leistungskraft. Ich hoffe, daß nicht westliche Berater ihnen zuraten — nur damit Parteiposten in entsprechenden städtischen Einrichtungen vergeben werden können —, das alles zu kommunalisieren.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Effizienzsteigerung der Verwaltung — darüber wurde hier gesprochen, dazu hat mein Kollege Hermann Otto Solms sehr dezidierte Vorschläge gemacht — ist eine vordringliche, sogar die vordringliche Aufgabe, damit insbesondere die Eigentumsfragen schneller geklärt und die Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden können.
    Bei diesem Thema hat man manchmal das Gefühl, als sei man in der Rolle des Sisyphus: Wir kommen nicht schnell genug voran und schieben Verantwortlichkeiten zu sehr von einer Ebene auf die andere. Wenn es denn mit Blick auf den Solidarpakt eine vordringliche Aufgabe gibt, dann die, hier endlich den Knoten durchzuhauen.
    Das schwierigste Feld, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Unterstützung der wirtschaftlichen Erneuerung im Zusammenspiel mit den Ländern, den Investoren, den Tarifparteien und der Treuhandanstalt. Ohne Zweifel muß die Investitionsförderung durch Investitionszuschüsse und -zulagen, durch ERP-Darlehen und das Eigenkapitalhilfeprogramm auf hohem Niveau fortgesetzt werden.
    Ostdeutsche Unternehmensgründer, die nicht die gleiche Eigenkapitalausstattung haben wie die in Westdeutschland, die Schwierigkeiten mit der Besicherung haben, wollen wir daher mit einem neuen, zusätzlichen Instrument fördern. Mir scheint das notwendig zu sein; Günther Krause hat vorhin darauf hingewiesen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Außerdem muß Ostdeutschland vorläufig ein Niedrigsteuergebiet sein. Die Sonderabschreibungen und die Aussetzung der Gewerbekapital- und Vermögensteuer müssen, so wie die anderen Fördermaßnahmen, zunächst bis 1996 verlängert werden. Die Abschreibungsvorteile sollen mit der Steuerreform noch verstärkt werden.
    Es gibt weitere Forderungen. Gestern — als Björn Engholm rügte, daß ich nicht auf der Regierungsbank



    Bundesminister Jürgen W. Möllemann
    saß — war ich nicht — wie er vermutete — mit der Pflege meines Images beschäftigt, sondern im Gespräch mit Betriebsräten und danach mit Karl Schiller und Tyll Necker,

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist aber kein Widerspruch!)

    um diese Diskussion vorzubereiten. Ich finde nicht, daß das kritikwürdig ist. Im Gespräch mit Schiller und Necker wurde deren Vorschlag einer Mehrwertsteuerpräferenz noch einmal präsentiert. Es gibt erhebliche Bedenken gegen diesen Vorschlag, gute Argumente dagegen, aber er wird mit Leidenschaft verfochten; wir werden im Rahmen des Gesprächs über den Solidarpakt darüber zu reden haben.
    Sowohl aus regionalpolitischen als auch aus sozialpolitischen Gründen muß versucht werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, sanierungsfähige Betriebe und zumindest einen Teil der Beschäftigten über die Durststrecke des industriellen Umbaus zu bringen. Das Ziel, die Unternehmen zu privatisieren und sie zuvor — damit das möglich ist —, begleitend nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, zu sanieren, ist richtig. Dabei ist es nötig, daß sich die Treuhandanstalt noch entschlossener um Sanierung bemüht und als Eigentümerin den Unternehmungen die erforderlichen zeitlichen und materiellen Spielräume gibt, um die notwendigen Modernisierungskonzepte durchzuführen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich begrüße deswegen die Erklärung von Frau Breuel vom Montag, in der sie diese Absicht vorgetragen hat.

    (Zuruf des Abg. Wolfgang Roth [SPD])

    — — Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat doch überhaupt keinen Zweck: Sie wissen, daß die Bundesregierung die Arbeit der Treuhand bei jeder sich bietenden Gelegenheit positiv gewürdigt hat. Aber es wäre doch unvernünftig, zu negieren, daß es in der praktischen Arbeit — wie bei der Bundesregierung, wie bei der Opposition — Stärken und Schwächen gibt. Uns muß es darum gehen, daß die Arbeit der Treuhand Akzeptanz findet. Sie hat in der Bevölkerung der neuen Länder — wie die AllensbachUmfrage ausweist — leider nur 6 % Zustimmung; das muß uns unruhig machen. Deswegen muß man auch vertretbare Verbesserungsvorschläge, neue Akzentsetzungen aufnehmen und umsetzen, und zwar in partnerschaftlicher Weise, wie wir es in der Vergangenheit getan haben.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Vorredner hat offenbar ebenfalls mit Betriebsräten gesprochen. Es trifft zu, was Sie, Herr Kollege Schulz, gesagt haben: Die schmerzhaften Einschnitte bei der Privatisierung und Sanierung sind für die Belegschaften oft nur sehr schwer zu verkraften, weil sie sehr häufig zu sehr hohen Anteilen abgebaut werden. Um so wichtiger, um so vernünftiger ist es, die Arbeitnehmer und ihre Vertreter, also die Betriebsräte, frühzeitig in die Überlegungen mit einzubeziehen, ihnen die Gelegenheit zu geben, ihre Belange zu artikulieren. Das berührt nicht die Eigentümerrechte und die Pflichten der Treuhandanstalt, aber es macht einfach Sinn, wenn man in Umbruchprozessen — wie wir es in Westdeutschland doch auch tun — rechtzeitig mit den Betriebsräten spricht. Ich halte es für vernünftig, wenn auch die Treuhandanstalt das tut.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine entscheidende Mitverantwortung, sowohl für den Strukturumbruch in Ostdeutschland als auch für die Konjunktur in ganz Deutschland, tragen die Tarifparteien. In Deutschland fehlen mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze. Nachdem die Tarifpartner — erfreulicherweise — über viele Jahre eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik betrieben haben, lösten sich die Lohnvereinbarungen in den letzten beiden Jahren von dieser vernünftigen Regel. In den neuen Bundesländern wurde das Ziel verfolgt, die Löhne in großen Schritten pauschal an das westdeutsche Niveau anzugleichen. Dadurch ist eine Lohn-Produktivitäts-Lücke von rund 64 % entstanden. Auch die in Westdeutschland stark gestiegenen Lohnstückkosten können auf Grund des scharfen internationalen Wettbewerbs nur teilweise über höhere Preise weitergegeben werden. Die Folgen sind verringerte Absatzchancen, eine nachlassende Investitionstätigkeit, unsichere Arbeitsplätze bis hin zu Freisetzungen in einzelnen Betrieben und Sektoren.
    Ich hoffe, daß die Tarifparteien vertretbare Wege finden, sich an den gesamtwirtschaftlichen Möglichkeiten zu orientieren. Den Arbeitnehmern in ganz Deutschland ist mehr damit gedient, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten oder einen neuen Arbeitsplatz bekommen können, als wenn sie bei zu schnell steigenden Löhnen zunehmend mit Arbeitslosigkeit konfrontiert werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Den Beschäftigten in Westdeutschland wird schon viel Sicherheit geboten, wenn sie das erreichte Einkommensniveau und den Lebensstandard jetzt halten können. Die Verständigung auf eine an der wirtschaftlichen Leistungskraft orientierte Lohnpolitik und auf eine restriktive Fiskalpolitik ist natürlich auch ein wichtiges Signal an die Bundesbank. Damit wäre dann der Weg für die dringend nötige Senkung der Leitzinsen zu ebnen.
    Die wirtschaftliche Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine wichtige Grundlage unserer Debatten und Handlungen in der Zukunft. Aber wir dürfen dabei allein nicht stehenbleiben. Viele Ängste, Sorgen und Zweifel haben andere Ursachen. An die Stelle der Zwänge, der Einbindung und der Gängelung durch das alte System sind vielfach noch keine neuen gesellschaftlichen Strukturen getreten. Die neuen rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge sind nur schwer zu verstehen. Westdeutsche Verwandte, Freunde, Kollegen und Politiker nehmen die Nöte der Bürger in den neuen Ländern oft nur distanziert wahr. Nicht nur einige Jugendliche zweifeln an ihren Lebenschancen, am Staat und an den Politikern. Die aufflackernde Gewalt ist ein Ventil der Unzufriedenheit und der Wut dieser Menschen.



    Bundesminister Jürgen W. Möllemann
    Die Probleme können nicht vorrangig von der Polizei gelöst werden. Die in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Verantwortlichen müssen mit entschlossenem Handeln die Ursachen der Konflikte beseitigen. Wir alle müssen stärker aufeinander zugehen. Wir müssen so die deutsche Einheit endlich begreifen. Es ist Zeit für einen neuen Konsens. In einer gemeinsamen Anstrengung haben Politik und Tarifpartner, Regierung und Opposition, Arbeitgeber und Gewerkschaften 1990 die Rahmenbedingungen für die Einheit geschaffen und dabei auch Fehler gemacht. Wir müssen auch jetzt zusammenstehen, um gemeinsam aus diesen Fehlern zu lernen, zu verbessern, zu gestalten, was ja nach wie vor die spannendste Phase unserer Geschichte ist.
    Wolfgang Schäuble hat ein besonderes Verdienst an jenem parteiübergreifenden Konsens, der 1990 zur deutschen Einigung führte. Wenn er jetzt für Vorschläge eintritt, die aus seiner Sicht in diesem kritischen Jahr 1992 zu einem neuen Miteinander führen könnten, dann sehe ich hier bei aller Skepsis in der Sache die Fortsetzung seines großen Engagements für die deutsche Einheit.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber zu einem neuen Konsens über Investivlöhne wie über ein zukunftssicherndes Miteinander bei der Modernisierung der Produktion und der Arbeitswelt finden, dann müssen auch Bund und Länder, dann muß die Politik insgesamt zu einem übergreifenden Konsens bereit sein.
    Wenn diese Debatte über den Haushalt 1993 zu Ende ist, wenn die legitime Kritik der Opposition zur Sprache gekommen ist, müssen wir uns zu einem neuen Anlauf zusammenfinden, gerade, was das Verfahren angeht.

    (V o r s i t z : Vizepräsidentin Renate Schmidt)

    Die demokratische Debatte muß in jedem Fall stattfinden. Wenn es uns gelingt, daß über Vorschläge debattiert wird, die wir angesichts einer wahrhaft historischen Herausforderung gemeinsam erarbeitet haben, wenn das Gesamtpaket zum neuen Konsens auf dem Tisch liegt, dann können Bürger und Medien auch ein klareres Bild gewinnen und durchaus kritisch das Für und Wider abwägen.
    Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Solidarpakt gemeinsam versuchen, gemeinsam für die Zukunft der Bürger im vereinten Deutschland.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Roth.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte haben wir eine einzige entscheidende Aufgabe: Wir müssen Lösungen und Perspektiven bieten; wir dürfen nicht im dumpfen Streit zwischen den Parteien hier im Parlament steckenbleiben.
    Ich könnte mich sehr lange und intensiv mit den Irrtümern und mit den Fehleinschätzungen der Bundesregierung und der beiden Koalitionsparteien beschäftigen. Ich könnte Ihnen mit vielen Zitaten zeigen, daß Sie sich von Anfang an, seit dem wirtschaftlichen und sozialen Einigungsprozeß, prinzipiell geirrt haben, was die Zukunft betrifft.
    Die Bundesregierung redete 1990 auch in diesem Parlament vom Wirtschaftswunder Ost, das nunmehr komme, wenn die Marktwirtschaft pur schnell eingeführt werde. Sie redete dann 1991— abgeschwächt — vom Aufschwung Ost, der eintreten werde, wenn die Instrumente des Wirtschaftsministers und des Finanzministers wirkten.
    Heute redet der Wirtschaftsminister anders.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Gott sei Dank!)

    Das begrüße ich. Er redet in manchen Passagen so wie ich vor zwei Jahren. Das begrüße ich doppelt.

    (Beifall bei der SPD — Michael Glos [CDU/ CSU]: Das spricht aber nicht für den Möllemann! — Gegenruf des Abg. Ernst Waltemathe [SPD]: Was spricht denn sonst für ihn?)

    — Auf Ihren Zwischenruf hin will ich Ihnen einiges sagen. Es wird oft behauptet, wir alle hätten uns hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung geirrt. Ich sage noch einmal: Wir haben uns nicht geirrt, sondern Sie haben uns damals unsere Argumente bezüglich einer drohenden Wirtschaftskrise in Ostdeutschland, bezüglich der Dauerkrise, nicht abgenommen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Richtig!)

    Ich stelle hier fest: Die wirtschaftspolitische Kompetenz in dieser Frage hat nicht bei der Regierung gelegen, sondern bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben von Anfang an die klareren Analysen gehabt und auch die besseren Antworten formuliert.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland ist in tiefen Widersprüchen. In Westdeutschland hat man es nicht geschafft, den drohenden konjunkturellen Abschwung aufzuhalten. Man könnte ja das, was hier geschieht, als ganz normale Konjunkturschwäche deuten, die eben nach sieben oder acht Jahren einer positiven Konjunktur vorkommt.
    Aber unter heutigen Bedingungen sehe ich die Lage etwas kritischer, weil zusätzlich zum Abschwung West die anhaltende Krise der ostdeutschen Wirtschaft kommt, die auf Stabilisierung von außen und auf westliche Finanzierung des Wiederaufbaus angewiesen ist.
    Ich stimme meinem Vorredner übrigens auch in folgendem Punkt zu: Es macht überhaupt keinen Sinn — diese Überlegung ist teilweise im Osten, aber auch im Westen zu hören —, die beiden Seiten gegeneinander auszuspielen. Das weitere Blühen der west-



    Wolfgang Roth
    deutschen Wirtschaft ist eine wichtige Voraussetzung des Erfolgs in Ostdeutschland.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nach einer Halbierung der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Ostdeutschland während der letzten zwei Jahre gibt es zwar an der einen oder anderen Stelle eine gewisse Besserung, z. B. im Dienstleistungssektor, bei Handel, Banken und Versicherungen. Aber ich stelle die Frage, ob eine Wirtschaft gesunden kann, bei der nur Geldgeschäfte, Restaurants und Fremdenverkehr einigermaßen blühen.
    Wir müssen erkennen: Die Entindustrialisierung, die mit der Währungsunion begonnen hat, setzt sich immer noch weiter fort. Nach wie vor verlieren wir Arbeitsplätze im Bereich der Industrie, und zwar mehr, als neue hinzukommen. Das ist die Realität.
    Wir alle wissen aber, daß es im Osten auf Dauer nur gutgehen kann, wenn es dort eine exportfähige industrielle Basis gibt. Das Wort von der Dienstleistungsgesellschaft hat in der Vergangenheit sehr viele Mißverständnisse hervorgerufen. Eine moderne Dienstleistungsgesellschaft ohne moderne Industrie hat keine Zukunft. Das müssen wir erkennen. Das ist das Problem in Ostdeutschland.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Vor allem müssen wir die Lage realistisch einschätzen. Nächste Woche soll im Bundeskanzleramt ein Gespräch zum Solidarpakt stattfinden. Für mich ist entscheidend, daß wir bei diesem Gespräch, falls es stattfindet, von einer klaren und eindeutigen Bestandsaufnahme ohne Schönfärberei ausgehen können. Die Sozialdemokraten können nicht zu einem Plausch ins Kanzleramt gehen, wie es in Vergangenheit drei- oder viermal geschehen ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe einen Vorschlag: Wir brauchen jetzt gar kein gesondertes Papier zu erarbeiten, sondern wir nehmen die 12 Punkte, die die ostdeutschen CDU-Abgeordneten erarbeitet haben, und sagen: Das ist das Ausgangsmaterial; damit kann man etwas anfangen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich hoffe, daß es den CDU-Kollegen in ihrer eigenen Fraktion nicht zu sehr schadet, wenn ich sage, daß ich etwa 80 bis 90 % der dort formulierten Punkte übernehmen kann. Wenn Sie es schaffen, daß Ihr eigener Bundeskanzler das zur Gesprächsgrundlage macht, dann werden Sie sehen, daß Herr Engholm, Herr Klose und die anderen mit großer Freude ein Gespräch über dieses Thema beginnen werden. Das wäre ein guter Start zum — im doppelten Sinne —Solidarpakt.

    (Beifall bei der SPD)

    Worum geht es in Ostdeutschland instrumentell, von den Maßnahmen her? Ich möchte vier Punkte ansprechen. Ich bitte aber meine Kollegen, dann nicht zu sagen: Das hast du vergessen, und jenes hast du vergessen. Ich habe in der Tat nicht die Zeit, die Dinge so komplex darzustellen, wie es notwendig ist.
    Das erste Thema habe ich schon angesprochen: die Industrie. Wir brauchen handfestere Instrumente zur Industrieförderung und zur Erhaltung und Erneuerung vorhandener Industriestrukturen in Ostdeutschland. Die Gruppe der ostdeutschen CDU-Abgeordneten hat die Erhöhung der Investitionszulage auf 25 % vorgeschlagen.
    Wir haben in unserem Petersberger Papier 20 % vorgeschlagen, aber alternativ verbesserte Abschreibungsbedingungen, Herr Bundesfinanzminister, jedoch nur für den industriellen Sektor, für das Handwerk und für industrienahe Dienstleistungen. Ich kann nicht verstehen, warum die Deutsche Bank, wenn sie in Ostdeutschland ein Bankgebäude errichtet, genau die gleiche Förderung vom Staat bekommt wie derjenige, der eine Industrieanlage baut. Das geht nicht auf. Ich hoffe, daß wir in solchen Fragen zusammenarbeiten können.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das Handwerk würde ich übrigens drin lassen, und das gleiche gilt für industrienahe Dienstleistungsbereiche.
    Das war, wie gesagt, ein Aspekt unserer Petersberger Erklärung, von der leider — so muß ich sagen — nur die beiden Themen Blauhelme und Asyl öffentlich diskutiert wurden.
    Das zweite ist: Wir brauchen eine grundlegende Änderung der Treuhandstrategie. Die Treuhandpolitik des absoluten Vorrangs der Privatisierung um jeden Preis vor der Strukturerneuerung und Sanierung ist gescheitert; wir haben ja soeben das Eingeständnis gehört.
    Wir brauchen in den kritischen Bereichen Braunkohle, Maschinenbau und Teilen der Elektroindustrie dauerhafte Aufträge.
    Ich kann gar nicht verstehen, daß Frau Breuel am Montag eine Pressekonferenz machte und sagte, zum 1. Januar 1994 sei alles erledigt. Ich halte diese Bemerkung für grotesk. Wenn sie meint, wir bräuchten andere Rechtsformen, z. B. Industrieholdings, die dann die Kerne der ostdeutschen Industrie weiter hegen und pflegen, dann wäre das vielleicht eine Alternative; aber davon hat sie nicht gesprochen. Die Strukturprobleme in Ostdeutschland sind ohne die Erneuerung industrieller Kerne nicht zu erhalten.
    Hier schildere ich als einer, der auch in Aufsichtsräten in Ostdeutschland mit tätig ist, eine Erfahrung: Wenn ich meine Löhne nicht mehr bezahlen kann und zur Treuhand gehe, dann kriege ich schnell eine Überweisung. Wenn ich aber eine neue Investition vorhabe oder z. B. nur einen Vertreter nach Amerika schicken will, damit er an Stelle des alten russischen Marktes den amerikanischen Markt erschließt, dann kriege ich kein Geld, dann ist Sendepause. Das heißt, ich bekomme ständig Sterbehilfe, aber keine Innovationshilfe. Und das ist falsch.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Hier muß eine Kursänderung her, und es muß eine Weisung in diese Richtung geben. Herr Bundeswirtschaftsminister, da müssen Sie sich mit Ihrem Kollegen, der jetzt in den Reihen seiner Fraktion Platz genommen hat, einigen.



    Wolfgang Roth
    Die dritte Sache sehe ich genauso wie die ostdeutschen CDU-Abgeordneten. Wir brauchen eine nachhaltige, dauerhafte Finanzierung kommunaler Infrastrukturinvestitionen für Wohnungserneuerung und Stadt- und Dorferneuerung, und zwar über einen langfristigen Zeitraum; mindestens fünf Jahre würde ich veranschlagen.
    Ich stimme Ihrem Papier ausdrücklich zu: Die Investitionspauschale, die gewährt worden ist, war bisher das wirksamste Arbeitsplatzinstrument für Ostdeutschland.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sollte wieder aktiviert werden. Ich freue mich, daß sie im Petersberger Papier genauso positiv erwähnt wird wie in Ihrem Papier. Wir kommen also auch in diesem Punkt zusammen.
    Der vierte Punkt ist der Osthandel. An dieser Stelle kann ich es dem Herrn Wirtschaftsminister nicht ersparen, seine Äußerungen einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Sie haben dreimal in diesem Jahr erklärt, jetzt sei die Sache mit der Sowjetunion bzw. mit der GUS über den Berg; Sie hätten feste Absprachen; jetzt laufe es an; dann könne man sogar über die Erhöhung des Rahmens für Hermes-Burgschaften über 5 Milliarden DM hinaus reden.
    Realität ist aber, daß nichts geklappt hat. Der Hintergrund ist relativ klar: Welcher GUS-Betrieb könnte schon beim derzeitigen Rubelkurs bei konvertibler Währung und ohne Devisen — wenn er Devisen hat, sind sie äußerst knapp — im Westen im großen Stil einkaufen? Das geht nicht mehr. Ich behaupte auch, daß das Hermes-Instrumentarium auf Grund dieser Situation allmählich nicht mehr greift.
    Unter diesem Aspekt vertrete ich die Meinung, daß der Vorschlag von Otto Wolff von Amerongen ernsthaft geprüft werden muß, einen Transferrubelfonds einzuführen und etwas dem Vergleichbares zu machen, was beim ERP-Sondervermögen bzw. beim Marshall-Plan gemacht worden ist. Wir können auf den Osthandel nicht in dem Umfang verzichten, wie es geplant ist.

    (Beifall bei der SPD)

    In einer der beiden Firmen, deren Aufsichtsrat ich angehöre, haben wir jetzt die Weisung von der Treuhandanstalt bekommen, alle Aufträge aus der GUS bzw. alle entsprechenden Planungen zu streichen und den Betrieb nur noch mit dem Rest aufrechtzuerhalten. Das führt nun dazu, daß von ursprünglich 6 000 Beschäftigten weniger als 500 übrigbleiben, weil eben kein Auftrag mehr eingegangen ist.
    Meine Frage lautet: Liegt es nicht in unserem Interesse, in einer Übergangsphase über einen Fonds Devisen bereitzustellen und die Russen zu verpflichten, Rubel in diesen Fonds einzuzahlen, der dann in anderer Weise verwendet werden kann? Das ist eine Idee, über die ich ernsthafter diskutieren möchte, als das bisher geschehen ist.