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ID1210404000

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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Nein, ich nehme es nicht zurück. Ich weiß, daß Konrad Weiß für den kulturellen Bereich eine Zuarbeit geliefert hat. Das ist richtig.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Er war in den Verhandlungen dabei!)

    — Sie haben die Frage an mich gestellt, ob ich bereit bin, das zu überprüfen. Dazu bin ich natürlich sofort bereit, wenn es der Fall ist, daß in dieser Weise eine Beteiligung stattgefunden hat.

    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Sie sollten es prüfen, bevor Sie so etwas behaupten!)

    Aber es ändert überhaupt nichts an meiner Aussage,
    daß wir zu der Substanz dieses Einigungsvertrages so
    gut wie nichts haben beitragen können oder ändern können.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Liefern Sie doch jetzt einmal einen ernsten Beitrag! — Zuruf des Abg. Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.])

    — Wenn Sie mir erlauben würden, meine Rede zu beginnen, würde ich das auch tun, Herr Graf Lambsdorff.
    Gestern waren Betriebsräte und Gewerkschafter aus verschiedenen Treuhandbetrieben in Bonn, um gegen den Niedergang ihrer Betriebe zu protestieren. Sie haben uns erzählt, daß Herr Möllemann ihnen zugesichert hat, heute in seiner Haushaltsrede auf ihre Forderung einzugehen, und insbesondere die Forderung nach Mitbestimmung bei der Privatisierung zu unterstützen.
    Die optimistischen Prognosen, denen zufolge der Aufschwung Ost ständig unmittelbar bevorsteht, begleiten uns nun schon seit zwei Jahren. Aber die Lage ist unverändert schlecht, und was die Industrie angeht, wird sie immer noch schlechter. Nach den jetzt vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen ist das Bruttoinlandsprodukt der neuen Bundesländer im zweiten Halbjahr 1991 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1990 noch einmal drastisch um 11,4 % geschrumpft. Es werden Jahre vergehen, bis Ostdeutschland nur den Stand des Sozialprodukts der DDR von 1989 wieder erreichen kann.
    Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind alles andere als günstig für einen Aufschwung in Ostdeutschland. Von einer Wachstumsrate von 10 kann keine Rede sein. Hierzu trägt auch die Hochzinspolitik der Bundesbank in erheblichem Maße bei. Auch wenn die Verantwortung der Bundesregierung mit ihrer Schuldenpolitik für diese Politik offensichtlich ist, habe ich doch erhebliche Zweifel, ob diese mit starrem Blick auf die Geldmenge fixierte Geldpolitik den Auftrag des Bundesbankgesetzes angemessen umsetzt.
    Der Abbau von Arbeitsplätzen wird unbeirrt fortgesetzt, und immer noch ist die Arbeitsplatzbilanz negativ. Immer noch gehen Monat für Monat mehr Arbeitsplätze verloren als neue entstehen.
    Auf zwei Konsequenzen dieser Entwicklung möchte ich Sie hinweisen. Erstens. Je länger dieser Zustand andauert, desto mehr qualifizierte Menschen werden die ostdeutschen Länder noch verlassen, desto schwieriger und komplizierter wird der Aufbauprozeß werden.
    Zweitens. Es ist schon absehbar und auch schon verschiedentlich vorgerechnet worden, daß die Angleichung der Wirtschaftskraft von Ost- und Westdeutschland nicht in ein paar Jahren zu bewältigen ist, sondern einen Zeitraum, der weit über das Jahr 2000 hinausreicht, in Anspruch nehmen wird. Es handelt sich um eine Generationsaufgabe.
    Vom Aufschwung Ost ist nichts zu sehen. Ein Grund dafür, der immer wieder genannt wird, sind die unklaren Eigentumsverhältnisse und die verwirrenden Eigentumsregelungen. Die Folge davon ist jedoch nicht nur, daß Grundstücke und Gebäude häufig blockiert sind, für Investitionen nicht zur Verfügung



    Werner Schulz (Berlin)

    stehen, sondern ebenfalls, daß die Bürger im Osten größtenteils zu Habenichtsen gemacht worden sind. Selbst wenn Sie über Eigentum verfügen, ist es oft mit dem Stempel „Eigentumsverhältnisse ungeklärt" markiert und steht somit als Sicherheit für Bankkredite nicht zur Verfügung. Daran scheitern viele gute Ideen für Projekte und Existenzgründungen.
    Vergleichbare Probleme haben auch viele kleine und mittlere Unternehmen, die unterkapitalisiert sind und deswegen vorhandene Fördermittel nicht optimal in Anspruch nehmen können. Wir halten deswegen die Einrichtung eines staatlich geförderten Risikokapitalfonds für dringend notwendig, der privates Kapital für Investitionen im Osten mobilisiert.
    Von den Treuhandunternehmen bleibt nach ihrer Privatisierung häufig viel zuwenig übrig. Die Privatisierungsbilanz der Treuhandanstalt ist zudem offenbar mit Vorbehalt zu lesen. Wenn die Treuhandchefin erklärt — so der „Spiegel" —, von den vertraglich zugesagten Arbeitsplätzen würden 20 % bis 30 % von den Käufern schlicht nicht beibehalten, dann werden aus 1,3 Millionen zugesagter Arbeitsplätze im Handumdrehen nur noch etwas mehr als 900 000. Die von der Treuhand privatisierten Unternehmen bilden ein beängstigend schwaches Rückgrat der ostdeutschen Volkswirtschaft.
    Meine Damen und Herren, eine Politik der Investitionsförderung mit der vielbesagten Gießkanne ohne deutliche regionale und strukturelle Schwerpunktbildung, ohne ausreichende Förderpräferenz bewirkt nicht, was sie bewirken soll, ist ineffizient, deshalb zu teuer und auf die Dauer nicht durchzuhalten. Wir müssen hier bald zu einer Konzentration der Kräfte auf die besonders benachteiligten Regionen, auf die Förderung von Infrastrukturen und auf Investitionen in eine zukunftsweisende ökologische Wirtschaft, auf Forschung und Entwicklung auf diesem Felde sowie auf Produktinnovation kommen.
    Es zeichnet sich aber bereits ab, daß die Bundesregierung, indem sie nun das Aufschwung-Ost-Programm in die verschiedenen Einzelpläne integriert, eine unauffällige Beerdigung dieses Programms vorbereitet. Nach unserer Überzeugung muß es jedoch darum gehen, dieses Programm auf die Förderung der ostdeutschen gewerblichen Wirtschaft zu konzentrieren. Nach Aussagen des mittelständischen Unternehmerverbandes fehlen 45 000 mittelständische Betriebe in Ostdeutschland — das ist sicher eine verheerende Konsequenz einer gescheiterten, angeblich sozialistischen Wirtschaftspolitik —, und für die wenigen mittelständischen Betriebe, die wir in den neuen Ländern haben, sieht es nicht gut aus. So läßt z. B. der Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, ein Mittelständler, den begehrten Schnaps seines Rostocker Betriebes mittlerweile in Hamburg produzieren und unterhält in Rostock nur noch eine Handelsfiliale. Das ist ein geradezu symbolisches Beispiel für die eigentlich nur als Ladentisch fungierende verlängerte Werkbank.
    Meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung ihre eigenen Erklärungen ernst nimmt — was sie offenbar leider nicht tut —, müßte sie schleunigst darangehen, ein Konzept für einen ökologischen Wirtschaftsstrukturwandel zu entwickeln und in
    ihren Förderinstrumenten zu verankern. Mit ihren Beschlüssen zur CO2-Reduktion und der Klimakonvention von Rio hat sie sich auf eine radikale Abkoppelung des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum verpflichtet. In ihrer tatsächlichen Politik schert sie sich aber wenig darum. Dabei wäre es jetzt, in der Zeit der Umstrukturierung, dringend geboten, diesen Strukturwandel zukunftsorientiert, d. h. ökologisch, zu gestalten.
    Nur umweltverträgliche Arbeitsplätze werden in Zukunft auch wettbewerbsfähige Arbeitsplätze sein. Die Regionen, die im ökologischen Wirtschaften vorn sind, werden mit ihrem Know-how in dieser Schlüsseltechnologie besondere Wettbewerbspositionen auf den Weltmärkten gewinnen. Das ist der entscheidende Punkt. Das beste Förderkonzept kann nur greifen, wenn die ostdeutsche Wirtschaft für ihre Produkte auch Märkte gewinnt. Hier liegt eindeutig das Hauptproblem. Viele Unternehmen haben lange auf eine Erholung der Ostmärkte gesetzt, auf Hermes-Kredite, auf die Wiederbelebung von Kompensationsgeschäften. Doch es wird immer deutlicher, daß die Lösung der Probleme nicht in erster Linie hier zu suchen ist.
    Das bedeutet: Auf Dauer werden nur die Unternehmen überleben, die auf den Märkten im Westen, in der alten Bundesrepublik, in der EG und darüber hinaus, Tritt fassen und Marktanteile erobern können. Hier sind die Unternehmen hauptsächlich selbst gefordert, für Qualitätssteigerungen, Produktinnovationen und Marktnähe zu sorgen.
    Doch das alles nützt wenig, wenn die Politik den Ostunternehmen, wo immer möglich, nicht eine Bresche in den westlichen Markt schlägt. Wir wissen, daß die westdeutsche Industrie ohne weiteres in der Lage ist, mit den bestehenden Produktionskapazitäten ganz Ostdeutschland mitzubeliefern. Wir vermuten auch, daß die Bundesregierung unter einem Solidarpakt nicht die freiwillige Aufteilung der Märkte zwischen west- und ostdeutschen Anbietern versteht. Kaum ein Gedanke wäre absurder als der, von den westdeutschen Unternehmen zu erwarten, daß sie freiwillig auf Marktanteile zugunsten ostdeutscher Arbeitsplätze verzichten. Weil das so ist, muß die Politik nachhelfen. Unausgeschöpfte Möglichkeiten dafür gibt es, z. B. bei den öffentlichen Beschaffungen. Hier fordern wir seit langem die Einführung von Local-content-Klauseln, desgleichen bei den öffentlichen Förderungen von Investitionen. Auch hier muß von den Investoren ein bestimmter Anteil der geförderten Investitionen aus ostdeutscher Produktion beschafft werden.
    Vor einigen Tagen forderte Professor Hankel in einem Beitrag für das „Handelsblatt" ein langfristig konzipiertes Programm der Export- und Entwicklungsfinanzierung mit einer strikten „Buy in East Germany"-Klausel, ein Vorschlag, der auch vom alten und neuen BDI-Präsidenten Tyll Necker kommt: Osteuropahilfe mit Ostprodukten. Es ist auch viel vernünftiger, in Ostdeutschland produzierte Waren zu kreditieren, die in Osteuropa schon auf Grund der früheren Handelsbeziehungen benötigt werden, als den Ländern Kredite zu gewähren, die sie ohnehin kaum zurückzahlen können. Aber offenbar hat die



    Werner Schulz (Berlin)

    Bundesregierung aus dem schiefgelaufenen Wohnungsbauprogramm für die abziehende Rote Armee nichts gelernt.
    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Bundesminister für Wirtschaft, Herr Möllemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Mit Skepsis, Maß und Balance hat alles Nachdenken über die öffentlichen Dinge zu tun", schreibt Joachim Fest in seiner kleinen Schrift „Der zerstörte Traum — Vom Ende des utopischen Zeitalters". Die Bürger in den neuen Bundesländern haben erlebt, wie die Utopie einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zusammengebrochen ist. Viele haben aktiv daran mitgewirkt, das Zwangsregime abzuschütteln. Sie haben sich großen Gefahren ausgesetzt, ohne zu wissen, ob die Revolution friedlich abläuft und welche Umwälzungen über sie hereinbrechen. Niemand konnte ahnen, daß der Weg schon innerhalb eines Jahres in die deutsche Einheit führen würde.
    Die deutsche Einheit zu gestalten ist eine einzigartige Herausforderung und Chance für alle Deutschen. Diese faszinierende Aufgabe hat zunächst eine Aufbruchstimmung ausgelöst und neue Kräfte freigesetzt. Die deutsche Einheit hat aber auch Erwartungen und Hoffnungen geweckt, die wieder gedämpft worden sind. Zu sehr waren in den neuen Ländern die Infrastruktur und die Kapitalausstattung der Wirtschaft heruntergekommen. Zu groß war der Abstand zum Weltstandard. Zu weit hatte die Kommandowirtschaft Eigeninitiative und verantwortliches Handeln zurückgedrängt. Die private Eigentumsordnung war zerstört. Eine auf demokratische und marktwirtschaftliche Grundsätze ausgerichtete Verwaltung gab es nicht mehr. Das ganze Ausmaß dieser schwierigen Ausgangsbedingungen wurde erst nach und nach sichtbar.
    Die Währungsumstellung war für die Menschen, die Bargeld und Sparguthaben hatten, für die Arbeitnehmer und Rentner, die D-Mark-Bezüge erhielten, ein hoffnungsvoller Einstieg. Für die Wirtschaft war sie ein Aufwertungsschock. Die folgenden Lohnsteigerungen von mehr als 20 % jährlich verschärften das Wettbewerbsproblem und den Rückgang der Produktion, insbesondere der im internationalen Wettbewerb stehenden industriellen Produktion. Solche schockartigen Kostensteigerungen hätten jede leistungsfähige Volkswirtschaft in eine schwere Krise gestürzt.
    Der Bund hat den neuen Bundesländern und ihren Kommunen eine finanzielle Anfangsausstattung gewährt und das in Westdeutschland bewährte soziale Netz auf die neuen Länder übertragen. Er hat Altlasten übernommen, sich am Verwaltungsaufbau beteiligt und vor allem ein ganzes Paket an Maßnahmen finanziert, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen und den wirtschaftlichen Aufschwung einzuleiten. Einzelne wirtschaftliche Erfolge sind inzwischen eingetreten. Aber von einem selbsttragenden Wachstumsprozeß sind die neuen Bundesländer noch weit entfernt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist leider wahr!)

    Gut zwei Jahre nach der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und knapp zwei Jahre nach dem Einigungsvertrag hat die deutsche Wirtschaft als Ganzes eine kritische Phase erreicht. Das Wachstum in Ostdeutschland fällt geringer aus als erwartet. In Westdeutschland stagniert die Wirtschaft. Die meisten Konjunkturindikatoren zeigen nach unten. Die erwartete Entlastung über den Export ist noch nicht greifbar.
    Es besteht die Gefahr einer anhaltenden Überforderung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens. Die Summe der Ansprüche ist erheblich über das Verteilbare, also über den Wert der produzierten Güter und Dienstleistungen, hinausgegangen.
    In den neuen Bundesländern haben sich die Ansprüche völlig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gelöst. Die angestrebte schnelle Angleichung an westdeutsche Sozial- und Lohnstandards könnte nur durch ein Zurückstecken dieser Standards in Westdeutschland erreicht werden. Letzteres ist nicht eingetreten. Im Gegenteil, auch in Westdeutschland gingen die Lohnsteigerungen deutlich über den Produktivitätszuwachs hinaus. Die staatlichen Leistungen zugunsten der neuen Bundesländer wurden nur zu einem geringen Teil durch Ausgabenkürzungen im Westen finanziert,

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist das Problem!)

    hauptsächlich durch zusätzliche Verschuldung. Die hartnäckigen Versuche, liebe Kolleginnen und Kollegen, die einfache Grundregel außer Kraft zu setzen, wonach nicht mehr verteilt werden kann als produziert wird, haben zu steigenden Preisen, zu hohen Lohnstückkosten und zu hohen Zinslasten geführt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch der westdeutschen Wirtschaft ist gefährdet. Ein weiteres Abgleiten der westdeutschen Konjunktur würde nicht nur den Transferleistungen für Ostdeutschland die Basis entziehen, sondern auch die Investitionen in Ostdeutschland blieben dann weitgehend aus.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie bei der CDU/CSU)

    Das wäre eine fatale Entwicklung, durch die viele Menschen in Hoffnungslosigkeit gestürzt würden. Wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Zerreißproben wären die Folge.
    Meine Damen und Herren, die Warnlampen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sind nicht zu übersehen. Jetzt kommt es darauf an, eine Negativspirale zu verhindern und die Wachstumskräfte zu mobilisieren. Der selbstzerstörerische Verteilungskampf muß durch den gemeinsamen Willen ersetzt werden, die Konjunkturschwäche schnell zu überwinden, die neuen Bundesländer wieder aufzubauen, die wirtschaftlichen Chancen der Deutschen Einheit zu



    Bundesminister Jürgen W. Möllemann
    nutzen und damit die sozialen und ökologischen Bedingungen zu verbessern.
    Daraus ergeben sich konkrete Folgerungen für die Politik, aber auch für die gesellschaftlichen Gruppen:
    Besonders dringend ist die Überwindung der Konjunkturschwäche. Wir brauchen wieder Wachstum. Voraussetzung für Investitionen in den neuen Bundesländern sind expandierende Unternehmen. Deshalb müssen die Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen verbessert werden. Ein wichtiger Schritt dahin ist die von mir mehrfach geforderte und von Herrn Kollegen Dr. Waigel skizzierte vorgelegte Unternehmensteuerreform. Auch wenn über einige Details noch gesprochen werden muß, wichtig ist, daß Einigkeit darin besteht, diese Reform jetzt sofort in Angriff zu nehmen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, diese Steuerreform allein reicht aber nicht. Die Qualität des Standorts Deutschland muß insgesamt verbessert werden, um mehr Investoren zu gewinnen. Deshalb muß die Reform des Steuersystems weitergehen. Die Gewerbekapitalsteuer und die Vermögensteuer müssen aus meiner Sicht abgeschafft werden, weil sie auch dann zu zahlen sind, wenn ein Unternehmen keine Erträge erwirtschaftet.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. sowie bei der CDU/CSU)

    Selbstverständlich brauchen die Kommunen einen Ausgleich, sei es über die Mehrwertsteuer, sei es über die Mineralölsteuer.
    Meine Damen und Herren, die Prüfungs- und Genehmigungsverfahren für Investitionen müssen verkürzt werden — und nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in Westdeutschland.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Die Genehmigung einer größeren chemischen Anlage dauert in Belgien 13 Monate, in Japan 20 Monate und bei uns 70 Monate. Das Gentechnikgesetz und die zugehörigen Rechtsverordnungen müssen novelliert werden, damit die deutsche Biotechnologie eine Chance auf dem Weltmarkt bekommt.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Schul- und Studienzeiten müssen verkürzt werden, damit Hochschulabsolventen mit 25 und nicht erst mit 30 Jahren in den Beruf hineinkommen

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    und ihr Innovationspotential früher in die Wirtschaft einbringen können.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hilft alles nichts, wir müssen kurzfristig eine Antwort darauf geben, wie die Finanzierung der deutschen Einheit zu bewältigen ist.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wir dürfen doch nicht über Geld reden!)

    — Frau Kollegin, Sie reden hier über alles, worüber Sie reden wollen. Ich glaube nicht, daß Ihnen einer den Mund verbieten kann.
    Wir brauchen Vertrauen in die Finanzentwicklung. Der vorgelegte Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung sind dafür eine gute Grundlage. Die Nettoneuverschuldung ist in den letzten beiden Jahren kräftig gestiegen. Gemessen am Bruttosozialprodukt war sie aber nicht höher als zu Beginn der 80er Jahre. Wenn es einen Grund für eine höhere Verschuldung gibt, dann ist das wohl die Jahrhundertaufgabe und -chance, die deutsche Einheit zu vollziehen. Trotzdem, wir sind an der Grenze der Belastungsfähigkeit.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!)

    Die Zinslast im Bundeshaushalt steigt weiter und schränkt unsere Handlungsmöglichkeiten ein. Eine Vielzahl von Haushaltsrisiken kann zu stärkeren Belastungen führen. Das gilt insbesondere bei einer ungünstigen Entwicklung der Konjunktur. Deshalb sind klare Signale erforderlich.