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    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Aber vor diesen Preis haben die Götter den Schweiß gesetzt.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heuer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war im Urlaub in Frankreich, in einem Bauernhaus einer befreundeten Familie in der Nähe von Chartres. Es war sehr schön. Dazu trug auch das weitgehende Fehlen deutscher Zeitungen bei. Aber nicht das wollte ich Ihnen berichten.
    Eines Tages besuchten wir Angers an der Loire. Dort hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis. Im Schloß von Angers befindet sich der wohl größte Wandteppich der Welt. Der Ende des 14. Jahrhunderts angefertigte Wandteppich stellt die Apokalypse dar, den Übergang von der alten in die neue Welt, abgeschlossen durch das Jüngste Gericht mit seiner Verurteilung und Vernichtung all jener, die das Zeichen des Tieres trugen, auch der Toten. Die Grundlage des neuen Jerusalem war die Verurteilung all jener, die seiner nicht würdig waren. Das Jüngste Gericht war das Ende der Geschichte.
    Lange Zeit war dieser Wandteppich unter katastrophalen Bedingungen gelagert; seit 1870 hing er wieder in der Kathedrale, seit 1954 in einer für ihn geschaffenen Galerie im Schloß von Angers. Ich habe lange die naiven Darstellungen des Kampfes zwischen Gut und Böse, Freund und Feind betrachtet, der Strafen, die den Verurteilten zuteil wurden, eines Kampfes, der hin und her wogte, bis das Gericht ihn mit seinem Urteilsspruch ein für allemal beendete, bis alle Feigen, Ungläubigen, Frevler und Mörder im schwefeligen Pfuhl waren und das neue Jerusalem vom Himmel herab kam.
    Ich dachte beim Anblick dieses Teppichs an die vielen Versuche in der Geschichte der Menschheit, das Böse endgültig zu vertilgen, eine reinliche Scheidung von Freund und Feind herbeizuführen, an den Versuch der kommunistischen Bewegung, durch die Beseitigung des Privateigentums die Quelle allen Unheils in der Welt ein für allemal zu verstopfen. Ich dachte aber auch an Fukuyamas Buch vom Ende der Geschichte, an das heutige Deutschland, an Versuche, ein endgültiges, letztes Urteil über die DDR zu



    Dr. Uwe-Jens Heuer
    sprechen, wieder einmal das Böse durch Gerichtsentscheidungen endgültig zu bestimmen.
    Das Vereinigungskonzept der Bundesregierung war von Anfang an nur in einem Bereich wirklich konkret und auf entschlossenes Handeln angelegt: im politisch-moralischen Bereich. Wir haben erlebt, und wir erleben es täglich aufs neue, daß das eigentliche Problem Ostdeutschlands, hinter dem alle anderen wirtschaftlichen, finanziellen und personellen Probleme zurückzutreten haben, in der Ausmerzung der DDR-Vergangenheit in Ostdeutschland zu liegen scheint.
    Insofern war bereits der 2. Staatsvertrag in einigen Teilen als ausgefertigtes Urteil eines Gerichts unter Vorsitz von Herrn Schäuble angelegt. Das Feindbild des Kalten Krieges erfuhr seine Umsetzung in Gestalt eines in der deutschen Geschichte, abgesehen von 1933, beispiellosen Rachefeldzuges gegen Links. Warteschleife, Abwicklung, Evaluierung bereiteten die Abstrafung aller derjenigen vor, die sich in der DDR politisch engagiert hatten.
    Ansonsten wird ja immer — gerade auch in der laufenden Haushaltsdebatte — so getan, als seien die Schwierigkeiten im Vereinigungsprozeß nur ein finanzielles Problem. In Fragen der Abwicklung jedoch scheute man in keiner Weise die Kosten, betrieb man eine ganz systematische Politik der Beseitigung eines Großteils des intellektuellen Potentials in Ostdeutschland. Etwa 600 000 Menschen im öffentlichen Dienst erhielten mittlerweile ihre Entlassung oder wurden vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Herr Duve und andere haben heute darüber gesprochen, was auf kulturellem Gebiet in Ostdeutschland geschehen ist. Der Bundeskanzler hat jetzt erklärt, daß mehr Geld für die Ostkultur von der Verfassung her scheitere. Angesichts der fast wöchentlich wiederholten Wünsche auf Verfassungsänderung — wir haben es zuletzt wieder gehört — halte ich das allerdings für zynisch.
    Gerade weil sich Ostdeutschland trotz alledem — wie sollte es auch anders sein — partout nicht in einen blühenden Garten verwandelte, wächst das Bedürfnis, diesen Feldzug immer weiter zu treiben und durch eine ganze Serie von gerichtlichen Verfahren zu legitimieren. Immer neue Personengruppen — Rechtsanwälte, alle Abgeordneten — will man überprüfen und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgen. Die Bundesregierung will sich nicht nur als faktischer Sieger im Kalten Krieg sehen; sie will ihren Sieg auch als Sieg allgemeiner Moral und Gerechtigkeit anerkannt wissen. Nur so kann ich mir die Forderungen nach Musterprozessen, nach dem Einsatz der Strafjustiz, die Praxis der Ehrengerichte, Tribunale und nicht zuletzt der parlamentarischen Enquete-Kommissionen erklären. Gesprochen wird bereits von mehreren zehntausend Strafprozessen.
    Es geht um Funktionärskriminalität, also auch um den Kommandeur der Grenztruppe, den regionalen SED-Mann oder Polizeioffizier, den Bürgermeister, . . .
    wie Manfred Kittlaus in der „Zeit" Nr. 9/1992 zitiert wurde.
    Man verfährt augenscheinlich ganz nach dem von Otto Kirchheimer in dem Buch „Politische Justiz" 1965 dargelegten Konzept, daß der bereits ausgeschaltete Gegner auch moralisch besiegt werden müsse. Die „Wirkung des Gerichtsprozesses" soll das angestrebte Bild gewissermaßen auf ein „offizielles, autoritatives, ... neutrales Postament" hinaufheben.

    (Zuruf von der F.D.P.: So ein Quatsch!)

    Aus dieser Sicht vor allem sehe ich auch die verbissene Beharrlichkeit, mit der man den Strafprozeß gegen Erich Honecker vorbereitet. Daß Honecker in den letzten Monaten wie ein Schwerverbrecher gejagt wurde und nunmehr wie einst 1935 in Moabit einsitzt,

    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Der ist gar nicht gejagt worden! Der saß in der chilenischen Botschaft! — Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.]: Botschaftsflüchtling!)

    hat offenbar Gründe, die mit seiner Person wenig zu tun haben. Es ging der Bundesregierung bei ihrer Hatz auf Honecker nicht um den Dilettantismus und die fehlende demokratische Moral eines Politikers in der DDR. Es geht ihr augenscheinlich um die prinzipielle gerichtliche Abrechnung mit dem angeblichen Verbrechen DDR.
    Kein Justizminister der BRD hat seinerzeit Auslieferungsanträge gestellt oder auf politischen und wirtschaftlichen Druck gesetzt, um die Auslieferung der Massenmörder Eichmann und Mengele zu erreichen. Aber all das tat man, um Erich Honeckers habhaft zu werden.
    So sehr Erich Honecker als Politiker aus meiner Sicht versagt hat, so wenig können wir übersehen, daß der Prozeß gegen ihn ein Prozeß zur Kriminalisierung der DDR werden soll,

    (Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.]: So ein Quatsch! Dummes Zeug! Phrasendrescherei!)

    die immerhin das wohl bleibende Verdienst hat, Rassismus, Neofaschismus und deutsches Großmachtstreben 41 Jahre lang gezügelt zu haben.
    Je mehr sich soziale Konflikte zuspitzen, desto lauter wird vom Unrechtsstaat DDR gesprochen, wird der besiegte Feind immer wieder zum Leben erweckt, um dann wieder in den Pfuhl geschickt zu werden.
    Nach dem „Spiegel", Nr. 36/92, redete der Bundeskanzler im Kabinett davon, aller Wahrscheinlichkeit nach sei der Aufruhr in Rostock von ehemaligen Stasileuten angezettelt und generalstabsmäßig geführt worden. Inge Schmidt aus Hamburg geht in einem Leserbrief der „Welt" vom 7. September noch weiter, und hier erreicht die Hysterie ihren Gipfelpunkt. Sie führt den Druck auf die Änderung des Grundgesetzes in der Asylfrage auf Stasimanöver zurück: Herr Seiters als Agent der Stasi!
    Die Enquete-Kommission des Bundestages forderte unter Mißachtung der Gewaltenteilung alle Staatsanwaltschaften auf, jegliche unbefugte Beseitigung von Akten in der DDR, da sie die Aufarbeitung der Geschichte behindere, ausdrücklich zu verfolgen und zur Anklage zu bringen.



    Dr. Uwe-Jens Heuer
    Es gibt Anzeichen auch in dieser Debatte, daß endlich, viel zu spät, über Sanierung, über Wirtschafts- und Industriepolitik nachgedacht wird. Ich halte es für verhängnisvoll, wenn heute die Frage der Lösung der ostdeutschen Probleme oft auf ein Finanzierungsproblem reduziert wird. Solange das geschieht, werden die Ostdeutschen zu frustrierten Kostgängern und die Westdeutschen zu widerwilligen Spendern gemacht. Der Gedanke, vielleicht jahrzehntelang ein darniederliegendes Land subventionieren zu müssen, muß Geber und Empfänger gleichermaßen verbittern.
    Es geht aber um mehr als um Wirtschaftspolitik. Ein Konzept der Vollendung der Einheit, der Herstellung — wenn Sie wollen — gleichwertiger Lebensverhältnisse ist unmöglich ohne ein politisches, kulturelles und moralisches Konzept des Umgangs mit den Ostdeutschen und ihrer Vergangenheit. All das bösartige oder gedankenlose Gerede von verzwergten Menschen, sinnlos verbrachten Jahren, 16 Millionen Schuldigen verhindert wirkliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Zur Verarmung tritt bei vielen Menschen unablässige Demütigung.
    Am 3. Oktober 1990 hatte der Bundespräsident davor gewarnt, die Deutschen von Ost und West als Böse und Gute gegenüberzustellen. Ich habe mit großem Interesse bei Minister Waigel gestern von einem Pakt der Vernunft gehört. Gegenüber der RAF wird von Versöhnung gesprochen, und ein CDUAbgeordneter hat im Rechtsausschuß die Versöhnung auch mit der DDR-Elite angemahnt. Unrecht muß gesühnt werden. Aber der Weg, den Sieg der BRD durch eine Art Jüngstes Gericht besiegeln zu wollen, wird kein Ende setzen, wird nur neue Wunden schlagen. Ich meine, daß das, was heute die Frau Justizministerin gesagt hat, mir Hoffnung gibt, daß auch hier ein Versöhnungsprozeß möglich ist. Herr Geis hat gesagt, er unterschriebe jedes Wort von ihr, und er hat dann ihre Ausführungen stark kritisiert. Ich habe ihre Ausführungen als angenehm empfunden und hoffe, daß wir einer Politik der Versöhnung entgegengehen.
    Ich danke für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)