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ID1207704200

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    Plenarprotokoll 12/77 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 77. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz-Günter Bargfrede, Dr. Wolf Bauer, Richard Bayha, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Günther Friedrich Nolting, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rüstungskontrolle und Abrüstung nach Ende des Ost-West-Konflikts (Drucksache 12/2076) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung der Abrüstungspolitik nach der Auflösung der UdSSR (Drucksache 12/2067) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Fuchs (Verl), Edelgard Bulmahn, Karsten D. Voigt (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hilfen für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten bei der Rüstungskonversion und der Stärkung des Non-Proliferationsregimes (Drucksache 12/2068) Peter Kurt Würzbach CDU/CSU 6397B Dr. Hermann Scheer SPD 6399 D Dr. Olaf Feldmann FDP 6401 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 6403 B Helmut Schäfer, Staatsminister AA 6404 B Karl Lamers CDU/CSU 6406 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 6407 D Günter Verheugen SPD 6408 B Ulrich Irmer FDP 6410 D Günter Verheugen SPD 6412 A Heinrich Lummer CDU/CSU 6412 B Dr. Hermann Scheer SPD 6413 A Edelgard Bulmahn SPD 6413 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 6416 A Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt — Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft" (Drucksachen 12/1290, 12/1951) Michael Müller (Düsseldorf) SPD 6417 C Dr. Norbert Rieder CDU/CSU 6419 A Dr. Klaus Röhl FDP 6419 D Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 6420 C Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU 6421 A Nächste Sitzung 6422 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6423* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag der SPD-Fraktion: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt — Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft") 6424* A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6424* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 6397 77. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann, Dietrich CDU/CSU 14. 02. 92 Baum, Gerhart Rudolf FDP 14. 02. 92 Bernrath, Hans Gottfried SPD 14. 02. 92 Dr. Böhme (Unna), Ulrich SPD 14. 02. 92 Börnsen (Ritterhude), SPD 14. 02. 92 Arne Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 14. 02. 92 Braband, Jutta PDS/LL 14. 02. 92 Doppmeier, Hubert CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 14. 02. 92 Gattermann, Hans H. FDP 14. 02. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 14. 02. 92 Grünbeck, Josef FDP 14. 02. 92 Haack (Extertal), SPD 14. 02. 92 Karl-Hermann Habermann, SPD 14.02.92 Frank-Michael Hämmerle, Gerlinde SPD 14. 02. 92 Hansen, Dirk FDP 14. 02. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 14. 02. 92 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS/LL 14. 02. 92 Heyenn, Günther SPD 14. 02. 92 Hilsberg, Stephan SPD 14. 02. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 14. 02. 92 Horn, Erwin SPD 14. 02. 92 ** Dr. Hoyer, Werner FDP 14. 02. 92 Hübner, Heinz FDP 14. 02. 92 Ibrügger, Lothar SPD 14. 02. 92 ** Jung (Düsseldorf), Volker SPD 14. 02. 92 Jungmann (Wittmoldt), SPD 14. 02. 92 Horst Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 14. 02. 92 Kauder, Volker CDU/CSU 14. 02. 92 Klemmer, Sigrun SPD 14. 02. 92 Kohn, Roland FDP 14. 02. 92 Kolbe, Manfred CDU/CSU 14. 02. 92 Koppelin, Jürgen FDP 14. 02. 92 Koschnick, Hans SPD 14. 02. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 14. 02. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 14. 02. 92 Kubicki, Wolfgang FDP 14. 02. 92 Leidinger, Robert SPD 14. 02. 92 Löwisch, Sigrun CDU/CSU 14. 02. 92 Marx, Dorle SPD 14. 02. 92 Meinl, Rudolf Horst CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 14. 02. 92 Dorothea Michels, Meinolf CDU/CSU 14. 02. 92 Molnar, Thomas CDU/CSU 14. 02. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller, Günther CDU/CSU 14. 02. 92 * Müller (Zittau), Christian SPD 14. 02. 92 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 14. 02. 92 Neumann (Bramsche), SPD 14. 02. 92 Volker Dr. Olderog, Rolf CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Pfaff, Martin SPD 14. 02. 92 Pfeffermann, Gerhard O. CDU/CSU 14. 02. 92 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 14. 02. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 14. 02. 92 Poppe, Gerd BÜNDNIS 14. 02. 92 90/GRÜNE Pützhofen, Dieter CDU/CSU 14. 02. 92 Raidel, Hans CDU/CSU 14. 02. 92 Rau, Rolf CDU/CSU 14. 02. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 14. 02. 92 * Reichenbach, Klaus CDU/CSU 14. 02. 92 Rempe, Walter SPD 14. 02. 92 Rühe, Volker CDU/CSU 14. 02. 92 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 14. 02. 92 Schmalz-Jacobsen, FDP 14. 02. 92 Cornelia Schmidt (Dresden), Arno FDP 14. 02. 92 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 14. 02. 92 Andreas von Schmude, Michael CDU/CSU 14. 02. 92 Schröter, Gisela SPD 14. 02. 92 Schütz, Dietmar SPD 14. 02. 92 Schulte (Hameln), SPD 14. 02. 92 ** Brigitte Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 14. 02. 92 Christian Skowron, Werner H. CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Soell, Hartmut SPD 14. 02. 92 * Dr. Sperling, Dietrich SPD 14. 02. 92 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU 14. 02. 92 Wolfgang Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 14. 02. 92 Thiele, Carl-Ludwig FDP 14. 02. 92 Vosen, Josef SPD 14. 02. 92 Welt, Jochen SPD 14. 02. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 14. 02. 92 Helmut Wissmann, Matthias CDU/CSU 14. 02. 92 Wollenberger, Vera BÜNDNIS 14. 02. 92 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 14. 02. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 6424 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag der SPD-Fraktion: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt-Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft") Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Chemiepolitik wird neben der Energieproblematik das zweite große Feld der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um eine lebenswerte Zukunft. Begrüßenswert ist, daß sich mittlerweile in der wissenschaftlichen und in der politischen Diskussion über Chemie ein umfassenderes Denken durchzusetzen scheint. Statt einer Einzelstoffbetrachtung wird übergegangen zu der Betrachtung von Stoffgruppen. Angestrebt werden geschlossene Stoffkreisläufe. Vorsorgender Umweltschutz spielt zunehmend eine Rolle. Die Produkte werden von ihrem Ende her und in ihrem Zusammenwirken mit anderen Produkten betrachtet — ein Denken, das das bisher praktizierte „end of the pipe" als vermeintlichen Umweltschutz ausschließt. Die Diskussion erhält eine größere Zeitperspektive, d. h. die Lebensdauer der Stoffe und Stoffgruppen werden ebenso in die Betrachtung einbezogen wie die Art und Auswirkungen ihrer Abbaubarkeit; als Beispiel können PVC und FCKW genannt werden, deren Lebensdauer unterschätzt wurde. Immer mehr wird versucht, sich am tatsächlichen Bedarf zu orientieren, und der Nutzen bestimmter Produkte wird kritisch hinterfragt. Zunehmend wird auf umweltneutrale, wiederverwertbare und reperaturfreundliche Produkte gesetzt. Naturnähe wird zum Qualitätsmerkmal. Die Ersetzung bestimmter als schädlich erkannter Produkte und Produktionsverfahren ist kein Tabu mehr, wie das Beispiel Chlorchemie zeigt. Wir scheinen uns also auf dem Weg in die von Ökologinnen und Ökologen seit langem geforderte Chemiewende zu befinden. Doch leider handelt es sich bei dem oben Gesagten erst um Ansätze, und größtenteils findet die Diskussion bisher ausschließlich im akademischen Bereich statt. Von daher kommen wir nicht umhin, bereits jetzt bestimmte Weichenstellungen vorzunehmen und Fehlentwicklungen abzustellen. In dem vorliegenden Antrag kommt der Herstellung der gesellschaftlichen Akzeptanz eine zentrale Rolle zu. So wichtig dies ist, beschreibt es die Herausforderungen der ökologischen Debatte aber nur unzureichend, nämlich da, wo offene Interessengegensätze der gesellschaftlichen Gruppen bestehen. Ich möchte einige kritische Bemerkungen machen. Was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche Debatte über das Was, Wie und Wo der Produktion und ein kurz- und mittelfristig struktur- und ordnungspolitisches Handeln der Politik. Kurz: Wir brauchen eine Chemiepolitik, die die Entgiftung von Produkten und der Produktion als ihr oberstes Ziel definiert. Die Politik darf sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Der Ausstieg aus der Chlorchemie muß jetzt politisch gewollt und durchgesetzt werden. Gesundheitsschädliche Produkte und Produktionen müssen jetzt verboten werden. Die PDS/Linke Liste im Bundestag wird dem vorgelegten Antrag und der Einsetzung dieser EnqueteKommission zustimmen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/8543 Drucksache 12/247 Drucksache 12/1126 Drucksache 12/1247 Drucksache 12/1669 Finanzausschuß Drucksache 11/4492 Drucksache 12/249 Drucksache 12/367 Drucksache 12/942 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/7565 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/584 EG-Ausschuß Drucksache 12/1201 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/1681 Nr. 3.1 Finanzausschuß Drucksache 12/210 Nrn. 74, 75 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/1072 Nr. 22 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/1681 Nr. 3.13 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/1339 Nr. 2.18
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    Rede von Dr. h.c. Edelgard Bulmahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Damen und Herren! Politik sollte meines Erachtens nicht einäugig Geschichte betrachten, Herr Lummer. Die Strategie der Abschreckung hat dazu beigetragen, daß es keinen Krieg gegeben hat, zumindest nicht hier in Mitteleuropa,

    (Zuruf von der FDP: Das ist doch schon etwas!)

    aber die Strategie der Abschreckung hat auch dazu geführt, daß es heute viele Länder gibt, die über Massenvernichtungsmittel verfügen, und daß wir heute über die Gefahr der Proliferation debattieren. Man sollte immer beide Seiten einer Medaille betrachten.

    (Zuruf von der FDP)

    Die sicherheitspolitische Situation, in der wir uns heute befinden, ist paradox. Die unsere Nachkriegsgeschichte bestimmende Blockkonfrontation ist überwunden und durch eine vielfältige Zusammenarbeit der ehemaligen Gegner abgelöst worden. Gleichwohl hat das Massen- und Atomvernichtungspotential der untergegangenen UdSSR nur wenig von seinem Schrecken verloren. Statt der Gefahr eines globalen nuklearen Holocaust wird nun von vielen die Gefahr heraufbeschworen, daß die Atomwaffenarsenale der ehemaligen UdSSR außer Kontrolle und in die Hände von Terroristen und Diktatoren gelangen.
    Damit kein Mißverständnis entsteht: Wir schätzen die Gefahr der Verletzung des Verbots der Proliferation nicht als gering ein, wir schätzen die Gefahr sehr



    Edelgard Bulmahn
    hoch ein, aber wir sind der Meinung, daß Panikmache, die Schaffung neuer Feindbilder

    (Karl Lamers [CDU/CSU]: Wer tut das denn?)

    und neue Waffensysteme wie die Neuauflage eines — abgespeckten — SDI die falschen Antworten sind.
    Die Ursachen für die wachsende Proliferationsgefahr sind — das möchte ich doch noch einmal deutlich herausstellen — nicht allein im Zerfall der Sowjetunion zu suchen, nicht allein in der Devisennot der Nachfolgestaaten und der Arbeitslosigkeit von Rüstungsexperten. Insbesondere die Weiterverbreitung von Atomwaffen wird dadurch begünstigt, daß westliche Nuklearstaaten an dem Besitz festhalten. Die Verfügungsgewalt über eigene Atomwaffen — das müßten Sie einmal zur Kenntnis nehmen — erscheint so als etwas, das Macht und Ansehen garantiert, als etwas, mit dem man eigene Ansprüche besser durchsetzen kann. Deshalb halte ich es für fatal, wenn man so einäugig argumentiert, wie Sie es teilweise in dieser Debatte getan haben.
    Die Proliferationsgefahr läßt sich im übrigen auch nur dann nachhaltig bekämpfen, meine Herren und Damen, wenn es den westlichen Industriestaaten gelingt, die eigenen Schlupflöcher wirkungsvoll zu stopfen. Die Aufrüstung des Irak wäre und ist ohne Export und ohne Technologie- und Know-how-Transfer aus den westlichen Ländern schließlich nicht möglich gewesen. Dies, meine Damen und Herren, sollten wir immer bedenken, wenn wir über die neuen Proliferationsgefahren aus den Staaten der GUS debattieren und nach Lösungen suchen.
    Deshalb ist es auch wichtig, nicht nur über Konversion in den GUS-Staaten zu diskutieren und hierfür Programme zu entwickeln, sondern auch Rüstungskonversion und Abrüstung in den westlichen Staaten durchzuführen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn sich sowohl die von meiner Fraktion vorgelegten Anträge als auch der Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP übereinstimmend für westliche Hilfen bei der Konversion der Rüstungsforschung und -industrie in den Ländern der GUS einsetzen, dann sind wir damit meines Erachtens auf dem richtigen Weg. Maßnahmen und Programme des Westens zur Unterstützung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten bei der Umstellung des Rüstungssektors auf zivile Zwecke sind in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Sie leisten einmal einen erheblichen Beitrag zur Begrenzung der Proliferationsgefahr, und sie sind zum anderen unerläßlich für die wirtschaftliche Erneuerung in den Staaten der GUS. Immerhin sollen rund 70 % des FuE-Personals und rund 33 % aller Industriebeschäftigten in der früheren Sowjetunion in der Rüstungsforschung bzw. in der Rüstungsproduktion beschäftigt gewesen sein.
    Entscheidend ist, meine Herren und Damen, dabei allerdings, daß wir jetzt handeln und nicht erst dann, wenn wir mit deutscher Gründlichkeit Programme und Verfahren ohne Haken und Ösen gefunden haben. Wenn wir durch Hilfen zur Umstellung von
    Rüstungsforschung und -produktion der Proliferation vorbeugen wollen, dann benötigen die in Atomwaffenprogrammen und -produktionen der früheren UdSSR tätigen Experten sofort und nicht erst morgen oder übermorgen Unterstützung. Sie müssen jetzt am eigenen Leibe erfahren, daß der Westen den Reformprozeß unterstützt. Sie brauchen sichtbare Erfolge, damit sie Hoffnung und Zuversicht schöpfen können, daß sie in ihrem eigenen Land eine Perspektive für sich selbst und ihre Familien haben.
    Aber auch diejenigen, die weiterhin ein Gehalt beziehen, stehen letztendlich vor dem Nichts. Was, meine Damen und Herren, würden Sie in einer Zeit explosionsartig steigender Preise mit einem durchschnittlichen Monatsgehalt anfangen, das etwa dem Gegenwert von 23 DM entspricht?
    Noch etwas dürfen wir nicht außer acht lassen: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben keine Aufgabe mehr. Sie spüren, daß sie nicht mehr länger benötigt werden, daß ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im eigenen Land nichts mehr gelten. Deshalb reicht es nicht aus — wie es in dem Antrag von seiten der Regierungsfraktionen anklingt —, sich nur der arbeitslosen Waffenexperten anzunehmen.
    An entsprechenden Ideen für Konversionsmaßnahmen fehlt es nicht. Die Ressourcen der Rüstungsforschung lassen sich durchaus auch für andere Zwecke als die Entwicklung von neuen Massenvernichtungsmitteln nutzen. Am naheliegendsten ist es dabei sicherlich, das Know-how der früheren sowjetischen Experten für die Demontage der Kernsprengköpfe, die Beseitigung der Waffenfähigkeit des radioaktiven Materials und die Bearbeitung von Problemen der Endlagerung des atomaren Bombenmaterials sowie die Beseitigung von Umweltschäden, die 40 Jahre nuklearer Waffenproduktion verursacht haben, zu nutzen. Die enge Kooperation zwischen Experten der GUS und der westlichen Atomwaffenstaaten würde zudem die Entwicklung der nötigen Verfahren und Technologien wesentlich voranbringen. Sie würde aber zugleich das Vertrauen in die Abrüstungsmaßnahmen der jeweils anderen Seite stärken und damit die Proliferationsgefahr mindern und einem Teil der Experten aus den sowjetischen Atomwaffenprogrammen neue Arbeitsmöglichkeiten verschaffen.
    Da eine Beteiligung der Bundesrepublik und deutscher Experten an der Demontage der Kernsprengköpfe und an der Beseitigung der Waffenfähigkeit des radioaktiven Materials nicht in Frage kommt, sollte die Bundesrepublik die deutschen Hilfsmaßnahmen schwerpunktmäßig auf die Nutzung der wissenschaftlich-technischen Ressourcen der Rüstungs- und Raketenforschung in den Staaten der GUS für die wirtschaftliche Erneuerung, die Verbesserung der Umweltbedingungen und den Ausbau der Sicherheitsforschung sowie die Erhöhung der Sicherheitsstandards im Bereich der zivilen Kernkraftnutzung konzentrieren. Hilfen der Bundesregierung sollten darauf abzielen, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Arbeitsmöglichkeiten in ihren Heimatländern zu erschließen, nicht aber darauf, sie für eigene Forschungsprogramme abzuwerben oder die Abwanderung in andere westliche Industriestaaten zu fördern.



    Edelgard Bulmahn
    Wir sollten statt dessen die wissenschaftlich-technischen Beziehungen mit den Staaten der GUS ausbauen, gemeinsame Projekte vereinbaren und den Wissenschaftlerinnen- und Wissenschaftleraustausch intensivieren.

    (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Angesichts der Tatsache, daß die Sowjetunion im zivilen Bereich eine nahezu high-tech-lose Nation war, könnte die Konversion der Rüstungsforschung die Länder der GUS auf wichtigen Gebieten wie z. B. der Umweltforschung, der Materialforschung, der Informationstechniken, der Laserforschung, der medizinischen Forschung und der Biotechnologie erheblich voranbringen. Erhebliche Bedeutung kommt dem schnellen Ausbau der Telekommunikation in der GUS zu. Dies ist für den wirtschaftlichen Erneuerungsprozeß, wie wir gerade sehr deutlich erfahren haben, unverzichtbar. Verstärken sollten wir auch die internationale Zusammenarbeit in der Raumfahrt, allerdings für sinnvolle Projekte wie z. B. den Ausbau der Telekommunikation.
    Hilfsmaßnahmen sind, meine Herren und Damen, auf diesem Gebiet nicht zum Nulltarif zu haben. Ohne deutliche finanzielle Hilfe seitens der westlichen Industrieländer haben die von mir gerade skizzierten Überlegungen zur Konversion keine Chance. Meine Fraktion unterstützt deshalb die Bildung eines internationalen Fonds. Überlegungen, die darauf hinauslaufen, man könne die bisher in der Rüstungsforschung tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wenn auch nur die in der ABC-Waffen- und Raketenforschung Tätigen, ohne weiteres aus den Mitteln eines internationalen Fonds bezahlen, sind meines Erachtens allerdings Schlichtweg naiv,

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Warum denn?)

    wenn man sich den Umfang der Rüstungs- oder der Atomwaffenforschung einmal vor Augen hält. Nach Expertenschätzungen arbeiten in der ehemaligen UdSSR insgesamt 4,2 Millionen Menschen im Bereich der Rüstungsforschung, davon allein 1,5 Millionen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Nach einem CIA-Bericht sollen allein in den Atomwaffenprogrammen der ehemaligen UdSSR ungefähr 900 000 Menschen beschäftigt sein.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Die Rede ist von 10 000 bis 20 000 Wissenschaftlern!)

    Wir haben es mit einer erheblichen Anzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu tun.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Die Putzfrauen zählen wir nicht!)

    — Nein, ich rede von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Da sollten Sie sich wirklich etwas besser informieren.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Aber doch nicht mit den Kenntnissen, Frau Kollegin!)

    — Die Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Kenntnisse auch zum Bau von Atomwaffen haben,

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Nur davon ist die Rede, nur davon!)

    bewegt sich nach den Schätzungen im Rahmen von ungefähr 4 000 Personen.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Ja, jetzt sind wir wieder unten!)

    Im übrigen bin ich der Meinung, daß auch die Putzfrauen einen vernünftigen Arbeitsplatz haben sollen und eine Existenzgrundlage benötigen.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Absolut richtig, Zustimmung! )



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Feldmann, entweder stellen Sie eine Frage oder — —

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    Rede von Dr. h.c. Edelgard Bulmahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Von daher sollten wir also nicht so abfällig darüber reden.
    Ich möchte noch einmal deutlich machen, daß es uns angesichts der Größenordnung, über die wir hier reden, realistisch und sinnvoll erscheint, aus den Mitteln eines internationalen Fonds nur einen Teil der Lohnkosten ehemaliger Rüstungsexperten zu übernehmen, diesen dann aber in konvertierbarer westlicher Währung zu zahlen, weil es sich einfach gezeigt hat, daß dies ein wichtiger Punkt ist. Aus den Mitteln dieses Fonds sollten aber auch internationale Austauschprogramme finanziert und dringend benötigte Ausrüstungsgegenstände aus dem Westen beschafft werden. Ein Zusatzgehalt von 200 DM bis 300 DM in konvertierbarer westlicher Währung könnte hierbei ein attraktives Mittel für die in die Konversionsprogramme einbezogenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Technikerinnen und Techniker darstellen.
    Die Finanzierung des Konversionsprogramms sollte Teil einer umfassenden wirtschaftlichen Unterstützung sein. Es kann nicht darum gehen, ehemaligen Rüstungsforscherinnen und Rüstungsforschern neue Privilegien zu verschaffen und die Putzfrau oder die Kinder im Stich lassen.

    (Karl Lamers [CDU/CSU]: Wollen Sie die etwa anstellen?)

    Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten die Chancen nutzen, die sich aus der Umstrukturierung des früheren sowjetischen Rüstungssektors ergeben. Herr Lamers, ich finde, einigen Herren stünde es gut an, wenn sie diese Arbeiten einmal selber durchführten. Dann würden sie vielleicht nicht mehr so abfällig darüber reden.

    (Beifall bei der SPD — Karl Lamers [CDU/ CSU]: Unsinn! — Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Putzfrau oder Nuklearforscher?)

    Lassen Sie uns deshalb zu einer Entscheidung kommen. Lassen Sie uns nicht noch monatelang darüber debattieren, sondern lassen Sie uns zu einer Entscheidung kommen und tatsächlich konkrete Hilfsprogramme auflegen und durchführen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Karl Lamers [CDU/CSU]: Ein bißchen seriös muß es schon sein!)