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    Plenarprotokoll 12/77 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 77. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz-Günter Bargfrede, Dr. Wolf Bauer, Richard Bayha, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Günther Friedrich Nolting, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rüstungskontrolle und Abrüstung nach Ende des Ost-West-Konflikts (Drucksache 12/2076) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung der Abrüstungspolitik nach der Auflösung der UdSSR (Drucksache 12/2067) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Fuchs (Verl), Edelgard Bulmahn, Karsten D. Voigt (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hilfen für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten bei der Rüstungskonversion und der Stärkung des Non-Proliferationsregimes (Drucksache 12/2068) Peter Kurt Würzbach CDU/CSU 6397B Dr. Hermann Scheer SPD 6399 D Dr. Olaf Feldmann FDP 6401 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 6403 B Helmut Schäfer, Staatsminister AA 6404 B Karl Lamers CDU/CSU 6406 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 6407 D Günter Verheugen SPD 6408 B Ulrich Irmer FDP 6410 D Günter Verheugen SPD 6412 A Heinrich Lummer CDU/CSU 6412 B Dr. Hermann Scheer SPD 6413 A Edelgard Bulmahn SPD 6413 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 6416 A Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt — Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft" (Drucksachen 12/1290, 12/1951) Michael Müller (Düsseldorf) SPD 6417 C Dr. Norbert Rieder CDU/CSU 6419 A Dr. Klaus Röhl FDP 6419 D Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 6420 C Dr. Paul Laufs, Parl. Staatssekretär BMU 6421 A Nächste Sitzung 6422 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6423* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag der SPD-Fraktion: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt — Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft") 6424* A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6424* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 6397 77. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann, Dietrich CDU/CSU 14. 02. 92 Baum, Gerhart Rudolf FDP 14. 02. 92 Bernrath, Hans Gottfried SPD 14. 02. 92 Dr. Böhme (Unna), Ulrich SPD 14. 02. 92 Börnsen (Ritterhude), SPD 14. 02. 92 Arne Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 14. 02. 92 Braband, Jutta PDS/LL 14. 02. 92 Doppmeier, Hubert CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 14. 02. 92 Gattermann, Hans H. FDP 14. 02. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 14. 02. 92 Grünbeck, Josef FDP 14. 02. 92 Haack (Extertal), SPD 14. 02. 92 Karl-Hermann Habermann, SPD 14.02.92 Frank-Michael Hämmerle, Gerlinde SPD 14. 02. 92 Hansen, Dirk FDP 14. 02. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 14. 02. 92 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS/LL 14. 02. 92 Heyenn, Günther SPD 14. 02. 92 Hilsberg, Stephan SPD 14. 02. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 14. 02. 92 Horn, Erwin SPD 14. 02. 92 ** Dr. Hoyer, Werner FDP 14. 02. 92 Hübner, Heinz FDP 14. 02. 92 Ibrügger, Lothar SPD 14. 02. 92 ** Jung (Düsseldorf), Volker SPD 14. 02. 92 Jungmann (Wittmoldt), SPD 14. 02. 92 Horst Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 14. 02. 92 Kauder, Volker CDU/CSU 14. 02. 92 Klemmer, Sigrun SPD 14. 02. 92 Kohn, Roland FDP 14. 02. 92 Kolbe, Manfred CDU/CSU 14. 02. 92 Koppelin, Jürgen FDP 14. 02. 92 Koschnick, Hans SPD 14. 02. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 14. 02. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 14. 02. 92 Kubicki, Wolfgang FDP 14. 02. 92 Leidinger, Robert SPD 14. 02. 92 Löwisch, Sigrun CDU/CSU 14. 02. 92 Marx, Dorle SPD 14. 02. 92 Meinl, Rudolf Horst CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 14. 02. 92 Dorothea Michels, Meinolf CDU/CSU 14. 02. 92 Molnar, Thomas CDU/CSU 14. 02. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller, Günther CDU/CSU 14. 02. 92 * Müller (Zittau), Christian SPD 14. 02. 92 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 14. 02. 92 Neumann (Bramsche), SPD 14. 02. 92 Volker Dr. Olderog, Rolf CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Pfaff, Martin SPD 14. 02. 92 Pfeffermann, Gerhard O. CDU/CSU 14. 02. 92 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 14. 02. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 14. 02. 92 Poppe, Gerd BÜNDNIS 14. 02. 92 90/GRÜNE Pützhofen, Dieter CDU/CSU 14. 02. 92 Raidel, Hans CDU/CSU 14. 02. 92 Rau, Rolf CDU/CSU 14. 02. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 14. 02. 92 * Reichenbach, Klaus CDU/CSU 14. 02. 92 Rempe, Walter SPD 14. 02. 92 Rühe, Volker CDU/CSU 14. 02. 92 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 14. 02. 92 Schmalz-Jacobsen, FDP 14. 02. 92 Cornelia Schmidt (Dresden), Arno FDP 14. 02. 92 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 14. 02. 92 Andreas von Schmude, Michael CDU/CSU 14. 02. 92 Schröter, Gisela SPD 14. 02. 92 Schütz, Dietmar SPD 14. 02. 92 Schulte (Hameln), SPD 14. 02. 92 ** Brigitte Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 14. 02. 92 Christian Skowron, Werner H. CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Soell, Hartmut SPD 14. 02. 92 * Dr. Sperling, Dietrich SPD 14. 02. 92 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 14. 02. 92 Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU 14. 02. 92 Wolfgang Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 14. 02. 92 Thiele, Carl-Ludwig FDP 14. 02. 92 Vosen, Josef SPD 14. 02. 92 Welt, Jochen SPD 14. 02. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 14. 02. 92 Helmut Wissmann, Matthias CDU/CSU 14. 02. 92 Wollenberger, Vera BÜNDNIS 14. 02. 92 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 14. 02. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 6424 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Februar 1992 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 12 (Antrag der SPD-Fraktion: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt-Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft") Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Chemiepolitik wird neben der Energieproblematik das zweite große Feld der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um eine lebenswerte Zukunft. Begrüßenswert ist, daß sich mittlerweile in der wissenschaftlichen und in der politischen Diskussion über Chemie ein umfassenderes Denken durchzusetzen scheint. Statt einer Einzelstoffbetrachtung wird übergegangen zu der Betrachtung von Stoffgruppen. Angestrebt werden geschlossene Stoffkreisläufe. Vorsorgender Umweltschutz spielt zunehmend eine Rolle. Die Produkte werden von ihrem Ende her und in ihrem Zusammenwirken mit anderen Produkten betrachtet — ein Denken, das das bisher praktizierte „end of the pipe" als vermeintlichen Umweltschutz ausschließt. Die Diskussion erhält eine größere Zeitperspektive, d. h. die Lebensdauer der Stoffe und Stoffgruppen werden ebenso in die Betrachtung einbezogen wie die Art und Auswirkungen ihrer Abbaubarkeit; als Beispiel können PVC und FCKW genannt werden, deren Lebensdauer unterschätzt wurde. Immer mehr wird versucht, sich am tatsächlichen Bedarf zu orientieren, und der Nutzen bestimmter Produkte wird kritisch hinterfragt. Zunehmend wird auf umweltneutrale, wiederverwertbare und reperaturfreundliche Produkte gesetzt. Naturnähe wird zum Qualitätsmerkmal. Die Ersetzung bestimmter als schädlich erkannter Produkte und Produktionsverfahren ist kein Tabu mehr, wie das Beispiel Chlorchemie zeigt. Wir scheinen uns also auf dem Weg in die von Ökologinnen und Ökologen seit langem geforderte Chemiewende zu befinden. Doch leider handelt es sich bei dem oben Gesagten erst um Ansätze, und größtenteils findet die Diskussion bisher ausschließlich im akademischen Bereich statt. Von daher kommen wir nicht umhin, bereits jetzt bestimmte Weichenstellungen vorzunehmen und Fehlentwicklungen abzustellen. In dem vorliegenden Antrag kommt der Herstellung der gesellschaftlichen Akzeptanz eine zentrale Rolle zu. So wichtig dies ist, beschreibt es die Herausforderungen der ökologischen Debatte aber nur unzureichend, nämlich da, wo offene Interessengegensätze der gesellschaftlichen Gruppen bestehen. Ich möchte einige kritische Bemerkungen machen. Was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche Debatte über das Was, Wie und Wo der Produktion und ein kurz- und mittelfristig struktur- und ordnungspolitisches Handeln der Politik. Kurz: Wir brauchen eine Chemiepolitik, die die Entgiftung von Produkten und der Produktion als ihr oberstes Ziel definiert. Die Politik darf sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Der Ausstieg aus der Chlorchemie muß jetzt politisch gewollt und durchgesetzt werden. Gesundheitsschädliche Produkte und Produktionen müssen jetzt verboten werden. Die PDS/Linke Liste im Bundestag wird dem vorgelegten Antrag und der Einsetzung dieser EnqueteKommission zustimmen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/8543 Drucksache 12/247 Drucksache 12/1126 Drucksache 12/1247 Drucksache 12/1669 Finanzausschuß Drucksache 11/4492 Drucksache 12/249 Drucksache 12/367 Drucksache 12/942 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/7565 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/584 EG-Ausschuß Drucksache 12/1201 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/1681 Nr. 3.1 Finanzausschuß Drucksache 12/210 Nrn. 74, 75 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/1072 Nr. 22 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/1681 Nr. 3.13 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/1339 Nr. 2.18
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Modrow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die vollzogenen Schritte zur Abrüstung und neue Initiativen zur Reduzierung der Kernwaffen, wie sie von Präsident Bush und Michail Gorbatschow ausgingen

    (Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Der Bush hat aber auch einen Vornamen!)

    und heute von den Nuklearmächten der GUS mitgetragen werden, finden allgemeine Zustimmung und wecken neue Hoffnung. Wir übersehen dabei auch Bemühungen der Bundesregierung nicht. Die Anträge der SPD sind jedoch zeitgemäß. Herr Scheer hat hier nur

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Maßlos überzogen, Herr Modrow!)

    die sich neu abzeichnenden Feindbilder benannt und sie keinesfalls erfunden.

    (Karl Lamers [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! Ihr seid doch verrückt! — Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das alte Feindbild Westen!)

    Auch unsere Position zur Abrüstung geht weit über die von der Bundesregierung vertretene Auffassung hinaus. Der heute von der Fraktion der Regierungsparteien vorgelegte Antrag kann eine Sache nicht aus der Welt schaffen. Die Bundesregierung denkt nicht daran, den qualitativen Zuwachs militärischer Macht einzuschränken.

    (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Ist gut!)

    Im Gegenteil werden am Grundgesetz vorbei Einsätze
    der Bundeswehr geplant und vorbereitet. Abgerüstet
    wird nur das, was veraltet ist. Landgestützte taktische Kernwaffen werden in den USA und in der NATO zwar beseitigt, die Entwicklung von neuen luftgestützten Raketen, von Raketenabwehrprogrammen, von ballistischen seegestützten Raketen wird jedoch fortgesetzt.
    Es bleibt bei der atomaren Abschreckung, auch wenn sie künftig mit der Charakterisierung „minimal" als weniger schrecklich ausgegeben wird. Es wird auch verborgen, daß die Bundesregierung keinen nennenswerten Aufrüstungsplan gestoppt hat, der zur Zeit eines intakten Warschauer Vertrages, des ungebrochenen Feindbildes einer hochrüstenden Sowjetunion beschlossen wurde. Das sind keine Behauptungen, sondern Fakten.
    Auch wir sind dafür, daß der jetzt eingeleitete Prozeß der nuklearen Abrüstung vertieft und beschleunigt werden muß, indem er durch energische Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung begleitet wird. Alle Bemühungen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen werden aber letztlich erfolglos sein, solange nicht die Kernwaffenstaaten selbst auf einen dauerhaften Besitz dieser Waffen und ihrer Weiterentwicklung zu verzichten bereit sind. Hier kann und muß die Bundesrepublik als einer der bedeutendsten Nichtkernwaffenstaaten ihren Einfluß geltend machen.
    So muß doch gefragt werden, warum die erklärte Bereitschaft Rußlands, der Ukraine, Weißrußlands und Kasachstans zu einem totalen Kernwaffenverzicht nicht mit einer entsprechenden westlichen Initiative beantwortet wird. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, sich für die schnellstmögliche Einberufung einer Konferenz aller atomaren Mächte stark zu machen, die die Voraussetzungen und Schritte zu einer Welt ohne atomare Waffen mit strikter internationaler Kontrolle erarbeitet.
    Solche Wege, um die Gefahren der atomaren Weiterverbreitung einzudämmen, dürfen nicht ungenutzt bleiben. Die globalen Fragen unserer Erde werden wir auch nur dann lösen können, wenn sie nicht mehr mit Kernwaffen bestückt sein wird.
    Wir vermissen auch eine klare Haltung in einer anderen eminent wichtigen Frage, nämlich zum Verbot von Atomwaffentests. Wenn der Teufelskreis der atomaren Rüstung durchbrochen werden soll, dann muß hier begonnen werden; denn über sie werden diese schrecklichen Massenvernichtungswaffen immer wieder vervollkommnet. Die Bundesregierung aber schweigt, wenn die USA und andere NATO-Verbündete nicht einmal eine befristete Einstellung der Tests zulassen. Auch in den vorliegenden Anträgen fehlt eine solche Aussage.
    Gewiß stellt die Auflösung der UdSSR die Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik vor neue Aufgaben. Das gilt insbesondere für die massenhafte Vernichtung beträchtlicher Waffenberge beziehungsweise deren gesicherte Lagerung. Vieles müssen hier die Nachfolgestaaten selbst verantwortungsbewußt lösen. Ebenso sicher ist, daß sie dabei die Hilfe der internationalen Gemeinschaft benötigen.
    Es ist aber ein untauglicher Ansatz, wenn weitere Hilfe für die politische und wirtschaftliche Umgestal-



    Dr. Hans Modrow
    tung und für den Aufbau einer Marktwirtschaft — wie es in dem Antrag der CDU/CSU und der FDP heißt — mit Abrüstungs- und Kontrollschritten zusammengebunden wird.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Aber das ist doch sinnvoll, Herr Kollege!)

    So wie die Dinge nun einmal liegen, reicht es nicht aus, diese Staaten zur weiteren Abrüstung zu drängen.

    (Peter Kurt Würzbach [CDU/CSU]: Sie stehen doch mit beidem auf Kriegsfuß, mit der Abrüstung und mit der Marktwirtschaft!)

    — Hören Sie doch erst einmal zu! — Was die Staaten brauchen, ist vor allem Hilfe, damit sie die bei der Umstellung der Rüstungsindustrie und der Verringerung von Waffen und Soldaten auftretenden sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten lösen können. Wenn sie dieses Problem nicht bewältigen, wenn ihnen hierbei, statt zu helfen, Bedingungen diktiert werden, kann die Entwicklung, die bisher weitgehend friedlich verlief, außer Kontrolle geraten, und zwar mit unkalkulierbaren Gefahren für Europa.
    Etwas ganz anderes kann noch eintreten: Mancher dieser Staaten könnte sich anderen zuwenden, die ihnen für die Zusammenarbeit keine Bedingungen diktieren; denn wir wissen doch, um welche Räume es sich insgesamt, in der Summe aller Staaten handelt.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Wer hilft denn mehr als wir?)

    Daß die GUS-Staaten Mitglied der KSZE geworden sind, schließt so etwas nicht aus. Wir sind deshalb dafür, diesen Staaten mit technischem Know-how, mit der Unterstützung von Konversionsmaßnahmen zielgerichtet zu helfen.
    Im übrigen gilt, was ich bereits eingangs sagte: Nur wenn der Grundsatz Schule macht, mit echten Abrüstungsvorleistungen andere zu gleichen Taten zu veranlassen, wird es in Zukunft wirkliche Abrüstung geben.

    (Zuruf von der FDP: Wir waren die ersten, die 370 000 festgelegt haben! — Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Damit haben wir die Einheit erkauft, nicht zu vergessen!)

    Gute Worte und einige Abstriche an ansonsten weiterlaufenden Rüstungsprogrammen machen die Welt nun einmal nicht sicherer. Das Rüstungsgeschäft in diesem Land gehört gleichfalls „abgewickelt", und wenn wir es so nicht schaffen, dann sollten wir es der Treuhand in Verantwortung übertragen. Die hat sich bekanntlich bei der Abwicklung von Industrien im letzten Jahr deutlich bewährt.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster Redner spricht der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Helmut Schäfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rüstungskontrolle hat an der friedlichen Überwindung der Ost-West-Konfrontation in Europa einen
    wichtigen Anteil gehabt. In der Zeit des Kalten Krieges diente die Rüstungskontrolle vor allem dazu, der Gefahr militärischer Konfrontation vorzubeugen und trotz des zugrunde liegenden Systemgegensatzes auch im Bereich der militärischen Sicherheit die Zusammenarbeit zu fördern. Heute kommt es darauf an, Verhandlungen über militärische Aspekte der Sicherheit in einen größeren Zusammenhang zu stellen, der auch die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen der Sicherheit im Auge behält. Eine zentrale Aufgabe wird dabei die Erarbeitung einer kooperativen Strategie der Konfliktverhütung sein.
    Als weitere neue Schwerpunkte der Rüstungskontrolle zeichnen sich ab: die Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Einschränkung von Waffenexporten und die Konversion von Rüstungsproduktion.
    Der Zerfall der früheren Sowjetunion bereitet in diesem Zusammenhang besondere Sorge. Dies gilt in erster Linie für die taktischen Nuklearwaffen auf dem Territorium der früheren Sowjetunion — ein Sicherheitsproblem, das nicht nur die Nuklearmächte, sondern alle Bündnispartner betrifft.
    Wir haben daher am 9. Januar dieses Jahres eine Initiative im Bündnis eingeführt, die sicherstellen soll, daß die von den Nachfolgestaaten der Sowjetunion übernommenen Verpflichtungen aus der Bush-Gorbatschow-Initiative vom vergangenen September erfüllt werden, das heißt, daß nukleare Kurzstreckenraketen und nukleare Artilleriemunition in den Beständen der amerikanischen und der früheren sowjetischen Armee weltweit vernichtet werden. Wir haben dazu konkrete Vorschläge entwickelt. Vor allem soll zwischen den Bündnispartnern und den Vertretern der sogenannten GUS-Mitglieder deren Bitte um Unterstützung bei der Eliminierung der Nuklearwaffen besprochen und eine eventuelle westliche Beteiligung koordiniert werden. Wir wirken mit Nachdruck darauf hin, diese Aufgabe umgehend anzupacken.
    Im Bereich der strategischen Nuklearwaffen sehen die Initiativen von Präsident Bush und Präsident Gorbatschow vom Vorjahr sowie die Ankündigung Präsident Bushs in seiner Rede zur Lage der Nation am 28. Januar 1992 und die umgehende Reaktion von Präsident Jelzin eine drastische Reduzierung der strategischen Nuklearpotentiale vor. Wir unterstützen die Grundidee, eine strategische Stabilität auf einem Niveau herzustellen, das noch bedeutend unter den Schwellen liegt, Herr Kollege Scheer, die im Vertrag über die Verminderung strategischer Waffen — im START-Vertrag — vereinbart wurden. Wir erwarten, daß diese Initiativen, soweit sie einseitige Entscheidungen enthalten, verläßlich umgesetzt werden und, soweit sie beide Seiten betreffen, bald in kooperative Abrüstungsmaßnahmen übergehen.
    Auch im Bereich der konventionellen Rüstungskontrolle stehen wir vor drängenden Aufgaben. Die möglichst rasche Inkraftsetzung des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa ist für uns ein vordringliches Anliegen. Es muß sichergestellt werden, daß die KSZE-Vertragspflichten der ehemaligen UdSSR von den betroffenen neuen Republiken



    Staatsminister Helmut Schäfer
    schnellstmöglich und in vollem Umfang übernommen werden. Wir erwarten daher die baldige Ratifizierung des Vertrages durch die neuen Republiken.
    Der Abschluß eines Abkommens zur Begrenzung der Truppenstärken ist für uns eine logische und konsequente Ergänzung des KSE-Vertrages. Die entsprechenden Verhandlungen über Personalreduzierungen werden auf der Grundlage eines von der deutschen Delegation eingeführten Abkommensentwurfes geführt. Im Hinblick auf die neu entstehenden Streitkräfte der Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben sie zusätzliches Gewicht bekommen. Wir wirken darauf hin, diese Verhandlungen bis zum nächsten Gipfeltreffen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Juli in Helsinki abzuschließen. Darüber hinaus messen wir den Vorbereitungen für neue Rüstungskontrollverhandlungen nach dem Helsinki-Folgetreffen ebenfalls große Bedeutung bei.
    Die in Wien parallel dazu laufenden Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen sind auf gutem Weg. Ihr Ziel ist es, durch ein neues Paket von Maßnahmen die Transparenz der Aktivitäten und Strukturen der Streitkräfte in Europa weiter zu erhöhen. Wir erwarten auch, daß ein Abkommen über ein Maßnahmenpaket zur Schaffung der sogenannten „open skies" zu Beginn der KSZE-Folgekonferenz in Helsinki unterschrieben werden kann. Mit einem solchen Regime würde eine Maßnahme militärischer Transparenz und Vertrauensbildung erstmals auf den gesamten Raum von Vancouver bis Wladiwostok, vom Pazifischen Ozean bis zum Japanischen Meer ausgedehnt.
    Unter den künftigen Aufgaben der Rüstungskontrolle nimmt die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen einen herausragenden Platz ein. Die Bundesrepublik Deutschland hat als einziger Staat freiwillig auf atomare, biologische und chemische Waffen verzichtet. Abkommen wie der Vertrag über die Nichverbreitung von Kernwaffen, dessen Verlängerung ab 1995 sichergestellt werden muß, und das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen, das noch verifizierbar gemacht werden muß, sind Modelle kooperativer Sicherheitspolitik auf weltweiter Ebene.
    Zur strikten Kontrolle von Massenvernichtungswaffen gehören neben den Nuklearwaffen, die aus gutem Grund heute im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, auch die chemischen Waffen. Die endgültige Ächtung dieser Waffen durch ein allgemeines, weltweites und zuverlässig verifizierbares Verbot in der Genfer Abrüstungskonferenz ist der einzige erfolgversprechende Weg hierfür. Wir erwarten, daß noch 1992, Frau Fuchs, eine Konvention zum weltweiten Verbot chemischer Waffen abgeschlossen wird.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Wir auch! — Günter Verheugen [SPD]: Das erwarten auch wir!)

    — Ich mußte deshalb lachen, weil ich die SPD im Vorgriff auf ihr Verhalten — ich erinnere mich an frühere Reden — schon vor mir sah. Und genauso hat sie reagiert. Ich kann also nur sagen: Diesmal sieht es wesentlich besser aus, Frau Fuchs. Es lag aber sicher,
    wie Sie wissen, nicht an uns, daß es in Genf immer wieder Schwierigkeiten gegeben hat.

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Es gibt bestimmt bald eine neue Genscher-Initiative!)

    — Herr Kollege Voigt, es gibt ja auch enorm viele Voigt-Initiativen, die wir immer mit großem Interesse verfolgen; also nicht nur Genscher-Initiativen. Das gestehen wir Ihnen ja zu. Wir hoffen jedenfalls, in Genf weiterzukommen.
    Auch die bestehenden Arsenale müssen möglichst bald abgerüstet und vernichtet werden. Rußland, das nach den Worten von Präsident Jelzin alle Chemiewaffen der ehemaligen Sowjetunion auf seinem Territorium lagert, hat sich zu deren völliger Vernichtung verpflichtet.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sehr gut!)

    Die Bundesregierung ist bereit, bei der Lösung der im Zusammenhang mit der Lagerung, Sicherung und Vernichtung chemischer Waffen anstehenden Probleme konstruktiv mitzuwirken.
    Die Bundesregierung setzt sich auch ein für die volle Implementierung des auf ihren Vorschlag bei den Vereinten Nationen einzurichtenden Registers für Waffentransfer, das allen Staaten eine Beteiligung von Anfang an ermöglichen soll. Sie begrüßt es, daß das Register darauf angelegt ist, fortgeschrieben und ausgebaut zu werden. In der Vorbereitung dafür soll die Genfer Abrüstungskonferenz die Folgen der Anhäufung von Waffen und weitere Transparenzmaßnahmen prüfen und dabei Massenvernichtungswaffen und den Transfer von Militärtechnologie berücksichtigen.
    Die Bundesregierung verfolgt die Proliferationsgefahren infolge des Zerfalls der ehemaligen Sowjetunion mit großer Sorge. Dies bezieht sich nicht nur auf die Gefahr der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und der dazu gehörigen Trägersysteme, sondern auch auf die Möglichkeit der Abwanderung ehemaliger sowjetischer Atomwaffenexperten und sonstiger Waffenexperten in Problemländer. Bundesaußenminister Genscher hat dieses Problem u. a. in seinen Gesprächen mit seinen westlichen Kollegen, aber auch mit dem russischen Außenminister, ferner mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen aufgegriffen und, wie Sie wissen, bereits konkrete Vorschläge unterbreitet.
    Die Bundesregierung hat sich erfolgreich bei ihren europäischen und atlantischen Partnern dafür eingesetzt, daß sich auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei seinem Sondergipfel am 31. Januar dieses Jahres mit dieser Thematik befaßt hat. Auch die KSZE hat den Transfer von sensitivem Fachwissen auf unsere Anregung in der Prager Erklärung über Nichtverbreitung und Waffentransfer als Arbeitsprogramm für den Rüstungskontrollprozeß nach Helsinki vorgesehen.
    In enger Abstimmung mit den USA und Rußland wird derzeit an der Weiterentwicklung von Überlegungen gearbeitet, in Rußland eine internationale Auffangorganisation für die Beschäftigung von Wis-



    Staatsminister Helmut Schäfer
    senschaftlern aus sensitiven Bereichen aus den verschiedenen Republiken zu gründen.
    Eine Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten der Internationalen Atomenergieagentur auch das kam heute zur Sprache — dient vitalen Sicherheitsinteressen unseres Landes. Die Bundesregierung begrüßt die Bereitschaft der Koalitionsfraktionen des Bundestages, diese Organisation gegebenenfalls personell und materiell zu unterstützen, soweit dies zur Stärkung des Nichtverbreitungssystems von Massenvernichtungswaffen notwendig ist.

    (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Und ausbauen!)

    Die Bundesregierung wird sich weiterhin darum bemühen, daß sich Rußland und die anderen Mitglieder der GUS an diesen umfassenden Sicherheitsmaßnahmen beteiligen.
    Das betrifft auch das Trägertechnologie-Kontrollregime, an dem 18 Staaten teilnehmen.

    (Peter Kurt Würzbach [CDU/CSU]: Das ist zuwenig!)

    Bei dem letzten Treffen dieser Staaten in Washington im November 1991 faßten sie auf Anregung der Bundesregierung und ihrer EG-Partner einen Grundsatzbeschluß, der die zukünftige Öffnung des Trägertechnologie-Kontrollregimes auch für biologische und chemische Sprengköpfe einleitet.
    Das ist, glaube ich, eine Bilanz, die sich sehen lassen kann, die eine ganze Fülle von Vorschlägen macht, in der neuen Situation unsererseits politische Maßnahmen anzuregen und durchzusetzen, die in unser aller Interesse liegen. Ich bedanke mich bei den Koalitionsfraktionen für ihren Antrag. Das, was heute von verschiedenen Kollegen zusätzlich angesprochen worden ist, wird natürlich in Zukunft auch noch unser Interesse finden, etwa die Fragen: Wie geht es mit den Tests weiter? Wie sieht es mit bestimmten Raketen in unseren unmittelbaren Nachbarstaaten aus?
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)