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    Plenarprotokoll 12/74 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 74. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags des Abgeordneten Ulrich Klinkert und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Gerhart Rudolf Baum und der Fraktion der FDP: Reaktorsicherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas (Drucksache 12/1906) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 08/836/EURATOM über die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen im Hinblick auf die vorherige Genehmigung der Verbringung radioaktiver Abfälle (Drucksachen 12/350 Nr. 12, 12/1752) Ulrich Klinkert CDU/CSU 6189B Klaus Lennartz SPD 6190D Ulrich Klinkert CDU/CSU 6191 C Gerhart Rudolf Baum FDP 6194 D Klaus Lennartz SPD 6196B Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 6197A Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 6198A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . . 6198C Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich Adam, Anneliese Augustin, Dietrich Austermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Günther Bredehorn, Dr. Olaf Feldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Förderung des Fremdenverkehrs in den neuen Ländern (Drucksache 12/1323) Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 6201 C Hinrich Kuessner SPD 6202 B Dr. Olaf Feldmann FDP 6204 A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 6205 B Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi 6206 C Klaus Brähmig CDU/CSU 6208 A Iris Gleicke SPD 6209 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 6211A Carl Ewen SPD 6212 B Dr. Gerhard Päselt CDU/CSU 6212 C Dr. Peter Eckhardt SPD 6213 D Werner Dörflinger CDU/CSU 6215D Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU 6216D Zusatztagesordnungspunkt: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 Gernot Erler, Hans Gottfried Bernrath, Lieselott Blunck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Soforthilfsprogramm für die Sowjetunion und ihre Republiken zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP: Hilfe zur Selbsthilfe für die Sowjetunion und ihre Republiken (Drucksachen 12/1321, 12/1580, 12/1975) Dr. Rudolf Sprung CDU/CSU 6218A Dr. Uwe Jens SPD 6219D Dr. Heinrich L. Kolb FDP 6221 B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 6222 C Gernot Erler SPD 6223 B Dr. Erich Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi 6224 D Nächste Sitzung 6227 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6229* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6230* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6189 74. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 24. 01. 92 Andres, Gerd SPD 24. 01. 92 Antretter, Robert SPD 24. 01. 92* Berger, Johann Anton SPD 24. 01. 92 Bock, Thea SPD 24. 01. 92 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 01. 92 * Wilfried Braband, Jutta PDS/LL 24. 01. 92 Brandt-Elsweier, Anni SPD 24. 01. 92 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Diederich (Berlin), SPD 24. 01. 92 Nils Dr. Dobberthien, SPD 24. 01. 92 Marliese Doppmeier, Hubert CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 24. 01. 92 Francke (Hamburg), CDU/CSU 24. 01. 92 Klaus Dr. Friedrich, Gerhard CDU/CSU 24. 01. 92 Gallus, Georg FDP 24. 01. 92 Ganschow, Jörg FDP 24. 01. 92 Gattermann, Hans H. FDP 24. 01. 92 Dr. von Geldern, CDU/CSU 24. 01. 92 Wolfgang Dr. Glotz, Peter SPD 24. 01. 92 Grünbeck, Josef FDP 24. 01. 92 Günther (Plauen), FDP 24. 01. 92 Joachim Hämmerle, Gerlinde SPD 24. 01. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 24. 01. 92 Haschke CDU/CSU 24.01.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Haussmann, Helmut FDP 24. 01. 92 Horn, Erwin SPD 24. 01. 92 ** Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 24. 01. 92 Irmer, Ulrich FDP 24. 01. 92* Janz, Ilse SPD 24. 01. 92 Jaunich, Horst SPD 24. 01. 92 Jungmann (Wittmoldt), SPD 24. 01. 92 Horst Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Kappes, CDU/CSU 24. 01. 92 Franz-Hermann Klein (München), Hans CDU/CSU 24. 01. 92 Kolbe, Manfred CDU/CSU 24. 01. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 24. 01. 92 Koschnick, Hans SPD 24. 01. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 24. 01. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 24. 01. 92 Kubicki, Wolfgang FDP 24. 01. 92 Dr. Kübler, Klaus SPD 24. 01. 92 Dr. Leonard-Schmid, SPD 24. 01. 92 Elke Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lühr, Uwe FDP 24. 01. 92 Meckel, Markus SPD 24. 01. 92 Meinl, Rudolf Horst CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 24. 01. 92 Dorothea Dr. Möller, Franz CDU/CSU 24. 01. 92 Nitsch, Johannes CDU/CSU 24. 01. 92 Opel, Manfred SPD 24. 01. 92 Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Pfaff, Martin SPD 24. 01. 92 Poß, Joachim SPD 24. 01. 92 Rahard-Vahldieck, CDU/CDU 24. 01. 92 Susanne Rappe (Hildesheim), SPD 24. 01. 92 Hermann Rawe, Wilhelm CDU/CSU 24. 01. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 24. 01. 92 * Rempe, Walter SPD 24. 01. 92 Reschke, Otto SPD 24. 01. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 24. 01. 92 Schily, Otto SPD 24. 01. 92 Schluckebier, Günther SPD 24. 01. 92 Schmidbauer (Nürnberg), SPD 24. 01. 92 Horst Schmidt (Dresden), Arno FDP 24. 01. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 24. 01. 92 Schwanhold, Ernst SPD 24. 01. 92 Schwanitz, Rolf SPD 24. 01. 92 Seim, Marita FDP 24. 01. 92 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 24. 01. 92 Thiele, Carl-Ludwig FDP 24. 01. 92 Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 24. 01. 92 Uldall, Gunnar CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Ullmann, Wolfgang BÜNDNIS 24. 01. 92 90/GRÜNE Voigt (Frankfurt), SPD 24. 01. 92** Karsten D. Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 24. 01. 92 Hans-Peter Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 24. 01. 92 Vosen, Josef SPD 24. 01. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 24. 01. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 24. 01. 92 Weiß (Berlin), Konrad BÜNDNIS 24. 01. 92 90/GRÜNE Welt, Jochen SPD 24. 01. 92 Dr. Wetzel, Margrit SPD 24. 01. 92 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24. 01. 92 Dr. Wilms, Dorothee CDU/CSU 24. 01. 92 Wohlleben, Verena SPD 24. 01. 92 Ingeburg Wollenberger, Vera BÜNDNIS 24. 01. 92 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 24. 01. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 6230* Deutscher Bundestag — 12, Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/742 Innenausschuß Drucksache 11/3058 Finanzausschuß Drucksache 11/7566 Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 11/7582, 11/7583, 12/848 Drucksache 12/847 Drucksache 12/854 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/157 Nr. 2.2 Finanzausschuß Drucksache 12/210 Nrn. 69, 71, 72, 77 Drucksache 12/557 Nrn. 3.2, 3.3 Drucksache 12/1072 Nr. 1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/1339 Nrn. 2.2-2.6 Drucksache 12/1449 Nrn. 2.1, 2.2 Drucksache 12/1518 Nrn. 4-8 Drucksache 12/1612 Nrn. 2.2-2.4 Ausschuß für Fremdenverkehr Drucksache 12/706 Nr. 3.22 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 12/849 Nrn. 2.5-2.8 Drucksache 12/1339 Nr. 2.19 Drucksache 12/1449 Nr. 2.15
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich L. Kolb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum mehr als ein Jahr nach Vollzug der deutschen Einheit erlebt die Welt in den letzten Monaten eine noch gravierendere Neuentwicklung: Die Sowjetunion hat sich aufgelöst, und auf ihrem riesigen Gebiet entstehen neue staatliche Strukturen. Man kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, daß dieser Wandel bisher weitgehend ohne Blutvergießen und nur mit geringen Unruhen möglich war.

    (Beifall bei der FDP)

    Unser Ziel muß es sein, einen Beitrag zu leisten, daß dies so bleibt. Unser Handeln muß sich dabei auf zwei Ebenen bewegen, zum ersten Stabilisierung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, man kann auch härter formulieren: die Vermeidung des wirtschaftlichen und in der Folge auch politischen Zusammenbruchs, zweitens Entwicklung tragfähiger politischer und marktwirtschaftlicher Strukturen in den einzelnen Staaten und ihrer Gemeinschaft.
    Ich will gleich vorausschicken — hierin besteht auch Konsens zwischen den Fraktionen —, auch wenn wir heute hier über spezifisch deutsche Beiträge debattieren: Die deutsche Partnerschaft und Hilfe allein können für die Staaten der GUS vor dem Hintergrund der Dimension der zu lösenden Aufgabe bei weitem nicht ausreichend sein. Die Aufgabe erfordert vielmehr internationale Bemühungen, bei denen sich neben den europäischen Nachbarn vor allen Dingen auch die Vereinigten Staaten und Japan nicht zurückhalten dürfen.
    Schließlich kann alle Hilfe nur erfolgreich sein, wenn der Reformprozeß in den GUS-Staaten selbst nachhaltige Unterstützung findet. Dort muß der Boden bereitet werden, der unseren Hilfsangeboten überhaupt erst ihren Sinn gibt. Dazu zähle ich Währungsreformen, Bankenreformen und die konsequente Auflösung staatswirtschaftlicher Strukturen in Industrie und Gewerbe.
    Meine Damen und Herren, ich sprach von Stabilisierung und Entwicklung als zentralen Aufgabenfeldern. Zum ersten Bereich, der Stabilisierung, gehört die schnelle humanitäre Hilfe, die zunächst über diesen Winter hilft. Wir nehmen mit Freude und Dankbarkeit zur Kenntnis, mit welchem Engagement die Bürger unseres Landes private Initiativen organisieren bzw. sich daran in bemerkenswertem Maße beteiligen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Erst gestern, so war zu hören, hat sich wieder ein Konvoi des Roten Kreuzes auf den Weg nach Königsberg gemacht — eine Region übrigens, die als Exklave der neurussischen Verwaltung mit besonderen Erwartungen auf Deutschland schaut.
    Für eine Stabilisierung sind daneben kurzfristige und sichtbare Erfolge von großer Bedeutung. Der Handwerker in St. Petersburg muß konkrete Hoffnung schöpfen, indem ihm zu Aufträgen verholfen wird. Die Krankenschwester in Kiew muß neuen Mut gewinnen, indem sie ohne Verluste durch Organisation und Transport Medikamente und medizinische Geräte erhält. Der Maschinist in Nowosibirsk muß den Glauben an die Zukunft seines Arbeitsplatzes durch einen neuen Auftrag seines Betriebes erhalten.
    Viele kleine Schritte führen hier weiter als der Versuch des großen Sprungs. Wir sollten aus Fehlern der Entwicklungspolitik in der sogenannten Dritten Welt lernen. Es nützt überhaupt nichts, aber es schadet unserer eigenen ohnehin angespannten Situation, wenn wir große Geldsummen in das derzeit bodenlose Faß der GUS hineinschütten. Weniger ist dann mehr, wenn es gezielt eingesetzt wird und beim Adressaten vor Ort ankommt.
    Wir müssen auch erkennen: Schon die Chance zur Stabilisierung steht und fällt mit dem Aufbau einer provisorischen Infrastruktur. Ohne Transportwege und Fahrzeuge nützt die beste Nahrungsmittelhilfe wenig, genauso wenig wie auf längere Sicht der



    Dr. Heinrich L. Kolb
    Aufbau von Handelskontakten gelingt, wenn die Ware nicht oder zu spät ans Ziel gelangt.
    Zum zweiten von mir genannten Bereich, der geduldigen, aber zielstrebigen Entwicklung marktwirtschaftlicher Strukturen, gibt es gleichfalls eine Reihe von Aufgabenfeldern. Dazu zählt die kontrollierte Fortsetzung der Hermes-Deckungspolitik. Doch so wichtig diese ist, beim Aufbau neuer Wirtschaftsbeziehungen müssen wir zuallererst an die deutsche Wirtschaft appellieren, auf eigenes Risiko zu handeln. Wer jetzt in der nach wie vor größten Staatengemeinschaft der Welt investiert, sich dort Kooperationspartner sucht und ihnen über die schwere Aufbauphase hinweghilft, wird später sicher davon profitieren.
    Die Bundesrepublik Deutschland kann nicht auch noch das Exportgeschäft mit immer neuen Mitteln subventionieren. Deshalb war — so denke ich — die Notbremse beim Hermes-Programm, das sonst zu einem Subventionsmittel zu verkommen drohte, unumgänglich.
    Überhaupt liegt, was Hermes anbelangt, eine Gratwanderung vor uns. Was Einbrüche in diesem Bereich insbesondere für die Betriebe in den neuen Bundesländern bedeuten, spüren wir schon jetzt. Auch müssen wir die möglichen Folgen des Scheiterns der Reformpolitik, welches zu ungeahnten Flüchtlingsströmen führen könnte, ins Kalkül ziehen. Auf der anderen Seite dürfen wir unseren eigenen Haushalt nicht durch Hermes-Risiken überfordern. Wer einem ins Eis Eingebrochenen helfen will, muß vorsichtig sein, damit er nicht selber einbricht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Doch zurück zur Entwicklung tragfähiger marktwirtschaftlicher Strukturen. Zur Verbesserung der Perspektiven dienen neben materiellen Hilfen Beratung und Informationen aller Art, Seminare für Angehörige aller Verwaltungen, Selbständige, Selbstverwaltungsorganisationen, Kommunalpolitiker und andere. Deutschland hat zwar durch die nationale Vereinigung Erfahrungen auf diesem Gebiet gemacht wie kein zweites Land der Welt; unsere Erfahrungen mit der Vermittlung eines ganz neuen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems an Millionen von Menschen sind dennoch nicht einfach auf die GUS übertragbar. Ihr Gebiet ist ungleich größer, was nicht nur den Transport von Waren, sondern eben auch den Transport von Dienstleistungen und Informationen erschwert.
    Wir dürfen auch nicht vergessen, daß es in Rußland und anderen Staaten der GUS nicht etwa eine oder mehrere Generationen lang, sondern tatsächlich noch nie Demokratie nach unseren heutigen Maßstäben und noch nie moderne, menschenfreundliche Marktwirtschaft gab.
    Zum Schluß: Ich verstehe die gute Absicht und die — sagen wir — Ungeduld all derer, die die gemeinsame Beschlußempfehlung noch verbessern wollen. Aber ich bitte auch zu bedenken: Der vorliegende Beschlußvorschlag beschreibt die ersten einer ganzen Reihe von notwendigen Schritten. Es kommt darauf an, unsere Hilfe zur Selbsthilfe überhaupt erst einmal auf den Weg zu bringen. Darauf aufbauen und daran feilen können wir zukünftig noch genug, wenn die Zusammenarbeit erst einmal läuft und sich die politischen und wirtschaftlichen Strukturen in den Staaten der GUS weiterentwickeln.
    Aber nicht nur der Bundestag wird weitere Entscheidungen in den kommenden Jahren folgen lassen. Die Washingtoner Konferenz hat vielmehr den Weg zur Internationalisierung der Hilfen gewiesen und hat deutlich gemacht, wo erkannte Verantwortung noch stärker in tatsächliche Hilfsmaßnahmen umgesetzt werden kann. Im Mai werden sich die Wirtschafts- und Handelsminister und dann im Juli in München der Weltwirtschaftsgipfel mit der Situation in der GUS befassen.
    Ich bin sicher, die großen Anstrengungen werden sich für alle Beteiligten lohnen. Die Überwindung des zurückliegenden Kalten Krieges und der Friede in der Welt sind es allemal wert.
    Danke.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege Dr. Fritz Schumann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Schumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bleibt eine nicht auslöschbare Tatsache, daß die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg für das Schicksal aller Völker Historisches geleistet hat. Im besonderen gilt das für das deutsche Volk. Folglich wird alles, was wir heute gegenüber den Nachfolgestaaten der Sowjetunion tun oder nicht tun, in diesem Zusammenhang gesehen. Mit anderen Worten: Es geht um uneigennützige, umfängliche und sofort wirksame Unterstützung. Denn wann und wie in diesem Lande die tiefe ökonomische und soziale Krise überwunden wird, ist auch für Deutschland von Bedeutung, vor allen Dingen für die Zukunft. Insofern kann man das Anliegen der Beschlußempfehlung, die uns heute hier vorliegt, nur unterstützen.
    Die konkreten Schritte, um die es nun aber geht, kommen im Antrag doch eher etwas spärlich zur Sprache, und die Wirklichkeit sieht auch nicht viel anders aus.
    Die bisherigen knapp 10 Milliarden DM HermesBürgschaften und die 400 Millionen DM Überfälligkeiten im Rahmen dieses Programms sind sicher ein finanzielles Risiko; das haben die Vorredner hier betont. Insofern verstehe ich auch Minister Waigel, der eine große Verantwortung für Stabilität trägt. Trotzdem muß man gerade in diesem Fall politische Maßstäbe anlegen und echte Unterstützung gewähren. Das muß nicht alles über das Hermes-Programm laufen; auch das ist hier zum Ausdruck gekommen.
    Auch unsere Nachbarn, besonders die EG, sind gefordert. Wenn ich mir konkret die Nahrungsmittelhilfe ansehe, dann stelle ich fest, man kann daran nicht erkennen, daß es wirklich schon so ernst ist. Die EG gewährte den Ländern der GUS einen Kredit in Höhe von 450 Millionen ECU. Davon sollen 1 Million t Weizen und 1,5 Millionen t Gerste eingekauft werden. Angesichts eines Getreideüberschusses der EG von etwa 30 Millionen t ist das geradezu eine groteske



    Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt)

    Größenordnung, die Soforthilfe doch gewähren könnte.
    Ein letztes Beispiel. In Berlin entsorgt der Senat zur Zeit die Reservelagerbestände der sogenannten Berlin-Reserve. Die Sowjetarmee, die ja noch da ist, fährt die Bestände ab, die auf dem Markt ohnehin nicht absetzbar wären. Es entstehen keinerlei Auslagerungskosten. Der frei werdende Lagerraum bringt, wenn er an Industrie und Handel vermietet wird, sofort sagenhaften Gewinn. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich begrüßen wir diese Hilfe, denn jede Hilfe tut not, und wir übersehen nicht bestimmte Anstrengungen dieser Bundesregierung, aber es sollten weder Almosen noch Eigennutz im Spiele sein. Es geht vor allem um echte vorbehaltlose Hilfe und Zusammenarbeit, die in langfristige Beziehungen münden sollten.
    Wir schlagen deshalb vor, als Akt der Wiedergutmachung für das Leid, das Deutschland den sowjetischen Völkern in diesem Jahrhundert zugefügt hat, auf die Rückzahlung aller Schulden zu verzichten. Das wäre ein wichtiges Signal des vereinten Deutschland. Es würde den GUS-Staaten den Start in die neue Phase der Entwicklung erleichtern, und es läge im Interesse der Menschen.
    In Ergänzung zu Nr. 6 der vorliegenden Beschlußempfehlung wiederhole ich ferner unseren Vorschlag zur Bildung eines Projektförderrates vor allem zur Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den ostdeutschen Bundesländern und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Selbst zurückhaltende Schätzungen sprechen von mindestens 700 000 Arbeitsplätzen, die damit in den neuen Bundesländern gesichert werden könnten.
    Ebenso überfällig wäre ein Auftrag an die Treuhand, ohne weiteren Zeitverlust ein umfassendes Programm zur gezielten Sanierung und Förderung von ostdeutschen Betrieben vorzulegen, die im Handel und in der Wirtschaftskooperation mit der ehemaligen UdSSR über Tradition, Erfahrung und Potenzen verfügen.
    Ich fordere die Bundesregierung erneut auf, endlich ernsthaft das Problem der Umschulung sowjetischer Militärangehöriger, solange sie noch auf deutschem Boden stationiert sind, aufzugreifen. Meine Vorredner haben ja schon auf das hervorragende Bildungssystem hingewiesen. Nur mit solchen konkreten Schritten kann die Bundesregierung beweisen, daß sie der allseitigen Zusammenarbeit und dem friedlichen Zusammenleben mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten wirklich verpflichtet ist.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)