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ID1207400200

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    Plenarprotokoll 12/74 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 74. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags des Abgeordneten Ulrich Klinkert und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Gerhart Rudolf Baum und der Fraktion der FDP: Reaktorsicherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas (Drucksache 12/1906) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 08/836/EURATOM über die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen im Hinblick auf die vorherige Genehmigung der Verbringung radioaktiver Abfälle (Drucksachen 12/350 Nr. 12, 12/1752) Ulrich Klinkert CDU/CSU 6189B Klaus Lennartz SPD 6190D Ulrich Klinkert CDU/CSU 6191 C Gerhart Rudolf Baum FDP 6194 D Klaus Lennartz SPD 6196B Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 6197A Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 6198A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . . 6198C Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich Adam, Anneliese Augustin, Dietrich Austermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Günther Bredehorn, Dr. Olaf Feldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Förderung des Fremdenverkehrs in den neuen Ländern (Drucksache 12/1323) Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 6201 C Hinrich Kuessner SPD 6202 B Dr. Olaf Feldmann FDP 6204 A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 6205 B Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi 6206 C Klaus Brähmig CDU/CSU 6208 A Iris Gleicke SPD 6209 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 6211A Carl Ewen SPD 6212 B Dr. Gerhard Päselt CDU/CSU 6212 C Dr. Peter Eckhardt SPD 6213 D Werner Dörflinger CDU/CSU 6215D Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU 6216D Zusatztagesordnungspunkt: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 Gernot Erler, Hans Gottfried Bernrath, Lieselott Blunck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Soforthilfsprogramm für die Sowjetunion und ihre Republiken zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP: Hilfe zur Selbsthilfe für die Sowjetunion und ihre Republiken (Drucksachen 12/1321, 12/1580, 12/1975) Dr. Rudolf Sprung CDU/CSU 6218A Dr. Uwe Jens SPD 6219D Dr. Heinrich L. Kolb FDP 6221 B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 6222 C Gernot Erler SPD 6223 B Dr. Erich Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi 6224 D Nächste Sitzung 6227 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6229* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6230* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6189 74. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 24. 01. 92 Andres, Gerd SPD 24. 01. 92 Antretter, Robert SPD 24. 01. 92* Berger, Johann Anton SPD 24. 01. 92 Bock, Thea SPD 24. 01. 92 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 01. 92 * Wilfried Braband, Jutta PDS/LL 24. 01. 92 Brandt-Elsweier, Anni SPD 24. 01. 92 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Diederich (Berlin), SPD 24. 01. 92 Nils Dr. Dobberthien, SPD 24. 01. 92 Marliese Doppmeier, Hubert CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 24. 01. 92 Francke (Hamburg), CDU/CSU 24. 01. 92 Klaus Dr. Friedrich, Gerhard CDU/CSU 24. 01. 92 Gallus, Georg FDP 24. 01. 92 Ganschow, Jörg FDP 24. 01. 92 Gattermann, Hans H. FDP 24. 01. 92 Dr. von Geldern, CDU/CSU 24. 01. 92 Wolfgang Dr. Glotz, Peter SPD 24. 01. 92 Grünbeck, Josef FDP 24. 01. 92 Günther (Plauen), FDP 24. 01. 92 Joachim Hämmerle, Gerlinde SPD 24. 01. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 24. 01. 92 Haschke CDU/CSU 24.01.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Haussmann, Helmut FDP 24. 01. 92 Horn, Erwin SPD 24. 01. 92 ** Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 24. 01. 92 Irmer, Ulrich FDP 24. 01. 92* Janz, Ilse SPD 24. 01. 92 Jaunich, Horst SPD 24. 01. 92 Jungmann (Wittmoldt), SPD 24. 01. 92 Horst Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Kappes, CDU/CSU 24. 01. 92 Franz-Hermann Klein (München), Hans CDU/CSU 24. 01. 92 Kolbe, Manfred CDU/CSU 24. 01. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 24. 01. 92 Koschnick, Hans SPD 24. 01. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 24. 01. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 24. 01. 92 Kubicki, Wolfgang FDP 24. 01. 92 Dr. Kübler, Klaus SPD 24. 01. 92 Dr. Leonard-Schmid, SPD 24. 01. 92 Elke Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lühr, Uwe FDP 24. 01. 92 Meckel, Markus SPD 24. 01. 92 Meinl, Rudolf Horst CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 24. 01. 92 Dorothea Dr. Möller, Franz CDU/CSU 24. 01. 92 Nitsch, Johannes CDU/CSU 24. 01. 92 Opel, Manfred SPD 24. 01. 92 Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Pfaff, Martin SPD 24. 01. 92 Poß, Joachim SPD 24. 01. 92 Rahard-Vahldieck, CDU/CDU 24. 01. 92 Susanne Rappe (Hildesheim), SPD 24. 01. 92 Hermann Rawe, Wilhelm CDU/CSU 24. 01. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 24. 01. 92 * Rempe, Walter SPD 24. 01. 92 Reschke, Otto SPD 24. 01. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 24. 01. 92 Schily, Otto SPD 24. 01. 92 Schluckebier, Günther SPD 24. 01. 92 Schmidbauer (Nürnberg), SPD 24. 01. 92 Horst Schmidt (Dresden), Arno FDP 24. 01. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 24. 01. 92 Schwanhold, Ernst SPD 24. 01. 92 Schwanitz, Rolf SPD 24. 01. 92 Seim, Marita FDP 24. 01. 92 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 24. 01. 92 Thiele, Carl-Ludwig FDP 24. 01. 92 Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 24. 01. 92 Uldall, Gunnar CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Ullmann, Wolfgang BÜNDNIS 24. 01. 92 90/GRÜNE Voigt (Frankfurt), SPD 24. 01. 92** Karsten D. Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 24. 01. 92 Hans-Peter Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 24. 01. 92 Vosen, Josef SPD 24. 01. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 24. 01. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 24. 01. 92 Weiß (Berlin), Konrad BÜNDNIS 24. 01. 92 90/GRÜNE Welt, Jochen SPD 24. 01. 92 Dr. Wetzel, Margrit SPD 24. 01. 92 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24. 01. 92 Dr. Wilms, Dorothee CDU/CSU 24. 01. 92 Wohlleben, Verena SPD 24. 01. 92 Ingeburg Wollenberger, Vera BÜNDNIS 24. 01. 92 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 24. 01. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 6230* Deutscher Bundestag — 12, Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/742 Innenausschuß Drucksache 11/3058 Finanzausschuß Drucksache 11/7566 Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 11/7582, 11/7583, 12/848 Drucksache 12/847 Drucksache 12/854 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/157 Nr. 2.2 Finanzausschuß Drucksache 12/210 Nrn. 69, 71, 72, 77 Drucksache 12/557 Nrn. 3.2, 3.3 Drucksache 12/1072 Nr. 1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/1339 Nrn. 2.2-2.6 Drucksache 12/1449 Nrn. 2.1, 2.2 Drucksache 12/1518 Nrn. 4-8 Drucksache 12/1612 Nrn. 2.2-2.4 Ausschuß für Fremdenverkehr Drucksache 12/706 Nr. 3.22 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 12/849 Nrn. 2.5-2.8 Drucksache 12/1339 Nr. 2.19 Drucksache 12/1449 Nr. 2.15
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    Rede von Ulrich Klinkert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen zur Reaktorsicherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas regelt ein Spannungsfeld, das sich aus mehreren, den Staaten Osteuropas innewohnenden Widersprüchen ergibt. Der katastrophale Sicherheitsstandard der Kernkraftwerke in Mitteleuropa, der jeden Tag zu einem neuen Tschernobyl führen kann, gebietet normalerweise ein sofortiges Abschalten der meisten der Reaktoren. Dies würde allerdings zu einem Zusammenbruch der Energieversorgung und damit der Wirtschaft dieser Lander führen und eine vollständige Verelendung des Volkes nach sich ziehen.
    Ohne ausreichende Energie ist der notwendige wirtschaftliche Aufschwung in diesen Ländern nicht machbar. Kraß formuliert, stehen die Regierungen dieser Länder vor der Entscheidung, das Volk entweder erfrieren zu lassen oder der weiteren Gefahr, die von den Reaktoren ausgeht, auszusetzen.
    Die zur Nachrüstung oder zum Ersatz der gefährlichen Reaktoren erforderlichen Finanzmittel sind so hoch, daß sie derzeit von den betroffenen Ländern nicht annähernd aufgebracht werden können. Nebenbei bemerkt, würde der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie in diesen Ländern und deren Ersatz durch Wärmekraftwerke, sofern das technisch überhaupt machbar ist, zu einem erheblichen Ansteigen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führen.
    Der hier zu beratende Antrag enthält daher folgende Forderungen an die Bundesregierung:
    Erstens ist es notwendig, sich zunächst einmal aktiv an der Entwicklung multilateraler Hilfsaktionen für die Staaten Mittel- und Osteuropas zu beteiligen und so weit wie möglich durch bilaterale Unterstützungsmaßnahmen zu flankieren. Dies gilt insbesondere für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion.
    Die zweite Forderung lautet, auf eine bessere Koordinierung und schnellere Realisierung von internationalen Unterstützungsprogrammen hinzuarbeiten und dabei die Beteiligung von internationalen Institutionen wie der EG, der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau anzustreben.
    Als dritte Forderung haben wir formuliert, bei der Erarbeitung der Europäischen Energiecharta den Rahmen dafür zu schaffen, daß nicht nur die Versorgungssicherheit erhöht wird, sondern in gleichem Maße auch Umweltschutz und Anlagensicherheit verbessert werden.
    Kernkraftwerke wurden in den ehemaligen RGW- Staaten seit 1950 errichtet. In der Zwischenzeit ergibt



    Ulrich Klinkert
    sich folgender Stand der Versorgung dieser Staaten durch Kernenergie: in Bulgarien 35 %, in der ehemaligen Sowjetunion 23 %, in der CSFR 28 % und in Ungarn gar 50 %.

    (Klaus Lennartz [SPD]: Was heißt das?)

    Bei fast allen diesen Kraftwerken sind Schutz- und Vorsorgemaßnahmen, die erst in ihrem Zusammenwirken eine ausreichende Sicherheit ergeben würden, durch Mängel und Defizite behaftet, Defizite vor allen Dingen bei der sicherheitstechnischen Auslegung von Systemen und Komponenten. Hier ist es so, daß kein Kernkraftwerk westdeutschem Sicherheitsstandard entsprechen würde. Es gibt Abweichungen vom auslegungsgemäßen Zustand. Die Dokumentation und Sicherheitsnachweise sind unvollständig. Die Qualitätssicherung ist unzulänglich. Defizite bei Wartung, Reparatur und Instandhaltung führen zu einer zusätzlichen Erhöhung des Risikos.
    Gefährdungen für die Reaktorsicherheit ergeben sich aber nicht nur aus unzureichender Technik, sondern durchaus auch aus der im Moment nicht recht zu kalkulierenden politischen Entwicklung.
    Dabei ist die Situation im Energiebereich dieser Staaten insgesamt gekennzeichnet durch eine geringe Effizienz beim Energieeinsatz und einen vergleichsweise hohen Energieverbrauch. Der durchschnittliche Osteuropäer verbraucht trotz eines wesentlich niedrigeren Lebensstandards etwa genauso viel Primärenergie wie der Westeuropäer, nämlich ca. 4,7 t Öläquivalent pro Einwohner. In Rußland ist der Einsatz von Energie in der Industrie, bezogen auf ein gleichwertiges Produkt, etwa viermal so hoch wie in den Ländern der alten Bundesrepublik. Die Energieintensität, d. h. der Primärenergieverbrauch pro Einheit Bruttosozialprodukt, in den Staaten Mittel- und Osteuropas ist etwa doppelt so hoch wie in den westlichen Staaten.
    Schlechte Wirkungsgrade der Kraftwerke, ineffiziente industrielle Produktion und unzureichender Wärmeschutz an Gebäuden tun das Ihre zu dieser Bilanz.
    Nachrüstungen für Atomreaktoren werden nur in den wenigsten Fällen für möglich gehalten, so daß neue Reaktoren gebaut werden müßten. Hierfür wäre ein Finanzbedarf von mindestens 100 Milliarden DM notwendig, im übrigen auch für den Neubau von Wärmekraftwerken, falls man diesen ins Auge fassen sollte.

    (Klaus Lennartz [SPD]: Das ist die einzige Alternative, Herr Kollege! Das müssen Sie wissen!)

    Sofern Nachrüstung überhaupt möglich ist, ergibt sich dabei folgendes Bild. Ich nenne zunächst die RBMK-Reaktoren, von denen 20 allein in der Sowjetunion in Betrieb oder im Bau sind. Hier ist eine sofortige Stillegung der älteren Anlagen notwendig. Eine Sicherheitsbewertung der neueren Anlagen durch westliche Experten steht noch aus, jedoch kann schon jetzt abgeschätzt werden, daß sie, wie ich bereits erwähnte, nach westlichen Maßstäben insgesamt nicht genehmigungsfähig wären. Kosten für eine
    Umrüstung liegen im Moment nicht vor und sollten von vornherein nicht ins Kalkül gezogen werden.
    Dann gibt es die sogenannten WWER-Reaktoren, die in verschiedenen Generationen gebaut wurden. Die Reaktoren der ersten Generation werden mit einem Nachrüstbedarf von 80 Millionen DM pro Block für einen befristeten Weiterbetrieb von ca. fünf Jahren für möglich gehalten. Der Importbedarf für diese Nachrüstung betrüge ca. 30 Millionen DM pro Block. Bei der zweiten Generation wären umfangreiche Nachrüstmaßnahmen in einer Größenordnung von 300 Millionen DM pro Block erforderlich. Auch hier müßten Importe in einer Größenordnung von etwa 100 Millionen DM pro Block getätigt werden; so viel ist jedenfalls veranschlagt.
    Die dritte Generation, die mit einer Leistung von 1 000 MW ausgelegt war, könnte in etwa auf westliches Sicherheitsniveau ertüchtigt werden. Allerdings betrügen die Kosten hier 200 Millionen DM pro Block; der Importanteil betrüge 60 Millionen DM.
    Auch Nachrüstmaßnahmen würden zu einem erheblichen Mittel- und Devisenbedarf führen, der auf Grund der wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten von den betroffenen Ländern nicht aufgebracht werden kann. Ohne Berücksichtigung nationaler Leistungen, von Stillegungskosten sowie Stillstandszeiten usw. ergäbe sich ein Devisenbedarf für Importe von ca. 4 Milliarden DM, davon allein 2,7 Milliarden DM für in Betrieb befindliche und 1,4 Milliarden DM für im Bau befindliche Anlagen.
    Ich habe diese Zahlen so ausführlich gebracht, um zu verdeutlichen, daß ein einzelnes westliches Land — beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland — bei weitem überfordert wäre, hier allein in Verantwortung zu gehen.
    Aber an die Bundesregierung ist die Bitte auszusprechen, in der westlichen Staatengemeinschaft die Sensibilität für die Probleme in Osteuropa zu schärfen. Die Hilfe für Osteuropa darf sich allerdings nicht auf die Kernenergie beschränken; denn in den Ländern, wo die akute Gefahr des Hungers besteht, wird man für die Probleme der Reaktorsicherheit wenig Sensibilität entwickeln.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun hat der Abgeordnete Lennartz das Wort.

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    Rede von Klaus Lennartz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Reaktorsicherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas heißt unser Thema. Reaktorsicherheit in diesen Staaten ist nur auf einem Weg zu erreichen: Die Atomkraftwerke Osteuropas müssen schrittweise abgeschaltet werden. Dies ist nach Meinung der SPD die zwingende Konsequenz aus dem Bericht des Bundesumweltministers zur Sicherheit der Atomkraftwerke und zu Umweltfragen der Energieversorgung in den Staaten Mittel- und Osteuropas. Dieser Bericht bietet, so der „Spiegel" korrekt, wahrhaftig „Stoff zum Gruseln", obwohl für bestimmte östliche Reaktortypen noch gar keine umfassenden Sicherheitsanalysen vorliegen. Was das



    Klaus Lennartz
    in der Endkonsequenz heißt, muß man sich auf der Zunge zergehen lassen.
    Noch Anfang der 80er Jahre haben uns internationale Reaktorexperten — wohlgemerkt: Experten —, auch aus der IAEO, aber auch deutsche Befürworter weismachen wollen, daß die russischen Reaktoren etwa unser Sicherheitsniveau haben. Anlaß zur Sorge bestehe nicht. So ändern sich die Einschätzungen; die Experten ändern sich nicht.
    Nachdem Umweltminister Töpfer im Herbst letzten Jahres auch den letzten Block des Atomkraftwerks Greifswald stillgelegt hat, haben mein Kollege Volker Jung und ich im September 1991 den jetzt vorliegenden Bericht erbeten. Uns war schon damals klar: Wer Greifswald stillegen muß, weil gravierende Sicherheitsmängel bestehen, die nicht zu adäquaten Kosten beseitigt werden können, muß auch bei allen in Osteuropa und der GUS laufenden Reaktoren zu ähnlichen Konsequenzen kommen.
    Der Töpfer-Bericht zeigt auch auf, daß neben katastrophalen sicherheitstechnischen Mängeln nun auch die Aufsichtsprobleme wachsen. Die Aufsicht über kerntechnische Sicherheit von Anlagen geht von den Zentralbehörden auf die Republiken über, und das in dem Zustand, in dem sich die Republiken zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden.
    Herr Kollege Klinkert, lesen Sie bitte einmal nach, daß Töpfer selber in seinem Bericht formuliert hat, daß Auflagen, die durchgeführt werden sollten, bis zum heutigen Tage nicht durchgeführt worden sind. Ich glaube, daran erkennen wir, daß wir über etwas reden, dessen Dimension wir überhaupt nicht erkennen können. Die einzelnen Republiken verfügen gegenwärtig kaum über die erforderlichen administrativen und personellen Voraussetzungen. Technische Mängel und Aufsichtsprobleme bilden ein brisantes Gemisch, das jederzeit explodieren kann, meine Damen und Herren. Ich hoffe, daß wir in diesem Hohen Hause darüber Einigkeit erzielen, daß es nicht mehr um die Frage geht, ob diese Reaktoren abgeschaltet werden müssen, sondern nur noch um die Frage, wie die Umstrukturierung der Energieversorgung zu bewerkstelligen ist.

    (Zustimmung bei der SPD und der CDU/ CSU)

    Die SPD wird keinen Maßnahmen zustimmen, die im Ergebnis verzögern, daß diese Schrottreaktoren so schnell wie möglich abgeschaltet werden. Ich kann dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen Asea Brown Boveri, Eberhard von Koerber, nur zustimmen, wenn er die osteuropäischen Atomkraftwerke als Zeitbomben bezeichnet. Mindestens 25 Reaktoren des Typs Tschernobyl sind nicht einmal theoretisch nachrüstbar. Sie müssen vom Netz, und zwar ganz schnell.
    Die SPD wendet sich im übrigen nicht gegen kurzfristige Sicherheitsmaßnahmen, die das jetzige unabsehbare Risiko so schnell wie möglich verringern. Dies sage ich sehr bewußt, um bestimmten Legendenbildungen vorzubeugen. Wir wenden uns aber dagegen, daß mit Milliardenaufwand Atomkraftwerke saniert werden sollen, die strukturell so viele
    technische Mängel haben, daß sie nach unserer Sicherheitsphilosophie nicht betreibbar sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich weiß, meine Damen und Herren, daß wir hier über die Abschaltung von 50 000 MW in Osteuropa sprechen. Dessen bin ich mir bewußt. Gerade wegen dieser Zahlen müssen wir jetzt die Weichen für eine Energieversorgung ohne Atomkraft in Osteuropa stellen.
    Die SPD wird eine Politik ablehnen, die über die Ertüchtigung bzw. den Export westeuropäischer Kernkraftwerke versucht, die Renaissance der Atomkraft bei uns wieder einzuleiten. Vielmehr besteht in der GUS und in Osteuropa jetzt die Möglichkeit, eine ökologisch verträgliche Energieversorgung einzuleiten; zugegebenermaßen, meine Damen und Herren, über einen langen Zeitraum. Dafür werden wir uns mit aller Kraft einsetzen. Und die ist bitter nötig.
    Allein die mangelhafte Energieinfrastruktur führt in Osteuropa zu 01- und Gasverlusten bis zu 30 %. Die Energieintensität, d. h. der Primärenergieverbrauch, gemessen am Bruttosozialprodukt, ist doppelt so hoch wie im Westen.