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ID1206801300

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    Plenarprotokoll 12/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 13: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Maastricht Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 5797 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5803 B Stefan Schwarz CDU/CSU 5804 B Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5804 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 5806D Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5810 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 5813 A Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 5815 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 5817 B Dr. Norbert Wieczorek SPD 5819 D Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 5822 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 5826 A Peter Kittelmann CDU/CSU 5827 B Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 5828 D Wolfgang Clement, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 5830 C Dr. Cornelie von Teichman FDP 5832 B Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten (Drucksachen 12/849 Nr. 2.1, 12/1809) 5833 C Nächste Sitzung 5833 D Berichtigung 5833 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5835* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 und Zusatztagesordnungspunkt 12 (Antrag betr. Sofortige Auflösung des „Koordinierungsausschusses Wehrmaterial fremder Staaten" des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr und Antrag betr. Parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA) Thomas Kossendey CDU/CSU 5836* A Gernot Erler SPD 5836* C Jürgen Koppelin FDP 5837* C Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 5838* B Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär BMVg 5838* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 5839* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 5797 68. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 64. Sitzung: Auf Seite 5503 B ist ab der dritten Zeile zu lesen: ten hat. Er hat gesagt, — — (Zuruf von der CDU/CSU) — Ich glaube, die ganze Nation hatte Achtung vor der Entschlossenheit und Besonnenheit, mit der die Bergleute von Sophia-Jacoba hier demonstriert haben. Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5835' Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ackermann, Else CDU/CSU 13. 12. 91 Andres, Gerd SPD 13. 12. 91 Antretter, Robert SPD 13. 12. 91 * Baum, Gerhart Rudolf FDP 13. 12. 91 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 13. 12. 91 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 13. 12. 91 * Wilfried Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 13. 12. 91 * Dr, von Bülow, Andreas SPD 13. 12. 91 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 13. 12. 91 Clemens, Joachim CDU/CSU 13. 12. 91 Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 13. 12. 91 Doppmeier, Hubert CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 13. 12. 91 Ehrbar, Udo CDU/CSU 13. 12. 91 Eymer, Anke CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Feige, Klaus-Dieter Bündnis 90/ 13. 12. 91 GRÜNE Dr. Feldmann, Olaf FDP 13. 12. 91 * Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 13. 12. 91 Gattermann, Hans H. FDP 13. 12. 91 Glos, Michael CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Glotz, Peter SPD 13. 12. 91 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 13. 12. 91 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 13. 12. 91 Großmann, Achim SPD 13. 12. 91 Grünbeck, Josef FDP 13. 12. 91 Dr. Haussmann, Helmut FDP 13. 12. 91 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 13. 12. 91 Helmrich, Herbert CDU/CSU 13. 12. 91 Heyenn, Günther SPD 13. 12. 91 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 13. 12. 91 Homburger, Birgit FDP 13. 12. 91 Hüppe, Hubert CDU/CSU 13. 12. 91 Ibrügger, Lothar SPD 13. 12. 91 ** Jaunich, Horst SPD 13. 12. 91 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 13. 12. 91 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 13. 12. 91 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 13. 12. 91 Kolbe, Manfred CDU/CSU 13. 12. 91 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 13. 12. 91 Kretkowski, Volkmar SPD 13. 12. 91 Kubicki, Wolfgang FDP 13. 12. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Leidinger, Robert SPD 13. 12. 91 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 13. 12. 91 Lowack, Ortwin fraktionslos 13. 12. 91 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 13. 12. 91 Franz-Josef Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 13. 12. 91 Michels, Meinolf CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 13. 12. 91 Neumann (Bramsche), SPD Volker Niggemeier, Horst SPD 13. 12. 91 Ostertag, Adolf SPD 13. 12. 91 Paintner, Johann FDP 13. 12. 91 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 13. 12. 91 Pfuhl, Albert SPD 13. 12. 91 * Priebus, Rosemarie CDU/CSU 13. 12. 91 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 13. 12. 91 Susanne Raidel, Hans CDU/CSU 13. 12. 91 Rappe (Hildesheim), SPD 13. 12. 91 Hermann Regenspurger, Otto CDU/CSU 13. 12. 91 Rempe, Walter SPD 13. 12. 91 Reschke, Otto SPD 13. 12. 91 Rixe, Günter SPD 13. 12. 91 Schäfer (Offenburg), SPD 13. 12. 91 Harald B. Schmidt-Zadel, Regina SPD 13. 12. 91 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 13. 12. 91 Hans-Peter Schröter, Karl-Heinz SPD 13. 12. 91 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 13. 12. 91 Schuster, Hans Paul FDP 13. 12. 91 Hermann Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 13. 12. 91 Türk, Jürgen FDP 13. 12. 91 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 13. 12. 91 Vosen, Josef SPD 13. 12. 91 Weis (Stendal), Reinhard SPD 13. 12. 91 Welt, Jochen SPD 13. 12. 91 Wiechatzek, Gabriele CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Wieczorek CDU/CSU 13. 12. 91 (Auerbach), Bertram Wissmann, Matthias CDU/CSU 13. 12. 91 Wollenberger, Vera Bündnis 90/ 13. 12. 91 GRÜNE Zapf, Uta SPD 13. 12. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 5836* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 und Zusatztagesordnungspunkt 12 (Antrag betr. Sofortige Auflösung des „Koordinierungsausschusses Wehrmaterial fremder Staaten" des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr und Antrag betr. Parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA) *) Thomas Kossendey (CDU/CSU): Am gleichen Tag, als die Mitglieder der Gruppe PDS/Linke Liste ihren Antrag, über den wir heute sprechen, eingereicht haben, stand in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Artikel über die in Hamburg bekanntgewordene Lieferung von Wehrmaterial nach Israel. Dieser Artikel begann mit dem Satz: „Eine Bonner Affäre ist meistens die voreilige Reaktion auf einen unbekannten Sachverhalt. " Viel besser kann man Ihren Antrag und das, was damit verfolgt werden soll, wohl kaum charakterisieren! Mittlerweile hat sich nämlich vieles von dem, was Sie an Aufklärung fordern, durch die Berichte erledigt, die der Verteidigungsminister dem Verteidigungsausschuß vorgelegt hat; manches wird noch in der Januar-Sitzung des Verteidigungsausschusses weiter zu klären sein. Insbesondere was die Entstehung des Koordinierungsausschusses und was die Aktivitäten dieses Ausschusses angeht, sind wir im Verteidigungsausschuß ziemlich umfassend informiert worden. Allerdings — das muß man der guten Ehrlichkeit halber hinzufügen — haben Sie es durch Nichtteilnahme an diesen Sitzungen geschickt verstanden, dem Risiko auszuweichen, durch bessere Informationen von Ihren Vorurteilen abgebracht zu werden! Das kann man alleine schon daran erkennen, daß Sie in Ihrer Begründung für den Antrag einiges an Sachverhalten schildern, die gänzlich an der Realität vorbeigehen. Lassen Sie mich nur den Fall aufgreifen, der aus meiner Sicht — auch was die Öffentlichkeitswirksamkeit angeht — die schlimmsten Auswirkungen haben kann: Sie sprechen in Ihrer Begründung ständig von „Waffenhandel" und erwecken den Eindruck, als hätte hier ein illegaler Waffenhandel z. B. zwischen Deutschland und Israel stattgefunden. Es ist nun in der Tat in den Beratungen des Verteidigungsausschusses deutlich geworden, daß es sich bei der seit 20 Jahren praktizierten wehrtechnischen Zusammenarbeit mit Israel eben nicht um Waffenhandel handelt. Es ging lediglich darum, den Israelis eine verbesserte Chance der Selbstverteidigung in einem feindlich gesonnenen Umfeld zu gewährleisten! Diese Verbesserung der Situation Israels wollten wir nicht etwa durch Waffenlieferungen erreichen, sondern dadurch, daß wir ihnen die Möglichkeit gaben, die auf sie gerichteten Waffen an Einzelstücken besser zu analysieren, um ihre Verteidigungsvorbereitungen zu treffen. Ich wiederhole es noch einmal deutlich: Diese wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel hat bei uns einen hohen Stellenwert. Sie ist für uns eine moralische Verpflichtung, sie ist politisch sinnvoll, und sie ') Siehe 67. Sitzung, Seite 5792 D ist auch rechtlich zulässig. Dem sehr sensiblen Verhältnis zu Israel sind Schüsse aus der Hüfte weiß Gott nicht sachdienlich! Aber natürlich müssen wir uns auch darum kümmern, daß diese Art der wehrtechnischen Zusammenarbeit — auch der Bereich der Überlassung von Wehrmaterial aus Beständen der ehemaligen NVA an andere Staaten — parlamentarisch besser begleitet wird. Dafür ist aber gerade die Koordinierungsgruppe zwischen den verschiedenen Diensten und Ministerien notwendig. Nur wenn die Koordination zwischen den Ministerien und zwischen den Diensten gewährleistet ist, werden wir als Parlamentarier in der Lage sein, aufgrund der Berichte, die uns von dort geliefert werden, Einblick zu nehmen, Fragen zu stellen und gegebenenfalls Einfluß auf die politische Leitung der entsprechenden Häuser auszuüben, um die Dinge zu verhindern, die wir politisch eben nicht wollen. Für unsere Fraktion will ich gerne erklären, daß wir Überlegungen, die in diese Richtung zielen, aufgeschlossen gegenüberstehen. Da Ihr Antrag aber in eine falsche Richtung zielt, werden wir ihn heute ablehnen müssen. Gernot Erler (SPD): Datiert vom 3. Oktober 1991 hat das Referat für Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr eine hübsche kleine Broschüre herausgegeben mit dem Titel „Ein Jahr deutsche Einheit. Eine Leistungsbilanz der Bundeswehr" , geheftet in hoffnungsfrohes Blau, in der man unter der Überschrift „Wohin mit dem Material?" folgende Passage lesen kann: „Die NVA war eine hochgerüstete Armee. So waren 15 000 Waffensysteme, darunter 2 300 Kampfpanzer, 7 800 gepanzerte Fahrzeuge, 2 500 Artilleriegeschütze, 400 Kampfflugzeuge, 70 Schiffe/Boote und 50 Kampfhubschrauber, 100 000 Radfahrzeuge aller Art, 1 200 000 Handwaffen mit dem dazugehörigen Peripheriegerät und 300 000 Tonnen Munition zu übernehmen." Im weiteren findet man keine einzige Angabe mehr darüber, wohin denn nun die Bundesregierung diese Waffen und diese Ausrüstung verbracht hat. Was die Bundesregierung in ihrer Öffentlichkeitsarbeit vom Oktober verschwiegen hat, darauf sind Öffentlichkeit und Parlament inzwischen per Zufall gestoßen: Einmal durch Fragen, die ich am 10. Oktober an dieser Stelle gestellt habe und auf die ich zunächst nur höchst unvollständige Antworten erhielt. Dann aber auch durch die Beschlagnahmung des für Israel bestimmten Wehrmaterials am 26. Oktober und die nachfolgenden Recherchen und Anhörungen im Verteidigungsausschuß. Bisheriges Ergebnis: Derzeit wird eine große, moderne Armee auf deutschem Boden verscherbelt, verteilt, verschenkt oder vernichtet, und das alles ohne irgendeine öffentliche oder parlamentarische Kontrolle und auch ohne, daß die Bundesregierung selbst eine verläßliche Übersicht über diesen Prozeß hat. Vielmehr verläuft dieser in Form eines administrativen Willkürakts auf mittlerer Beamtenebene. Das öffentliche Interesse hat sich bisher sehr stark auf die BND-Lieferung an Israel konzentriert, weil bei ihr wahrscheinlich gegen geltendes Gesetz verstoßen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5837* wurde. Wir sollten dem falschen Eindruck entgegentreten, daß dieser Vorgang zur Zeit deshalb so gründlich parlamentarisch untersucht wird, weil Israel der Empfänger ist. In Wirklichkeit verdient dieser Fall deswegen unser Interesse, weil sich inzwischen dahinter ein sehr breiter Prozeß mit vielen Handelnden auftut, der sich vollständig im vorparlamentarischen Raum abspielt. Kernpunkt ist, daß die Verteilung der umfangreichen NVA-Hinterlassenschaft an mindestens 70 Interessenten schon begonnen hat. Und einige der inzwischen bekannt werdenden „Einzelheiten" lassen einem tatsächlich die Haare zu Berge stehen. So legte uns Minister Stoltenberg am 10. Dezember einen vorläufigen Bericht über die bisherige Vergabe des NVA-Materials vor, aus dem hervorgeht, daß allein an die Türkei Lieferungen verbindlich zugesagt oder erfolgt sind, mit der man eine ganze Bürgerkriegsarmee ausrüsten könnte. In den Listen tauchen unter anderem Panzerfäuste und Kalaschnikows in sechsstelliger Größenordnung, mehrere Tausend Maschinengewehre und Munition in der unvorstellbaren Stückzahl von mehr als 400 Millionen Stück auf. Diese „Materialhilfe" (das ist das Stichwort, unter dem das läuft) ist unterwegs, ohne daß sich das Parlament oder irgendeiner seiner Ausschüsse bisher damit befaßt hat. Welcher politische Schaden der Bundesrepublik hier droht, kann man daran absehen, daß es bereits Klagen von Vertretern Armeniens gibt, im armenischaserbeidschanischen Konflikt seien auf aserbeidschanischer Seite NVA-Waffen aus bundesrepublikanischen Beständen aufgetaucht. In diesem ganzen Komplex sind noch sehr viele Fragen offen, auf die die Bundesregierung uns noch wird antworten müssen. Ich habe den Eindruck, daß ein tiefes Unbehagen über diese ganzen Vorgänge in allen Bundestagsfraktionen wächst. Auf der Basis dieses Unbehagens und echter politischer Sorgen haben wir Sozialdemokraten den vorliegenden Antrag „Parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA" in den Bundestag eingebracht. Er fordert, daß die jetzt für Mitte Januar in Aussicht gestellte Antwort auf unsere Kleine Anfrage zur Verwendung und Weitergabe des NVA-Erbes unverzüglich auf die Tagesordnung der zuständigen Ausschüsse gesetzt wird, daß ferner künftig alle weiteren Maßnahmen bei der Auflösung dieser Armee der Beratung und Beschlußfassung im Verteidigungsausschuß, im Auswärtigen Ausschuß und im Haushaltsausschuß unterliegen und daß die Bundesregierung am Ende jedes Quartals dem Deutschen Bundestag unverzüglich einen detaillierten Bericht über den Fortgang der Auflösung und die Verwendung der NVA-Hinterlassenschaft vorzulegen hat. Wir hoffen darauf, daß wir uns mit allen anderen Fraktionen über die Kernpunkte dieses Antrages verständigen können. Es ist schlimm, daß diese Vorgänge einen Teil der deutschen Vereinigung ein knappes Jahr nach ihrem Vollzug ins Gerede bringen. Wir müssen das Vertrauen wiederherstellen. Das geht nur durch die Einrichtung einer strikten parlamentarischen Kontrolle bei allen Vorgängen, die die Auflösung der Armee der ehemaligen DDR betreffen. Jürgen Koppelin (FDP): Mit dem Antrag der PDS/ Linke Liste wird gefordert, den Koordinierungsausschuß „Wehrmaterial fremder Staaten" umgehend aufzulösen und dem Deutschen Bundestag verschiedene Berichte vorzulegen. Die Berichte liegen vor. Wenn die PDS an der Ausschußarbeit teilnehmen würde, wäre das auch der PDS bekannt. Mitglieder der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP haben zusätzlich auf Grund der Vorgänge um Waffenlieferungen nach Israel über 200 Fragen gestellt, die sehr ausführlich beantwortet worden sind. Daß sich aus der Beantwortung der gestellten Fragen natürlich erneut verschiedene Fragen ergeben, liegt wohl in der Natur der Sache, und wir sind dabei — und haben das gestern in der Sitzung des Verteidigungsausschusses getan — die Beantwortung zu bewerten. Jede Fraktion mag die Beantwortung unterschiedlich bewerten, aber eines bleibt festzuhalten: Die Bundesregierung ist keiner Beantwortung einer Frage ausgewichen. Die FDP hat kein Verständnis für die Forderung der SPD, daß der Deutsche Bundestag die Art und Weise, in der die Bundesregierung Fragen von Abgeordneten beantwortet hat, mißbilligen soll. Und ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, daß Sie sich in Ihrem Antrag ja selbst widersprechen, wenn Sie unter Punkt 2 einmal kritisieren, daß Sie auf Antworten längere Zeit haben warten müssen, und auf der anderen Seite gleichzeitig im selben Absatz die Bundesregierung auffordern, größere Sorgfalt bei der Beantwortung von mündlichen und schriftlichen Fragen von Abgeordneten walten zu lassen. Die PDS fordert in ihrem Antrag, den Koordinierungsausschuß „Wehrmaterial fremder Staaten" umgehend aufzulösen. Wir meinen: Selbstverständlich muß es eine Koordinierungsstelle geben, die darüber berät, was mit diesem Material, das ein erhebliches Vermögen darstellt, geschehen soll, Material, das wir in unvorstellbaren Mengen übernommen haben. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir den Hinweis, daß der Staat DDR und die SED, deren Nachfolgeorganisation die PDS ist, das Volk um einen großen Teil der Früchte seiner Arbeit gebracht haben, weil dieser Staat und diese Partei den Lohn der arbeitenden Menschen in Waffenlager gesteckt haben, nicht nur bei der Nationalen Volksarmee, sondern auch bei den Betriebskampfgruppen und beim Staatssicherheitsdienst. Dafür trägt auch die PDS Mitverantwortung. Die Auflösung des Koordinierungsausschusses „Wehrmaterial fremder Staaten" wird nur dazu führen, daß Wünsche auf Überlassung von Material der NVA bei verschiedenen Stellen geäußert werden und damit eine Kontrolle immer schwieriger wird. Nicht die Auflösung des Koordinierungsausschusses ist daher das Gebot der Stunde, sondern die Frage, wie wir diese Arbeit kontrollieren. Daher werden wir die Forderung der PDS nach Auflösung des Koordinierungsausschusss ablehnen. Bei dieser Gelegenheit: Für die FDP kann ich sagen, daß wir die Entscheidung des Bundeskabinetts vom 31. Oktober begrüßen, in der Grundsätze für die künf- 5838* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 tige Zusammenarbeit mit Israel auf dem Gebiet der Wehrtechnik festgelegt worden sind. Ich möchte zwei Anmerkungen machen. Erstens. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wieweit es wirklich Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes ist, den Transport und die Lieferung von Wehrmaterial durchzuführen. Zweitens. Wir werden uns als Parlament zukünftig stärker darum kümmern müssen, in welcher Form und Weise die VEBEG ihre Aufgaben wahrnimmt. Was ich meine, lassen Sie mich an einem Zitat aus dem Bericht vom 2. Dezember verdeutlichen. Dort heißt es: Die VEBEG hat keine Kontrolle darüber, was mit dem von ihr ordnungsgemäß veräußerten und gegebenenfalls nach der Veräußerung weiterverkauften Material geschieht. Ich wiederhole daher noch einmal unsere Forderung: Die FDP hält eine verstärkte Kontrolle der VEBEG für dringend erforderlich, und wir erwarten umgehend, wie bereits mehrfach im Ausschuß gefordert, einen sehr umfassenden Bericht über die Arbeit der VEBEG. Die SPD fordert mit ihrem Antrag, daß der Gesamtprozeß der Auflösung der ehemaligen NVA und der Verwendung und Weitergabe von Waffen, Geräten, Ausrüstung, Munition ab sofort einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle unterzogen wird. Auch die FDP will die parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA. Wir haben es daher begrüßt, daß der Verteidigungsausschuß am 20. März 1991 eine Arbeitsgruppe „Streitkräftefragen in den neuen Bundesländern" eingesetzt hat; im Aufgabenkatalog heißt es u. a.: Entlastung der Truppenteile von Waffensystemen, Munition und Ausrüstung der ehemaligen NVA, Maßnahmen zur weiteren Verwendung, Lagerung oder Vernichtung von Bewaffnung und Ausrüstung. Wir haben hier durchaus die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle der Auflösung der NVA. Nach den jüngsten Erfahrungen mag das nicht ausreichend sein, und so werden wir uns im Verteidigungsausschuß darüber unterhalten müssen, wie die zukünftige parlamentarische Kontrolle über die Verwertung des Materials der NVA geschehen soll. Einer Überweisung des Antrages der SPD stimmen wir zu. Den Antrag der PDS lehnen wir ab. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Über Jahre hinweg hat der „Koordinierungsausschuß Wehrmaterial fremder Staaten" des BND und der Bundeswehr an allen parlamentarischen Gremien vorbei einen florierenden Waffenhandel betrieben. Daß die PKK nicht von der Einrichtung dieser geheimen Institution unterrichtet war, zeigt, mit welchem Verständnis die Regierungen der Bundesrepublik mit der parlamentarischen Kontrolle umgehen. Wenn wir heute hören müssen, daß offenbar alle Waffenhändler, die kriminellen, die halbkriminellen und die staatlichen, die Waffenhändler von demokratisch verfaßten Ländern und von Diktaturen, sofort nach dem Anschluß der DDR bei den entsprechenden Stellen auf der Matte standen, um Waffen aus den NVA-Beständen zu erwerben, dann sagt dies schon fast alles über das Milieu aus, in dem dieser krakenhafte geheimdienstliche Koordinierungsausschuß sein Unwesen treibt. Aus über 70 Ländern sollen treffsicher Kaufangebote für Waffenlieferungen aus NVA-Beständen an die dafür zuständigen Stellen weitergereicht worden sein. Die Dunkelziffer soll sogar noch höher liegen. Durch die jahrzehntelange Tätigkeit, sowohl zu sozial-liberalen Zeiten als auch zu Zeiten der jetzigen Regierung, muß der Koordinierungsausschuß zu einer berühmt-berüchtigten Adresse geworden sein. Geheimdienstlich abgesichert, wurden hier die entsprechenden Gesetze und Vorschriften für den Rüstungsexport in großem Stil außer Kraft gesetzt. Aus den kümmerlichen Fakten, die in der Presse standen, und aus den kümmerlichen und zum Teil falschen Auskünften der Bundesregierung kann man eigentlich nur zwei Schlußfolgerungen ziehen: 1. Der Koordinierungsausschuß Wehrmaterial fremder Staaten muß sofort aufgelöst werden. 2. Die Bundesregierung muß dem Bundestag und damit der Öffentlichkeit umfassend und lückenlos Auskunft über die gesamte Tätigkeit dieser Wehrmachts-Koko erteilen. Bisher hat die Bundesregierung alles Erdenkliche unternommen, um das wahre Ausmaß zu verschleiern. Es ist dann nur konsequent, wenn die Bundesregierung offenbar bewußt Abgeordnete bei der Beantwortung von Kleinen Anfragen anflunkert. Aber was soll man von Menschen, die Waffen als „landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge " deklarieren, auch anderes erwarten? Dabei ist es schon interessant, die sich hier entwikkelnde Posse zu verfolgen. Die Presse deckte auf, daß T-72-Panzer aus dem Irak an die Bundeswehr geliefert worden sein sollen, daß allein in der Zeit vom 16. April 1986 bis zum 9. Mai 1986 vier Unterstützungsleistungen von der Wehrmachts-Koko durchgeführt worden sein sollen, u. a. an die Türkei und Pakistan. Die SPD fordert eine umfassende Aufklärung der Auslieferung von Beständen aus der NVA. Die Bundesregierung macht dies auch, aber nur in bezug auf Israel. Ein Untersuchungsausschuß soll lieber im Rahmen des Verteidigungsausschusses arbeiten, damit er etwas aus der Öffentlichkeit genommen werden kann. All dies soll dazu dienen, das Ausmaß zu verschleiern. Wir wollen natürlich wissen, wer hier ab wann in welche Länder welche Waffen verschoben hat, und die Verantwortlichen müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Gruppe der PDS/Linke Liste fordert in einem Antrag zur Auflösung des „Koordinierungsausschusses Wehrmaterial fremder Staaten" , zu Entstehung und Aktivitäten dieses Gremiums einen vollständigen Bericht vorzulegen. Meine Damen und Herren der PDS, es wäre Ihnen ein leichtes gewesen, diese Informationen zu erhalten, wenn Sie bei der Behandlung dieses Themas nicht so häufig durch Abwesenheit in den Sitzungen des Verteidigungsausschusses geglänzt hätten. Dort ist in den ver- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5839* gangenen Wochen umfassend und in aller Ausführlichkeit mündlich und schriftlich zu diesem Thema vorgetragen worden. Dabei ist auch kein Zweifel daran aufgekommen, daß die Zusammenarbeit mit anderen Ländern zur technischen Auswertung fremden Wehrmaterials in keiner Weise einem „Waffenhandel" entspricht, wie in Ihrem Antrag unterstellt wird. Eine solche Diffamierung weise ich zurück. Die Bundesrepublik Deutschland arbeitet seit vielen Jahren mit verbündeten und befreundeten Staaten auf dem Gebiet der technischen Auswertung fremden Wehrmaterials zusammen. Diese Zusammenarbeit ist politisch gewollt, sie liegt in unserem besonderen sicherheits- und verteidigungspolitischen Interesse. Aus dieser Zusammenarbeit haben wir in der Vergangenheit — oftmals einseitig zu unserem Nutzen — großen Gewinn gezogen. Die Kenntnis fremden Wehrmaterials ist für die Bundeswehr von hoher Bedeutung. Sie gibt uns wertvolle Hinweise auf notwendige Folgerungen für die eigenen Planungen und die Entwicklung von eigenem Wehrmaterial. Erkenntnisse über die technischen und taktischen Leistungsparameter fremden Wehrmaterials ermöglichen uns nicht zuletzt, wirksame Gegenmaßnahmen für die eigene Truppen entwickeln und damit Vorsorge für den Schutz unserer Soldaten treffen zu können. Zur Organisation und Abstimmung von Maßnahmen der technischen Auswertung fremden Wehrmaterials besteht im Bundesministerium der Verteidigung seit 1988 der Koordinierungsausschuß „Wehrmaterial fremder Staaten". In diesem Ausschuß sind die für diesen Bereich zuständigen Fachreferate des Hauses sowie der Bundesnachrichtendienst vertreten. Aufgabe des Ausschusses ist es, auf der Grundlage des Bedarfs der Streitkräfte und ihrer speziellen Interessenlage den notwendigen Erkenntnisbedarf abzustimmen und die hierzu notwendigen Anforderungen und Maßnahmen zu koordinieren. Im Zusammenhang mit der Beschlagnahme von Wehrmaterial der ehemaligen NVA zur technischen Auswertung in Israel durch die Staatsanwaltschaft Hamburg Ende Oktober sind eine Reihe kritischer Fragen nach Umfang, Verfahren und Notwendigkeit dieser Zusammenarbeit mit anderen Staaten gestellt worden. Die zuständigen Ausschüsse des Parlaments haben sich in den vergangenen vier Wochen intensiv mit diesem Thema befaßt. Die Bundesregierung hat am 2. Dezember hierzu einen umfassenden Bericht vorgelegt. In diesem Bericht hat die Bundesregierung auch Aufgaben und Rolle des Koordinierungsausschusses dargestellt. Sie hat im Bericht wie in der parlamentarischen Diskussion hierzu deutlich gemacht, daß zu den in Rede stehenden Vorgängen eine politische Grundsatzentscheidung hätte eingeholt werden müssen. Da dies unterblieben ist, wurden Fehler in der Durchführung gemacht. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach der Beschlagnahme in Hamburg die notwendigen Konsequenzen gezogen. Alle Einzelheiten hierzu wurden ausführlich im Verteidigungsausschuß erläutert. Der Antrag der PDS/Linke Liste ist somit gegenstandslos geworden. Aus den bis jetzt erkannten Fehlern und ersten Erfahrungen aus den eingehenden Untersuchungen sind zunächst Folgerungen gezogen worden, wie sie der Bericht darstellt. Über weitere Konsequenzen wird nach Abschluß der parlamentarischen Beratungen zu diesem Thema zu entscheiden sein. Die Fraktion der SPD hat einen Antrag zur parlamentarischen Kontrolle der Abgabe von Material der ehemaligen NVA gestellt, dessen Sinn ich so recht nicht zu begreifen vermag. Die materielle Hinterlassenschaft der ehemaligen NVA ist mit dem 3. Oktober 1991 in die Zuständigkeit und Verantwortung des Bundesministers der Verteidigung übergegangen. Sie ist seitdem Bundeswehrmaterial und unterliegt damit der ständigen parlamentarischen Kontrolle der Bundeswehr insgesamt durch den Verteidigungsausschuß. Soweit im Rahmen der aktuellen Diskussion nach der Abgabe von Wehrmaterial der ehemaligen NVA an andere Staaten im Rahmen wehrtechnischer Zusammenarbeit oder humanitärer Hilfeleistung gefragt worden ist, ist hierzu durch das Bundesministerium der Verteidigung in der Sitzung des Verteidigungsaussschusses am 11. Dezember 1991 vorgetragen worden. In Verbindung mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD „Verwendung und Weitergabe von Waffen, Geräten, Ausrüstungen, Munition und anderen militärischen Gegenständen der ehemaligen NVA" vom 26. November 1991 wird der Bundesminister der Verteidigung im Januar 1992 weitergehend berichten. Die Bundesregierung wird die bewährte Zusammenarbeit in der technischen Auswertung fremden Wehrmaterials mit verbündeten und befreundeten Staaten im Sinne deutscher Sicherheitsinteressen auch künftig fortsetzen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/6894 Drucksache 11/7168 EG-Ausschuß Drucksache 11/8265 Drucksache 11/8491 Drucksache 12/75 Drucksache 12/550 Drucksache 12/598 Drucksache 12/947 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Haushaltsausschuß Drucksache 12/1174 Nr. 2.1 Drucksache 12/1072 Nr. 2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/1229 Nrn. 3.1-3.7 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/764 Nr. 2.10
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    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir Sozialdemokraten werden die Bundesregierung jedenfalls hartnäkkig bedrängen, damit die neue europäische Währung mindestens so stabil wird wie die D-Mark.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Jawohl!)

    Übrigens sollten wir noch einmal gemeinsam über den Namen und die konkrete Ausgestaltung der gemeinsamen Währung nachdenken. Nachdem es gelungen ist, so viele Elemente der Stabilitätspolitik der Mark auf Europa zu übertragen, stellt sich die Frage: Warum sollten wir die gemeinsame europäische Währung wenigstens in Deutschland nicht weiterhin als Mark bezeichnen können?
    Meine Damen und Herren, die Ergebnisse zur Währungsunion gehen in die richtige Richtung. Die Ergebnisse zur Politischen Union sind demgegenüber nur allzu dürftig. Hier muß sich der Bundeskanzler zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, daß er eingeknickt ist.

    (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Wie bitte?)

    Am 6. November hat er hier im Deutschen Bundestag gesagt, daß die Politische Union unerläßliches Gegenstück zur Wirtschafts- und Währungsunion sei. Wer die Meßlatte so hoch legt, darf dann nicht mit so mageren Ergebnissen nach Hause kommen. Selbst Ihr Koalitionspartner mahnt doch an, daß Nachbesserungen zur Politischen Union vorgenommen werden müssen. Man fragt sich unwillkürlich: Herr Genscher, waren nicht auch Sie auf dem Gipfel?
    Wir Sozialdemokraten sagen jedenfalls klipp und klar: Bei der Politischen Union muß kräftig nachgebessert werden:

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Eingeknickt ist der Bundeskanzler auch bei der Entscheidung über die zusätzlichen deutschen Europaabgeordneten.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wo sind die 18 zusätzlichen Parlamentssitze für die Vertreter der Bürger in den neuen Bundesländern, die politisch doch schon akzeptiert waren?

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Das hat er doch erklärt! Haben Sie nicht aufgepaßt? Haben Sie nicht zugehört?)

    Das hätten Sie durchsetzen können und müssen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Notfalls, Herr Bundeskanzler, hätten Sie das aussitzen müssen.

    (Heiterkeit bei der SPD — Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Können Sie noch lächerlicher werden?)

    Darin sind Sie doch sonst so stark. Aber diesmal hat Sie wohl Herr Major in ihrer eigenen Disziplin geschlagen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Jetzt wird das Niveau aber sehr niedrig, sehr dürftig!)

    Eingeknickt sind Sie leider auch bei der Erweiterung der Rechte des Europäischen Parlaments. Es geht doch nicht an, daß der Bundestag z. B. bei der Finanz- und Haushaltspolitik Rechte nach Europa abgibt, ohne daß das Europäische Parlament entsprechend mehr Rechte erhält.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer sonst soll denn die Bürokratie in Brüssel kontrollieren?
    Hier muß kräftig nachgebessert werden. Wir wollen ein demokratisches und kein bürokratisches Europa.

    (Beifall bei der SPD — Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das Europa der Sozialdemokraten!)

    Eingeknickt sind Sie leider auch in der Frage, wo die Europäische Zentralbank ihren Sitz haben soll. Es ist wichtig, daß diese Zentralbank nach Deutschland kommt. Dabei geht es nicht um Prestige oder Arbeitsplätze; es geht darum, daß diese Zentralbank in einem Umfeld tätig ist, in dem die Stabilität der Währung als selbstverständliche Notwendigkeit historisch verwurzelt ist.

    (Beifall bei der SPD — Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Tun Sie mal bei Ihren Genossen was dafür!)

    Eingeknickt ist der Bundeskanzler leider auch bei der Sozialunion. Warum haben Sie, Herr Bundeskanzler, bei der Sozialunion nicht dieselbe Hartnäk-
    5806 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991
    Ingrid Matthäus-Maier
    kigkeit wie bei der Währungsunion an den Tag gelegt? Die Antwort ist klar: Eine Bundesregierung, die in Deutschland Arbeitnehmerrechte einschränkt und den Sozialstaat abbaut,

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    ist weder ausreichend willens noch in der Lage, in Europa für die Rechte der Arbeitnehmer zu kämpfen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Können Sie das selber glauben, Frau Kollegin?)

    Wir Sozialdemokraten wollen jedenfalls nicht nur ein Europa der Unternehmer, sondern auch ein Europa der Arbeitnehmer und ihrer Familien.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Mit Sorge sehen wir, Herr Bundeskanzler, daß Sie der Einrichtung milliardenschwerer neuer Fonds zugestimmt haben, ohne zugleich an anderer Stelle des EG-Haushalts längst überfällige Einsparungen vorzunehmen.
    Deutschland ist der größte Zahler der Europäischen Gemeinschaft. Unsere Beiträge belaufen sich auf rund 39 Milliarden DM im Jahr. Damit finanzieren wir rund ein Drittel des EG-Haushalts. Weil wir das tun

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie sagen immer „wir" !)

    und weil wir das auch nicht in Frage stellen wollen, haben wir Deutschen aber auch ein ganz besonderes Recht darauf, daß diese Mittel sparsam verwendet werden.
    Deshalb hätte in Maastricht auch die Reform der europäischen Agrarpolitik auf die Tagesordnung gehört.

    (Beifall bei der SPD)

    Es kann nicht angehen, daß wir zwei Drittel des EG-Haushalts dafür ausgeben, daß riesige Überschüsse produziert und dann für teures Geld auf den Weltmärkten verschleudert werden. Es ist doch der reine Wahnsinn, daß vor wenigen Monaten die Europäische Gemeinschaft 100 000 t Rindfleisch für 1 DM pro kg nach Brasilien verkauft hat, obwohl sie selber dafür 6 DM pro kg gezahlt hat. Dies regt nicht nur die Verbraucher auf, das stört auch den Welthandel und schadet unserer Wirtschaft. Das verhindert, daß die Entwicklungsländer aus eigener Kraft auf die Beine kommen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Dieses sinnlose Verschleudern von Steuergeldern unserer Bürger muß endlich ein Ende haben. Dann haben wir auch das Geld, um zusätzliche europäische Fonds zu bezahlen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Durch das Versäumnis, für eine solide Finanzierung der neuen Fonds zu sorgen, sind die Sorgen vieler
    Bürger, daß wir uns finanziell übernehmen könnten, nicht geringer, sondern eher größer geworden.
    Spätestens die Handlungsunfähigkeit Europas gegenüber dem Bürgerkrieg in Jugoslawien hat gezeigt, daß wir endlich auch eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik brauchen. Die Völkergemeinschaft wird es nicht länger hinnehmen, daß die Europäer sehr oft in erster Linie ans Geldverdienen denken, sich aber ihrer Mitverantwortung für die Lösung internationaler Probleme entziehen.
    Die Fortschritte, die in der Außen- und Sicherheitspolitik erzielt wurden, reichen nicht aus. Auch Kommissionspräsident Delors hat die Ergebnisse insofern als unzureichend kritisiert. Meine Kollegin Wieczorek-Zeul wird auf den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik noch gesondert eingehen.

    (V o r sitz : Vizepräsident Helmuth Becker)

    Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Gipfel von Maastricht hat Fortschritte gebracht, vor allem bei der Währungsunion. Bei der Politischen Union und bei der Sozialunion ist er aber weit hinter den Erwartungen und Notwendigkeiten zurückgeblieben. Weniger markige Worte vor dem Gipfel und statt dessen mehr Steh- und Durchsetzungsvermögen auf dem Gipfel — das hätte, Herr Bundeskanzler, den deutschen Interessen mehr genutzt.

    (Beifall bei der SPD) Hier muß nachgebessert werden.

    Wenn wir in der Lage sein wollen, die Europäische Gemeinschaft für die neuen Demokratien in Mittel-und Osteuropa zu öffnen, dürfen wir das europäische Haus nicht länger im Rohbau stehenlassen. Bis das Haus fertig ist, liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Wir Sozialdemokraten sind dazu bereit.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Dr. Wolfgang Schäuble.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Matthäus-Maier, als Sie Ihre Rede begonnen haben, dachte ich, es würde eine Rede, die der Bedeutung dieser Debatte angemessen ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Detlev von Larcher [SPD]: Das war sie auch!)

    Aber im zweiten Teil Ihrer Rede haben Sie der Versuchung vielleicht doch nicht widerstehen können, an Stelle einer Würdigung nicht nur dessen, was in Maastricht erreicht worden ist, sondern auch der Schwierigkeiten auf dem Wege, dieses europäische Haus zu vollenden — das ja noch nicht fertig ist —, einen Mindestbedarf an Polemik abzuladen. Dieser Teil Ihrer Rede ist wirklich stark abgefallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Ich will mich aber zunächst ausdrücklich für das bedanken, was Sie zur Wirtschafts- und Währungs-
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 5807
    Dr. Wolfgang Schäuble
    union gesagt haben. Ich glaube, es ist gut, wenn wir gemeinsam würdigen und auch unseren Bürgern gemeinsam sagen, daß das ein wichtiger Schritt voran ist, Europa weiterzubauen, unseren wirtschaftlichen Interessen gerecht zu werden und zugleich auch die Stabilität unserer Mark, die wir in über 40 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland errungen haben, in einer europäischen Währung zu bewahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Ich stehe nicht an, mich für den Beitrag der Sozialdemokraten auf diesem Weg und auch in der Erläuterung gegenüber unseren Bürgern, auch was Helmut Schmidt betrifft, zu bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

    Unsere Bürger haben verständlicherweise viele sorgenvolle Fragen, z. B. danach, ob die Sicherheit und die Grundlage für Vertrauen, die unsere D-Mark 40 Jahre lang bedeutete, jetzt möglicherweise zugunsten Europas gefährdet wird oder nicht. Ich glaube, wir alle miteinander können in voller Verantwortung unserer Bevölkerung sagen: Nein, es wird nicht aufs Spiel gesetzt. Die europäische Währung wird so stabil sein, wie die D-Mark es 40 Jahre lang war. Durch das Zusammenwirken von Bundesregierung und Bundesbank ist Vorkehrung dafür getroffen, daß die europäische Währungsgemeinschaft wirklich eine Stabilitätsgemeinschaft sein wird, daß alle Staaten, die an der Währungsgemeinschaft teilnehmen, strenge Kriterien hinsichtlich der Stabilität erfüllen müssen, daß die Europäische Zentralbank mindestens so unabhängig sein wird, wie die deutsche Bundesbank immer gewesen ist, daß das Ziel der Geldwertstabilität als vorrangiges Ziel nicht nur für die deutsche Währung, sondern Ende dieses Jahrhunderts auch für eine europäische Währung gilt und daß deswegen niemand die Sorge haben muß, daß wir in Zukunft eine weniger stabile Währung haben werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Wie sie dann heißen wird, das ist vielleicht eine zweitrangige Frage.
    Vielleicht, Frau Matthäus-Maier, sollten wir, wenn wir das europäische Haus wirklich weiterbauen wollen, die Diskussion auch hier von diesem Pult aus so führen, daß man merkt, daß wir nicht ganz alleine sind, sondern daß wir auch an die elf anderen denken.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Wir brauchen eine stabile gemeinsame europäische Währung. Dabei ist der Name vielleicht nicht das Allerwichtigste, und wir sollten auch ein Stück weit an die Befindlichkeit unserer europäischen Mitbürger in den elf anderen Mitgliedstaaten denken.
    Deswegen möchte ich übrigens auch gleich dafür werben, daß wir uns, wenn wir das Bedürfnis haben, Wahlkämpfe zu führen, von diesem Pult aus weiterhin darauf beschränken, deutsche Wahlkämpfe zu führen. Ich habe ja Verständnis dafür, daß Sie jetzt vielleicht lieber in anderen Ländern Wahlkampf machen wollen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Aber das, was Sie zu Großbritannien gesagt haben, wird sicherlich nicht dazu führen, daß die Bereitschaft in Großbritannien, europäisch zu denken, gefördert wird; es wird vielmehr, soweit es überhaupt zur Kenntnis genommen wird, allenfalls das Gegenteil bewirken. Frau Matthäus- Maier, ich finde wir sollten das bleibenlassen.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Lambsdorff hat angefangen!)

    Denn wenn wir in Europa ein Stück weiterkommen wollen, müssen wir ja begreifen, daß wir diesen Weg alle miteinander gehen müssen und daß andere auf Grund der Geschichte in diesem Jahrhundert, an die Sie zu Recht erinnert haben, vielleicht zum Teil auch weitere Wege zurückzulegen haben als wir Deutsche, als etwa einer wie ich, der im Deutschen Bundestag einen Wahlkreis vertritt, der in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Straßburg gelegen ist.
    Wir haben es ein Stück leichter auf dem Weg zur europäischen Einigung, und wir wissen vielleicht ein Stück mehr als andere — wir sind möglicherweise auch unmittelbarer betroffen als andere — , warum die europäische Einigung heute dringender denn je für uns alle ist.
    Manches — das war vor und während und auch nach Maastricht klar — spricht dafür, daß die europäische Einigung auch mühevoll ist. Aber ich denke, Herr Bundeskanzler, sie ist der Mühe wert. Die Fraktion der CDU/CSU dankt Ihnen, dem Außen- und dem Finanzminister und allen Beamten für die Mühe, die Sie sich auf dem Weg zum Erfolg des Maastrichter Gipfels gegeben haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wissen, daß wir die deutsche Einheit nur auf dem Weg zur europäischen Einigung erreicht haben, und wir wissen, daß wir nach der Vollendung der deutschen Einheit nun mehr denn je darauf angewiesen sind, das größere, vereinigte Deutschland in einen Prozeß der unumkehrbaren europäischen Einigung einzubinden. Wir wissen mehr als andere, daß die Entwicklungen in Osteuropa, in der Sowjetunion oder in dem, was wir bis vor kurzem Sowjetunion zu nennen gewohnt waren, uns in Europa unmittelbar betreffen, daß unsere Sache in Jugoslawien, in der Tschechoslowakei, in Rußland, in der Ukraine, im Baltikum und wo auch immer verhandelt wird und daß wir davon unmittelbar betroffen sind und daß, je mehr Instabilitäten, Risiken und Unsicherheiten sowie schnelle, dramatische, in ihren Auswirkungen ganz unabsehbare Veränderungen in Osteuropa zu verzeichnen sind, um so mehr Stabilität durch europäische Einheit und durch Fortschritte in der europäischen Einigung im Westen Europas notwendig ist.
    In diesen historischen Zusammenhang muß man Maastricht einordnen, um zu begreifen, worum es geht und warum es bei allen Schwierigkeiten und bei allem, was uns auch an dem Ergebnis von Maastricht nicht voll zufriedenstellen kann, notwendig und rich-
    5808 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991
    Dr. Wolfgang Schäuble
    tig ist, diesen Weg zu gehen und auch unsere Beiträge dafür einzubringen.
    Hätte in Maastricht mehr erreicht werden können? Das ist die Frage.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Für deutsche Interessen schon!)

    — Für deutsche Interessen, ja, das Wort kenne ich schon; aber seien Sie doch in der Art, wie Sie es in den Mund nehmen, zurückhaltend. Lassen Sie uns doch einmal in Ruhe die Fragen prüfen.
    Zunächst einmal ist wichtig: An dem, was in Maastricht vereinbart werden konnte — und Sie haben nichts davon kritisiert —, ist, glaube ich, aus der deutschen Sicht nichts Falsches, sondern alles, was in Maastricht erreicht worden ist — es ist wichtig, das festzuhalten — , entspricht unseren Überzeugungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das gilt für alles — darin stimmen wir überein, und dafür habe ich mich bedankt — , was zur Wirtschafts- und Währungsunion vereinbart worden ist. Es ist ja wichtig, daß etwa der Präsident der Deutschen Bundesbank, Herr Schlesinger, ausdrücklich erklärt hat, daß alle wesentlichen Forderungen der Deutschen Bundesbank insoweit erfüllt worden sind. Es ist genauso wichtig, daß die zentralen Forderungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht unserer Erfahrungen als Bundesstaat, was die regionale Entwicklung in Europa, was das Subsidiaritätsprinzip betrifft, erfüllt worden sind. Das ist ganz wichtig. Wir können ein vereintes Europa nicht anders zustande bringen und nicht anders bauen als nach den Bauprinzipien des bundesstaatlichen Prinzips und des Subsidiaritätsprinzips. Auch dieses ist richtig vereinbart.
    Wir hätten uns auch mehr Rechte für das Europäische Parlament gewünscht. Wer denn nicht in diesem Deutschen Bundestag?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber es macht wenig Sinn, daran die Kritik anzusetzen. Sie haben es auch nicht getan. Allerdings haben Sie mit Worten wie „eingeknickt" ein falsches Bild beschrieben. Es ist doch niemand eingeknickt. Die Frage ist doch: Wenn mehr nicht zu erreichen war
    — und wer die Verhandlungen verfolgt hat, kann nicht ernsthaft behaupten, daß vor und in Maastricht in dieser Frage mehr zu erreichen gewesen wäre —, dann wäre ja, wenn man es mit dem Wort „eingeknickt" beschreibt, die Konsequenz die, daß man das, was man jetzt in Maastricht vereinbart hat, nicht hätte vereinbaren sollen;

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    aber das haben Sie nicht gesagt. Nehmen Sie deswegen diesen Begriff bitte zurück, weil er ein falsches Bild beschreibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir werden weiter daran zu arbeiten haben. Darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Sie haben ja auch das Wort „nachverhandeln" , das ich gestern gelesen habe, heute nicht gebraucht, sondern von „weiterarbeiten" gesprochen. Mit „weiterarbeiten" bin ich einverstanden.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das Wort „nachverhandeln" stammt von Herrn Klepsch und von Herrn von Wechmar!)

    — Ich habe es leider bei Ihnen in Ihrer Presseerklärung gelesen.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Sie müssen auch bei anderen lesen!)

    — Ja, gut, ich lese halt Ihre mit besonderer Aufmerksamkeit.

    (Zuruf der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])

    — Also werde ich es in Zukunft auch nicht mehr tun; dann spare ich schon wieder ein bißchen Zeit.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Dann ziehen Sie aber die falschen Konsequenzen daraus!)

    Jetzt will ich zur Frage der Zahl der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament etwas sagen. Frau Matthäus-Maier, Sie haben, wenn ich mich recht erinnere — ich bin nicht ganz sicher, meine es aber zu wissen — , die Frage aufgeworfen, ob dieser Deutsche Bundestag nicht eher zu viele als zu wenige Mitglieder habe.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das stimmt! — Freimut Duve [SPD]: Aber alle sollen vertreten sein!)

    — Ja, alle sollen vertreten sein, aber wohl doch ein Stück weit entsprechend den jeweiligen Anteilen, die sie zu vertreten haben.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das widerspricht sich doch nicht!)

    — Nein. (Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich bin dafür, daß wir die Frage ehrlich unter uns und mit unseren europäischen Partnern besprechen. Wenn wir bei weiteren Beitritten, die wir ja alle wünschen, für die wir uns einsetzen, gleichwohl die Zahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments begrenzt halten wollen, um der Arbeitsfähigkeit und damit um der demokratischen Gestaltungskraft dieses Parlaments willen, dann werden wir auch die Zahl der deutschen Abgeordneten nicht für sakrosankt erklären dürfen, sondern dann werden wir bereit sein müssen, darüber zu reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es macht keinen Sinn, den Menschen vorher etwas anderes zu sagen. Sonst arbeitet man mit unvereinbaren Prinzipien.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das haben Sie doch getan, nicht wir!)

    — Nein, Sie haben es hier getan. Der Bundeskanzler hat gesagt, er sei dafür, daß man offen mit den Partnern darüber spreche, daß man eine faire Vertretung
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 5809
    Dr. Wolfgang Schäuble
    aller Mitgliedstaaten und der Bevölkerung ganz Europas im Europäischen Parlament wolle.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Freimut Duve [SPD] : Er ist damit nicht durchgekommen!)

    — Also gut, dann will ich auch dazu einen Satz sagen. Im Hinblick darauf, was wir erreichen wollten und was ein Stück weit nicht voll erreicht werden konnte, etwa was die Entscheidungsrechte des Parlaments anbetrifft — das ist doch gar nicht streitig zwischen uns — , wäre es doch falsch gewesen, unsere Position vor Maastricht nicht klar zu vertreten. Sonst hätten Sie der Bundesregierung zu Recht Vorwürfe machen können. Aber es macht doch keinen Sinn, wenn Sie nach solchen Verhandlungen dann, wenn nicht hundert Prozent von dem, was man als eigene Position vorher und während der Verhandlungen vertreten hat, erreicht wurde, zu kritisieren, man sei eingebrochen oder man habe etwas nicht durchgesetzt. So kann man keine Verhandlungen begleiten. Das ist kein ehrlicher Umgang miteinander.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen müssen wir, wenn Sie mit uns am europäischen Haus wirklich weiterarbeiten wollen, auch was die Möglichkeiten in solchen Verhandlungen anbetrifft, ehrlich miteinander umgehen.

    (Freimut Duve [SPD]: Bezweifelt ja keiner!)

    Man muß vorher die Positionen klar vertreten und hinterher bereit sein, dazu zu stehen, daß von der eigenen Position vielleicht nur 80 oder 90 % erreicht worden sind. Man darf das Ergebnis dann nicht mit solchen Begriffen wie „einknicken" oder „unter der Meßlatte durchkriechen" diffamieren. Das macht keinen Sinn.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wofür sind wir da? Wenn nicht einmal die Opposition Sie auf Ihre Mängel und Fehler aufmerksam machen kann?)

    — Was heißt „Mängel" und „Fehler"?

    (Hans-Ulrich Klose [SPD]: Was soll denn die Opposition Ihrer Meinung nach tun? Den Part „Lobhudelei" machen Sie doch selber! Sind wir nicht dazu da, weitergehende Forderungen zu stellen?)

    — Einverstanden, Herr Klose. Darüber können wir uns verständigen.

    (Hans-Ulrich Klose [SPD]: Na also!)

    Wenn Sie den Eindruck haben, daß das, was ich hier mache, Lobhudelei sei, schlage ich Ihnen vor, daß Sie frühere Reden von Ihnen noch einmal nachlesen.

    (Freimut Duve [SPD]: Wir geben zu: Es ist eine verhaltene Lobhudelei! Das Lob ist verhalten!)

    Ich bin auch dafür, daß wir über die Arbeitsteilung zwischen Regierung und Opposition durchaus vernünftig miteinander reden. Ich finde nur, daß es unwahrhaftig ist, wenn man in der Bewertung des Ergebnisses von Maastricht nicht ausspricht, daß diese Bundesregierung ihre Positionen klar vertreten hat,
    daß sie im Sinne unserer gemeinsamen Position viel erreicht hat und daß es nicht an der Bundesregierung gelegen hat, wenn in Maastricht in den Punkten, in denen nicht mehr erreicht werden konnte, was wir gemeinsam bedauern, nicht mehr erreicht werden konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin der Meinung, wenn wir gemeinsam am europäischen Haus weiterarbeiten wollen, müssen wir die Bedingungen, unter denen wir diese Arbeit zu leisten haben, bei Gelegenheit dieser Debatte genau formulieren.
    Auch in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hätten wir alle miteinander größere Schritte erwartet.

    (Hans-Ulrich Klose [SPD]: Na also! — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sollen wir Sie deswegen loben?)

    — Ich sage doch gar nicht, daß Sie uns loben sollen. Ich rede doch über die Probleme, die wir miteinander zu besprechen haben.
    In der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik müssen wir, was die Handlungsfähigkeit des vereinten Europa anbetrifft, auch über die Frage reden, was der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zu sein hat, um in einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eines vereinten Europa handlungsfähiger zu werden, als wir es bisher gewesen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Da werden die Sozialdemokraten noch einige Beiträge zu leisten haben.
    Wir werden in der gemeinsamen Innen- und Rechtspolitik — ich will das heute nicht vertiefen — über europäische Lösungen, etwa in der Asylpolitik, in den nächsten Wochen miteinander zu sprechen haben. Auch da wird der Beitrag der Sozialdemokraten noch genauer zu definieren sein, als es bisher in den letzten Wochen möglich gewesen ist.

    (Peter W. Reuschenbach [SPD]: Ihr Zickzackkurs in dieser Frage ist nicht sehr überzeugend!)

    — Mein Kurs ist ziemlich klar. (Zuruf von der SPD)

    — Dann will ich es Ihnen noch einmal sagen: Wir brauchen in der Asylpolitik wie in anderen Politikbereichen europäische Lösungen. Diese können nicht anders erreicht werden, als daß wir an der vereinbarten Zusammenarbeit, die jetzt in der ersten Stufe intergouvernemental ist, vorbehaltlos teilnehmen. Ich habe schon in der Haushaltsdebatte gesagt, daß ich gerne möchte, daß wir vorbehaltlos miteinander reden, mit dem Ziel, daß wir zu diesen europäischen Lösungen kommen. Da wird Ihr Beitrag gefordert sein. Da können Sie zeigen, daß es Ihnen ernst ist, daß wir gemeinsam am europäischen Haus weiterarbeiten wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Mir ist bei der Bewertung und bei der Überlegung dessen, was in Maastricht erreicht worden ist und was
    5810 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991
    Dr. Wolfgang Schäuble
    an weiteren Arbeiten noch zu leisten sein wird, gelegentlich in Erinnerung gekommen, wie wir Anfang der 80er Jahre über die Lage in der Europäischen Gemeinschaft und den europäischen Einigungsprozeß miteinander nachgedacht haben. Damals war viel von Eurosklerose die Rede. Manche Ergebnisse von Gipfeln, die auch mit vielen Erwartungen befrachtet waren, sind noch kritischer und skeptischer betrachtet worden. Wenn wir es heute zurückschauend betrachten, dann stellen wir fest, daß es in dieser Regierungszeit gelungen ist, vieles an dynamischen Kräften im europäischen Einigungsprozeß neu freizusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Die Vereinbarungen, den europäischen Binnenmarkt ab 1. Januar 1993 Wirklichkeit werden zu lassen — bei vielen Schwierigkeiten, die den Vereinbarungen zunächst im Weg standen — haben gezeigt, daß durch die Irreversibilität, die Unumkehrbarkeit dieses Prozesses dynamische Kräfte freigesetzt worden sind, die uns jetzt wirklich voranbringen. Ich füge übrigens hinzu: Bei der Vorbereitung auf den europäischen Binnenmarkt muß die sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Fraktion — in Bund und Ländern im übrigen — noch Beiträge leisten, denn der Stand, den wir im Augenblick im Vermittlungsausschuß bei der Unternehmensteuerreform und beim Steueränderungsgesetz haben, erfordert natürlich auch noch ihre Beiträge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Es geht nicht, wenn jedermann weiß, daß die Mehrwertsteueranhebung zum 1. Januar 1993 verbindlich kommen muß, dann eine Blockadepolitik mit der Mehrheit im Bundesrat zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Norbert Wieczorek [SPD]: Herr Waigel hat sie doch herbeigeredet! Sonst wäre es doch nicht so gekommen! — Freimut Duve [SPD]: Wer wollte denn hier nicht polemisieren?)

    So kann man ein europäisches Haus nicht bauen.
    Wenn wir im einheitlichen Binnenmarkt den Investitionsstandort Bundesrepublik Deutschland wettbewerbsfähig halten wollen, ist die Unternehmensteuerreform ebenso dringend notwendig wie die Verbesserungen im Familienlastenausgleich. Deswegen bitte ich, in dieser letzten Debatte vor der Weihnachtspause herzlich: Geben Sie bis Januar Ihre Blockadeposition auf.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das war ein guter Rat!)

    Ich jedenfalls bin in der Bewertung von Maastricht bei allem, was an weiteren Arbeiten zu tun bleibt — und es wird weiterhin viel Mühe kosten — , ganz überzeugt — weil der Prozeß zur europäischen Einigung durch die Vereinbarungen von Maastricht nun wirklich unumkehrbar geworden ist, genau wie der Weg zum einheitlichen Binnenmarkt Mitte der 80er Jahre unumkehrbar eröffnet worden ist —, daß wir einen entscheidenden historischen Schritt auf dem Weg zur europäischen Einheit in dieser Woche getan haben. Dafür dankt die Fraktion der CDU/CSU der Bundesregierung, dem Bundeskanzler, dem Bundesaußenminister, dem Bundesfinanzminister.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dieser historische Durchbruch ist in einer Zeit von besonderer Bedeutung, in der Osteuropa auf uns schaut, in der die Dritte Welt auf uns schaut und in der Entscheidendes davon abhängt, daß wir die Chancen, die sich durch den Wegfall von Mauer und Stacheldraht in Deutschland, durch den Wegfall des Eisernen Vorhangs in Europa, durch den Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums ergeben haben, nutzen — Chancen, die der Welt ein dramatisches Tempo an Veränderungen mit sich bringen. Wir brauchen viel Kraft, um aufzufangen, was es an Veränderungen gibt, um neue Stabilitäten für ein Leben in Frieden und Freiheit zu schaffen. Dafür brauchen wir die Einheit der Europäer. Das ist das Gebot der Stunde, und auf diesem Wege sind wir in Maastricht ein gutes Stück vorangekommen.
    Wir werden — hoffentlich mit Ihnen gemeinsam — weiterarbeiten, damit dieses gut fundierte europäische Haus auch in seiner Ausstattung nach innen und außen dem gerecht wird, was wir für die Zukunft unserer Bürger brauchen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)