Rede von
Günter
Graf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich grundsätzlich bemerken, daß mich die Debatte — abgesehen von Ihrem Beitrag Herr Heuer — ganz froh gestimmt hat mit der Einschätzung, daß wir im Laufe der künftigen Beratungen möglicherweise doch zu einer einvernehmlichen Lösung kommen; denn nach den Argumenten, die ich gehört habe, stelle ich fest, daß wir so weit nicht auseinanderliegen.
Aber ich denke — das festzustellen scheint mir wichtig — , es muß uns daran gelegen sein, daß die polizeilichen Ermittlungen und die juristische Aufarbeitung dieser Regierungs- und Vereinigungskriminalität für diesen Rechtsstaat unerläßlich sind und unverzüglich durchgeführt werden. Wenn dies nicht geschieht — ich sage das in aller Deutlichkeit —, bringt sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland in den Augen der Bürger nicht nur in den neuen Ländern in den Verdacht, sie hänge die Kleinen und lasse die Großen laufen.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß seit Monaten eine Lawine von Großverfahren die Berliner Polizei überrollt. Wenn man sich die Zahlen, die bisher bekanntgeworden sind, vor Augen führt, dann kommt man zu der Erkenntnis, daß es schon eine schlimme Sache ist, daß in dieser Angelegenheit so herzlich wenig geschehen ist. Denn es geht hier letztlich um Milliardenbeträge. Ich sage dies in aller Deutlichkeit, auch vor dem Hintergrund, daß wir uns in den vergangenen Monaten als Regierung — das ist an Sie , an die Koalition, gerichtet — nicht gescheut haben, den Bürgern durch Abgaben- und Steuererhöhungen in die Tasche zu greifen, während wir auf der anderen Seite Milliardenbeträge, die der Staat im Grunde genommen abschöpfen könnte, dadurch brachliegen lassen, daß wir nicht entsprechend handeln.
Ich betone: Wir haben in unserem Antrag gesagt, es geht uns darum, dem BKA die Aufgaben gemäß § 5 Abs. 3 des BKA-Gesetzes zu übertragen.
Ich will die Diskussion auch wegen der Kürze der Zeit hier nicht ausweiten. Aber darüber kann man reden, und wir werden das im Ausschuß zu tun haben. Ich denke, wir sind gar nicht so weit auseinander. Denn, Herr Gerster, Sie haben — ich fand die Art Ihrer Rede vorhin ja ganz nett; wir haben einmal einen anderen Johannes Gerster, als wir ihn an und für sich bisher gekannt haben, erlebt —
am 30. November in Ihrer Heimatzeitung selber gesagt, der Sechs-Punkte-Plan der IMK müsse umgesetzt werden, und haben insbesondere auf die Ziffer 6 hingewiesen. Ich darf zitieren, was Sie dort in Ihrer Presseerklärung gesagt haben:
Ein Staatsvertrag muß regeln, wie die im gesamtstaatlichen Interesse liegenden Aufräumarbeiten endlich effektiv und zeitnah bewältigt werden können.
Weiter heißt es — dabei bitte ich doch einmal um Aufmerksamkeit — :
Sollten die Bundesländer aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sein, muß der gesamte Ermittlungskomplex dem Bundeskriminalamt übertragen werden.
— Ich habe ja auch sehr wohl gehört, was Sie ausgeführt haben,
und habe in meiner Eingangsbemerkung festgestellt, daß wir ganz offensichlich nicht so weit auseinander liegen. Ich denke, wir werden in sachlicher und vernünftiger Form, wie es ja in aller Regel im Innenausschuß dankenswerterweise geschieht — ich will das hier einmal betonen; es scheint nicht überall der Fall zu sein —, über dieses Thema beraten und uns einander ziemlich annähern.
Wie gesagt, ich möchte die juristische Frage, ob das nun so absolut richtig ist, wie es in dem Antrag steht
5790 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Günter Graf
— wir sind davon überzeugt; ich persönlich bin es ebenfalls — , hier nicht weiter vertiefen.
Ich will auch ganz deutlich sagen, daß der Beschluß der Innenministerkonferenz vom 3. Mai 1991 natürlich umgesetzt werden muß. Die Aufforderung an die Bundesländer, dieser Verpflichtung nachzukommen, teilen wir; dies ist unbestreitbar. Nur ist es nicht in Ordnung — das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen, Herr Gerster; aber das deckt sich auch mit Ihrer Erklärung vom 30. November in der „Mainzer Allgemeinen Zeitung" —, hier so zu tun, als seien es die SPD-regierten Länder, die ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Aus den Zwischenrufen ist deutlich geworden, daß Niedersachsen und Hessen — ich denke, das sind SPD-regierte Länder, wenn ich das alles so richtig im Kopf habe —
mit unter den ersten waren, die ihrer Verpflichtung nachgekommen sind. Daß dieses nicht ausreicht, soll hier gar nicht bestritten werden. Aber ich halte es in einer solchen Diskussion, in der es um ein gemeinsames Anliegen geht, nicht für gut, mit Darstellungen zu operieren, die der Wahrheit nicht entsprechen. Vielmehr sollten wir uns bemühen, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, und auch die Verantwortung des Bundes, so wie Sie sie ja selber in Ihrer Erklärung eingeklagt haben, weitaus mehr berücksichtigen.
— Man hat ja nicht immer so viel Zeit; das ist stets das Problem, Herr Gerster.
Man bekommt nicht alle Zeitungen. Aber ich finde wirklich sehr interessant, was da gesagt worden ist.
Ich möchte auch noch ein Wort zu der Frage verlieren, wie es eigentlich dazu gekommen ist, daß der Berliner Polizei diese Aufgabe übertragen worden ist. Bei uns in der Bundesrepublik gilt grundsätzlich das Tatortprinzip. Da die Regierung der Ex-DDR, die Organe der Ex-DDR und die Treuhand ihren Sitz in Berlin halten bzw. haben, wird daraus natürlich geschlossen, daß Berlin der Ort ist, an dem alles gebündelt werden muß. Aber das kann die Berliner Polizei nicht leisten. Das ist schier unmöglich. Deswegen habe ich Ihnen, Herr Kollege Gerster, vorhin die Zwischenfrage gestellt, wie es um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestellt ist. Was in diesem Bereich geschehen ist, zieht sich ja wie ein Netz über die ganze Republik. Es ist der Hinweis gegeben worden
— ich weiß gar nicht, wer es gesagt hat — : Es geht ja nicht nur darum, was die dortige Regierung, die Nachfolger und der Stasi gemacht haben, sondern es geht auch um westdeutsche Unternehmen, die in diese Unternehmungen verwickelt sind.
Daher, denke ich, muß uns allen daran gelegen sein, diese gesamtstaatliche Aufgabe zu erkennen.
Ich möchte zum Schluß mit allem Nachdruck darum werben und appellieren, daß wir bei den Beratungen im Innenausschuß in einer, wie ich meine, doch sehr
sachlichen Form weiter miteinander reden sollten, weil ich glaube, daß wir so zu einer vernünftigen Lösung kommen, die dem Anspruch, den wir alle erheben, nämlich entscheidend gegen Regierungs- und Vereinigungskriminalität einzutreten, gerecht wird.
Ich danke.