Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nein. Ich glaube das deswegen nicht, weil es international — mindestens auf EG-Basis — eine Vereinbarung über die Höhe der Subventionierung von Schiffsexporten gibt. Mir wäre es lieber, sie würde überhaupt nicht stattfinden, und wir würden alle samt und sonders auf diese Subventionen verzichten. Aber wenn alle anderen Subventionen zahlen, dann — das muß ich im Interesse der deutschen Werften schon sagen — können wir uns davon leider — das unterstreiche ich — nicht vollständig ausschließen.
Meine Damen und Herren, ich halte es für zentral, daß wir dem Aspekt der Integration der Reformländer Mittel- und Osteuropas mehr Aufmerksamkeit widmen, als es in der Anfrage geschieht. Ich brauche mich hier nicht über die Gefahren eines Scheiterns der Reformen in diesen Ländern zu verbreiten. Jeder kennt das. Es ist erheblich in unserem eigenen Interesse, daß wir alles dafür tun, auch diesen Ländern unsere Märkte zu öffnen, und daß diese Länder in die Staatengemeinschaft des freien Westens aufgenommen werden. Dazu ist das GATT ein wichtiges Instrument.
Die Agrarpolitik — das ist erwähnt worden — ist im Rahmen der GATT-Runde ein sensibles Thema. Betroffen ist vor allem die EG, aber nicht sie allein. Auch die USA und Japan müssen sich bewegen. Die GATT-Runde darf an den Fragen der Agrarpolitik nicht scheitern. Umgekehrt gilt aber auch: Die Bauern dürfen nicht das Opfer der GATT-Runde werden.
Es ist unbestritten: Reformen sind in der EG unausweichlich. Die zugespitzte Überschußlage auf den Hauptagrarmärkten, die sehr hohen Haushaltsbelastungen national wie auch in der Gemeinschaft und die sinkenden Einkommen zwingen doch dazu. Deshalb hat die Bundesregierung mit ihrer Kabinettsentscheidung am 9. Oktober richtigerweise einen engen Zusammenhang zwischen den Reformen der gemeinsamen Agrarpolitik und den GATT-Verhandlungen hergestellt.
Die Beseitigung der Überschüsse soll durch ein ausgewogenes und wirksames Bündel von Maßnahmen der Mengen- und Preissteuerung gegen Einkommensausgleich erreicht werden, und ein ausreichender Außenschutz ist zu gewährleisten. Dies bietet allen die Chance, in den Jahren des Übergangs zu den notwendigen strukturellen Anpassungen zu kommen. Daß auch die Amerikaner zeitweilig überzogene Forderungen auf diesem Gebiet, was den Zeitablauf anlangt, gestellt haben, das weiß ja jeder.
Das GATT ist im Übergang, entweder im Übergang zu einem neuen, verbesserten Welthandelssystem, basierend auf den Prinzipien der offenen Märkte, der Meistbegünstigung und der Multilateralität, oder im Übergang zur Bedeutungslosigkeit.
In Genf wird jetzt über die Regeln verhandelt, nach denen sich in Zukunft der weltweite Warenaustausch vollziehen wird. Die Alternative des Scheiterns besteht deshalb praktisch nicht. Ein Scheitern bedeutete, daß die protektionistischen Kräfte in der Welt gestärkt würden, nicht nur in Amerika — Super 301 ist ein richtiges Beispiel —, wo sie besonders stark sind, sondern auch in anderen Ländern, daß Unilateralismus, Bilateralismus und Blockbildung weiter um sich griffen, daß der Handel noch weiter als bisher politisiert würde und daß die handelspolitische Konfrontation zunähme. Der jetzt überwundene Kalte Krieg darf ja wohl nicht durch einen Handelskrieg ersetzt werden.
Ein Scheitern der Uruguay-Runde hätte Verarmung und wirtschaftlichen Niedergang vieler Länder, vor allem der Dritten Welt, zur Folge. Es ist nicht erkennbar — um dies erneut zu betonen — , wie die Reformprozesse in Osteuropa zum Erfolg geführt werden können. Zu Recht wird deshalb auf allen großen internationalen Treffen die Bedeutung der GATT-Runde
5760 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Dr. Otto Graf Lambsdorff
betont; Herr Kittelmann hat den Gipfel in Maastricht erwähnt.
Jetzt ist vor allem Kompromißbereitschaft gefordert und keine Taktiererei. Es ist wirklich keine Zeit mehr. Wenn wir in den amerikanischen Wahlkampf hineinlaufen, dann wird die GATT-Runde, die UruguayRunde, keinen Erfolg mehr haben können.
Die Experten haben in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet. Sie sind in großen Teilen zu positiven Ergebnissen gekommen. Man soll das nicht kleinschreiben; es ist schon eine Menge erreicht worden. Aber sie können die vielfältigen politischen Interessenlagen nicht aufweichen oder aufbrechen. Jetzt sind politische Entscheidungen geboten: Es ist geboten, daß die drei großen wichtigen Handelsblöcke — die EG, die USA und Japan — aufeinander zugehen, und zwar im Agrarbereich, bei Dienstleistungen, bei geistigem Eigentum, bei Investitionen und bei Streitschlichtungen — um die Hauptpunkte zu nennen.
Die GATT-Runde muß auch deshalb zum Abschluß kommen, damit weiterführende wichtige Themen endlich aufgegriffen werden können. Einige davon sprechen Sie von der Opposition in der Anfrage an: die institutionelle Reform des GATT, die Fragen von Währungspolitik und Handel oder die Fragen von Handelspolitik und Umwelt.
Ein wichtiges, wie ich finde, sehr wichtiges Thema fehlt, und zwar das Thema Handel und Wettbewerb. Diese Problematik erlangt angesichts der wachsenden Neigung großer Unternehmen, mittels Kooperationen und strategischer Allianzen den internationalen Wettbewerb zu beschränken, immer höhere Aktualität.
Dasselbe gilt angesichts der immer wieder zu beobachtenden Neigungen zu sektoralen industriepolitischen Aktivitäten, zu denen Sie allerdings eine bestimmte Affinität haben, verehrter Herr Wieczorek. Eine funktionsfähige Marktwirtschaft setzt Wettbewerb und dessen Überwachung voraus.
— Das ist ja richtig; mit Ihnen kann ich mich auch eher einigen als mit manchem anderen bei Ihnen; das wissen Sie auch. — Ich hoffe, diese Bemerkung schadet Ihnen nicht.
Ich habe sie nicht boshaft gemeint.
Ist dieser Wettbewerb nicht gewährleistet, dann bilden sich Kartelle und Monopole mit allen damit zusammenhängenden negativen Folgen.
Das freie Welthandelssystem bedarf deshalb der wettbewerbspolitischen Ergänzung. Ich weiß sehr wohl, daß damit sehr komplizierte und schwierige
Fragen aufgeworfen sind, nicht zuletzt die Problematik des Souveränitätsanspruchs der einzelnen Staaten. Ich halte es doch für notwendig, daß dieses Thema aufgegriffen wird, gerade angesichts der Umwälzungen in Osteuropa und angesichts der Tatsache, daß sich immer mehr Entwicklungsländer von der Politik des punktuellen Interventionismus abwenden. Wir hören doch nichts mehr von der „new economic world order" ; wir hören nichts mehr von der Arusha-Deklaration und all dem, mit Verlaub gesagt: Unfug, der auf den UNCTAD-Konferenzen jahrzehntelang vorgetragen worden ist.
Weil diese Länder sich mehr zu marktwirtschaftlichen Reformen hinwenden, besteht jetzt die begründete Perspektive, auf dem Wege zu einer Weltmarktwirtschaft voranzukommen. Der erfolgreiche Abschluß der GATT-Runde ist ein Meilenstein auf diesem Weg. Wir müssen diesen Weg mit politischer Verantwortung und Kompromißbereitschaft, mit Mut und mit Tatkraft gehen. Wenn die Bundesregierung diese Eigenschaften bei diesen Verhandlungen zeigt, dann hat sie die Unterstützung der FDP.
Herzlichen Dank.