Rede von
Peter
Kittelmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorgestern sind die Verhandlungen von Maastricht zu Ende gegangen. — Ein wichtiges Datum auf dem Weg zum gemeinsamen Europa. Wir werden morgen Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren.
Die Aussicht auf eine gemeinsame europäische Währung 1999 und eine unabhängige Europäische Zentralbank sind großartige Erfolge, die vor allen Dingen auf der konsequenten und beharrlichen Politik der Bundesrepublik beruhen. Dafür sage ich den anwesenden Herrn Staatssekretären — stellvertretend für die ganze Regierung — herzlichen Dank.
Auch in Maastricht wurde über GATT gesprochen. Der Europäische Rat hat in diesem Zusammenhang seine Entschlossenheit bekräftigt, bis Jahresende zu einem substantiellen und ausreichenden Gesamtpaket zu gelangen. Die CDU/CSU unterstützt ganz klar das, was der Rat in Maastricht beschlossen hat. Nur, jetzt hoffe ich auch, daß die EG die Kraft aufbringt, das, was sie beschlossen hat, dann auch in der Uruguay-Runde umzusetzen.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor einem wichtigen Datum. Beim EG-Gipfel, und zwar meistens im Wirtschaftsteil, wurde sehr häufig auf die Wichtigkeit dieses Datums hingewiesen. Wie wichtig der Erfolg dieser Runde ist, das können auch wir hier gar nicht häufig genug gemeinsam betonen. GATT entscheidet nicht nur über die Zukunft der Weltwirtschaft, sondern auch über den Umgang der großen Handelsmächte untereinander und über ihr Verhalten gegenüber der Dritten Welt.
Europa und seine Europäische Gemeinschaft haben ja eine unverhältnismäßig große Verantwortung zu tragen, deren sie sich bewußt sein müssen. Es gibt aus diesem Grunde zwei Dinge zu berücksichtigen. Zum einen suchen wir nach nationalen Problemlösungen — die deutsche Seite verhandelt mit eigenen Ansprüchen im GATT —, zum anderen aber muß Brüssel dafür Sorge tragen, daß Europa geschlossen mit einer Zunge spricht.
Im Zusammenhang mit den immer wieder blockierten und gescheiterten oder verschobenen GATT-Verhandlungen wurde häufig von einem „Endspurt" gesprochen, so auch jetzt wieder. Meine Damen und Herren, wir müssen diesen Endspurt diesmal ernster nehmen als all die anderen vorangegangenen. Ich zweifle daran, ob die Amerikaner, wenn GATT scheitert, noch einmal bereit sein werden, ihren Kongreß zu überreden, eine weitere GATT-Runde zu machen.
Dies würde heißen, daß es auf vielen Sektoren für uns erhebliche Nachteile gibt. Was steht an? Es gibt noch strittige Fragen auf dem Agrarsektor, auf dem Textilsektor, im Bereich des Marktzugangs, im Dienstleistungsbereich und beim Schutz geistigen Eigentums. All dies bedarf konsenshafter Klärung.
Im Moment stehen die Zeichen nicht schlecht. GATT-Direktor Dunkel hat angekündigt, daß auf allen Verhandlungsgebieten Verhandlungstexte vorliegen. Vor allen Dingen in den Bereichen Antidumping, Agrarsektor, Investitionsschutz und Zahlungsbilanzprobleme muß man jetzt zu Ergebnissen kommen. Ermutigend sind auch die Signale aus den Vereinig-
5756 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Peter Kittelmann
ten Staaten. Die US-Handelsbeauftragte, die harte Dame Carla Hills, hat sich erstmals optimistisch im Hinblick auf den Abschluß der GATT-Runde geäußert.
— Sie reden zu viel von der Landwirtschaft, es gibt auch noch andere Probleme.
Es besteht mittlerweile Übereinstimmung, daß ein multilateraler liberalisierter Handel erheblich größere Potentiale aufbringen kann als nur bilaterale und regionale Handelsabkommen.
Meine Damen und Herren, über einhundert Nationen vertreten 90 % des gesamten Welthandels, und immer mehr Länder erkennen das GATT als das integrative Instrument für die Weltwirtschaft an. Tatsächlich ist das GATT auch eine Institution, die sehr unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften in sich vereint. Damit lastet auf den GATT-Verhandlungspartnern auch eine erhebliche Bürde der Verantwortung.
Meine Damen und Herren, wir alle müssen davon ausgehen, daß diese Verantwortung auch für die mittel- und osteuropäischen Länder und für die Entwicklungsländer gilt. So wie wir Mittel- und Osteuropa rasch in einen offenen und freien Welthandel mit seinem marktorientierten Organismus eingliedern müssen, brauchen die Entwicklungsländer ihre Absatzmärkte bei uns. Insofern stimmen wir mit dem überein, Herr Wieczorek, was Sie ausgeführt haben. Jegliche Form von Protektionismus — ich betone: jegliche Form — gilt im Prinzip als unverantwortlich und muß deshalb auch als unverantwortbar abgelehnt werden.
Meine Damen und Herren, daneben geht es bei den Verhandlungen aber auch um die Durchführung von Festschreibungen, die wir schon im Vorfeld hinter uns gebracht haben, nämlich im Bereich des Abbaus von Zöllen. Was wir diesmal in Genf brauchen, ist eine Verabschiedung des Gesamtpaketes von Verhandlungsergebnissen. Dazu gehört es übrigens auch, nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß die CDU/CSU die Bundesregierung auffordert, alles zu tun, um auch Taiwan im GATT zu berücksichtigen. Wir können es nicht länger hinnehmen, daß hier ausgerechnet China der Verhinderungspartner ist. China hat in der letzten Zeit gezeigt, was es von der Achtung von Menschenrechten hält. China, das noch nicht einmal Vollmitglied im GATT ist, sollte in dieser Frage Zurückhaltung üben.
Ich darf abschließend sagen: Wir müssen daran interessiert sein, das weltweite GATT-System zu stärken und Handelskonflikte zu vermeiden. Insofern zeigt auch diese handelspolitische Konferenz, daß Wirtschaftspolitik auch immer friedenssichernde Politik ist. Wirtschaftliche Verflechtung fördert friedliche Zusammenarbeit und sichert langfristig das friedliche Miteinander der Staaten.
Die CDU/CSU fordert die Bundesregierung deshalb wiederum auf, alles Erforderliche zu tun, die GATT-Runde abzuschließen. Mehr als andere sind wir auch aus innenpolitischen Gründen auf einen erfolgreichen Ausgang angewiesen. Denn, wie schon betont, jeder dritte Arbeitsplatz bei uns hängt vom Export ab. Dennoch: Wir sind nicht nur eine Exportnation. Wir müssen daher den schwierigen Balanceweg zwischen exportorientierter Politik und landwirtschaftlichen Interessen beschreiten. Die außenpolitische Dimension des GATT ist gewaltig. Wir wünschen der Bundesregierung die notwendige glückliche Hand bei der Lösung dieser Probleme.
Schönen Dank.