Rede von
Erich G.
Fritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte Beitrag zeigt ja ganz deutlich noch einmal
— na, zumindest konnte man ihm besser zuhören als Ihrem; den haben wir alle schon zehnmal gehört, Herr Schäfer — , wie schwer es ist, sich an Europa zu gewöhnen. Eine ganze Reihe von Debatten, die in den letzten Monaten und Jahren geführt wurden — wenn man Bilanz zieht — , gehören zu dieser Kategorie, von der Sie gerade gesagt haben, daß sie überholt sei. So wird das natürlich auch bei dem sein, was im Konzept der Bundesregierung steht und für diesen Augenblick richtig und sinnvoll ist, aber durch weitere Entwicklungen im europäischen Markt natürlich verändert wird. Diesen wollen wir doch alle zusammen; das haben Sie gerade noch einmal betont. Dann dürfen Sie sich auch nicht darüber beschweren, daß in Zukunft der Verbraucher, der Bezieher von Energie tatsächlich ein Auswahlrecht haben muß.
Nach diesem Bericht der Bundesregierung, so hat es der Herr Bundeswirtschaftsminister gerade vorgetragen, wurde im Bereich der Kohle etwas auf eine Weise erreicht, wie wir uns das vorstellen, nämlich im Konsens, wenn auch mit großen Schmerzen, und es ist durch die Handlungen der Kommission noch einmal verändert worden.
Diese stärkere Abhaldung stellt natürlich für die Betreiber, für die Unternehmen, auch für die Mitarbeiter eine zusätzliche Erschwernis dar und verlangt nach größeren Anpassungsleistungen, als wir das erwartet haben. Dennoch hat die Steinkohle eine Perspektive, die es möglich macht, längerfristig Investitionen, Strukturanpassungen und damit auch soziale und regionale Flankierung zu betreiben. Ich glaube, darauf kam es an. Dabei wissen wir alle, daß dies kein Zustand für Jahrzehnte sein wird.
Der Wirkungsgrad bei der Verfeuerung deutscher Steinkohle ist in den letzten Jahren durch erhebliche Anstrengungen bei der Verstromung, durch staatliche Vorgaben, aber auch durch ein enormes Engagement in der Forschung und in der Wirtschaft wesentlich verbessert worden. Das heißt, daß bei geringerer verbrauchter Primärenergie eine höhere Leistung erzielt wird. Dieses Vorgehen ist ein Verdienst der Umweltpolitik dieser Bundesregierung und sollte doch auch ein Vorbild sein, wie man im Bereich der Energie- und Umweltpolitik weiter handelt, — und beide gehören ja eng zusammen. Der technologische Fortschritt, mehr Effizienz, Umweltschonung, das sind die positiven Signale, die wir mit einer Veränderung in diesem Bereich erwarten.
Steinkohle und Braunkohle — das betrifft, weil sie im rheinischen Teil unumstritten ist, vorwiegend die östlichen Bundesländer — stehen im übrigen nicht in Konkurrenz zueinander. Es ist immer wieder der Versuch gemacht worden, so zu tun, als würden da die Bergleute aus Ost und West gegeneinander ausgespielt. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein.
Was mich in der Diskussion der letzten Wochen und Monate allerdings schon gestört hat, ist der offensichtlich sehr unterschiedliche Maßstab der Beurteilung der Situation der Bergleute West und der Bergleute Ost. Da, meine ich, kann man nicht stehenbleiben, sondern da muß man sich einmal darüber klarwerden, daß wir in einem zusammenwachsenden Deutschland mit vergleichbaren Situationen natürlich auch vergleichbar umgehen müssen. Davon waren wir in der Steinkohlendebatte weit entfernt. Auch dies muß einmal gesagt werden.
Richtig ist, daß die Braunkohleförderung in den neuen Bundesländern auch weiter zurückgehen wird, weil sie im Bereich des Hausbrands verdrängt wird und durch Neuanlagen effizienter eingesetzt wird. Das muß hingenommen und durch andere Maßnahmen entsprechend aufgefangen werden. Wenn es zwei funktionierende Braunkohlereviere gibt — im mitteldeutschen Bereich und in der Lausitz — und wenn die Bundesregierung, wenn die Betreiber es leisten können, daß dort durch optimalen Einsatz aller technischen Möglichkeiten die hochschwefelhaltige und salzhaltige Kohle genutzt wird, dann, meine ich, haben wir einen wesentlichen Beitrag zu dem geleistet, was wir dort wollen.
Wichtig ist natürlich, daß wir möglichst schnell Sicherheit über die Frage haben, wie es mit der Stromversorgung in den neuen Bundesländern weitergeht; denn solange das nicht geklärt ist, wird es natürlich auch Investitionsentscheidungen nicht geben. Es sollen ja Hunderte von Millionen Mark an Investitionen jetzt eben deshalb nicht getätigt werden, weil diese Entscheidung nicht gefallen ist. Das bedeutet eine zusätzliche Gefährdung von Arbeitsplätzen und bedeutet auch Unsicherheit für den Braunkohlentagebau.
5744 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Erich G. Fritz
Es gibt noch einen wichtigen Grund, warum man sich dafür einsetzen muß, daß dieser Braunkohlentagebau weitergeführt wird. Nach dem Raubbau der Planwirtschaft gibt es dort viele ungelöste Probleme, von ungesicherten Mülldeponien über die Landschaftszerstörung bis zur Wasserhaltung. Diese Probleme sind in einem Konzept, im Zusammenhang mit einem funktionierenden Förderbetrieb immer besser zu lösen als in einem späteren reinen Reparaturbetrieb. Auch das muß beachtet werden.
Die Zuständigkeit, Herr Bartsch, wollen wir dabei allerdings schon so lassen, wie sie im Augenblick ist, was ja nicht heißt, das die Bundesregierung nicht alles Mögliche tut, um die Länder bei diesen Maßnahmen durch die in Zukunft realisierte Regelung des Ausgleichs der Finanzen zu unterstützen.
Wir wissen, daß wir diese Diskussion heute einmal deshalb führen, weil sich in Europa in letzter Zeit viel bewegt hat, aber auch aus der Verantwortung für den Klimaschutz unter dem Stichwort CO2. Wenn wir da in den vergangenen Wochen hauptsächlich über Steuern und Abgaben gesprochen haben, so muß man dem wenigstens einen Aspekt hinzufügen. Diese beiden sind wirklich Steuerungsmechanismen, die uns nicht fremd sind, die wir innerhalb der Marktwirtschaft immer eingesetzt haben.
Deshalb kann ich nicht verstehen, warum Herr Schäfer, aber auch Herr Jung und Herr Bartsch, diese alte Formulierung wiederholen, unsere Haltung sei, der Markt werde es schon richten. Soziale Marktwirtschaft war immer etwas anderes als „der Markt wird es schon richten", sondern ist das sinnvolle Zusammenwirken von Marktmechanismen und Eingriffen des Staates. Wenn solche Steuerungseingriffe jetzt durch eine CO2-Steuer oder -Abgabe passieren, dann muß man sich natürlich in gleicher Weise Gedanken machen, wie man das auf der anderen Seite der Medaille unterstützt.
Deshalb ist es dringend nötig, daß wir die guten Erfahrungen, die wir mit partnerschaftlichen Ansätzen, mit Aufeinander-Zugehen gemacht haben, mit Selbstverpflichtung, mit einem Engagement auf dem Umweg über Förderung von Forschung, von Entwicklung einen zusätzlichen Schub in diesen Bereich einbringen. Dann werden wir sehen, daß die Entwicklung ähnlich läuft wie bei der Verminderung von SO2 und NOX. Da hat es ja auch erst geheißen: Das geht nicht, da macht ihr ganze Branchen kaputt. Als dieser Zwang da war, haben die marktwirtschaftlichen Instrumente sehr schnell gegriffen und dazu beigetragen, daß nicht nur die Schwierigkeiten erkannt worden sind, sondern auch die Chancen, die darin stekken, Chancen durch neue Entwicklungen, durch neue Produkte, auch durch neue Marktchancen mit diesen Produkten. Deshalb ist es richtig, daß in diesem Zusammenhang die Frage der Kompensation mit eingebaut werden soll.
Ich meine, auch den Gedanken der Zertifikatslösung sollte man nicht so ganz schnell beiseite legen, sondern man sollte ihn in eine breite Diskussion mit einführen. Denn es hat noch nie geschadet, über Alternativen nachzudenken. Wir haben, glaube ich, begründeten Anlaß, nachdem wir jetzt auch im EG-Bereich sehr stark auf Steuern und Abgaben abfahren, in dieser zusätzlichen Diskussion über marktwirtschaftliche Ergänzungén dieser Einflußmöglichkeiten nachzudenken.
Wir begrüßen es, glaube ich, alle miteinander besonders — da erinnere ich mich an die Diskussion in diesem Raum am Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl — , daß die Bundesregierung in ihrem Bericht auch vorgesehen hat, eine Stelle einzurichten, in der durch Zusammenwirken unabhängiger Leute Konsensmöglichkeiten für die weitere Energiepolitik vorgeschlagen werden. Ich halte das wirklich für eine ganz wichtige Sache.
Das heißt allerdings auch, daß auch hier im Hause alle bereit sein müssen, Positionen in Frage zu stellen, und auch bereit sein müssen, ideologische Positionen aufzugeben.
Ich habe heute, als Herr Schäfer hier stand und über Kernenergie gesprochen hat — mit altbekannten Tönen und auch mit etwa der gleichen Lautstärke — gedacht: Da muß doch das Wort „Ausstieg" kommen. Aber es kam nicht. Er hat vielmehr seit dem Frühjahr einen Schritt getan und spricht eben nicht mehr davon, sondern von „kein Zubau" und „kein Neubau".
Wenn auf diese Weise von der SPD Bewegung signalisiert wird, dann sollte man diese Zeichen nicht abwerten, sondern aufnehmen und sagen: Ich wünsche der Bundesregierung eine gute Hand für diese Konsensbildung, die da nötig ist. Ich glaube, daß das ein Weg ist, wie wir das Anliegen, das hier heute artikuliert worden ist, auch vorwärtsbringen.
Herzlichen Dank.