Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Energieversorgung steht im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik; denn sie muß preiswert und sicher sein. Und die Energieversorgung steht im Mittelpunkt der Umweltpolitik, denn sie muß umweltverträglich und knappe Rohstoffe schonend eingesetzt werden. Zwischen diesen vier Zielen ergeben sich immer auch Konflikte und Abstimmungsnotwendigkeiten. Deswegen war es richtig und gewollt, daß wir in der gestrigen Kabinettsitzung sowohl das Energiekonzept als auch das CO2-Minderungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet haben.
Beide Dinge gehören zusammen. Sie sind sehr wohl abgestimmt und bringen einen Ausgleich zwischen diesen vier Zielsetzungen. Nur wer sich dieser Aufgabe stellt, handelt verantwortlich. Wer sich nur mit einem Ziel beschäftigt, wird zwar möglicherweise et-
5738 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
was strahlender argumentieren können, aber er wird keine Politik für die Zukunft machen können.
Die Orientierung an diesen Zielen, meine Damen und Herren, ist auch deswegen so wichtig, weil wir im vereinten Deutschland auch weiterhin wirtschaftliches Wachstum brauchen. Wir brauchen es in ganz besonderer Weise, um den jungen Bundesländern eine gute Zukunft zu geben, aber auch um Möglichkeiten zu haben, den Aufbauprozeß in Mittel- und Osteuropa mit zu stützen und weltweit unseren Verpflichtungen zu entsprechen.
Wenn wir aber Wirtschaftswachstum brauchen, wenn wir wissen, daß wir dafür auch mehr Elektrizität brauchen, so muß es darum gehen, dieses zu ermöglichen, ohne mehr Umweltbelastungen in Kauf zu nehmen. Deswegen ist an dieser Stelle die ganz klare Notwendigkeit gegeben, durch entsprechende technische Entwicklungen die vorhandenen und genutzten fossilen Energieträger Kohle, Mineralöl und Gas besser zu nutzen; denn 90 °A. unserer Energieversorgung stammen aus diesen fossilen Energieträgern, und das wird auch in Zukunft so sein. Deswegen ist dies die herausragende Aufgabe.
Mit der umweltverträglicheren Nutzung der fossilen Energieträger haben wir natürlich nicht erst jetzt angefangen, sondern das haben wir schon in der Vergangenheit zur Grundlage unserer Politik gemacht. Es ist nicht zufällig, daß wir mit den Schadstoffen Schwefeldioxid und Stickoxid begonnen haben; denn diese Schadstoffe haben unmittelbare Auswirkungen in den Regionen. Sie haben auch etwas mit den Immissionen zu tun und nicht nur mit den Emissionen. Sie schädigen unsere Wälder, sie schädigen unsere Bauten usw.
Deswegen ist in den letzten zehn Jahren engagiert daran gearbeitet worden, z. B. Kohlekraftwerke zu bauen, die wesentlich weniger SO2 und Stickoxid emittieren als zuvor. Niemand, meine Damen und Herren, niemand, Herr Kollege Jung, hat diese Entscheidung als eine Entscheidung zur Förderung der Kernenergie betrachtet. Sie werden es wirklich nicht glauben, aber es ist so: Auch Kernenergie verursacht tatsächlich keine Emissionen von SO2 und NOI. Dennoch haben wir nicht gesagt: Wir dürfen dieses nicht tun, weil es möglicherweise eine relative Besserstellung der Kernenergie bringt, sondern wir haben gesagt: Wenn wir auf Dauer verantwortlich Kohle nutzen wollen, müssen wir mit Technik dafür Sorge tragen, daß die Emissionen dieser Schadstoffe vermindert werden. Wir haben das zu 80 bis 90 % erreicht und bemühen uns weiter, auch bei der Braunkohle. Wenn ich richtig informiert bin, ist vor wenigen Tagen die Entscheidung der Regierung von Sachsen-Anhalt gefallen, in Leuna und Buna ein Braunkohlekraftwerk mit modernster Technik zu bauen. Dies ist eine gute Sache. Deswegen werden wir diesen Weg weitergehen, d. h. Entkopplung von Energie und Umweltbelastungen, um die Konflikte, die ich oben gekennzeichnet habe, abzubauen. Wenn wir diese abbauen, müssen wir jetzt an einen Schadstoff heran, der uns nicht in der Immission das Problem macht, sondern in der weltweiten Auswirkung auf das Klima.
Weil das so ist, ist es natürlich mehr als selbstverständlich, daß wir sagen: Wir brauchen eine weltweite Lösung, und dafür arbeiten wir mit großem Nachdruck. Deswegen sind wir froh darüber, daß es die Konferenz in Brasilien im nächsten Jahr geben wird, Umwelt und Entwicklung, und deswegen ist es nicht eine Ablenkung, sondern eine dringliche Zielsetzung, bei dieser Konferenz weltweit eine Klimakonvention zu erreichen.
Wer über Klimakonvention spricht, der muß über Kohlendioxid sprechen, und der muß dann natürlich auch dazu sagen, daß wir zumindest in der Europäischen Gemeinschaft gemeinsam vorankommen müssen. Darum haben wir uns gekümmert. Die Tatsache, daß die Kommission dieses Papier, dieses Konzept vorgelegt hat, ist doch nicht wie Manna vom Himmel gefallen, sondern es ist ein entscheidender Erfolg unserer Politik, daß es überhaupt auf dem Tisch ist.
Daß dieses Konzept — auch dies können Sie nachlesen, wir haben das mal gegenübergestellt — fast dekkungsgleich ist mit dem Konzept, das wir verabschiedet haben, ist eine Bestätigung dessen, was wir bisher getan haben. Es ist fast deckungsgleich.
Es ist ein Gesamtkonzept und nicht eine Frage nach einer Steuer oder Abgabe. Es umfaßt alle Verbrauchsbereiche, es umfaßt alle Instrumentmöglichkeiten, von ordnungsrechtlichen Maßnahmen in Gesetzen und Verordnungen, über Planungs- und Informationsmaßnahmen bis hin zu marktwirtschaftlichen Anreizen. Dazu gehört u. a. auch, daß wir im Verkehr etwa eine Umstellung der Kfz-Steuer auf eine emissionsbezogene Steuer einführen. Auch dies hat die Europäische Kommission aufgegriffen und in ihr Konzept eingebaut.
Wir sehen uns also darin in hohem Maße bestätigt. Es kann doch gar nicht anders sein, als daß wir uns jetzt engagiert darum kümmern, daß dieses Konzept auch in Europa angenommen wird. Das ist sehr schwer. Es gibt dagegen massive Vorbehalte von anderen Mitgliedstaaten. Ich bin ganz sicher, daß es dem gemeinsamen Einsatz des Kollegen Möllemann und von mir wirklich bedarf, um in Europa dieses wirklich umzusetzen. Es wäre ganz hervorragend, wenn wir da auch von der Opposition in Deutschland Unterstützung fänden und nicht daran gehindert würden. Dies ist die Situation.
Deswegen bin ich der Überzeugung, daß wir richtig gehandelt haben, indem wir diese Verbindung von Energiekonzept und CO2-Minderungskonzept vorgenommen und gesagt haben: Dafür braucht man auch finanzielle Anreize, und dies wollen wir in Europa insgesamt durchsetzen — wir werden ganz ohne jeden Zweifel sehr, sehr viel Mühe haben, das zu erreichen — , damit bessere Kohlekraftwerke mit höherer Nutzung der Kohle für den Strom gebaut werden, damit wir mit weniger Kohle mehr Strom erzeu-
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gen können. Das ist doch die Notwendigkeit der Entkoppelung.
Wer CO2 mindern will, der muß immer dazusagen: Das bedeutet, daß wir weniger fossile Energieträger verbrennen. Denn es gibt keinen Filter, der das verhindert wie bei Schwefeldioxid, sondern wer 25 bis 30 % weniger CO2 emittieren will, muß entsprechend weniger fossile Energieträger verbrennen. Dies ist der Punkt. Deswegen ist das deutsche Kohlekonzept auch richtig. Es wird dort zurückgeführt. Ich hoffe und wünsche nur, daß dies nicht an einer anderen Stelle zu einem höheren Import von fossilen Energieträgern führt.
Damit kommen wir auf die anderen Energieträger. Die Frage werden Sie uns schon beantworten müssen, meine Damen und Herren von der Opposition, worin die Rationalität bestehen soll, daß Sie sich alle darüber freuen, Mülheim-Kärlich abgeschaltet zu haben, mit dem Ergebnis, daß RWE einen Block Cattenom nutzt, um in Rheinland-Pfalz Strom anzubieten.
Diese Rationalität müssen Sie uns einmal darlegen.
Damit komme ich auf die europäische Dimension dieser Frage. Wir werden deutsche Energiepolitik umweltverträglich nur bewältigen können, wenn wir sie europäisch integrieren und harmonisieren. Damit sind wir bei einem Thema, wo wir auch Gemeinsamkeiten haben sollten. Wir haben die Kernkraftwerke russischer Bauart in Deutschland zugemacht. Das wird schon nicht mehr erwähnt. Wir werden auch die Braunkohlekraftwerke alter Bauart schließen müssen, weil sie unverträglich sind.
Wir werden dies in Mittel- und Osteuropa weiterführen müssen; wir brauchen Anreize, damit sich auch die deutsche Industrie daran beteiligen kann. Deswegen haben wir die Frage der Kompensation in den Mittelpunkt unserer Arbeit gestellt. Es ist sinnvoller, Geld in einem neuen Kohlekraftwerk in Polen oder Nordböhmen einzusetzen, um die dortigen Kraftwerke zu verbessern, als ein ohnehin gutes deutsches Kraftwerk zu verbessern.
Diese Kompensationsüberlegung ist kein Ablenken vom Thema, sondern eine Tatsache, da man auch in der Umweltpolitik ökonomisch, nicht irrational, sondern rational handeln muß. Wer dies miteinander verbindet, unterstützt die Umweltpolitik wirklich, denn dadurch ist eine Harmonie zwischen den vier grundsätzlichen Zielsetzungen der Energiepolitik eher zu erreichen, als wenn wir nur ein Ziel betrachten und gleichzeitig die Basis für dieses Ziel wegnehmen.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.