Rede von
Dr.
Peter
Ramsauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute nachmittag war schon viel von der Bedeutung erneuerbarer Energien die Rede. Wir begrüßen deshalb die Absicht der Bundesregierung, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Vorzüge der erneuerbaren Energien für eine sichere und umweltverträgliche Energieversorgung noch stärker als bisher zu nutzen und dazu das längerfristige wirtschaftliche Potential so rasch wie möglich zu erschließen.
Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Umgebungswärme sind unerschöpfliche und schadstofffreie Energieträger, die noch dazu — dies halte ich für außerordentlich wichtig — dezentral im ganzen Lande verteilt und verfügbar sind.
Jede Kilowattstunde elektrischer Energie, erzeugt aus erneuerbaren Energien, erspart uns und unserer Umwelt 1 kg CO2-Ausstoß trotz bester Rauchgasreinigung. Dies bedeutet auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß Energiepolitik und Umweltpolitik eng zusammengehören.
Lieber Herr Kollege Briefs, Sie und Ihre Partei sollten sich diesen Zusammenhang auch einmal hinter die Ohren schreiben, denn Ihre Partei hat mit ihrer Energiepolitik und ihrer Energiewirtschaft in der ehemaligen DDR ein ökologisches Chaos sondergleichen hinterlassen.
Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel aufgreifen. Wir erzeugen in der Bundesrepublik Deutschland derzeit etwa 20 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Arbeit aus Wasserkraft. Das erspart uns 20 Millionen t CO2-Ausstoß. Das entspricht in etwa 800 000 Güterzugwaggons voll dieser Schadstoffe. Ich meine, das ist nicht wenig.
Von welchem Ausbaupotential bei regenerativen Energien können wir ausgehen? Es gibt unterschiedliche Schätzungen. Die Prognos AG hat 1989, für die alte Bundesrepublik gerechnet, ermittelt, daß das wirtschaftlich ausschöpfbare Potential bis zum Jahre 2010 bei etwa 39 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Arbeit gegenüber heute 33 Milliarden Kilowattstunden liegen könnte. Dies wäre ein Zuwachs in der Größenordnung eines mittleren Kernkraftwerks. Andere Schätzungen gehen von noch höheren Zuwachsmöglichkeiten aus, etwa die Kernforschungsanstalt Jülich, die von zusätzlichen 12 Milliarden Kilowattstunden, also etwa einer elektrischen Leistung von rund 2 000 MW — allerdings bei einem sehr hohen Grad des Ausbaus der Wasserkraft — ausgeht und dies auch für ökonomisch und ökologisch möglich hält.
Wir sollten allerdings nicht glauben, man könnte eine zusätzliche Energiegewinnung aus Wasserkraft nur mit großen Anlagen erreichen. Es gibt auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik derzeit etwa 13 000 eingetragene Wasserrechte. Genutzt sind derzeit aber nur 7 200. Wir sollten den Ausbau der Wasserkraft auch nicht auf kleine Anlagen beschränken, Herr Möllemann, sondern wir sollten jede sich bietende Möglichkeit ergreifen, auch Anlagen mit einer Leistung von mehr als 1 MW energetisch zu nutzen, beispielsweise dann, wenn im Rahmen von flußbaulichen Sanierungen, etwa bei Sohlschwellensicherungen zur Vermeidung von Sohlvertiefungen, ohnehin etwas getan werden muß. Warum soll dann eine energetische Nutzung nicht möglich sein?
Für die neuen Bundesländer liegen momentan noch keine Schätzungen vor. Wir erhalten sie Anfang 1992. Allerdings kann man vermuten, daß es auch dort günstige Standorte gibt: für die Windkraft an der Ostseeküste, für die Wasserkraft in den Mittelgebirgsregionen. In Sachsen beispielsweise hat es nach dem Zwei-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5737
Dr. Peter Ramsauer
ten Weltkrieg 3 500 Kleinwasserkraftwerke gegeben. Heute sind nur noch einige hundert in Betrieb.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das große Problem aller erneuerbaren Energien liegt in der Wirtschaftlichkeit. Auch das ist heute schon angesprochen worden. Das Stromeinspeisungsgesetz hat uns hier ein großes Stück vorangebracht. Aber die Erlöse für die Einspeisung aus erneuerbaren Energien decken heute immer noch nicht die Kosten. Die Einspeisung etwa bei Wasserkraft — 13,84 Pf/Kwh — deckt nicht die Kosten, die nach Schätzungen unabhängiger Institute und auch Energieversorgungsunternehmen, die aufnehmen, zwischen 18 und 35 Pfennig liegen. Die Diskrepanz bei Sonne und Wind liegt in ähnlichen Dimensionen.
Ich verstehe es deshalb nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, warum Sie in Ihrem Entwurf hinter das Stromeinspeisungsgesetz in seiner jetzigen Form zurückfallen, indem Sie fordern, daß die Vergütung für die Einspeisungen nur entsprechend den langfristig vermeidbaren Kosten erfolgen kann. Damit fallen Sie hinter das jetzige Stromeinspeisungsgesetz zurück und diskriminieren die erneuerbaren Energien, statt sie zu fördern, was Sie einführend fordern.
Herr Schäfer, es ist so. Lesen Sie nach. Es steht in Ihrem Gesetzentwurf dreimal.
Lassen Sie mich noch etwas Weiteres zum Stromeinspeisungsgesetz sagen. Das Stromeinspeisungsänderungsgesetz, wie es vom Bündnis 90/GRÜNE vorgelegt wird, lehnen wir ab, weil die Kraft-WärmeKoppelung beim jetzigen Stromeinspeisungsgesetz ohnehin dann begünstigt ist, wenn es sich um Anlagen handelt, die mit Deponie- oder Klärgas betrieben werden.
Sie wollen die Kohle mit aufnehmen. Das hat keinen Sinn. Denn der Gesetzgeber hat mit dem Stromeinspeisungsgesetz gewollt, erneuerbare Energieträger zu fördern, die keine Schadstoffe emittieren. Und jetzt sollen wir in das Stromeinspeisungsgesetz einen Energieträger aufnehmen, der wieder Dreck in die Luft pustet? Genau das wollen wir nicht. Es ist im Augenblick viel wichtiger, das Stromeinspeisungsgesetz, wie wir es jetzt haben, voll auszuschöpfen.
Das beginnt damit, daß wir uns in den Fällen, wo die Gewinnung erneuerbarer Energieträger installiert werden soll, nicht dagegen sperren. Wenn beispielsweise Windkraftwerke gebaut werden sollen, darf es nicht auf einmal heißen: Das geht nicht, das verschandelt die Landschaft. Es geht nicht an, Herr Feige, daß dann ausgerechnet Ihre Gesinnungsgenossen wieder alles verhindern, was in diese Richtung geht. Auch ist es verkehrt, bei Ausleitungskraftwerken die Wasserrechte mit Restwassermengen zu versehen, die die Wasserkraft völlig uninteressant werden lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden viel vom Treibhauseffekt und von der CO2-Problematik. Wir haben Ende dieses Jahres mit dem Auslaufen des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung keine Förderung erneuerbarer Energieträger mehr auf dem Markt, nachdem die Wasserkraftbegünstigungsverordnung und die 7,5 %ige Investitionszulage in den letzten Jahren ausgelaufen sind. Deshalb freue ich mich darüber, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß das Energieprogramm die Grundlage dafür bietet, für erneuerbare Energiequellen wieder Fördermittel bereitzustellen. Wir müssen im Haushalt 1993 — die Beratungen dazu gehen im Frühjahr an — wieder Fördermittel, Investitionszuschüsse oder auch steuerliche Begünstigungen auf der Grundlage des Energieprogramms bereitstellen, wie es uns vorliegt, damit hier eine kaufmännische Wirtschaftlichkeit hergestellt werden kann.
Ich unterstreiche eines: Es handelt sich hier nicht um Subventionen. Ein Vergleich mit anderen Energieträgern muß nämlich deren externe Kosten einbeziehen. Die Schätzungen gehen bei Steinkohle von externen Kosten bis zu 8,5 Pfennig je Kilowattstunde und bei Kernkraft von bis zu 24,5 Pfennig aus. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Fördermittel für erneuerbare Energien bis zu der Höhe keine Subventionen, in der durch ihren Einsatz sonst anfallende gesellschaftliche Kosten anderer Energieträger vermieden werden.
Meine Damen und Herren, wir alle reden über die drohende Klimakatastrophe. Wir alle fordern mehr Einsatz erneuerbarer Energien. Wir haben uns jetzt mit dem Energieprogramm aufgemacht, noch effektiver in dieser Richtung zu arbeiten. Wir haben damit den Mund gespitzt. Wollen wir jetzt auch für die erneuerbaren Energien richtig pfeifen!
Vielen Dank.