Rede von
Wilfried
Bohlsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechnungsprüfungsausschuß und der Haushaltsausschuß haben einstimmig die Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1988 vorgeschlagen. Ich will in das Loblied auf diejenigen einstimmen, die uns zuarbeiten, das die Kollegin Frau Dr. Wegner schon gesungen hat. Ich will auch die Harmonie, die in unserem Rechnungsprüfungsausschuß herrscht, besonders herausstreichen und lobe dabei nachdrücklich unseren Karl Deres. Ich freue mich, daß das so harmonisch gelaufen ist und unterstreiche, daß viele, viele oder alle Beschlüsse einstimmig von uns gefaßt wurden. Für das Rechnungsjahr 1988 haben der Bundesrechnungshof und somit der Rechnungsprüfungsausschuß wieder eine Reihe von Mängeln festgestellt. Ich will einige nur beispielhaft aufzählen.
5710 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Wilfried Bohlsen
Wir konnten feststellen — das bezieht sich auf die nicht wahrgenommene Möglichkeit der Ausschreibung —, daß immer noch Gegenstände beschafft wurden, ohne daß die erforderlichen Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurden. Auf diese Weise entstehen erhebliche Verluste in Milliardenhöhe. In vielen Fällen wurden die Aufträge statt einer Ausschreibung auf der Basis sogenannter Selbstkostenpreise vergeben. Dieses kann jedoch kein Ersatz für die Durchführung einer Ausschreibung sein, denn bei der Abrechnung auf Selbstkostenbasis erstattet der Staat den Unternehmen die entstandenen Kosten und gewährt ihnen zugleich einen bestimmten Prozentsatz der Kosten als Gewinn. Dieses Verfahren halten wir für bedenklich und haben entsprechende Beschlüsse gefaßt.
Einen zweiten Bereich will ich ansprechen, daß ist die Datenverarbeitung. Es besteht in allen Bereichen der Verwaltung der Wunsch, sich der modernen Datentechnik zu bedienen, da man ansonsten meint, man sei rückständig. Leider mußten wir im Rechnungsprüfungsausschuß feststellen, daß zum Teil Datenverarbeitungsanlagen angeschafft wurden, ohne daß zuvor geprüft wurde, welches Kosten-NutzenVerhältnis solch eine Anlage mit sich bringt. In vielen Fällen hat der Einsatz der Datenverarbeitungsanlagen nicht zu einer Verbesserung der Leistung geführt, sondern sogar zu einer Verschlechterung. Dabei müssen wir auch darauf achten, daß, bevor diese Anschaffung geschieht, geprüft wird, ob das notwendige und das ausgebildete Personal hierfür vorhanden ist.
Ich will einen anderen Bereich — das ist der dritte Bereich — ansprechen, die personelle Überbesetzung, die uns in vielen Debatten viel Sorge gemacht hat. Nach den Feststellungen des Rechnungsprüfungsausschusses kosten uns diese personellen Überbesetzungen jährlich einige Milliarden DM. Daher müssen wir uns diesem Problem immer wieder intensiv stellen, und dies hat auch zu vielen Überprüfungen geführt, die eingeleitet wurden. Kritisch müssen wir hier als Rechnungsprüfungsausschuß anmerken, daß einige Häuser Jahre brauchen, um zu ermitteln, ob sie personell überbesetzt sind, und daß daraus dann entsprechende Konsequenzen gezogen werden.
Ich will ein anderes Thema ansprechen; das ist die Baukostenexplosion. Sie haben, Frau Kollegin, schon einige Beispiele angeführt. Wir hatten einen Fall aufzudecken, wo nach den Zahlen der Ausschreibung ein Bauvorhaben mit 2 Millionen DM veranschlagt war, das im Endeffekt 8 Millionen DM gekostet hat. Es handelt sich hierbei keineswegs um Einzelfälle, sondern es wird immer wieder deutlich, daß dieses gelingen muß. Wenn ich Einzelprojekte nenne, dann tue ich das auch mit Blick auf den Flughafen München. Bei dem Neubau dieses Flughafens München hat der Rechnungsprüfungsausschuß die enormen Kostensteigerungen beanstandet und sogar den Verdacht geäußert, in der Anfangsphase der Planung sei das
Gesamtobjekt bewußt kleiner dargestellt worden, als es im Endeffekt vorgesehen war.
Die Frau Kollegin hat schon mal die BundeswehrDinge angesprochen. Ich will darauf nicht näher eingehen, aber ich will dabei doch anmerken, daß wir neben den Einzelplänen unserer Haushaltsansätze auch das Sondervermögen mitprüfen. Dazu gehört auch die Bahn und die Post. Vielleicht nur zwei Beispiele, einmal aus dem Bahnbereich: Wir mußten feststellen, daß weitaus größte Teile der Aufträge im Oberleitungsbau auf Grund einer Rahmenvereinbarung aus dem Jahre 1960 lediglich an drei Großunternehmen vergeben werden, und dies nicht auf der Grundlage von Leistungsbeschreibungen, sondern im Stundenlohn. Hierbei hat der Ausschuß verlangt, auch im Oberleitungsbau mehr Wettbewerb herzustellen.
Ich nehme ein zweites Beispiel aus dem Bereich der Bundespost. Hier hat der Ausschuß auf frühere Beratungen hinsichtlich der Organisation des Paket- und Päckchendienstes verwiesen, dabei allerdings dann auch positiv hervorgehoben, daß die Generaldirektion Postdienst eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet hat, durch die die Ablauforganisation verbessert worden ist. Zwischenzeitlich wurde auf der Grundlage unserer kritischen Anmerkungen ein neues Konzept entwickelt, das bis 1993 vollzogen und bis 1995 voll funktionsfähig sein soll.
Ich will mich noch einem anderen Thema widmen, das eine Einmaligkeit beinhaltet und sich auf die Frage bezieht: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Es ist einmalig, daß wir als Rechnungsprüfungsausschuß uns vorgenommen haben, den Bundesrechnungshof aufzusuchen, um dort eine Prüfung vorzunehmen. Das Parlament als der oberste Hüter der Wirtschaftlichkeit hat dies das erste Mal in seiner 40jährigen Geschichte getan.
Unregelmäßigkeiten des Bundesrechnungshofs wurden bei keiner dieser Überprüfungen entdeckt. Es wurde sehr gründlich geprüft. Es wurde festgestellt: Die Grundsätze, deren Beachtung der Bundesrechnungshof von anderen erwartet, befolgt er selbst in vollem Umfang.
Bei dieser Kontrolle ist allerdings aufgefallen — dieses Thema wurde bereits angesprochen — , daß viele der dortigen Dienstposten nicht besetzt werden können, und zwar einfach deshalb, weil sehr hohe Qualitätsanforderungen gestellt werden und die Entlohnung nicht entsprechend ist. Die Meinung des Rechnungsprüfungsausschusses hierzu war einvernehmlich, daß man darüber nachdenken sollte, ob man nicht ähnlich wie bei der Bundesbankzulage verfahren könnte.
Der Dank wurde hier bereits abgestattet. Deshalb kann ich abschließend folgendes feststellen. Es gab einmal eine Abhandlung über die Arbeit des Bundesrechnungshofs und Rechnungsprüfungsausschusses. An Hand der genannten Beispiele haben wir ja deutlich gema cht, daß wir sehr ins Detail gehen. Dennoch müssen wir oft feststellen, daß unsere Möglichkeiten des Einwirkens begrenzt sind. Daher wird nicht zu
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5711
Wilfried Bohlsen
Unrecht in einem kürzlich erschienenen Zeitungsartikel vom Bundesrechnungshof und vom Rechnungsprüfungsausschuß als dem Ritter ohne Schwert gesprochen. Ich will dies hier noch einmal untermauern, aber doch auch feststellen, daß wir im Rechnungsprüfungsausschuß durch eine intensive Arbeit sicherlich für uns in Anspruch nehmen dürfen, daß wir Parlamentarier mit spitzem Bleistift und spitzer Zunge waren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.