Rede von
Dr.
Konstanze
Wegner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Berichterstatterin möchte ich zunächst dem Kollegen Karl Deres für die kluge und umsichtige Leitung des Rechnungsprüfungsausschusses danken,
5708 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Dr. Konstanze Wegner
sodann allen Kolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit, dem Sekretariat für die gründliche Vor- und Nachbereitung, dem Finanzministerium für die Unterstützung und nicht zuletzt dem Rechnungshof für seine kontinuierliche Zuarbeit und Beratung. Er schafft damit die Grundlage für die Tätigkeit des Rechnungsprüfungsausschusses überhaupt. Ich freue mich, daß der Präsident des Rechnungshofes, Herr Dr. Zavelberg, heute hier anwesend ist.
Der Ausschuß hat fleißig gearbeitet. Er hat, soweit ich sehe, alle Beschlüsse einstimmig gefaßt und ist den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs sehr häufig gefolgt, allerdings nicht immer. Der Ausschuß hat die wesentlichen Punkte der Haushalts- und Vermögensrechnung diskutiert, und er hat positiv gewürdigt, daß die Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäß belegt sind und daß die globale Minderausgabe erwirtschaftet wurde. Ich betone dies hier unabhängig von der Tatsache, daß man als Parlamentarier dem Instrument der globalen Minderausgabe generell kritisch gegenübersteht.
Negativ haben wir die erhebliche Steigerung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben ohne Zustimmung des Finanzministers bemerkt; ein immer wiederkehrender Kritikpunkt.
Der Ausschuß hat sich kritisch mit der Nettokreditaufnahme im Jahre 1988 auseinandergesetzt, die im Soll- bzw. im Ist-Ergebnis um 4,5 Milliarden DM bzw. 2 Milliarden DM über den investiven Ausgaben lag, also nicht den verfassungsmäßigen Vorgaben entsprach, obwohl eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht gegeben war. Das lag u. a. daran, daß der zunächst mit 6 Milliarden DM veranschlagte Bundesbankgewinn letztlich nur 0,24 Milliarden DM betrug. Die Bundesregierung hat jetzt Ausgabenfinanzierung durch den Bundesbankgewinn bis 1994 kontinuierlich in Höhe von 7 Milliarden DM veranschlagt und hält das für ein mittleres Niveau. Der Bundesrechnungshof sieht hier einen zu großen Ermessungsspielraum der Regierung gegeben
und spricht sich im Interesse der Haushaltstransparenz für eine schärfere Konkretisierung der Verwendung des Bundesbankgewinns aus.
Der Ausschuß hat sich nachhaltig und kritisch mit der steigenden Verschuldung des Bundes auseinandergesetzt. Die jüngsten Feststellungen des Bundesrechnungshofs zur Haushaltsrechnung des Jahres 1989 haben die Zustimmung der Opposition und die Kritik der Regierungsparteien hervorgerufen. Sie werfen dem Rechnungshof nämlich vor, er sei politisch geworden, und das stehe ihm nicht zu.
Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahrheit tut manchmal weh. Die Aufregung ist aber ganz und gar nicht am Platze. Denn alles, was der Rechnungshof zu diesem Thema in den Bemerkungen des Jahres 1989 sagt, steht bereits in seinen Bemerkungen zum Haushaltsjahr 1988, und damals war noch keine Rede von der deutschen Einheit. Auch für 1988 wird festgestellt, daß bei weiter steigender Verschuldung der
Handlungsraum immer enger wird, daß die Schulden letztlich nicht getilgt, sondern die fälligen Tilgungen im wesentlichen durch neue Kredite finanziert werden. Es wird darauf hingewiesen, daß die Zinsen im Jahre 1991 42,7 Milliarden DM — das sind 10,7 % der Gesamtausgaben — und im Jahre 1994 60,7 Milliarden DM — das sind 14,4 % der Gesamtausgaben — betragen werden. Im Jahre 1992 werden die Zinsen den zweitgrößten Haushaltsposten darstellen und haben damit den Verteidigungshaushalt überrundet.
Der Ausschuß hat diese Kritik des Rechnungshofes zur Haushaltsführung des Jahres 1988 sehr ernst genommen und hat quer durch die Parteien davor gewarnt, immer mehr Kredite über Sondervermögen aufzunehmen, die nicht im Haushalt ausgewiesen sind, weil damit die verfassungsrechtliche Obergrenze der Kreditaufnahme ausgehebelt wird.
Diese Aussagen des Rechnungshofs und des Rechnungsprüfungsausschusses sind auch für die Diskussion der folgenden Haushaltsjahre hochaktuell, wie wir alle wissen. Auch wenn ein Teil der rasant steigenden Verschuldung im Zuge der Politik der deutschen Einheit gewiß nicht zu vermeiden war, ist jetzt wohl allen Parteien klar, daß wir an die Grenze des Erträglichen und Vertretbaren gestoßen sind, was die Verschuldung anlangt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will kurz auf einige Schwerpunkte der Arbeit des Ausschusses eingehen, nämlich auf die Bereiche Verteidigung, Landwirtschaft und Bauwesen, wo dank der Hinweise des Rechnungshofs und der Arbeit des Ausschusses manche Fehlentwicklung deutlich gemacht wurde und künftig einiges Geld gespart werden kann.
Fündig wurden der Rechnungshof und der Ausschuß im Verteidigungsbereich, wo es immer um große Summen geht. Vor allem im Bereich der Beschaffung kommt es durch die sogenannte freihändige Vergabe von Aufträgen ohne Ausschreibung nach wie vor zu unsäglichen Pannen. Viel Geld wird hier zum Fenster hinausgeworfen. So kaufte die Bundeswehr freihändig z. B. 200 000 Paar Turnschuhe um 7,70 DM teurer pro Paar, als später im Wettbewerb beschaffte Modelle kosteten.
Splitterschutzwesten wurden ohne Ausschreibung für 976 DM pro Stück beschafft. Mit Ausschreibung kosten sie auf einmal nur 638 DM.
Dabei unterblieb eine hinreichende Erprobung. Nachträglich wurde festgestellt, daß die Außenhülle schnell verschliß, so daß 5 000 neue Hüllen für 400 000 DM gekauft werden mußten.
Die Landwirtschaft ist ein subventionsträchtiger Bereich, in dem viel Geld des Steuerzahlers versikkert, und zwar auf Nimmerwiedersehen. So gewähren z. B. die landwirtschaftlichen Altersklassen den beitragspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmen einen Zuschuß zur Altershilfe, ohne Einkommensnachweise zu verlangen. Hier gibt es erhebliche Rückforderungsansprüche, die bisher nicht realisiert
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wurden. Der Ausschuß hat einen Bericht und ein zügiges Rückforderungsverfahren gefordert. Er hat sich auch gegen die Finanzierung neuer Modelle für nachwachsende Rohstoffe ausgesprochen, solange nicht die Kalkulation dieser Vorhaben überprüft ist und realitätsbezogene Grenzen für die Zuschußgewährung feststehen.
Eine wahrhaft unendliche Geschichte stellen die Bauvorhaben des Bundes dar.
Für den Neubau Museen für Europäische Kunst im Rahmen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war ursprünglich eine Bausumme von 40 Millionen DM ermittelt worden, allerdings ohne konkrete Bauplanung. Inzwischen sind die Kosten auf über 500 Millionen angestiegen, und wegen Planungsänderungen mußten bereits fertiggestellte Bauteile wieder abgerissen werden, was alleine zu einem Schaden von 7,8 Millionen DM führte.
Der Ausschuß sieht es angesichts der Vereinigung als unabdingbar an, eine neue Konzeption für alle Berliner Museen zu erarbeiten, in die der Museumsbestand im Osten der Stadt integriert werden muß.
Hinsichtlich der Baumaßnahmen des Bundestages an der Kurt-Schumacher-Straße war sich der Ausschuß einig — ich zitiere — , daß es unabhängig vom Einzelfall notwendig ist, eine grundsätzliche Diskussion über die Planung und Abwicklung öffentlicher Baumaßnahmen zu führen. Es sei nicht länger hinnehmbar, wenn Planungs- und Bauprozeß zeitgleich abliefen.
In der Tat hat sich die sogenannte baubegleitende Planung als völliger Flop erwiesen. Falls auch künftig an diesem System festgehalten werden sollte, dürfen wir keine müde Mark für den Umzug nach Berlin zahlen. Das sage ich hier ganz bewußt obwohl ich für Berlin gestimmt habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle loben den Rechnungshof. Wir sollten ihm aber auch institutionell und personell die Möglichkeit geben, seinem Auftrag gerecht zu werden. Viele neue Aufgaben erwarten ihn, nicht nur in den alten Bundesländern, sondern auch und gerade in den neuen. Dazu ist aber eine entsprechende personelle Ausstattung unerläßlich.
Der Bundesrechnungshof arbeitet derzeit mit einem Stab von 560 Bediensteten. Er prüft damit ein Finanzvolumen von über 600 Milliarden DM und einen Personalkörper von 1,7 Millionen Bediensteten.
Zum 30. Juni 1991 waren 65 Planstellen für Prüfungsbeamte aber nicht besetzt. Hohe Qualifikationsansprüche bei der Einstellung, hohe Lebenshaltungskosten im Rhein-Main-Gebiet und nur begrenzte Aufstiegs- und Besoldungsmöglichkeiten lassen das wichtige Amt des Rechnungsprüfers nicht länger attraktiv erscheinen. Hier muß Abhilfe geschaffen werden. Das liegt im ureigensten Interesse des Parlaments, dessen vornehmstes Recht die Finanzbewilligung und -kontrolle ist, die aber ohne Hilfe des Rechnungshofes nicht durchgeführt werden kann. Deshalb muß ein Weg gefunden werden, um die Attraktivität des Prüfungsdienstes zu erhöhen, sei es nun durch Einführung einer besonderen Zulage nach dem Modell der Bundesbank oder durch andere, eher unkonventionelle Mittel. Weiße Flecken im Prüfbereich — um Karl Deres zu zitieren — können wir nicht verantworten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Zeit wird auch über eine Verlagerung des Bundesrechnungshofes diskutiert. In der Debatte sind verschiedene Städte. Ich möchte hier darauf nicht im Detail eingehen. Ich denke nur, in einem sind wir uns alle einig: Es ist unabdingbar, daß der Bundesrechnungshof in der Nähe des Parlaments angesiedelt bleibt oder wird, damit er dort jederzeit seine Aufgaben wahrnehmen kann, nämlich uns zu unterstützen und uns zuzuarbeiten.
Der Rechnungsprüfungsausschuß und der Haushaltsausschuß haben einstimmig die Entlastung der Bundesregierung empfohlen. Auch wir Sozialdemokraten unterstützen dies. Wir verbinden damit den Wunsch, daß der Rechnungsprüfungsausschuß künftig noch mehr als bisher auf eine zügige Umsetzung seiner Forderungen drängen möge; denn das bedeutet nicht nur die Chance für mehr Einsparungen, es stärkt auch die Rechte des Parlaments.
Vielen Dank.