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ID1205902600

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    Plenarprotokoll 12/59 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 59. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Eidesleistung eines Ministers Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 4885 A Friedrich Bohl, Bundesminister (ChefBK) 4885 B Tagesordnungspunkt II: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksachen 12/1000, 12/1329) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 12/1401, 12/1600) 4885D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 12/1402, 12/1600) 4885 D Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 12/1403, 12/1600) 4886A Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksachen 12/1408, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksachen 12/1426, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksachen 12/1430, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 12/1420, 12/1600) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1991 (Nachtragshaushaltsgesetz 1991) (Drucksachen 12/1300, 12/1587, 12/1599) Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 4886 C Jochen Borchert CDU/CSU 4892 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 4892D, 4923 B Helmut Esters SPD 4893 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP 4897 A Dr. Willfried Penner SPD 4899 C Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste 4900 C Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 4903 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4907 B Joachim Poß SPD 4913 D Josef Duchac, Ministerpräsident des Landes Thüringen 4917 D Helmut Esters SPD 4920 A Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 4920 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1991 Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 4922 C Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 4926 B Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 4927C Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 12/1412, 12/1600) Ernst Waltemathe SPD 4930 A Dr. Peter Struck SPD 4931 C Wilfried Bohlsen CDU/CSU 4933D Werner Zywietz FDP 4936 A Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 4938 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 4940 A Ernst Waltemathe SPD 4940 C Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/ GRÜNE 4941 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 12/1422, 12/1600) Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 4943 A Hans-Wilhelm Pesch CDU/CSU 4946 A Carl-Ludwig Thiele FDP 4948 A Rolf Rau CDU/CSU 4949 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 4951A Namentliche Abstimmung 4952 D Ergebnis 4967 A Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 12/1416 [neu], 12/1600) Hans Georg Wagner SPD 4953 A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU 4953 B Michael von Schmude CDU/CSU 4956 D Jutta Braband PDS/Linke Liste 4958 C Gerhart Rudolf Baum FDP 4961 C Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/ GRÜNE 4961 D Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 4963 B Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär BMU 4964 A Nächste Sitzung 4969 C Berichtigung 4969 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 4971 * A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1991 4885 59. Sitzung Bonn, den 26. November 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 57. Sitzung, Seite 4676A: Die unter ZP 2 und ZP 3 abgedruckten Texte sind zu streichen. Folgende Fassung ist einzufügen: ZP2 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Verhältnisses von Kriegsfolgengesetzen zum Einigungsvertrag — Drucksache 12/1504 — Überweisungsvorschlag: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß ZP3 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und weiterer Bundesgesetze für Heilberufe — Drucksache 12/1524 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 26. 11. 91 * Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 26. 11. 91 Bernrath, Hans Gottfried SPD 26. 11. 91 Blunck, Lieselott SPD 26. 11. 91 ** Börnsen (Ritterhude), SPD 26. 11. 91 Arne Büchler (Hof), Hans SPD 26. 11. 91 Clemens, Joachim CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 26. 11. 91 Herta Doppmeier, Hubert CDU/CSU 26. 11. 91 Genscher, Hans-Dietrich FDP 26. 11. 91 Dr. Glotz, Peter SPD 26. 11. 91 Helmrich, Herbert CDU/CSU 26. 11. 91 Jaunich, Horst SPD 26. 11. 91 Koschnick, Hans SPD 26. 11. 91 Kretkowski, Volkmar SPD 26. 11. 91 Kubicki, Wolfgang FDP 26. 11. 91 Dr. Lehr, Ursula CDU/CSU 26. 11. 91 Meißner, Herbert SPD 26. 11. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 26. 11. 91 ** Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 26. 11. 91 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nolte, Claudia CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Paziorek, Peter Paul CDU/CSU 26. 11. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 26. 11. 91 * Rempe, Walter SPD 26. 11. 91 Rennebach, Renate SPD 26. 11. 91 Rixe, Günter SPD 26. 11. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 26. 11. 91 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 26. 11. 91 Andreas Schuster, Hans Paul FDP 26. 11. 91 Hermann Seidenthal, Bodo SPD 26. 11. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 26. 11. 91 ** Stübgen, Michael CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Ullmann, Wolfgang Bündnis 26. 11. 91 90/GRÜNE Voigt (Frankfurt), SPD 26. 11. 91 Karsten D. Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 26. 11. 91 Hans-Peter Vosen, Josef SPD 26. 11. 91 Wollenberger, Vera Bündnis 26. 11. 91 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 26. 11. 91 ** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Joachim Poß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute Herrn Waigel erlebt, wie wir ihn schon öfters erlebt haben:

    (Zurufe von der CDU/CSU: Gut!) selbstzufrieden und schönfärberisch.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Es ist anzunehmen, Herr Waigel, daß Ihre Selbstzufriedenheit Ausdruck des guten Ergebnisses bei Ihrer Wiederwahl als CSU-Vorsitzender war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Joachim Poß
    Gemessen an Ihren ungenügenden Leistungen als Finanzminister ist sie allerdings völlig unangemessen.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU — Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Das haben die Delegierten in München Gott sei Dank bisher besser gewußt als Sie!)

    Herr Bundesfinanzminister, Sie haben heute, wie Sie es gelegentlich tun, auch falsche Behauptungen frisch und fröhlich vorgetragen.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das ist doch besser als umgekehrt!)

    Ein steinernes Herz kann man Ihnen wirklich nicht vorwerfen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich halte einen Finanzminister, der derart schönfärbt, für die Staatsfinanzen aber schon für ein wenig gefährlich.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist ein Angriff mit Wattebäuschchen — „ein wenig gefährlich" !)

    Ein Finanzminister muß realistisch sein, er darf kein Pessimist sein, er darf aber auch kein Schönfärber sein. Aber dies ist eigentlich Ihre stärkste Rolle: der plaudernde, schönfärberische Bundesfinanzminister Dr. Waigel. Dazu sind Sie sich auch nicht zu schade, Nebelkerzen zu werfen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Beispiel Schulden: Sie sprechen von 135 Milliarden DM, vergessen dabei aber zu erwähnen die 20,8 Milliarden DM für die Treuhand, 7 Milliarden DM für die Wohnungswirtschaft Ost, 23 Milliarden DM für Bahn und Post, 5 Milliarden DM für den Kreditabwicklungsfonds. Das ergibt summa summarum 190 Milliarden DM. Damit sind wir schon bei der Größenordnung, die Sie vorhin kritisiert haben, Herr Dr. Waigel. Sie als Bundesfinanzminister sollten insofern die deutsche Öffentlichkeit vollständig aufklären, wenn Sie über solche Dinge sprechen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber, wie gesagt, im Werfen von Nebelkerzen sind Sie gut. Darauf komme ich an anderer Stelle noch zu sprechen.
    Ich muß noch ganz kurz auf Herrn Kollegen Borchert zu sprechen kommen. Wo ist der Herr Kollege Borchert? — Er hat Herrn Lafontaine zum wiederholten mal mit einem falschen Zitat angesprochen.

    (Hans-Werner Müller [Wadern] [CDU/CSU]: Das nie dementiert worden ist!)

    — Es ist immer dementiert worden. Denn Oskar Lafontaine hat ausweislich einer Gesprächsnotiz dem Generalsekretär Gorbatschow für die unterstützende Hilfe der Sowjetunion zur Herstellung der deutschen Einheit ausdrücklich gedankt, nicht das Gegenteil, wie es hier behauptet wurde.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir erwarten jetzt, daß sich der Herr Kollege Borchert für den Ausrutscher, den er sich hier geleistet hat, entschuldigt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Entgegen den Behauptungen von Herrn Waigel ist es der Bundesregierung nicht gelungen, meine Damen und Herren, auf die veränderte Situation richtig zu reagieren. Hier fehlte die Kraft zu einer den neuen Aufgaben entsprechenden Umgestaltung in der Finanz- und Steuerpolitik. Der Sachverständigenrat stellt hierzu in seinem neuen Jahresgutachten in außergewöhnlich kritischer Weise fest:
    Die Finanzpolitik versteifte sich auf die Behauptung, daß es Steuererhöhungen zur Finanzierung der Einheit nicht geben werde. Da die politische Gestaltungskraft nicht ausreichte, die Vielfalt der staatlichen Aufgaben und der damit verbundenen Ausgaben zu überprüfen und die Prioritäten neu zu setzen, war der Ausweg über höhere Steuern unumgänglich. Damit geriet die Finanzpolitik in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise, die keineswegs unausweichlich war.
    Was hat diese Feststellung noch mit der Rede von Herrn Dr. Waigel von vorhin zu tun?
    Was war der eigentliche Grund für die Steuerlüge? Zum einen hatte die Bundesregierung jahrelang ihr Steuersenkungspaket angekündigt und im Jahre 1990 nicht den Mut, vor die Öffentlichkeit zu treten und es zurückzunehmen, nachdem die Steuersenkung gerade wirksam geworden war.

    (Beifall bei der SPD)

    Das war fehlender Mut im letzten Jahr. Zum anderen hatte die Bundesregierung — auch darüber kann niemand hinwegtäuschen — die Kosten der Vereinigung grundlegend falsch eingeschätzt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie hatte darauf verzichtet, im ersten Staatsvertrag für eine soziale und wirtschaftliche Abfederung auch nur eine einzige Hilfsmaßnahme vorzusehen. Daß die Bundesregierung mit ihrem Steuererhöhungspaket vom Mai dieses Jahres die Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik vollends und nachhaltig erschüttert hat, wissen inzwischen alle. Das weiß auch die Bundesregierung selbst. Um so erstaunlicher ist, daß die Bundesregierung nicht versucht, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, höchstens mit solchen Reden, wie wir sie vorhin gehört haben, aber nicht de facto. Die Bundesregierung hat diese Gelegenheit nicht genutzt.
    Das Steueränderungsgesetz 1992 übertrifft in mehrfacher Hinsicht das, was die Bundesregierung den Bürgern in unserem Lande mit ihrer Steuerpolitik bereits in der Vergangenheit zugemutet hat. Die Arbeitnehmer, die Rentner, die Arbeitslosen und die Familien mit Kindern sollen jetzt Steuerentlastungen für wenige Großunternehmen und Besitzer großer Vermögen bezahlen. Denn mit der vorgesehenen Erhöhung der Mehrwertsteuer will die Regierung die Sen-



    Joachim Poß
    kung der Vermögensteuer und die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer finanzieren.

    (Beifall bei der SPD — Hans H. Gattermann [FDP]: Das sehen einige Ihrer Kollegen ganz anders!)

    Die Bundesregierung hat damit endgültig jedes Augenmaß für steuerliche Gerechtigkeit verloren. Da Sie unsere Mahnungen, aber auch die einiger anderer, z. B. von Herrn Geißler, immer wieder in den Wind geschlagen haben, darf ich Ihnen hierzu die Auffassung des Sachverständigenrates vorlesen, der kurz und bündig feststellt:
    Vor allem wird es politisch schwer zu verstehen sein, auf der einen Seite die Mehrwertsteuer zu erhöhen und gleichzeitig die Unternehmensteuern zu senken.
    Mit Ihrer Steuerpolitik haben Sie aber nicht nur die Ungerechtigkeit auf die Spitze getrieben, sondern Sie haben sich zugleich auch finanzpolitisch in eine Sackgasse manövriert und Ihre ökonomische Kompetenz endgültig verspielt.
    Die von Ihnen vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie das Festhalten an der Senkung der Vermögensteuer und der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sind auch hierfür die deutlichsten Beispiele. Die Anhebung der Mehrwertsteuer ist ökonomisch falsch. Darüber besteht bei allen Experten Einigkeit. Auf die ökonomische Problematik der Mehrwertsteuererhöhung haben die Deutsche Bundesbank, die wirtschaftlichen Forschungsinstitute, die Verbände der Wirtschaft und jetzt auch der Sachverständigenrat nachdrücklich hingewiesen.
    Die Erhöhung der Mehrwertsteuer führt zu einem weiteren Anstieg des Preisniveaus und der Inflationsrate und damit auch zu einer realen Entwertung der Geldvermögen der Sparer. Die höhere Inflationsrate führt zugleich selbstverständlich zu höheren Lohnforderungen und damit zur Gefahr der Entstehung einer Preis-Lohn-Spirale.
    Die zu erwartende geldpolitische Gegenreaktion der Bundesbank führt zu einer weiteren Erhöhung des Zinsniveaus bzw. zu einer Beibehaltung des hohen Zinsniveaus, während weltweit die Zinsen gesenkt werden. Die höheren Zinsen belasten die investierende Wirtschaft mit zusätzlichen Kosten, die ihre Wettbewerbssituation verschlechtern. Die zinsbedingte Verteuerung von Investitionen verhindert die notwendige Schaffung von Arbeitsplätzen und behindert den Aufbau in den neuen Ländern.
    Und da kommt Herr Waigel, stellt sich hin und sagt, das sei ökonomische oder finanzpolitische Kompetenz. Ich glaube, daß es einen deutlicheren Gegensatz zwischen ökonomischer Kompetenz und der hier vorgetragenen Meinung und Verteidigungsrede von Herrn Waigel wirklich nicht geben kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen lehnt der Sachverständigenrat die Anhebung der Mehrwertsteuer auch aus verteilungspolitischen Gründen ab. Er führt aus: Gegen jede Anhebung sprechen verteilungspolitische Gründe, denn die Mehrwertsteuer belastet die Bezieher niedriger Einkommen vergleichsweise stark.
    Ökonomisch falsch sind auch die von der Bundesregierung vorgesehenen steuerpolitischen Maßnahmen im Unternehmensbereich; sie entlasten lediglich den Vermögensbesitz, fördern aber keineswegs Investitionen und Arbeitsplätze.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Exakt!)

    Der Steuervorteil kann sogar kassiert werden, ohne daß eine einzige D-Mark investiert wird.
    Durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und die Senkung der Vermögensteuer werden vor allem die kapitalstarken Großunternehmen kräftig entlastet, während die mittleren und kleinen Unternehmen durch die zur Finanzierung vorgesehene Anhebung der Mehrwertsteuer, durch die Minderung der degressiven Abschreibung — das ist übrigens nur eine Teilfinanzierung, Herr Dr. Waigel, nicht die gesamte Finanzierung — und die Zinskosten höher belastet werden. Damit wird die Wettbewerbssituation der kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Großunternehmen weiter verschlechtert.
    Mit dieser Steuerpolitik versucht die Bundesregierung, ihre Ideologie der Umverteilung von unten nach oben jetzt auch innerhalb der Wirtschaft durchzusetzen.
    Meine Damen und Herren, ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit: Auch für den Unternehmensbereich gilt, daß wir Sozialdemokraten nicht bereit sind, eine solche Umverteilungspolitik zu Lasten der kleinen und mittleren Firmen mitzumachen.

    (Beifall bei der SPD)

    Genauso deutlich füge ich aber hinzu: Auch wir Sozialdemokraten sind für eine Reform der Unternehmensbesteuerung; sie setzt aber eine fundierte Analyse der tatsächlichen Probleme der deutschen Wirtschaft und der zu erwartenden Entwicklung voraus. Nur so kann sie zu ökonomisch vernünftigen Ergebnissen führen.
    Mit pauschalen Behauptungen über einen angeblich schlechten Produktionsstandort Bundesrepublik, über einen angeblichen internationalen Steuersenkungswettlauf, über die angeblich schlechte Eigenkapitalausstattung der deutschen Wirtschaft, über angeblich zu geringe Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland schürt die Bundesregierung bei unseren und bei den ausländischen Investoren lediglich Unsicherheiten, die durch keinerlei Fakten begründet sind.
    Das hätten Sie übrigens aus den Debatten des Jahres 1988 lernen können, als hier ein Wirtschaftsminister namens Bangemann tätig war. Er hat diese Diskussion auch sehr „qualifiziert" geführt.
    Tatsache ist, daß sich das Investieren in Deutschland lohnt, gerade auch deshalb, weil die Unternehmen in Deutschland für ihre Steuern mehr und bessere Leistungen erhalten als in anderen Ländern. Unser hervorragendes Ausbildungssystem, unsere leistungsstarke öffentliche Verwaltung — wie wird sie neuerdings gelobt! — und nicht zuletzt auch der soziale Frieden in Deutschland sind Vorteile, die den Unternehmen hohe Kosten sparen.



    Joachim Poll
    Schauen Sie sich doch einmal die Diskussion in den USA an! Das Ende der Ich-Politik — das wird neuerdings proklamiert — , das Ende von Reagonomics und von Thatcherismus haben doch Gründe: sie haben erkannt, daß sie auf einem falschen Weg sind. Sie wollen die Kehrtwende vollziehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Deutsche Bundesbank hat gerade vor einer Woche in ihrem neuesten Monatsbericht festgestellt, daß die Eigenkapitalsituation unserer Wirtschaft noch nie so gut war wie heute und sich die Erträge der deutschen Unternehmen weiter kräftig verbessert haben.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Aber nicht gut genug; sie könnte besser sein!)

    Wenn Auslandsinvestitionen in einigen traditionellen Bereichen wie etwa in der Stahl- oder der Autoindustrie, im Maschinenbau oder in der Chemie mittlerweile seltener geworden sind, dann ist das kein Indiz für eine Verschlechterung des Standorts Bundesrepublik, sondern im Gegenteil gerade das Ergebnis einer hochentwickelten Volkswirtschaft mit vielen gesättigten Märkten und dominierenden eigenen Unternehmen. Gerade der Zuzug der internationalen Finanz- und Versicherungswirtschaft zeigt doch vielmehr, daß auch Auslandsinvestitionen einem Strukturwandel unterliegen. Wer mit falschen Argumenten, Herr Dr. Waigel, falsche Steuersenkungen rechtfertigt, der hilft der deutschen Wirtschaft nicht, selbst wenn sie das fordert,

    (Beifall bei der SPD)

    und wer den Produktionsstandort Deutschland miesmacht, der schadet der Wirtschaft und der handelt unverantwortlich, weil er die Vorteile dieses Standorts damit letztlich aufs Spiel setzt.
    Jede gründliche Analyse zeigt, daß kleine und mittlere Unternehmen im Wettbewerb mit den Großunternehmen in zunehmendem Maße an Boden verlieren. Deshalb bleiben wir bei unserem Konzept, einer Investitionsrücklage für kleine und mittlere Unternehmen.
    Die Bundesregierung erreicht mit ihrer Steuerpolitik das Gegenteil. Einschränkungen bei den Abschreibungsbedingungen für Gebäude belasten das Investieren; der bloße Kapitalbesitz wird steuerlich erleichtert. Das ist ökonomisch widersinnig. Angesichts der enormen Staatsverschuldung und der Tatsache, daß der Anteil der Unternehmensteuern am gesamten Steueraufkommen rückläufig ist, muß eine solche Reform durch Umschichtungen innerhalb der Unternehmensteuern aufkommensneutral gestaltet werden.
    Die Steuer- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist ungerecht und wirtschaftspolitisch verfehlt. Sie ist ein Beleg dafür, daß die Bundesregierung in der Steuer- und Finanzpolitik immer mehr ins Trudeln gerät und keine Gestaltungskraft besitzt.
    Was aber noch schlimmer ist: In einigen ganz wichtigen Bereichen, in denen es um die Belange der Mehrzahl der Bürger und der Familien mit Kindern
    geht, besitzt diese Regierung auch keinen Gestaltungswillen mehr.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider!)

    In fataler Weise begreift die Bundesregierung die Herstellung einer verfassungskonformen Besteuerung nämlich ganz offensichtlich nicht mehr als ihre eigene politisch gestaltende Aufgabe, sondern hat diese grundlegende Aufgabe inzwischen auf das Bundesverfassungsgericht verlagert.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Statt von sich aus für eine verfassungskonforme Besteuerung zu sorgen, hält die Bundesregierung verfassungswidrige Zustände so lange aufrecht, bis sie vom Bundesverfassungsgericht zu einer Korrektur gezwungen wird.

    (Zurufe von der SPD: Unglaublich!)

    So haben Sie — dies ist das erste Beispiel — Jahr für Jahr den Familien verfassungswidrig eine viel zu niedrige Entlastung für ihre Kinder gegeben. Nachdem Sie im Juni 1990 vom Bundesverfassungsgericht verurteilt wurden, endlich für eine verfassungskonforme Besteuerung der Familien zu sorgen, haben Sie immer noch nicht reagiert, mit der Folge, daß auch in diesem Jahr für die Familien mit Kindern immer noch nichts getan wird. Erst ab 1992 soll jetzt das Kindergeld um lächerliche 20 DM für das erste Kind angehoben und der ungerechte Kinderfreibetrag weiter aufgestockt werden.
    Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das ist keine familienpolitische Wohltat; im Gegenteil, es reicht immer noch nicht aus, um die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Freistellung des Existenzminimums für ein Kind zu gewährleisten. Ist es nicht beschämend, daß Familien unter einer Regierung, die nicht müde wird, sich ihrer familienpolitischen Leistungen zu rühmen,

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU] : Wie war es denn bis 1982?)

    für das ihnen zustehende Recht Gerichte bemühen müssen, damit ihnen überhaupt erst das verfassungsrechtliche Minimum gewährt wird?

    (Beifall bei der SPD)

    Können Sie es nicht nachempfinden, wenn sich Familien erbost und enttäuscht von dieser Politik abwenden, weil sie nicht verstehen können, daß sie nicht einmal das bekommen, was ihnen verfassungsrechtlich zusteht, während Großunternehmen und reiche Vermögensbesitzer mit großzügigen Steuerentlastungen bedacht werden?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr wohl!)

    Ich will heute nicht mehr ausschließen, daß Sie es tatsächlich nicht verstehen, denn beim Grundfreibetrag — dies ist das zweite Beispiel — zeichnet sich eine ganz ähnliche Entwicklung ab. Sie kassieren jährlich mindestens 500 DM von Ledigen und mindestens 1 000 DM von Verheirateten zuviel an Lohn- und Einkommensteuer. Auch die FAZ — wahrlich



    Joachim Poß
    keine Zeitung, die der Politik der Bundesregierung besonders fernsteht —

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Gute Zeitung! Hervorragende Zeitung! Seriöse Zeitung!)

    fragt in ihrer Ausgabe vom 16. November 1991 besorgt: „Wäre es nicht besser", Herr Glos, „sofort die Freibeträge zu erhöhen, um damit ein Signal zu setzen?" — Ja, meine Damen und Herren, es wäre in der Tat besser, sofort zu handeln, im Interesse der Bürger, aber auch im Interesse einer soliden Finanzpolitik.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut!)

    Denn das haushaltsmäßige Risiko, das der Finanzminister durch seine Untätigkeit vor sich herschiebt, steigt immer weiter an.
    Das gilt auch für die Besteuerung der Kapitalerträge als drittes Beispiel. Mit einer steuerpolitischen Rolle rückwärts, vom Bundesverfassungsgericht erzwungen, führt jetzt der Bundesfinanzminister die Quellensteuer unter anderem Namen wieder ein, die er bei seinem Amtsantritt 1989 mit viel Brimborium erst abgeschafft hat.
    Mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag der Bundesregierung zur Zinsbesteuerung dürfte das Chaos aber immer noch nicht beendet sein. Auch in Zukunft sind die ehrlichen Steuerzahler die Dummen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist es!) Das ist das Ergebnis Ihres Vorschlages.


    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Sind Sie also für Kontrollmitteilungen?)

    Die deutliche Anhebung der Sparerfreibeträge wird von uns begrüßt. Wir haben schon vor Jahren die Anhebung der Sparerfreibeträge von damals 300 DM für Ledige bzw. 600 DM für Verheiratete auf 3 000 bzw. 6 000 DM gefordert, Herr Dr. Waigel.
    Leider hat der Bundesfinanzminister unsere Forderung immer wieder abgelehnt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    Am 12. Mai 1989 vertrat Herr Waigel von diesem Pult aus noch die Auffassung, die von der Opposition geforderte Verzehnfachung des Sparerfreibetrages sei haushaltspolitisch völlig unseriös.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das haben Sie gesagt!)

    Das ist ihm entfallen. Deswegen hat er unsere Forderung heute ja auch falsch wiedergegeben, indem er von der Verfünffachung sprach.

    (Beifall bei der SPD)

    Das zeigt seine Faktenkenntnis und seine Faktentreue.
    So manchen hat es sehr erstaunt, daß der Finanzminister angesichts der heutigen Haushaltslage

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Deutschland hat sich wiedervereinigt!)

    — er plaudert lieber, als sich an den Fakten zu orientieren — jetzt die Sparerfreibeträge auf das Zwanzigfache des damaligen Betrages erhöhen will. Ich betone noch einmal: Wir begrüßen ausdrücklich, daß
    Bundesfinanzminister Waigel seine Haltung aufgegeben hat.
    Allerdings wird er keinem mehr verständlich machen können, warum er sich weiterhin einer Verbesserung des steuerlichen Grundfreibetrages für alle widersetzt, der mit 5 600 DM in Zukunft eben unterhalb des Sparerfreibetrages bleiben wird. Seien Sie doch jetzt konsequent und schließen sich auch hier unserem Vorschlag an, Herr Dr. Waigel, den Grundfreibetrag auf 8 000 DM für Ledige und 16 000 DM für Verheiratete zu erhöhen!

    (Beifall bei der SPD) Das wäre ein notwendiger Schritt.

    Ich habe von der unzureichenden fachlichen Kompetenz dieser Bundesregierung gesprochen, von der mangelnden Gestaltungskraft und — in wichtigen Bereichen — von dem mangelnden Gestaltungswillen. Im Zusammenhang mit dem Subventionsabbau nach Art des Herrn Möllemann läßt sich nun feststellen, daß es auch bei mangelnder Kompetenz noch Abstufungen gibt. Zugleich haben wir ein treffliches Beispiel dafür, daß — ich unterstelle Herrn Möllemann dies einmal in positiver Absicht — ein durchaus vorhandener Wille sich trotz kräftigster verbaler Gestaltung nicht in Gestaltungskraft umgesetzt hat. Wir haben die Theater-Nummer im Frühjahr erlebt, im Sommer die Lach-Nummer, und wir erleben zur Zeit die NullNummer des Herrn Möllemann.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das sind Sie!)

    Es wäre nicht weiter schlimm, wenn er seinen eigenen Ruf in diesem Jahr endgültig ruiniert hat, der Herr Möllemann.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Poß, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß ich das rote Licht deutlich blinken lasse. Sie müssen darauf Rücksicht nehmen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joachim Poß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Leider hat damit aber auch ein Mitglied dieser Bundesregierung der Glaubwürdigkeit der Politik erneut schweren Schaden zugefügt. Das, was sich Herr Möllemann in diesem Zusammenhang in diesem Jahr erlaubt hat, ist aber bezeichnend für die Gesamtleistung dieser Bundesregierung.
    Vielen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Michael Glos [CDU/CSU]: Das geht zu weit!)