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ID1205901100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/59 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 59. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Eidesleistung eines Ministers Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 4885 A Friedrich Bohl, Bundesminister (ChefBK) 4885 B Tagesordnungspunkt II: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksachen 12/1000, 12/1329) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 12/1401, 12/1600) 4885D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 12/1402, 12/1600) 4885 D Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 12/1403, 12/1600) 4886A Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksachen 12/1408, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksachen 12/1426, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksachen 12/1430, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 12/1420, 12/1600) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1991 (Nachtragshaushaltsgesetz 1991) (Drucksachen 12/1300, 12/1587, 12/1599) Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 4886 C Jochen Borchert CDU/CSU 4892 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 4892D, 4923 B Helmut Esters SPD 4893 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP 4897 A Dr. Willfried Penner SPD 4899 C Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste 4900 C Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 4903 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4907 B Joachim Poß SPD 4913 D Josef Duchac, Ministerpräsident des Landes Thüringen 4917 D Helmut Esters SPD 4920 A Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 4920 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1991 Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 4922 C Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 4926 B Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 4927C Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 12/1412, 12/1600) Ernst Waltemathe SPD 4930 A Dr. Peter Struck SPD 4931 C Wilfried Bohlsen CDU/CSU 4933D Werner Zywietz FDP 4936 A Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 4938 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 4940 A Ernst Waltemathe SPD 4940 C Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/ GRÜNE 4941 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 12/1422, 12/1600) Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 4943 A Hans-Wilhelm Pesch CDU/CSU 4946 A Carl-Ludwig Thiele FDP 4948 A Rolf Rau CDU/CSU 4949 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 4951A Namentliche Abstimmung 4952 D Ergebnis 4967 A Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 12/1416 [neu], 12/1600) Hans Georg Wagner SPD 4953 A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU 4953 B Michael von Schmude CDU/CSU 4956 D Jutta Braband PDS/Linke Liste 4958 C Gerhart Rudolf Baum FDP 4961 C Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/ GRÜNE 4961 D Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 4963 B Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär BMU 4964 A Nächste Sitzung 4969 C Berichtigung 4969 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 4971 * A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1991 4885 59. Sitzung Bonn, den 26. November 1991 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 57. Sitzung, Seite 4676A: Die unter ZP 2 und ZP 3 abgedruckten Texte sind zu streichen. Folgende Fassung ist einzufügen: ZP2 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Verhältnisses von Kriegsfolgengesetzen zum Einigungsvertrag — Drucksache 12/1504 — Überweisungsvorschlag: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß ZP3 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und weiterer Bundesgesetze für Heilberufe — Drucksache 12/1524 — Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 26. 11. 91 * Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 26. 11. 91 Bernrath, Hans Gottfried SPD 26. 11. 91 Blunck, Lieselott SPD 26. 11. 91 ** Börnsen (Ritterhude), SPD 26. 11. 91 Arne Büchler (Hof), Hans SPD 26. 11. 91 Clemens, Joachim CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 26. 11. 91 Herta Doppmeier, Hubert CDU/CSU 26. 11. 91 Genscher, Hans-Dietrich FDP 26. 11. 91 Dr. Glotz, Peter SPD 26. 11. 91 Helmrich, Herbert CDU/CSU 26. 11. 91 Jaunich, Horst SPD 26. 11. 91 Koschnick, Hans SPD 26. 11. 91 Kretkowski, Volkmar SPD 26. 11. 91 Kubicki, Wolfgang FDP 26. 11. 91 Dr. Lehr, Ursula CDU/CSU 26. 11. 91 Meißner, Herbert SPD 26. 11. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 26. 11. 91 ** Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 26. 11. 91 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nolte, Claudia CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Paziorek, Peter Paul CDU/CSU 26. 11. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 26. 11. 91 * Rempe, Walter SPD 26. 11. 91 Rennebach, Renate SPD 26. 11. 91 Rixe, Günter SPD 26. 11. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 26. 11. 91 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 26. 11. 91 Andreas Schuster, Hans Paul FDP 26. 11. 91 Hermann Seidenthal, Bodo SPD 26. 11. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 26. 11. 91 ** Stübgen, Michael CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 26. 11. 91 Dr. Ullmann, Wolfgang Bündnis 26. 11. 91 90/GRÜNE Voigt (Frankfurt), SPD 26. 11. 91 Karsten D. Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 26. 11. 91 Hans-Peter Vosen, Josef SPD 26. 11. 91 Wollenberger, Vera Bündnis 26. 11. 91 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 26. 11. 91 ** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Jochen Borchert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Dem Kollegen Esters sicher.


Rede von Helmut Esters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Borchert, sind Sie bereit, die prozentualen Anteile zu nennen, wenn Sie die ganzen Sondervermögen hinzurechnen, die ja in Wirklichkeit Schuldentöpfe sind?

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    Rede von Jochen Borchert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Esters, ich habe die Summe der Sondervermögen von 1982 nicht im Kopf.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Es gab keine!)

    Auch damals gab es neben dem Haushalt erhebliche Schulden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie rechnen heute Bundesbahn und anderes genauso dazu. Ich habe die Zahlen der Bundeshaushalte damals und heute miteinander verglichen. Ich finde, dieses Ergebnis ist eindeutig genug.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Detlev von Larcher [SPD]: Das ist wohl wahr! Eindeutig genug!)

    Drittens. Wir werden die Konsolidierung mittelfristig konsequent fortsetzen.

    (Ina Albowitz [FDP]: Sehr wahr!)

    Für uns bedeutet Konsolidierungspolitik, daß über den Weg strengster Ausgabendisziplin der finanzielle Spielraum zurückgewonnen wird, um die Neuverschuldung des Staates auf ein gesamtwirtschaftlich vertretbares Maß zurückzuführen. Gleichzeitig müssen im Haushalt die Ausgaben von konsumtiven Bereichen zu einer investiven Verwendung umgeschichtet werden.
    Nur eine konsequente Begrenzung der Ausgaben, bei der die Zuwächse deutlich hinter der Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Leistung zurückbleiben, verbessert die Angebotsbedingungen der Volkswirtschaft, stärkt das Vertrauen in die Stabilität unserer Währung, gibt den internationalen Kapitalmärkten die richtigen Signale und ist Ausdruck einer stabilitäts- und wachstumsorientierten Haushaltspolitik.
    Ich finde, völlig zu Recht schreibt der Sachverständigenrat:
    Die Finanzpolitik mùß erkennen lassen, daß sie tatkräftig darangeht, das hohe Defizit in den öffentlichen Haushalten innerhalb eines überschaubaren Zeitraums abzubauen. Das ist der stabilitätspolitische Aspekt einer verläßlichen Konsolidierungsstrategie.
    Die Koalitionsfraktionen setzen diesen Rat mit diesem Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanung um.

    (Lachen bei der SPD)

    Mit dem Haushalt 1992 wird ein Bundeshaushalt verabschiedet, der nach den außergewöhnlichen Jahren 1990 und 1991 wieder den Kurs der Konsolidierung aufnimmt. Die Ausgaben wachsen um 2,9 %. Im mittelfristigen Zeitraum ist eine Zunahme von unter 2 % geplant. Die im Finanzplan für 1993 vorgesehene Ausgabensteigerung von 1,4 % ist ein ehrgeiziges Ziel.
    Mit dem Moratoriumsbeschluß hat sich die CDU/ CSU-Fraktion selbst die Pflicht zur Sparsamkeit auferlegt. Der Moratoriumsbeschluß bedeutet, daß zusätzliche Ausgabenwünsche nur zusammen mit einem soli den Deckungsvorschlag beschlossen werden können. In der jetzigen Haushaltslage ist nicht alles, was wünschenswert ist, auch finanzierbar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Neue Leistungen können nur finanziert werden, wenn wir auf andere Leistungen verzichten.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Sehr richtig!)

    Mit der Fixierung auf die Nettokreditaufnahme wird allerdings der Konsolidierungsweg in der politischen Auseinandersetzung nur recht unvollkommen beschrieben. Eine Senkung der Nettokreditaufnahme allein muß nach unserer Auffassung noch nicht Konsolidierung bedeuten. Man kann durch Verbesserungen auf der Einnahmenseite bei gleichzeitig hohen Ausgabenzuwächsen die Nettokreditaufnahme eine Zeitlang stabil halten.
    Dies war der Weg der SPD in den 70er Jahren. Mit 30 Steuererhöhungen hielten Sie damals die Nettokreditaufnahme über einige Jahre im gesamtwirtschaftlichen Lot, so lange, bis die Konjunktur wegbrach. Danach geriet alles aus den Fugen.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es! — Zuruf von der SPD: Das kommt bei euch auch noch!)

    Die CDU/CSU-Fraktion versteht unter Konsolidierung eine Senkung der Nettokreditaufnahme auf Grund moderater Ausgabenzuwächse im Vergleich zum nominalen Wachstum des Bruttosozialprodukts. Nur so entsteht bei Senkung der Nettokreditaufnahme gleichzeitig der dringend notwendige Freiraum für private Investitionen. Nur so kann die Staatsquote dauerhaft gesenkt werden.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Sie erhöhen sie doch!)

    Nur so kann sich die Soziale Marktwirtschaft erneuern, und nur so wird der Spielraum für notwendige Steuersenkungen geschaffen. Die Steuererhöhung zur Finanzierung der Jahrhundertaufgabe wird zeitlich begrenzt, und es wird der Spielraum geschaffen, sie wieder zurückzuführen.
    Die CDU/CSU hat in den vergangenen Jahren bewiesen, daß dieser Weg gangbar ist. Der Bund steigerte in den Jahren von 1982 bis 1989 im Jahresdurchschnitt seine Ausgaben um 2,5 %, die öffentlichen



    Jochen Borchert
    Haushalte insgesamt um 3 %. Gleichzeitig wuchs die Wirtschaft im Jahresdurchschnitt um 6 %. Die Staatsquote sank von 50 auf 45 %.
    Diesen wirtschaftlichen Erfolgskurs hat die SPD als den Weg der sozialen Kälte und der Umverteilung von unten nach oben diffamiert.

    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Das ist es auch!)

    Den Weg der sozialen Kälte und der Umverteilung zu Lasten der Ärmsten hat die SPD in den 70er Jahren selber praktiziert, als der Schuldenstand des Bundes von 1969 bis 1982 um 700 % anwuchs. Das praktizierte die SPD, als die Zinsausgaben des Bundes von 1970 bis 1983 um mehr als 1 000 % explodierten. Alle Bürger, auch die ärmsten, mußten damals die Folgen einer maßlosen Ausgabenpolitik ausbaden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie die „besseren Konzepte" der SPD in der Finanzpolitik aussehen, auf die der Kollege Wieczorek zaghaft hingewiesen hat, zeigt die Finanzpolitik in Nordrhein-Westfalen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das! — Ina Albowitz [FDP]: „Zaghaft" ist das richtige Wort!)

    Für die Union besteht deshalb heute nicht der geringste Anlaß, vom bewährten Konsolidierungskurs der 80er Jahre abzuweichen. Für die Union ist dies der Weg, der Wohlstand für alle schafft. Für die Union ist dies der Weg, der die Voraussetzungen schafft, damit soziale Leistungen auch in Zukunft bezahlbar bleiben. Der Weg der Konsolidierung bedeutet nicht Stillstand; dies beweisen die Fakten. Gestaltende Politik ist dauerhaft nur bei soliden staatlichen Finanzen möglich.
    Dafür ist unsere Familienpolitik ein Beispiel: Mit der Einführung des Kinderfreibetrages, der Anhebung familienpolitisch wichtiger Freibeträge, der Einführung des Kinderbaugeldes, des Kindergeldzuschlags, des Erziehungsgeldes und des Erziehungsurlaubs — ich nenne damit nur einige Beispiele — haben wir bei soliden Finanzen, bei erfolgreicher Haushaltspolitik gleichzeitig in wichtigen Bereichen deutliche Signale gesetzt.
    Wir haben mit unserer Politik die Ausgaben begrenzt und gleichzeitig durch Umschichtungen den finanziellen Spielraum für neue Aufgaben gewonnen. Sozialdemokratische Regierungen würden bei dieser Erfolgsbilanz vor Neid erblassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Mit der Einheit Deutschlands stand die Haushaltspolitik 1991 vor gewaltigen und in diesem Ausmaß bisher nicht bekannten Aufgaben. Die Unterstützung des wirtschaftlichen Aufbaus und die soziale Flankierung in den neuen Bundesländern waren nur durch die Erfolge der Haushalts- und Finanzpolitik in den 80er Jahren möglich.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es!)

    Bei allen Anstrengungen zum Aufbau der neuen Bundesländer war aber doch klar, daß sich die Hinterlassenschaften von 40 Jahren sozialistischer Strukturen nicht in wenigen Monaten beseitigen lassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Für die Menschen in den neuen Bundesländern ist dies ein schwieriger und schmerzhafter Prozeß. Alte Arbeitsplätze fallen fort, und neue Arbeitsplätze entstehen aus der Sicht der Betroffenen viel zu spät. Alte Qualifikationen werden nicht mehr benötigt, neue Fähigkeiten müssen erworben werden. Viele sind in dieser Phase des Wandels enttäuscht oder drohen mutlos zu werden. Sie erwarten zu Recht unsere Hilfe und unsere Solidarität.
    Bei allen Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen und die ich nicht übersehe, können wir aber doch feststellen, daß wir innerhalb nur eines Jahres, eines Jahres deutsche Einheit, ein großes Stück des Weges zur ökonomischen und sozialen Einheit vorangekommen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es war richtig, schnell zuzupacken und zu handeln. Umwege oder Stufenlösungen wären falsch gewesen.
    Wenn man den Bericht der „Frankfurter Neuen Presse" vom 17. September liest, dann erscheint heute die zögerliche Haltung Lafontaines zur Wiedervereinigung in einem anderen Licht. Da heißt es, der stellvertretende SPD-Vorsitzende und saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine habe sich im vergangenen Jahr bei der sowjetischen Führung über deren klare Unterstützung der deutschen Einigung beklagt. Lafontaine — so Falin weiter — habe ihm gegenüber bittere Klage geführt, daß die Sowjets einer raschen Einigung Deutschlands keinen Widerstand entgegengesetzt haben.

    (Dr. Alfred Dregger [CDU/CSU]: Unglaublich! — Detlev von Larcher [SPD]: Warum wiederholen Sie Lügen? — Weiterer Zuruf von der SPD: Alles dementiert!)

    Lafontaine habe deshalb befürchtet, als Kanzlerkandidat der SPD bei der Bundestagswahl zu scheitern —

    (Detlev von Larcher [SPD]: Sie wiederholen doch immer wieder Lügen! — Gegenrufe von der CDU/CSU: Es ist nie dementiert worden! — Das tut weh!)

    — hören Sie es sich ruhig an; ich weiß, daß das für Sie nicht angenehm ist — , und das, obwohl die deutschen Sozialdemokraten in früheren Jahren immer so gut mit sowjetischen Regierungen zusammengespielt hatten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Wir dürfen gespannt sein, welche weiteren Enthüllungen in Moskau noch an den Tag kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Da ist die Äußerung des SPD-Chefs Björn Engholm wirklich wohltuend, wenn er sagt, daß der vom Bundeskanzler Helmut Kohl eingeschlagene Weg vermutlich richtig war. Ich zitiere:



    Jochen Borchert
    Ob es andere Möglichkeiten des Weges gegeben hätte, das würde ich nach heutiger Einschätzung bezweifeln.
    Ich bezweifle, daß sich die SPD-Fraktion gleichfalls zu dieser Erkenntnis durchringt, und daß sie sich dazu durchringt, daß sie mit ihrer Politik der vergangenen Jahre auf dem Holzweg war.
    Diese Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben die historische Chance der Wiedervereinigung Deutschlands ergriffen und diese Wiedervereinigung in kürzester Zeit realisiert. Daß wir die Jahrhundertaufgabe heute finanzieren können, ist das Ergebnis der Politik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen seit Herbst 1982.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist auch nicht vergessen, daß in den 70er Jahren, als Sozialdemokraten die Regierungsverantwortung trugen und die Belastbarkeit der Wirtschaft testen wollten,

    (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Mit der FDP gemeinsam!)

    das reale Bruttosozialprodukt sank, die realen Ausrüstungsinvestitionen zurückgingen, die Beschäftigung dramatisch zurückging,

    (Zuruf von der SPD: Völlig ahistorisch!)

    die Zahl der Insolvenzen stieg und die jährliche Preissteigerungsrate im Durchschnitt 5,3 % erreichte. Demgegenüber sind die durch unsere Politik ermöglichten Fortschritte eine wahre Erfolgsgeschichte.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Von 1982 bis 1990 ist das reale Bruttosozialprodukt im Durchschnitt jährlich um 3 % gewachsen. Von September 1983 bis September 1991 sind über 3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden, davon allein 950 000 in den letzten zwölf Monaten.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Der vergleicht Äpfel mit Birnen!)

    Von 1983 bis 1990 belief sich die durchschnittliche Preissteigerungsrate auf 1,60/e. Trotz dieser Fakten behauptete Frau Matthäus-Maier am 5. Juni 1991: „Es sind sozialdemokratische Konzepte, die unser Land in der Wirtschaftspolitik, in der Finanzpolitik und in der Umweltpolitik voranbringen. "

    (Ingrid Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Besonders in Nordrhein-Westfalen!)

    Richtig ist: Es sind sozialdemokratische Konzepte, die Anfang der 80er Jahre zur Haushalts- und Finanzkrise geführt haben

    (Beifall bei der CDU/CSU — Detlev von Larcher [SPD]: Das ist doch nicht wahr! Das ist doch Quatsch!)

    und es sind christdemokratische Konzepte, die unser Land in der Wirtschaftspolitik, in der Finanzpolitik und in der Umweltpolitik wieder voranbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Die Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern ist durch große Anpassungsprobleme gekennzeichnet, die unvermeidlich sind. Aber der Erneuerungsprozeß wird vorankommen, denn die Investitionen werden erheblich angehoben durch staatliche Stellen und durch Unternehmer aus dem Westen. Sowohl Privatinvestitionen als auch die erheblichen staatlichen Maßnahmen, vor allem des Bundes, beginnen Wirkung zu zeigen. Und wie reagiert die SPD? Ihr Bundesgeschäftsführer, der frühere Gewerkschaftsfunktionär Blessing, sagte kürzlich im Südwestfunk: „Das Problem sind auch die Unternehmer, die sich nach der deutschen Einheit, von der sie hauptsächlich profitiert haben, jetzt als vaterlandslose Gesellen gebärden und nicht in der Lage sind, ihren Beitrag entsprechend zu leisten. " Dies, meine ich, war eine schlimme Entgleisung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Dies ist der Rückfall in finsteren Klassenkampf.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Ich empfehle ihm Nachhilfeunterricht bei erfolgreichen Unternehmern in der SPD, wie etwa Edzard Reuter, der in Brasilien sagte:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das nützt bei denen nichts!)

    — Man soll den Glauben an die Lernfähigkeit nie aufgeben, Herr Kollege. — Ostdeutschland wird in absehbarer Zeit zur modernsten Region Europas, vielleicht sogar der Welt. Ich meine, dem ist nichts hinzuzufügen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Sachverständigenrat fordert die öffentliche Hand auf, durch strenge Ausgabendisziplin auf allen Ebenen einen Konsolidierungsbeitrag zu leisten.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Da hören Sie mal drauf!)

    — Dieser Prozeß der Solidarität, Frau Kollegin, stößt allerdings bei den SPD-regierten westdeutschen Ländern nach wie vor auf wenig Gegenliebe. Diese westdeutschen Länder berücksichtigen in der Mehrzahl bei der Aufstellung ihrer Haushalte für 1992 den Prozeß der Wiedervereinigung kaum. Die Haushalte sind durch hohe Steigerungsraten gekennzeichnet.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Der redet immer über andere!)

    Die mangelnde Solidarität wird darüber hinaus durch zwei Gesetzentwürfe deutlich: durch das Steueränderungsgesetz 1992 und durch das Gesetz zur Abschaffung der Strukturhilfe, deren Änderung von den SPD-regierten Ländern abgelehnt wird.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Leider wahr!)

    Es besteht wohl kein Zweifel, daß die strukturschwachen Länder im Osten Deutschlands und nicht im Westen liegen. Für die Weitergewährung der Strukturhilfe an die alten Bundesländer gibt es ab 1992 keine Begründung mehr. Trotzdem fordert der Bundesrat mit der Mehrheit der SPD-geführten Länder, die Strukturhilfe weiterzuführen und erst 1995 end-



    Jochen Borchert
    gültig darauf zu verzichten. Dies kostet 6 Milliarden DM, die dann nicht für den Aufbau der neuen Bundesländer zur Verfügung stehen.
    Zum Bundeshaushalt 1992 hat der Bundesrat Anträge über Mehrausgaben in Höhe von mehr als 5 Milliarden DM beschlossen. Auch dies ist kein Zeichen dafür, daß die Mehrheit im Bundesrat und hier an der Spitze die SPD-geführten westdeutschen Bundesländer bereit sind, ihren finanziellen Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands zu leisten. Hier zeigt sich die Doppelzüngigkeit der SPD, die einerseits vom Teilen redet, andererseits das Teilen in dieser Frage jedoch verweigert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Verfahren im Vermittlungsausschuß wird zeigen, in welchem Ausmaß die SPD-regierten Länder gewillt sind, dem im Grundgesetz enthaltenen Auftrag, annähernd gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland zu schaffen, nachzukommen.
    Niemand bestreitet Risiken bei der zukünftigen Entwicklung der öffentlichen Finanzen. Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen wird maßgebend von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bestimmt. Wirtschaftliches Wachstum ermöglicht die Finanzierung der vor uns liegenden Aufgaben, ohne daß die Bürger oder der Staat überfordert werden. Es ist deshalb unsere primäre Aufgabe, alles zu tun, damit unsere Volkswirtschaft auch mittelfristig Rahmenbedingungen erhält, die wirtschaftliches Wachstum unterstützen und fördern.
    Die dafür notwendigen Voraussetzungen müssen von allen am Wirtschaftsprozeß Beteiligten erbracht werden. Auch die Tarifparteien müssen ihren Kurs korrigieren. 1991 waren die Tarifabschlüsse in den alten und in den neuen Bundesländern zu hoch. Von den Tarifparteien ist eine Lohnpolitik zu fordern, die sich am Produktivitätszuwachs orientiert

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Immer die anderen!)

    und die die Sicherung der Geldwertstabilität unterstützt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Selbst Schulden machen und bei anderen Stabilität einfordern!)

    Der Staat muß den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft in den neuen Bundesländern unterstützen und sozial abfedern.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ja! Fangt doch endlich an!)

    — Herr Kollege, wenn Sie das immer noch nicht gemerkt haben, dann frage ich mich, wo Sie die ganze Zeit waren. —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ich war da!)

    Dabei dürfen vorhandene Strukturen nicht konserviert werden; die Rahmenbedingungen für Investititionen in den neuen Bundesländern müssen vielmehr
    verbessert und damit der Strukturwandel unterstützt und gefördert werden.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Machen! Machen!)

    Wenn die Rahmenbedingungen für Investitionen und wirtschaftliches Wachstum weiter verbessert werden sollen, dann muß das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte in den nächsten Jahren deutlich zurückgeführt werden.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig!)

    Die Konsolidierung ist dabei nicht nur eine quantitative Aufgabe; vielmehr müssen alle Ausgaben überprüft und neue Prioritäten und neue Schwerpunkte gesetzt werden.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Anfangen!)

    Konsolidierung bedeutet für uns strengste Ausgabendisziplin

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das sieht man!)

    und — durch Umschichtungen und Kürzungen bei den konsumtiven Ausgaben — gleichzeitig eine Erhöhung bei investiven Ausgaben.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Und bei den Subventionen!)

    Der Aufbau der neuen Bundesländer, d. h. die Transformation einer Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft, ist weltweit ohne Beispiel. Mit dem Haushalt 1992 stellen wir die notwendigen Instrumente und die finanziellen Mittel zur Bewältigung dieser Aufgabe zur Verfügung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, auch in diesem Jahr hat sich das besondere Klima im Haushaltsausschuß bei den schwierigen Haushaltsberatungen, wie ich finde, bewährt. Wir haben den Haushalt 1992 und den Nachtragshaushalt 1991 in wenigen Wochen beraten und erhebliche Änderungen beschlossen.
    Für die intensive Beratung und Unterstützung durch die Beamten des Finanzministeriums sowie für die Hilfe durch die Mitarbeiter des Ausschußsekretariats bedanke ich mich herzlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Ich danke ebenso für die Unterstützung durch den Bundesrechnungshof, der für unsere Arbeit im Haushaltsausschuß eine wichtige Hilfe ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Dem Vorsitzenden Rudi Walther und dem stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Klaus Rose danke ich für die zügige und auch in schwierigen Phasen immer geduldige Verhandlungsführung. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für die offene und immer faire Diskussion.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir gern gemacht!)

    Ich danke auch Helmut Wieczorek und den Kollegen der SPD, die — bei allen inhaltlichen Differen-



    Jochen Borchert
    zen — im Ausschuß immer fair mit uns diskutiert haben — im Unterschied zur Diskussion hier im Plenum.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin dankbar für das freundschaftliche und offene Verhältnis in der Koalitionsarbeitsgruppe. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, aber auch der FDP sehr herzlich dafür bedanken.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Bei mir auch!)

    Ich bin dankbar, daß alle Haushaltspolitiker der Koalition immer bereit waren, bei strittigen Fragen einen Kompromiß zu suchen. Den Kompromiß gemeinsam zu verantworten ist eine gute Ausgangsbasis für die vor uns liegende Konsolidierungsaufgabe der nächsten Jahre.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Den Steuerzahlern sollten Sie einmal danken!)