Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Andres, Gerd SPD 08. 11. 91
Antretter, Robert SPD 08. 11. 91 *
Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 08. 11. 91
Beckmann, Klaus FDP 08. 11. 91
Bläss, Petra PDS 08. 11. 91
Brähmig, Klaus CDU/CSU 08. 11. 91
Burchardt, Ulla SPD 08. 11. 91
Clemens, Joachim CDU/CSU 08. 11. 91
Conradi, Peter SPD 08. 11. 91
Doppmeier, Hubert CDU/CSU 08. 11. 91
Ewen, Carl SPD 08. 11. 91
Eymer, Anke CDU/CSU 08. 11. 91
Dr. Feldmann, Olaf FDP 08. 11. 91
Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 08. 11. 91
Gansel, Norbert SPD 08. 11. 91
Dr. von Geldern, CDU/CSU 08. 11. 91
Wolfgang
Genscher, Hans-Dietrich FDP 08. 11. 91
Dr. Glotz, Peter SPD 08. 11. 91
Götz, Peter CDU/CSU 08. 11. 91
Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 08. 11. 91
Grünbeck, Josef FDP 08. 11. 91
Grüner, Martin FDP 08. 11. 91
Haack (Extertal), SPD 08. 11. 91
Karl-Hermann
Haschke CDU/CSU 08. 11.91
(Großhennersdorf),
Gottfried
Dr. Hauchler, Ingomar SPD 08. 11. 91
Henn, Bernd fraktionslos 08. 11. 91
Heyenn, Günther SPD 08. 11. 91
Hollerith, Josef CDU/CSU 08. 11. 91
Homburger, Birgit FDP 08. 11. 91
Dr. Hoyer, Werner FDP 08. 11. 91
Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 08. 11. 91
Junghanns, Ulrich CDU/CSU 08. 11. 91
Jungmann (Wittmoldt), SPD 08. 11. 91
Horst
Kauder, Volker CDU/CSU 08. 11. 91
Klemmer, Siegrun SPD 08. 11. 91
Körper, Fritz Rudolf SPD 08. 11. 91
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 08. 11. 91
Kohn, Roland FDP 08. 11. 91
Kolbe, Manfred CDU/CSU 08. 11. 91
Koltzsch, Rolf SPD 08. 11. 91
Kors, Eva-Maria CDU/CSU 08. 11. 91
Koschnick, Hans SPD 08. 11. 91
Kossendey, Thomas CDU/CSU 08. 11. 91
Kubicki, Wolfgang FDP * 08. 11. 91
Dr. Graf Lambsdorff, Otto FDP 08. 11. 91
Leidinger, Robert SPD 08. 11. 91
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Abgeordnete(r) entschuldigt big einschließlich
Dr. Leonhard-Schmid, SPD 08. 11. 91
Elke
Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 08. 11. 91
Lühr, Uwe FDP 08. 11. 91
Dr. Luther, Michael CDU/CSU 08. 11. 91
Marten, Günter CDU/CSU 08. 11. 91 **
Mattischeck, Heide SPD 08. 11. 91
Meckel, Markus SPD 08. 11. 91
Dr. Menzel, Bruno FDP 08. 11. 91 '
Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 08. 11. 91
Möllemann, Jürgen W. FDP 08. 11. 91
Mosdorf, Siegmar SPD 08. 11. 91
Dr. Müller, Günther CDU/CSU 08. 11. 91 **
Müller (Pleisweiler), SPD 08. 11. 91
Albrecht
Neumann (Bramsche), SPD 08. 11. 91
Volker
Niggemeier, Horst SPD 08. 11. 91
Nolte, Claudia CDU/CSU 08. 11. 91
Opel, Manfred SPD 08. 11. 91
Ostertag, Adolf SPD 08. 11. 91
Paintner, Johann FDP 08. 11. 91
Dr. Pfaff, Martin SPD 08. 11. 91
Pfuhl, Albert SPD 08. 11. 91 *
Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 08. 11. 91
Poß, Joachim SPD 08. 11. 91
Raidel, Hans CDU/CSU 08. 11. 91
Regenspurger, Otto CDU/CSU 08. 11. 91
Rempe, Walter SPD 08. 11. 91
Reuschenbach, Peter W. SPD 08. 11. 91
Roth, Wolfgang SPD 08. 11. 91
Sauer (Salzgitter), Helmut CDU/CSU 08. 11. 91
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 08. 11. 91
Schaich-Walch, Gudrun SPD 08. 11. 91
Schily, Otto SPD 08. 11. 91
Schluckebier, Günther SPD 08. 11. 91
Schmidt (Aachen), Ursula SPD 08. 11. 91
Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 08. 11. 91
Andreas
Schmidt (Nürnberg), SPD 08. 11. 91
Renate
Schmidt-Zadel, Regina SPD 08. 11. 91
Dr. Schmude, Jürgen SPD 08. 11. 91
Dr. Schreiber, Harald CDU/CSU 08. 11. 91
Dr. Schuster, Werner SPD 08. 11. 91
Dr. Seifert, Ilja PDS 08. 11. 91
Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 08. 11. 91
Dr. Starnick, Jürgen FDP 08. 11. 91
Steinbach-Hermann, CDU/CSU 08. 11. 91
Erika
Tillmann, Ferdi CDU/CSU 08. 11. 91
Titze, Uta SPD 08. 11. 91
Toetemeyer, SPD 08. 11.91
Hans-Günther
Dr. Ullmann, Wolfgang Bündnis 08. 11. 91
90/GRÜNE
Vergin, Siegfried SPD 08. 11. 91
Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 08. 11. 91 *
Friedrich
4636 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. November 1991
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 08. 11. 91
Hans-Peter
Vosen, Josef SPD 08. 11. 91
Wagner (Eppelborn), SPD 08. 11. 91
Hans Georg
Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 08. 11. 91
Welt, Jochen SPD 08. 11. 91
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 08. 11. 91
Dr. Wieczorek CDU/CSU 08. 11. 91
(Auerbach), Bertram
Wohlleben, Verena SPD 08. 11. 91
Ingeburg
Wollenberger, Vera Bündnis 08. 11. 91
90/GRÜNE
Wülfing, Elke CDU/CSU 08. 11. 91
Zierer, Benno CDU/CSU 08. 11. 91 *
Dr. Zöpel, Christoph SPD 08. 11. 91
für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zu Tagesordnungspunkt 16 (Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze — Steueränderungsgesetz
1992 — StÄndG 1992)
Werner Schulz (Berlin) (Bündnis 90/GRÜNE): Eine bekannte Wirtschaftszeitung schrieb kürzlich: Enthemmte Verschuldung ist die Signatur der Politik! Der Skandal ist dabei nicht, daß mit dem Einigungsprozeß hohe Transferleistungen von West nach Ost notwendig geworden sind. Das Problem ist vielmehr, daß die Bundesregierung — und leider nicht nur sie — immer noch nicht den Ernst der Lage erkannt hat: Sie möchte mit den traditionellen Mitteln der Finanzpolitik die außergewöhnlich hohen Belastungen aus dem deutschen Einigungsprozeß bewältigen. Dabei ist schon lange abzusehen — die wissenschaftlichen Experten des Sachverständigenrates und der Institute haben darauf mehrfach verwiesen — , daß neue Wege in der Wirtschaftspolitik beschritten werden müssen. Die finanzpolitische Linie der Bundesregierung ist aber trotz ihrer wohltönenden Rhetorik konzeptionslos geblieben. Nicht einmal der angekündigte Kurs einer Konsolidierung der Staatsfinanzen kann eingehalten werden.
Hinzu kommt aber auch: Diese Regierung will auch weiterhin mit den bekannten Methoden die finanzpolitische Situation verschleiern. Ein Teil der gewaltigen Belastungen wird einfach in Neben- und Schattenhaushalte verlagert. Die tatsächlichen Schuldenposten werden dadurch der öffentlichen Betrachtung und Beurteilung entzogen. Dabei ist jetzt schon abzusehen, daß gerade im Bereich dieser Nebenhaushalte zusätzliche Lasten entstehen, die in dieser Höhe nicht erwartet worden sind. Dies betrifft nicht nur den Fonds „Deutsche Einheit" , dessen Volumen jetzt erneut erweitert werden muß.
Übersehen wird zumeist auch, daß der Kreditabwicklungsfonds, der bisher ein Defizit von knapp 30 Milliarden DM aufweist, nur den vorläufigen Stand der Verschuldung der ehemaligen DDR wiedergibt. Der Finanzminister wird hier noch Überraschungen erleben: Bis Ende 1993 erstatten Bund und Treuhandanstalt je zur Hälfte die Zinausgaben dieses Sondervermögens. Danach soll der Fonds aufgelöst und der Schuldenbestand der Treuhandanstalt übertragen werden. Die Treuhandanstalt, in der Sicht des Finanzministers überhaupt kein Teil der öffentlichen Finanzwirtschaft, wird dem Bundeshaushalt in den kommenden Jahren gewaltige Defizite bescheren. Ich verweise hier nur auf die Darlegungen des Bundesrechnungshofes zu diesem Punkt: Dort wird darauf verwiesen, daß die Finanzrisiken, die aus der Tätigkeit der Treuhandanstalt resultieren, von der Bundesregierung nur unreichend berücksichtigt worden sind. Zum anderen wird betont, daß die Treuhandanstalt als rechtsfähig bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts Teil der mittelbaren Staatsverwaltung sei. Dies sei auch dadurch dokumentiert, daß dem Bundesminister der Finanzen die Fach- und Rechtsaufsicht obliegt. Die Schulden der Treuhandanstalt werden jedenfalls nicht ohne Einfluß auf den Bundeshaushalt bleiben.
Als zusätzliche Risiken für die Finanzpolitik sind zu nennen: die außenwirtschaftlichen Gewährleistungen mit Ausfallrisiko, die Defizite bei Bundesbahn und Reichsbahn, nicht zuletzt aber auch die zusätzlichen Haushaltsanforderungen auf Grund des zu regelnden Familienlastenausgleichs. Insgesamt bedeutet dies, daß das Defizit der öffentlichen Haushalte binnen Jahresfrist um rund 65 Milliarden DM auf knapp 75 Milliarden DM im Jahre 1990 emporschnellte. In diesem Jahr wird der Fehlbetrag nach einer Schätzung der Deutschen Bundesbank eine Größenordnung von 130 Milliarden DM erreichen: Die Verschuldung erreicht dann eine Größenordnung von 5 % des gesamtdeutschen Bruttosozialprodukts.
Die Bundesbank fordert nun zu Recht, daß die Verschuldung baldmöglichst wieder auf ein normales Maß begrenzt werden muß. Sie verweist auch darauf, daß die Rückführung der Verschuldung auch aus außenwirtschaftlichen Gründen dringlich sei: Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik wird weltweit kritisch daraufhin beobachtet, ob sie die mit der Vereinigung gestellten Aufgaben mit den richtigen Maßnahmen und auch in angemessener Frist bewältigen kann. Sogar der Internationale Währungsfonds empfiehlt der Bundesregierung, mit einem ehrlichen Bericht über die wahren Kosten der deutschen Vereinigung an die Öffentlichkeit zu treten. Es zeichnet sich ab: Die Stabilitätspolitik der Bundesregierung wird weltweit zunehmend in Zweifel gezogen.
Der Bundesrechnungshof hat die Schuldenpolitik der Bundesregierung ebenfalls gerügt. Er verweist in seinen Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung auf die dramatisch ansteigende Zinslastquote: Das Verhältnis der Zinsausgaben zu den Gesamtausgaben wird nach der derzeitigen Finanzplanung des Finanzministeriums im Zeitraum 1991 bis 1995 von 10,3 % auf 13,3 % steigen. Ebenso deutlich wird die Zins-Steuer-Quote ansteigen: Das Verhältnis der Zinsausgaben zu den Steuereinnahmen wird im
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. November 1991 4637*
selben Zeitraum von 13,6 %. auf 15 %. steigen. Zu dem dramatischen Anstieg der Folgekosten der staatlichen Verschuldung trägt auch bei, daß die Schulden des Bundes überhaupt nicht mehr getilgt werden. Der Bundesrechnungshof stellt fest, daß die fälligen Tilgungszahlungen im wesentlichen immer durch neu aufgenommene Kredite finanziert werden. Dies kann im Ergebnis sogar dazu führen, daß heute und in Zukunft Zinsen auch für solche Kredite bezahlt werden, deren Gegenwert ganz oder teilweise schon nicht mehr vorhanden ist. Dies heißt letztlich, daß die Kreditaufnahme als Mittel zur Finanzierung von Investitionen — die klassische, immer noch gültige Formel — immer mehr eingeschränkt wird, an sich nur noch in Sonntagsreden der Koalitionspolitiker eine Rolle spielt. Es bestehen Zweifel, ob die Bundesregierung in der Lage sein wird, den haushaltspolitischen Spielraum durch eine Rückführung der Nettokreditaufnahme wiederherzustellen. Mit den projektierten finanzpolitischen Festlegungen im Finanzplan des Bundes ist dies sicherlich nicht möglich.
Es gab kurzfristig eigentlich keine Alternative zur Ausweitung der Verschuldung, um den dringlichen finanziellen Zusatzbedarf, der sich mit der deutschen Einheit ergab, zu finanzieren. Inzwischen ist aber klargeworden, daß die Politik des leichten Geldes nicht beliebig fortgesetzt werden kann. Selbst die Bundesregierung hat erkannt, daß ihre finanzpolitischen Vorstellungen Makulatur geworden sind. Nach dem Versprechen, die Steuern nicht zu erhöhen, fiel es ihr allerdings zunächst schwer, auf das einfachste Mittel der Einnahmepolitik zurückzugreifen.
Die ersten Einnahmeverbesserungen bestanden noch in einem befristeten Zuschlag zur Einkommensteuer. Die Schamfrist scheint nun aber endgültig vorüber zu sein. Im vorliegenden Steuerpaket wird wieder einmal auf die Vergeßlichkeit der Bürger und Bürgerinnen vertraut. Nicht nur, daß nun die Mehrwertsteuer erhöht werden soll — eine schon an sich besonders unsoziale Absicht. Die Mehrwertsteuererhöhung soll aber verknüpft werden mit einer gleichzeitigen Senkung von Unternehmensteuern. Dies ist sogar vielen Abgeordneten aus den Reihen der Regierungskoalition zuviel. Sie sehen es wie Heiner Geißler, der schon frühzeitig vor einer Verbindung von Mehrwertsteuererhöhung und Senkung von Unternehmensteuern gewarnt hatte.
Nebenbei: Die Absichten dieser Region werden zusätzlich konturiert, wenn man sie um weitere finanzpolitische Auswüchse auf der Ausgabenseite ergänzt. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf die skandalösen Zustände in der Zinsbesteuerung verweisen. Seit Jahren wird Steuerhinterziehung in großem Umfang geduldet, sie wird sogar gesetzlich begünstigt, wenn man an die Regelungen im Zusammenhang mit der früheren Quellensteuer denkt. Es ist einfach nicht mehr länger hinzunehmen, daß der Staat jährlich auf zweistellige Milliardenbeträge aus der Einkommensteuer einfach verzichtet. Ich fordere den Finanzminister auf, diesen Zustand baldmöglichst zu beenden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies unzweideutig gefordert. Der sich abzeichnende Vorschlag der Bundesregierung wird allerdings das Problem nicht lösen.
Die geduldete Steuerhinterziehung bei den Kapitalzinsen kontrastiert deutlich mit der geplanten Steuererhöhung. Nach dem Steueränderungsgesetz 1991 wird jetzt schon der zweite Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem die Finanzmisere durch eine Erhöhung der Steuern behoben werden soll. Ich möchte ganz eindeutig sagen: Dieses Steueränderungsgesetz 1992 wird den Anforderungen an die ökonomische Vernunft und soziale Ausgewogenheit nicht gerecht.
Ich möchte dies im folgenden begründen: Schon das steuerpolitische Umfeld zeigt, daß diese Regierung es nicht ernst meint mit den von ihr selbst angekündigten steuerpolitischen Reformschritten. In der Koalitionvereinbarung ist festgehalten, die Steuerreform — die schon damals kein großer Wurf war — fortzusetzen, und zwar im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Ökonomen und Juristen sind zu Recht der Meinung, daß die deutsche Unternehmensbesteuerung in ihrer Struktur verfehlt ist. Die Bundesregierung ist aber offenbar mit den Unternehmerverbänden der Meinung, daß es sich weniger um ein Strukturproblem handele, sondern um eine zu hohe steuerliche Belastung der Unternehmen. Die Vorstellung der Unternehmerverbände — die Anhörung im Finanzausschuß hat dies erneut gezeigt — hat der Wirtschaftsrat der CDU so zusammengefaßt: „Die Unternehmensteuern müssen weiter gesenkt werden. " (FAZ 17. Oktober 1991)
Bekanntlich wird die Belastung der Unternehmen in den verschiedenen Berechnungen jedoch höchst unterschiedlich beurteilt: Sie reichen von 16,6 bis 72,2 % Gewinnsteuerbelastung der Unternehmen in der Bundesrepublik. Damit kommen auch die internationalen Vergleiche zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es ist nicht verwunderlich, daß das Institut der Deutschen Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie die 70-%-Rechnung erarbeitet hat. Eines immerhin dokumentieren diese unterschiedlichen Berechnungen: Sie offenbaren die gewaltigen Strukturmängel in der Unternehmensbesteuerung.
Die Bundesregierung ist in ihrer Beurteilung jedoch recht einseitig: Ihre von ihr so bezeichnete Unternehmensteuerreform hat vor allem die Quantität der Steuersenkungen zum Ziel und nicht die Qualität der Steuerarten und Steuerbemessungsgrundlagen. Dabei gab es in den vergangenen Jahren viele steuerpolitische Reformvorschläge, die auch in die Empfehlungen der Sachverständigen eingeflossen sind. Das Gesetzespaket der Bundesregierung wird nicht einmal dem eigenen Reformanspruch gerecht.
Zu befürworten ist dagegen eine aufkommensneutrale Strukturreform der Unternehmensbesteuerung, wie sie auch in anderen Länder erfolgt ist. Die wesentlichen Elemente einer solchen Reform sind: Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze, Steuervereinfachung und Begünstigung wieder investierter Gewinne im Verhältnis zu den ausgeschütteten Gewinnen. Dabei sind gleichzeitig ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Der Bundesregierung geht es aber hauptsächlich um eine Senkung der steuerlichen Belastung der Unternehmen, die nur zu einem kleinen Teil bei den Ver-
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änderungen der Bewertungs- und Abschreibemöglichkeiten kompensiert wird. Sie folgt damit den zwar verständlichen, aber dennoch zum Teil unbegründeten Forderungen der Unternehmerverbände nach einer steuerlichen Entlastung. Eine Strukturreform des Steuersystems kann so sicher nicht erreicht werden. Die Bundesregierung sollte ihre Vorstellungen noch einmal überdenken und auf die Steuersenkung verzichten. Es gab ja bereits Stimmen aus dem Regierungslager, die einen solchen Schritt nahegelegt haben. Ich fordere den Bundeskanzler auf, diesen Empfehlungen zu folgen.
Die Gegenbuchung ist ebenfalls nicht akzeptabel. Die Steuermindereinnahmen sollen durch den Abbau von Steuervergünstigungen ausgeglichen werden. Aber hier wurde der Entwurf bereits wieder verwässert. Bezüglich Abschreibungsregelungen, Hinzurechnung von Gewinnen und Vermögen zum steuerpflichtigen Einkommen sind die Einwände der Wirtschaft berücksichtigt worden. Im ursprünglichen Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1992 war noch vorgesehen, die weitgehende Kfz-Steuerbefreiung für LKW-Anhänger zu streichen. Zugunsten des Fuhrgewerbes wurde diese Streichung rückgängig gemacht. Ebenso wird bei der Besteuerung von sogenannten Policen-Darlehen die ursprünglich vorgesehene Regelung abgemildert. Auch auf die Einbeziehung der Motorboote in die Kfz-Steuer wurde verzichtet. Insgesamt ergeben sich bei diesen Abstrichen Steuermindereinnahmen von 1,2 Milliarden DM.
In der Gesetzesvorlage tauchen andere Kürzungen bei steuerlichen Subventionen überhaupt nicht auf: Abbau der Mineralölsteuerbefreiung für die Luftfahrt, für die Binnenschiffahrt, Subventionsabbau in der Landwirtschaft. Besonders nachteilig ist dabei: Die Steueränderungen deuten in ökologischer Hinsicht auf keinerlei Kursänderung hin.
Die Wirtschaftsverbände haben offensichtlich viele ihrer Ziele erreicht. Diese Bundesregierung — und hier vor allem der Bundeswirtschaftsminister — hat immer den Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen betont. Der Subventionsabbau hat sich im Ergebnis als Etikettenschwindel erwiesen. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Subventionsabbau überwiegend um Subventionen, die ohnedies auslaufen sollten, um den Verzicht auf die Erhöhung von Subventionen und um die erneute Einbeziehung bereits beschlossener Maßnahmen. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde der ohnedies schon minimale Subventionsabbau schließlich noch weiter eingeschränkt. Der jetzt vorgelegte Subventionsbericht bestätigt dies. Und nebenbei: Der Subventionsbericht gibt das wahre Bild der Subventionspraxis nicht vollständig wieder. Ich empfehle daher, ihn einmal mit dem entsprechenden Bericht des Instituts für Weltwirtschaft zu vergleichen. Die Schönfärberei der Bundesregierung ist unerträglich.
Die Anhebung der Umsatzsteuer — von 14 auf 15 % — steht bei der Bundesregierung nicht zur Disposition, obwohl ebenfalls von vielen Experten erhebliche Kritik geäußert worden ist. Der mit der Mehrwertsteuererhöhung verbundene Preisschub kann leicht eine Inflationsdynamik auslösen, die die Bundesbank zu noch schärferen Stabilitätsmaßnahmen zwingen würde. Hinzu kommt: Die Einnahmeverbesserung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist sozial unausgewogen. Sie trifft die ohnehin schon stark belasteten Durchschnittshaushalte besonders stark. Diese Maßnahme wirkt sich wegen ihrer regressiven Belastungswirkung zu Lasten der einkommensschwachen Haushalte aus. Ich fordere deshalb von der Bundesregierung, auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verzichten.
Und Sie wissen es auch, es gibt Alternativen zur Erhöhung der Mehrwertsteuer: Die Beibehaltung einer Ergänzungsabgabe für relativ hohe Einkommen, der Verzicht auf die Nettoentlastung der Unternehmen und die Einführung einer verfassungskonformen Kapitalertragsbesteuerung erbringen zusätzliche Steuereinnahmen, die den Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung kompensieren würde. Auch Kürzungen im Verteidigungshaushalt sollten berücksichtigt werden.
Das Konzept der Bundesregierung ist aber: Umverteilung zu Lasten der durchschnittlichen Einkommen, da die Unternehmensteuersenkungen nicht aufkommensneutral festgelegt sind. Die Verbesserung des Familienlastenausgleichs — Anhebung des Kinderfreibetrages von 3 024 auf 4 104 DM — ist in diesem Zusammenhang nur eine Notwendigkeit, zu der das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung gezwungen hat. Das Verfassungsgericht fordert, daß das Existenzminimum von der Besteuerung freigestellt ist. Die Anhebung des Kinderfreibetrages ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings bleibt festzuhalten:
Erstens ist dem Auftrag der Verfassungshüter noch keineswegs ausreichend Genüge getan — die Freibeträge werden noch weiter erhöht werden müssen.
Zweitens ist damit das sozialpolitische Ziel, die Familien zu entlasten, noch nicht erreicht. Familien mit niedrigem Einkommen werden durch steuerliche Entlastungen nicht angemessen erfaßt. Dies gilt in besonderem Maße für die Menschen in den neuen Bundesländern. Deshalb bleibt die Bundesregierung auch hier in der sozialpolitischen Pflicht.
Das Steuerpaket muß dringend nachgebessert werden. Dazu gibt es vermutlich Gelegenheit im Vermittlungsausschuß. Die Bundesländer sollten jedoch nicht der Versuchung erliegen, zugunsten eigener Einnahmeverbesserungen einer Mehrwertsteuererhöhung zuzustimmen.
Dr. Fritz Schumann(Kroppenstedt) (PDS/Linke Liste): Die Bundesregierung bleibt in der parlamentarischen Auseinandersetzung zum Steueränderungsgesetz den Beweis schuldig, daß die zweifellos mit diesem Gesetzentwurf zu erreichende Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dazu führt, daß Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden. Wir halten die Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen angesichts des Problems der Arbeitslosigkeit in dem Maße für berechtigt, wie wirklich Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit sollte die Möglichkeit gewährleistet werden, daß jeder, der dazu in der Lage ist, ein durch Erwerbstätigkeit selbstbestimmtes Leben führen kann.
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Mit diesem Gesetzentwurf wird jedoch nach unserer Auffassung ein anderer Weg gegangen. Faktisch soll eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen einseitig durch Veränderungen von Verteilungsverhältnissen zu Lasten der Arbeitnehmer erfolgen. Das ist sozial in keiner Weise gerechtfertigt! Nach der vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des DGB ermittelten Datenlage haben sich die Gewinne der Unternehmen in den alten Bundesländern von 1980 bis 1990 um 176 Prozent erhöht. Das durchschnittliche Einkommen pro beschäftigten Arbeitnehmer hat im gleichen Zeitraum nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben um ganze 38 Prozent zugenommen. Nach Abzug der Preissteigerungen verbleibt dem Arbeitnehmer im ganzen vergangenen Jahrzehnt ein Zuwachs von lediglich 7,1 Prozent im Schnitt. Statt mehr Arbeitsplätze zu schaffen, wurden einseitig die Gewinne der Unternehmen vergrößert.
Ich kann beim besten Willen im vorliegenden Gesetzentwurf kein Instrumentarium erkennen, daß sich das in Zukunft durch eine steuerliche Entlastung der Unternehmen verändern sollte. Die Versprechen bei der deutschen Einheit, die bis heute nicht greifen, das sogenannte Teilen, versagen auch bei den größeren Herausforderungen an die Gesellschaft. So kann weder ein ökologisches Wirtschaften im eigenen Land noch die Beseitigung sozialer Ungleichgewichte in der Welt ernsthaft in Angriff genommen werden.
In den neuen Bundesländern sind ganze Regionen vom Fehlen eigener Produktionsstätten, sei es in der Industrie oder in der Landwirtschaft, bedroht. Die nicht unerheblichen Finanztransfers von West nach Ost, die aus den Geldern der Steuerzahler stammen, werden nach der Politik der Bundesregierung zu zwei Drittel konsumtiv eingesetzt. Die Regierung versteht sich einseitig als soziales Auffangbecken für nicht benötigte Arbeitskräfte. Das infolge fehlender Industrie-und Strukturpolitik übrigbleibende Drittel der Transfers für Investitionen reicht nicht aus, um wirtschaftlich lebensfähige Regionen in einem überschaubaren Zeitraum entstehen zu lassen.
Die vorgesehene Erhöhung der Umsatzsteuer ist haushaltspolitisch nicht erforderlich. Sie verstärkt die von den Gewerkschaften herausgestellten sozialen Ungleichgewichte in der Verteilung der Einkommen.
Die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf betriebene Steuerpolitik verstößt gegen das Gebot der sozialen Ausgewogenheit, weil die Umsatzsteuer von allen Bürgern aufgebracht werden muß, auch von denen mit kleinsten Einkommen. Von einer angeblich gleichen Belastung kann nicht die Rede sein, wenn auf der einen Seite der Durchschnittsverdienst bei 3 500 DM liegt und auf der anderen Seite bei 1 600 DM. Der Grundbedarf bzw. das Existenzminimum erfordern bestimmte Geldausgaben, die bei einer Umsatzsteuererhöhung steigen. Die anteilige Belastung für diese Einkommensgruppen ist eben dann nicht gleich, weil gegenüber einem Grundbedarf nicht mehr gespart werden kann. Der Gesetzentwurf läuft auf eine weitere soziale Differenzierung und übermäßige Belastung der kleinen und mittleren Einkommen hinaus.
Diese Art der Sicht auf soziale Fragen wird auch beim Familienlastenausgleich deutlich. So sieht die
Bundesregierung die Steuergerechtigkeit darin, daß derjenige, der ein höheres Einkommen hat und damit mehr Steuern zahlt, durch den Abzug von Kinderfreibeträgen steuerlich stärker entlastet wird. Wir meinen, daß die soziale Lage der Familien mit Kindern, insbesondere für die mit kleinen Einkommen, weitergehende Maßnahmen erfordern würde. Die Mietenexplosion, die angespannte — für sie oft hoffnungslose — Wohnungssituation, der Anstieg der Lebenshaltungskosten, insbesondere auch eine Mehrwertsteuererhöhung, fehlende oder für sie zu teure öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen stellen die Fa-milieu vor außerordentliche Probleme. Dafür ist die vorgeschlagene Erhöhung des Kindergeldes sehr gering, und von einer Erhöhung des Steuerfreibetrages haben die Familien mit kleinen Einkommen nichts, die unterhalb der Einkommensteuergrenze liegen und insbesondere in den neuen Bundesländern zahlreich sind. Für sie wäre eine Erhöhung des Kindergeldes sozial äußerst dringlich. Wir unterstützen den entsprechenden Antrag der SPD. Als Minimalvariante hat unsere Abgeordnetengruppe einen Änderungsantrag eingebracht, der es erwerbstätigen Familien erlauben soll, die Kosten für die Kinderbetreuung steuerlich geltend zu machen.
Ich meine, daß das Steueränderungsgesetz 1992 die Arbeitnehmer einseitig belastet. Im Spannungsfeld zwischen unions- und FDP-geführter Regierung und sozialdemokratischer Mehrheit im Bundesrat wird keine soziale Verbesserung der Einkommensverhältnisse der Arbeitnehmer und der Familien herauskommen. Wie seit Jahren üblich, geht es letztlich mit „kosmetisch-optischen" Kompromissen ab.
Sozial gerecht wäre nach unserer Auffassung, statt Mehrwertsteuererhöhung und Entlastung der Unternehmen zu Lasten der Arbeitnehmer, eine Erhöhung der Ergänzungsabgabe für Besserverdienende und die zusätzliche Besteuerung der vorhandenen Vermögen. Die Wirksamkeit der von den Steuerzahlern zu erbringenden Mittel würde erhöht werden, wenn insbesondere in den neuen Bundesländern, ein Weg eingeschlagen werden würde, der für die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit schafft, durch eigene Arbeit ihr Leben zu gestalten und die Probleme in den neuen Bundesländern selbst zu lösen.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Rede
zu Tagesordnungspunkt 17 (Gesetzentwurf zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstokkung des Fonds „Deutsche Einheit")
Werner Schulz (Berlin) (Bündnis 90/GRÜNE): Die Debatte über die Aufhebung des Strukturhilfegesetzes im Zusammenhang mit der Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheit" berührt eine der zentralen Fragen des deutschen Einigungsprozesses. Wir wissen: Die Kosten der Deutschen Einheit sind um vieles höher, als die Bundesregierung im letzten Jahr angenommen hat. Sie hätte es auch damals bereits wissen können. Es gab viele Experten und auch Politiker, die
4640' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. November 1991
den Finanzbedarf in den neuen Bundesländern zumindest in den Größenordnungen richtig eingeschätzt haben. Es gab sie übrigens auch in den Reihen der Koalitionsparteien. Sie wurden nicht gehört.
Nach den Schätzungen der Wirtschaftsforschungsinstitute und der Deutschen Bundesbank wird der Finanzbedarf der neuen Bundesländer in den kommenden Jahren ähnlich hoch bleiben wie im Jahr 1991. Im Gegensatz zum Wirtschaftsminister, der etwas verfrüht von einer „stolzen Bilanz" bei den Strukturverbesserungen in den neuen Bundesländern spricht, ist die Situation dort nach wie vor besorgniserregend. Es ist auch deshalb noch nicht klar abzusehen, wie sich das Steueraufkommen entwickeln wird.
Der Bundesrechnungshof hat kürzlich festgestellt, daß die Finanzverwaltung in den neuen Bundesländern noch nicht hinreichend funktioniert. Dies bedeutet, daß deren eigene Einnahmen hinter den Schätzungen zurückbleiben. Auch dies erfordert besondere Anstrengungen der Bundesregierung, um die Finanzsituation in den neuen Bundesländern zu stabilisieren.
Das Herbstgutachten der fünf Wirtschaftsforschungsinstitute gibt keinen Anlaß zu den Erfolgsmeldungen, wie sie beispielsweise von Herrn Möllemann vorgetragen wurden. Offenbar besteht im Regierungslager auch keine Einigkeit in der Beurteilung der Forschungsergebnisse. Auf die ansonsten gewohnte gemeinsame Stellungnahme von Wirtschafts-und Finanzminister mußte in diesem Jahre verzichtet werden. Die kritischen Hinweise auf die hohe Verschuldung des Bundes, die von Herrn Möllemann gegeben worden sind, konnte der Finanzminister nicht mittragen; schließlich ist er für die steigende Staatsverschuldung verantwortlich.
Zu Recht hat in diesem Zusammenhang das WSI darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung bis heute kein schlüssiges Finanzierungs-Konzept für die Angleichung der ungleichen Lebensbedingungen in Deutschland vorweisen kann.
Ein typisches Beispiel ist der Fonds „Deutsche Einheit" , dessen Volumen laufend erhöht werden muß, um die öffentlichen Haushalte in den östlichen Bundesländern mit den nötigsten Mitteln zu versehen. Schon bei der damaligen Festlegung im Staatsvertrag zur Währungsunion ist die Bundesregierung von völlig falschen Dimensionen ausgegangen. Jetzt soll der Fonds wieder erhöht werden. Der Bund will dabei mit jährlich 3,45 Milliarden DM nur einen Teil der Mittel zur Verfügung stellen. Die Länder sollen im Gegenzug auf die Mittel aus der Strukturhilfe — das sind jährlich 2,45 Milliarden DM — verzichten.
Zunächst: Auch die geplante Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheit" wird kaum ausreichen, um den Finanzbedarf in den neuen Bundesländern bis zum Jahr 1995 zu decken. Dies bedeutet, daß in kurzer Zeit erneut über eine Erhöhung nachgedacht werden muß. Das Steueraufkommen in den östlichen Bundesländern wird voraussichtlich nicht in dem Maße steigen, wie die Beträge aus dem Fonds sinken werden: Schon im kommenden Jahr werden die Leistungen — nach 35 Milliarden DM in 1991 — wieder zurückgehen: 1992 sind es nur noch 33,9 Milliarden DM, 1993 sind es 25,9 Milliarden DM und im Jahre 1994 werden es nur noch 15,9 Milliarden DM sein.
Es ist verständlich, daß die Bundesländer gegen das Vorhaben der Bundesregierung massiven Widerstand angekündigt haben. Das Votum des Bundesrates ist deutlich ausgefallen: Die Länder wenden sich gegen das geplante Ende des Strukturhilfeprogramms. Es soll vielmehr ein langsames Ausgleiten des Programms bis 1994 stattfinden. Weiter wird der Bund aufgefordert, sich an den Sozialhilfeaufwendungen der Länder zu beteiligen. Die Länder fordern für 1993 einen Betrag von zwei Milliarden DM und für 1994 vier Milliarden DM. Dabei soll der Bund sich zur Hälfte an den Sozialhilfekosten beteiligen.
Der Bundesrat verweist auch — diesmal in der Stellungnahme des Bundesrates zum Steueränderungsgesetz 1992 — erneut darauf, daß der Bund den Ländern im Rahmen der Errichtung des Fonds „Deutsche Einheit" versichert hat alle Kosten, die über den ursprünglichen Betrag von 115 Milliarden DM hinausgehen, zu tragen. Der Bundesratsvorschlag sieht entsprechend vor, daß die jetzigen Erhöhungen vor allem vom Bund getragen werden sollen.
Richtig am Änderungsvorschlag des Bundesrates ist zumindest, daß das Volumen des Fonds „Deutsche Einheit" auf dem Niveau des Jahres 1991 festgeschrieben werden soll. Daß die Bundesländer jedoch mit dem Übertragen von Sozialhilfekosten sich der Beteiligung an der Finanzierung der deutschen Einheit wieder weitgehend entziehen wollen, ist für uns nicht akzeptabel.
Es ist sicher notwendig, daß der Abbau der Strukturhilfe für die alten Bundesländer abgefedert werden muß. Das Auslaufen muß über mehrere Jahre erfolgen, damit die Länder darauf reagieren können. Damit würde auch dem Grundsatz des Vertrauensschutzes entsprochen. Angesichts des zunächst auf zehn Jahre angelegten Gesetzes haben die Länder vielfach längerfristige Projekte finanziert, die bei Anwendung des Gesetzesvorschlages der Bundesregierung unmittelbar gefährdet wären. Wir können deshalb dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Er muß dringend nachgebessert werden.
Insgesamt muß eine neue Lösung für die Finanzprobleme zwischen Bund und Ländern in der neuen Bundesrepublik gefunden werden. Bis 1994 werden Übergangsregelungen notwendig sein, da eine kurzfristige Einbindung der neuen Bundesländer in den existierenden horizontalen Finanzausgleich kaum durchführbar ist. Deshalb muß rasch eine Lösung gefunden werden, die den auch in längerer Sicht bestehenden Strukturunterschieden zwischen den Ländern gerecht wird und die Lasten angemessen auf Bund und Länder überträgt. Die nun endlich in Gang kommende Verfassungsdebatte muß dieses Problem aufgreifen. Es bleibt zu hoffen, daß der endlich zusammenkommende Verfassungsrat diese Chance ergreift und sich für die Erarbeitung einer neuen tragfähigen Finanzverfassung einsetzt.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. November 1991 4641
Anlage 4
Amtliche Mitteilung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 18. Oktober 1991 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen:
Zweites Gesetz zur Änderung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes
Gesetz zu dem Abkommen vom 18. Dezember 1989 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Ungarn über den Luftverkehr
Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht:
Auswärtiger Ausschuß
Drucksache 11/7563
Drucksache 11/7378
Drucksache 11/7379
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksachen 12/70 und 12/71
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Drucksache 10/2977 Drucksache 11/1625 Drucksache 11/6191 Drucksache 11/8493
Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 11/7991 Drucksache 12/370
Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Auswärtiger Ausschuß
Drucksache 12/152 Nr. 66 und Nr. 12/269 (Berichtigung) Ausschuß für Wirtschaft
Drucksachen 12/1174 Nrn. 2.3, 2.4
Ausschuß für Verkehr
Drucksachen 12/706 Nrn. 3.18, 3.19, 3.20
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Drucksache 12/269 Nr. 2.34
Drucksache 12/210 Nr. 208
Drucksachen 12/311 Nr. 2.19
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Drucksache 12/399 Nr. 3.21 Drucksache 12/458 Nr. 2.19 Drucksache 12/557 Nr. 3.12 Drucksache 12/706 Nr. 3.21 Drucksache 12/849 Nrn. 2.5, 2.7, 2.8