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ID1203820000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/38 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Inhalt: Bestimmung der Abg. Anke Fuchs als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier 3121A Bestimmung der Abg. Gudrun Weyel als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der zum ordentlichen Mitglied bestimmten Abg. Anke Fuchs . . 3121A Wahl des Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier . . . 3121 B Wahl des Abg. Gunter Huonker als stellvertretendes Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des zum ordentlichen Mitglied gewählten Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) 3121 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 3121C, 3145C Wolfgang Roth SPD 3125 B Michael Glos CDU/CSU 3128C Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 3129D, 3212C, 3217B, 3226A Werner Zywietz FDP 3132 D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3134 C Bernd Henn PDS/Linke Liste 3136B Klaus Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3138B Michael Glos CDU/CSU 3138C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 3141C, 3219 D Bernd Neumann (Bremen) CDU/CSU . . 3142C Manfred Richter (Bremerhaven) FDP . . 3144 C Matthias Wissmann CDU/CSU 3146A Wolfgang Roth SPD 3148C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 3148D Rudolf Dreßler SPD 3152A, 3159A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 3158D Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) FDP 3159B Christina Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . 3159D, 3200 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . . 3161 B Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . 3163D, 3196A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 3166C Ottmar Schreiner SPD 3168A, 3172B Volker Kauder CDU/CSU 3172 A Ina Albowitz FDP 3172 D Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 3176B Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . 3177 C Klaus Kirschner SPD 3180A Dr. Dieter Thomae FDP 3183 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 3184 D Ottmar Schreiner SPD 3185B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 3186D Hanna Wolf SPD 3189B Dr. Edith Niehuis SPD 3190A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Ingrid Becker-Inglau SPD 3190 C Susanne Jaffke CDU/CSU 3194 B Dr. Gisela Babel FDP 3198B Maria Michalk CDU/CSU 3202 A Margot von Renesse SPD 3204 D Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3207 D Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3209 B Norbert Eimer (Fürth) FDP 3211A Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 3212 B Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3212D Ingrid Becker-Inglau SPD 3213D Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3215D Dr. Peter Struck SPD 3218 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 3220 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3220 D Carl-Ludwig Thiele FDP 3224 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 3227 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3229 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 3232 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 3233 D Dr. Hans-Jochen Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3238 A Friedrich Bohl CDU/CSU 3239 B Friedrich Bohl CDU/CSU (zur Geschäftsordnung) 3239D Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 3176B Nächste Sitzung 3240 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3241* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3121 38. Sitzung Bonn, den 5. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3241* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 05. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 05. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 05. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 05. 09. 91 * Eppelmann, Rainer CDU/CSU 05. 09. 91 Erler, Gernot SPD 05. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 05. 09. 91* Francke (Hamburg), CDU/CSU 05. 09. 91 Klaus Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 05. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 05. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 05. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 05. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 05. 09. 91 * Dr. Mertens (Bottrop), SPD 05. 09. 91 Franz-Josef Dr. Müller, Günther CDU/CSU 05. 09. 91 * Niggemeier, Horst SPD 05. 09. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch, Johannes CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 05. 09. 91* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 05. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 05. 09. 91 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 05. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 05. 09. 91 Ingrid Schäfer (Mainz), Helmut FDP 05. 09. 91 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 05. 09. 91* Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 05. 09. 91* Dr. Sperling, Dietrich SPD 05. 09. 91 Terborg, Margitta SPD 05. 09. 91* Verheugen, Günter SPD 05. 09. 91 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 05. 09. 91 Gert Wieczorek-Zeul, SPD 05.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 05. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Carl-Ludwig Thiele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident, zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß zwar immer gesagt wird, bei einer Zwischenfrage laufe die Uhr nicht weiter, daß sie aber gerade gesprungen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und das war eine lange Zwischenfrage! — Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Das tut sie, auch wenn es gesagt wird!)

    Ich bitte, einen Stopp vorzunehmen; denn sonst komme ich nachher nicht mehr zu meinen restlichen Ausführungen.
    Ich möchte jetzt aber zunächst auf die Frage von Frau Matthäus-Maier eingehen. — Ich war zu dem Zeitpunkt, als die deutsche Einheit vor der Tür stand, von Willy Brandt begeistert,

    (Gerlinde Hämmerle [SPD]: Das können Sie auch heute noch sein!)

    der sich als einziger klar und deutlich zu der deutschen Einheit bekannt hat und dazu, daß die deutsche Einheit so schnell wie möglich kommen sollte.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das war der einzige! — Michael Glos [CDU/CSU]: Deswegen muß man von dem nicht begeistert sein!)

    Ich fand es ferner ausgezeichnet, daß der Bundeskanzler entgegen der Empfehlung der Deutschen Bundesbank für eine schnelle Realisierung der Währungs- und Sozialunion eingetreten ist und das auch durchgesetzt hat.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wer hat das vorgeschlagen, Herr Kollege? — Gegenruf von der CDU/CSU: Die Frau MatthäusMaier! — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Sie waren es nicht. Sollten Sie es doch gewesen sein, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie es mir belegen könnten. Sie waren es meines Wissens nicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und heute schimpft sie darüber!)

    Ich muß wirklich sagen: Der Bundeskanzler, dem sonst vorgeworfen wurde, er sitze die Probleme nur aus, hat in dieser entscheidenden Phase gehandelt, das Heft an sich gerissen und gemeinsam mit dem Außenminister dafür gesorgt, daß diese Angelegenheit international, auch von unseren westlichen Nachbarn flankiert, positiv aufgenommen wurde.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Und die SPD?)

    Ich bedanke mich; ich hoffe, die Frage ist beantwortet.
    Ich bin der Auffassung, daß wir zukünftig in Sicherheitsfragen stärker mit unseren östlichen Nachbarn zusammenarbeiten müssen. Dies darf allerdings nicht unter Aufgabe unserer Westbindung geschehen, sondern nur in Einbindung mit unseren westlichen Bündnispartnern und Freunden, die nach dem Zweiten Weltkrieg mitgeholfen haben, unsere Freiheit und Sicherheit zu verteidigen. Wenn ich von Freunden und Freundschaft spreche, dann bedeutet dieses nach meinem Verständnis, daß Dinge, die eine ungute Entwicklung nehmen, auch offen angesprochen werden müssen.
    Ich möchte deshalb an dieser Stelle der befreundeten französischen Regierung mitteilen, daß es innerhalb der deutschen Bevölkerung keinerlei Verständnis dafür gibt, daß neue atomare Kurzstreckenwaffen in Frankreich stationiert werden, die ausschließlich auf das Gebiet der Bundesrepublik gerichtet sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Der Hinweis darauf, daß es sich hierbei um mobile Atomwaffen handelt, die auch unsere Sicherheit schützen können, vermag mich in keiner Weise zu überzeugen. Dieses würde nämlich voraussetzen, daß wir einer Stationierung dieser Waffen auf unserem Territorium zustimmen. Das tun wir nicht.
    Ich erwarte allerdings auch, daß die SPD-Opposition und möglicherweise sogar Willy Brandt als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale seinen Parteifreund und früheren Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Frankreichs, François Mitterrand, eindringlich auffordert, diese Waffen zu beseitigen. Auch Herrn Engholm, der vorgestern im Deutschen Bundestag sein Hobby des name-dropping pflegte

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Was ist sein Hobby?)




    Carl-Ludwig Thiele
    — name-dropping: Er erzählt immer mal, mit wem er sich gerade unterhält; das hebt die eigene Wichtigkeit — , indem er mitteilte, daß er mit Jacques Delors zu speisen gedächte, möchte ich empfehlen, einen intensiven politischen Kontakt zu seinen Genossen im französischen Parlament aufzunehmen, damit diese Waffen, die nicht mehr in diese Welt passen, verschwinden.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Muß er uns das sagen?)

    — Ja, von Ihnen hat es bislang keiner gesagt. Deswegen scheint es so zu sein.

    (Gerlinde Hämmerle [SPD]: Das ist wirklich Unsinn!)

    Wenn Alfred Dregger zu Recht bemerkte, daß nicht Deutschland allein die Mitte Europas ist, sondern Frankreich und Deutschland gemeinsam die Mitte Europas bilden — ich möchte hinzufügen, daß ich diese Auffassung für den Westen Europas teile —, dann halte ich es für angebracht, wenn der Bundeskanzler ebenfalls seinem Freund François Mitterrand erklärt, daß für die Stationierung dieser Waffen von uns Deutschen kein Verständnis aufgebracht wird.
    Wir haben jetzt endlich die Chance, international noch weitergehende Abrüstung einzuleiten, als dieses bisher möglich war. Wir müssen zwar die Entwicklung in Osteuropa sorgfältig beobachten, müssen uns aber auf der anderen Seite für den Tag, an dem ein Großteil der Bedrohung in Europa verschwunden ist, so vorbereiten, daß dann auch weitere Abrüstung erfolgen kann.
    Hierbei sollten wir Deutsche, die den Frieden, die deutsche Einheit und die Souveränität nur deshalb erreicht haben, weil unsere Nachbarn von unserer Friedfertigkeit überzeugt waren, mit gutem Beispiel vorangehen.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ulrich Briefs.

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    Rede von Dr. Ulrich Briefs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltsdebatten können leicht Ritual, können leicht Routine werden. Im Falle des Haushalts 1992 liegt das wie schon beim Haushalt 1991 vor allem an der stereotypen Beschönigung und am Selbstlob der Bundesregierung durch die Bundesregierung und durch die Koalitionsparteien.
    Heute, nach drei Tagen Debatte, ist kein Konzept, kein planmäßiger Ansatz für die finanz- und haushaltspolitische Lösung der Aufgabe im Osten wie im Westen sichtbar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie wohl nicht zugehört!)

    Um ein Wort von heute morgen aufzugreifen: Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien praktizieren eine Rührei-Ökonomie: konturenlos, profillos, phantasielos. Es mangelt insbesondere jeder Ansatz für Industriepolitik, jene Strukturpolitik, die wir in wenigen Jahren so notwendig haben werden wie nur irgend etwas.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da sind Sie Experte!)

    Statt dessen, wie immer: mehrfache Berufung auf Ludwig Erhard. Ihn mit Marx zu vergleichen ist etwas, was nur knapp oberhalb der Schwachsinnsgrenze angesiedelt ist. Statt eines soziale und ökologische Perspektiven aufweisenden Konzepts der dumpfe Glaube an die Allmacht der Marktkräfte und — da müssen wir besonders hellhörig sein — „Doitschtümelei".
    Ich bitte unsere ausländischen Freundinnen und Freunde: Laßt uns nicht mit diesen engstirnigen und engherzigen, zunehmend wieder national gestimmten Deutschen allein. Gerade im Zusammenhang mit dem welthistorischen Umbruch, den wir gegenwärtig erleben, gilt: Es darf nie wieder das aggressive, autoritäre, brutale Deutschland der Vergangenheit geben.

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Was sagen Sie denn zum Putsch in Moskau?)

    Den politischen Kräften, die sich die Lufthoheit über deutschen Stammtischen in einem intellektuellen Tiefflug sondersgleichen sichern wollen,

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Waren Sie auf seiten der Putschisten?)

    sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen: Der Nationalsozialismus, das verbrecherischste politische Terrorsystem der Menschheitsgeschichte, war auch ein Produkt des Kapitalismus.

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU] : Auch Stalin ist tot!)

    Der Kapitalismus, mit dem wir auf lange Zeit leben müssen, bedarf der ständigen, sorgfältigen, demokratischen, politischen, ökonomischen, sozialen und in der Zukunft besonders intensiv der ökologischen Kontrolle. Dazu bedarf es gerade in der Bundesrepublik Deutschland, gerade im neuen Deutschland, einer starken Linken. Mit dem Zusammenbruch des sogenannten real existierenden Sozialismus, der sich in zentralen Strukturen eben nicht oder kaum vom Kapitalismus unterschied — das ist übrigens eine der Lehren aus der Existenz des KoKo-Imperiums unter Schalck-Golodkowski —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vor zwei Jahren wurde das Gegenteil gesagt!)

    nehmen die ökonomischen und sozialen, die politischen und die ökologischen Widersprüche des Kapitalismus nicht ab, sondern zu, die Widersprüche zwischen arm und reich, zwischen Nord und Süd, zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen, zwischen Nationalitäten und Religionen. Und nochmals, auch wenn es Ihnen hier auf der Rechten nicht paßt: Eben deshalb braucht das neue, ökonomisch und politisch mächtige Deutschland mit seiner unheilvollen politischen Tradition eine starke Linke.

    (Zurufe von der CDU/CSU)




    Dr. Ulrich Briefs
    Wir als demokratische Sozialisten wenden uns daher dagegen, daß die finanzpolitische Stabilität im Zusammenhang mit der falschen, weil insbesondere unsozialen Finanzierung des Haushalts 1992 und der weiteren Haushalte bis 1995 restlos geopfert wird. Wir wenden uns gegen die Verschuldungsorgie des Bundesministeriums der Finanzen. Wir wenden uns auch deshalb gegen die falsche Schwerpunktsetzung in diesem Haushalt — wir haben das schon ausgeführt — : Die unsoziale Finanzierung, die falsche Schwerpunktsetzung in der Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung gehen nicht zu Lasten der Holz- oder Plüschklassenfahrer, wie heute morgen gesagt worden ist, sondern zu Lasten der wachsenden Zahl sozial Schwacher, der Arbeitslosen, der Sozialhilfeempfänger, der Sozialrentner mit kleinen Renten, der zunehmenden Zahl der Langzeitarbeitslosen, der Familien mit geringen Einkommen und hoher Kinderzahl, der Alleinerziehenden, und sie richten sich vor allem gegen die überwiegende Mehrheit der Mehrheit der Bevölkerung, gegen die Frauen. Sie gehen also zu Lasten derjenigen, die unter die Räder geraten — das ist das richtige Bild. In diesem Zusammenhang von Plüsch- oder Holzklasse zu reden ist absurd.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Aus diesem Grunde darf es auch keinen blindwütigen Sturmlauf gegen Subventionen geben. Die Subventionierung von Kindergärten, wie sie Petra Bläss vom Unabhängigen Frauenverband mit Bezug auf die Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert, ist aus unserer Sicht insbesondere in dieser kinderfeindlichen Gesellschaft sinnvoll. Die Subventionierung des Jägers 90, der Weltraumfahrt und -forschung, der Atomtechnik ist aus unserer Sicht schädlich. Sie führt insbesondere auch dazu, den Wachstumswettlauf der reichen Industrieländer weiter anzuheizen, mit dem Ergebnis, daß wir schließlich die Erde völlig zerstören, die Erde, die wir bekanntlich von unseren Kindern und Enkeln nur geborgt haben. Auch und gerade das erfordert im übrigen Industriepolitik, erfordert Strukturpolitik.
    Übrigens: Gerade die weitere ökologische Zerstörung, die Zerstörung der natürlichen Lebens- und Überlebensbedingungen hat etwas mit den ureigensten Funktionsgesetzen des heutigen, des modernen industriellen Kapitalismus zu tun. Je reicher die Wirtschaft wird, z. B. auch durch die von der Bundesregierung geplanten Unternehmensteuersenkungen, um so größer wird zwangsläufig das Rad, das in der nächsten Runde wirtschaftlich gedreht werden muß, in Form von noch mehr Investitionen, von noch mehr Produktion, von weiterer Eroberung von Märkten, von weiterer Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen, von noch mehr Geld- und Warenspekulation, mit zwangsläufig weiter zunehmendem Ressourcenverbrauch, mit weiter zunehmenden Schadstoffemissionen, mit immer mehr Müllanfall, mit der Zerstörung der tropischen Regenwälder usw. usf. Kapitalismus, kapitalistische Dynamik und Expansion vertragen sich nicht mit einem sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt. Das ist die Wahrheit, und dieser ökologisch zerstörerischen Entwicklung arbeiten Sie mit Ihrer Finanz-und Haushaltspolitik zu.
    Dazu kommt jetzt — das ist zu befürchten — der Generalangriff auf die Gewerkschaften und auf von ihnen durchgesetzte Rechte. Der Angriff auf den Jahrhundertvertrag oder die Wiedereinführung von Karenztagen gehören hierzu ebenso wie die Politik der weiteren Deregulierung, die Sie wohl bereits intensiv planen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie noch etwas anderes?)

    Übrigens, Herr Minister Möllemann — er ist jetzt nicht da, aber es wird ihm sicherlich irgendwann auffallen — , Ihre Zahlen sind Ergebnis einer Milchmädchenrechnung. Laut DIW-Wochenbericht 51/52 des Jahres 1990 betrugen die Subventionen pro Arbeitsplatz im Steinkohlenbergbau 1987 35 328 DM. Ihre Zahlen sind also falsch.
    Umgekehrt: Eine überschlägige Rechnung ergibt, daß, wenn wir von 500 000 Unternehmen, also von einer sehr hohen Zahl von subventionierten Unternehmen, ausgehen, jedes dieser Unternehmen jedes Jahr 160 000 DM an Finanzhilfen und Steuervergünstigungen erhält.
    Beziehen wir die Subventionen auf alle Unternehmen — auf über zwei Millionen Unternehmen — , ergibt sich rein rechnerisch, daß jeder Unternehmer pro Unternehmen im Jahr immerhin 38 000 DM Subventionen erhält. Unternehmerische Tätigkeit ist also, was dabei immer vergessen wird, prinzipiell eine ganz schön mit staatlichen Mitteln gepolsterte Tätigkeit. Nach solchen Summen kann sich der normale abhängig Beschäftigte, ganz zu schweigen von Sozialhilfeempfängern oder Obdachlosen, nur die Finger lekken.
    Bleiben Sie bei der Wahrheit, und versuchen Sie nicht, uns auf dem Wege über die Kündigung des Jahrhundertvertrags Apartheid-Kohle aus Südafrika oder über 20 000 Kilometer mit entsprechenden ökologischen Risiken herangeschipperte AustralienKohle oder gar weitere Atomkraftwerke aufzudrükken.
    Was die angeblichen Horrorszenarien betrifft: Die schreiben Sie doch selbst als Fakten. Einschließlich Kurzarbeit und verdeckter Arbeitslosigkeit haben wir im Osten bereits 40 % Arbeitslosigkeit, und es wird leider noch mehr geben.
    Im Westen wurden Ende der 70er Jahre in ebensolchen angeblichen Horrorszenarien — auch das haben Sie als Horrorszenarium abzutun versucht — für 1985 1,5 Millionen Arbeitslose vorausgesagt. Tatsächlich waren es mehr als drei Millionen einschließlich der stillen Reserve. Heute sind es im Westen immer noch mehr als zwei Millionen.
    Die Augen schließen oder die vor sich gehende unsoziale Entwicklung zu beschönigen, wie Sie das in dieser Haushaltsdebatte getan haben, ist falsch, ist verhängnisvoll. Wir fordern von Ihnen statt flauer Worte und Eigenlob tatkräftige Maßnahmen der Industrie- und Strukturpolitik. Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab! Lösen Sie sich von Ihren naiven marktwirtschaftlichen Vorstellungen! Tun Sie endlich etwas für die sozial schwachen Menschen im Osten wie im Westen.



    Dr. Ulrich Briefs
    Wir werden daher in den kommenden Beratungen in den Fachausschüssen und im Haushaltsausschuß Anträge zu folgenden Schwerpunkten einbringen: