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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/38 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Inhalt: Bestimmung der Abg. Anke Fuchs als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier 3121A Bestimmung der Abg. Gudrun Weyel als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der zum ordentlichen Mitglied bestimmten Abg. Anke Fuchs . . 3121A Wahl des Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier . . . 3121 B Wahl des Abg. Gunter Huonker als stellvertretendes Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des zum ordentlichen Mitglied gewählten Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) 3121 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 3121C, 3145C Wolfgang Roth SPD 3125 B Michael Glos CDU/CSU 3128C Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 3129D, 3212C, 3217B, 3226A Werner Zywietz FDP 3132 D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3134 C Bernd Henn PDS/Linke Liste 3136B Klaus Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3138B Michael Glos CDU/CSU 3138C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 3141C, 3219 D Bernd Neumann (Bremen) CDU/CSU . . 3142C Manfred Richter (Bremerhaven) FDP . . 3144 C Matthias Wissmann CDU/CSU 3146A Wolfgang Roth SPD 3148C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 3148D Rudolf Dreßler SPD 3152A, 3159A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 3158D Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) FDP 3159B Christina Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . 3159D, 3200 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . . 3161 B Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . 3163D, 3196A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 3166C Ottmar Schreiner SPD 3168A, 3172B Volker Kauder CDU/CSU 3172 A Ina Albowitz FDP 3172 D Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 3176B Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . 3177 C Klaus Kirschner SPD 3180A Dr. Dieter Thomae FDP 3183 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 3184 D Ottmar Schreiner SPD 3185B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 3186D Hanna Wolf SPD 3189B Dr. Edith Niehuis SPD 3190A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Ingrid Becker-Inglau SPD 3190 C Susanne Jaffke CDU/CSU 3194 B Dr. Gisela Babel FDP 3198B Maria Michalk CDU/CSU 3202 A Margot von Renesse SPD 3204 D Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3207 D Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3209 B Norbert Eimer (Fürth) FDP 3211A Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 3212 B Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3212D Ingrid Becker-Inglau SPD 3213D Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3215D Dr. Peter Struck SPD 3218 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 3220 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3220 D Carl-Ludwig Thiele FDP 3224 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 3227 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3229 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 3232 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 3233 D Dr. Hans-Jochen Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3238 A Friedrich Bohl CDU/CSU 3239 B Friedrich Bohl CDU/CSU (zur Geschäftsordnung) 3239D Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 3176B Nächste Sitzung 3240 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3241* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3121 38. Sitzung Bonn, den 5. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3241* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 05. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 05. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 05. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 05. 09. 91 * Eppelmann, Rainer CDU/CSU 05. 09. 91 Erler, Gernot SPD 05. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 05. 09. 91* Francke (Hamburg), CDU/CSU 05. 09. 91 Klaus Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 05. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 05. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 05. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 05. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 05. 09. 91 * Dr. Mertens (Bottrop), SPD 05. 09. 91 Franz-Josef Dr. Müller, Günther CDU/CSU 05. 09. 91 * Niggemeier, Horst SPD 05. 09. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch, Johannes CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 05. 09. 91* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 05. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 05. 09. 91 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 05. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 05. 09. 91 Ingrid Schäfer (Mainz), Helmut FDP 05. 09. 91 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 05. 09. 91* Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 05. 09. 91* Dr. Sperling, Dietrich SPD 05. 09. 91 Terborg, Margitta SPD 05. 09. 91* Verheugen, Günter SPD 05. 09. 91 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 05. 09. 91 Gert Wieczorek-Zeul, SPD 05.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 05. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Susanne Jaffke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Glück, daß die CDU keine Quotenregelung hat!

    (Heiterkeit)

    Die diffamierende Kritik der Opposition am vorliegenden Haushaltsentwurf wegen seiner angeblichen sozialen Unverträglichkeiten hat bisher nur zweierlei deutlich gemacht: Ihre sozial- und wirtschaftspolitische Inkompetenz sowie Ihre Unfähigkeit, diesen Entwurf richtig zu lesen,

    (Zuruf von der SPD: Na, na, na!)

    geschweige denn, zu verstehen.
    Wer sich den Haushaltsplan genau ansieht, stellt fest, daß erstens die sozialpolitischen Maßnahmen der Regierung durchdacht und zukunftsweisend sind

    (Lachen bei der SPD)

    und daß zweitens diese Maßnahmen zur Überwindung sozialer Schieflagen gezielt, der Situation angemessen und erfolgversprechend sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Unruhe bei der SPD)

    — Getroffene Hunde bellen, sagt man bei uns zu Hause.
    Ein Beispiel: Der Bundesjugendplan 1992 wird um 20 Millionen DM auf 203 Millionen DM aufgestockt. Dieses Geld soll vor allem dazu verwendet werden, soziale Mißstände in der Jugendszene der neuen Bundesländer zu beseitigen, deren Ursache die engstirnige, ideologievergiftete Jugendpolitik von SED und FDJ war und ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir stehen jetzt vor den Problemen, die ein menschenverachtendes System durch 40 Jahre Gängelung der Jugend geschaffen hat. Die negativen Folgen der sozialistischen Bewußtseinsbildung liegen uns jetzt klar vor Augen. Alte Tabuthemen in Ostdeutschland wie Gewalt und politischer Extremismus, Drogenmißbrauch und Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen drängen nach Aufarbeitung.

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    Diese Mißstände existierten schon seit jeher, sind aber verbrecherischerweise immer totgeschwiegen worden,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    nach der alten Methode für erfolgreichen Selbstbetrug, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.
    Der Idealismus der Jugend in den neuen Ländern ist von einem Regime der Phrasendrescher und von wirklichkeitsfremden Marx-Engels-Dogmatikern mißbraucht worden. Was bedeutet das jetzt für unser Handeln?
    Wir dürfen nicht zulassen, daß die Jugendlichen nach dem Verlust ihrer staatlich verordneten politischen Orientierung im revolutionären Herbst 1989 ihr persönliches Heil in politischer Apathie oder Radikalität suchen oder sich in Mißtrauen und Zynismus gegenüber Politik und Staat flüchten. Ziel muß es sein, durch Hilfe zur Selbsthilfe den Jugendlichen neue Perspektiven für eigenständiges persönliches Handeln zu geben.
    Auch wir dürfen jetzt nicht in den alten Fehler verfallen und den Jugendlichen einen neuen Weg vorgeben. Die Aufgabe aller staatlichen Institutionen kann nur darin bestehen, einen Rahmen zu schaffen, Raum zu geben, den die Jugendlichen selbstbestimmt ausfüllen und gestalten können.
    Mit der Erhöhung des Finanzrahmens des Bundesjugendplans wird diesem Raum ein neues Fundament gegeben. Nur auf dieser Basis sehe ich eine Chance,



    Susanne Jaffke
    die geistigen Verwüstungen, die der Sozialismus hinterlassen hat, zu überwinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses Förderprogramm fußt auf den Prinzipien von individueller Selbstverantwortung, gesellschaftlicher Solidarität und dezentraler Durchführung. Es ist deshalb erfolgversprechend, weil es nicht als bürokratische Zwangsmaßnahme umgesetzt wird, sondern die freien Träger der Jugendarbeit vor Ort unterstützt.
    Auch die Ausweisung von 11 Millionen DM für Bau und Einrichtung von Jugendherbergen und Jugendbegegnungsstätten fügt sich in diese Konzeption. Durch die Finanzierung internationaler Begegnungsstätten für Jugendliche leistet die Bundesregierung zum einen einen wichtigen Beitrag, um den Jugendlichen neue Felder des eigenen Engagements zu eröffnen, und zum anderen, um Vorbehalte gegenüber unseren Nachbarn jenseits der Grenzen abzubauen.
    Die Bekämpfung des Gefühls der Perspektivlosigkeit und der Abbau von Vorurteilen gegenüber Ausländern im Inland wie im Ausland stellen ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur friedlichen Entwicklung eines neuen, eines jungen Europa dar.
    Ein zweites Beispiel: Im Entwurf des Bundeshaushalts ist vorgesehen, das Kindergeld, den Kindergeldzuschlag und den Kinderfreibetrag zu erhöhen, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen. Die vorgesehenen Leistungen sind beträchtlich. Die Aufstockung des Kindergelds erfolgt um rund 3,1 Milliarden DM. Die Erhöhung des Kinderfreibetrags wird zu einer Entlastung der Familien um rund 3,6 Milliarden DM führen. Das zeigt, wieviel uns die materielle Besserstellung unserer Familien wert ist.

    (Zurufe von der SPD)

    Die Bundesregierung hat seit der Übernahme der Regierungsverantwortung 1982 eine konsequente Familienpolitik geführt. In den zehn Jahren unionsgeführter Regierung haben sich die Leistungen für unsere Familien mit rund 55,6 Milliarden DM verdoppelt.

    (Zuruf von der SPD: Da ist das Bundesverfassungsgericht anderer Meinung!)

    Trotz der immensen Kosten, die der Aufbau der fünf neuen Länder mit sich bringt, werden die staatlichen Zuwendungen an die Familien nicht angegriffen. Im Gegenteil: Sie werden erhöht. Damit geben wir ein klares Bekenntnis zur Familie als Grundeinheit unseres gesellschaftlichen Gefüges.

    (Zuruf von der SPD: Was für eine Einheit?)

    Vor diesem Hintergrund ist es einfach unredlich, diesen Haushaltsentwurf als unsozial zu bezeichnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die düstertrivialen Endzeitszenarien, die die SPD über die Zukunft der sogenannten kleinen Leute in diesem Hause zeichnet,

    (Zuruf des Abg. Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD])

    kann ich nur als leicht durchschaubaren Anbiederungsversuch an Wählergruppen interpretieren, die
    ihr schon vor Jahren davongelaufen sind. — Herr Kollege Wieczorek, ich freue mich auf die Einzelgespräche.
    Die Opposition entwickelt sich nicht nur zum Motor der Zukunftsangst, sondern sie schürt auch noch den Sozialneid und trägt damit wahrlich nicht zur Vollendung der deutschen Einheit bei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein solches politisches Programm hat aber noch nie zum Erfolg geführt.
    Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Kindergärten in den neuen Ländern sagen. Die Anschubfinanzierung des Bundes für die Kinderbetreuungsstätten endet mit diesem Jahr. Dementsprechend verringert sich der Etat des Bundesministeriums für Frauen und Jugend. Als ehemalige DDR-Bürgerin kann ich wirklich nur darüber staunen, welch nostalgische Krokodilstränen einige Vertreter der Opposition diesen vermeintlichen Errungenschaften des Sozialismus nachweinen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Rudolf Dreßler [SPD]: Sie reden heute vielleicht einen Stuß zusammen!)

    — Sie waren ja niemals bei uns! — Die damaligen Kinderbetreuungseinrichtungen, durch die auch alle meine Kinder gegangen sind, waren niemals ein menschenfreundliches Instrument des Staates für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch ich war lange alleinerziehende Mutter.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie waren nie Ausdruck einer wirklich frauenemanzipatorischen Zielsetzung. Sie waren einfach Kinderaufbewahrungsstätten mit einem rigiden und pädagogisch sinnlosen Betreuungsplan.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Rudolf Dreßler [SPD]: Arbeiten Sie mal Ihre eigene Vergangenheit auf, ehe Sie solche Unverschämtheiten loslassen! Ausgerechnet Sie!)

    — Natürlich ich, weil ich es mitgemacht habe, und zwar mein ganzes Leben lang!

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Solche Unverschämtheiten!)

    — Bellen Sie doch nicht so viel!
    In den Ländern Ostdeutschlands sind mittlerweile Richtlinien zur Organisation der Kindergärten und der Erziehung ausgearbeitet worden. Wer sich diese Richtlinien durchliest, sieht schnell, daß der Umstrukturierungs- und Neuorientierungsprozeß auf diesem Gebiet bisher erfolgreich verlaufen ist. Selbst Jugendsenator Thomas Krüger aus Berlin begrüßt die Maßnahmen, um alte Strukturen besser und neu ordnen zu können, siehe „Süddeutsche Zeitung" von gestern.

    (Zuruf von der CDU/CSU — Rudolf Dreßler [SPD]: Kümmern Sie sich um Ihre eigene Vergangenheit! Erst Blockflöte spielen, und dann so etwas sagen!)

    Mit dem dogmatischen Erziehungssystem im Sinne eines Zentralstaates ist es unwiderruflich vorbei. Die Kultushoheit der östlichen Länder bildet sich mehr und mehr aus. Die Frage der Kindergärten gehört nicht in den Bereich des Bundes. Das können und sol-



    Susanne Jaffke
    len die Länder selbst in die Hände nehmen. Sie besitzen die Fähigkeit dazu. Die Zukunft des Erziehungswesens gehört dem föderalistischen Miteinander, nicht dem staatlichen Monopol.
    Vielleicht entschuldigen Sie sich nachher bei mir — denn mein Vater war als Kriegsdienstverweigerer in Gefangenschaft und mein Großvater ist in Fünf Eichen von den Kommunisten umgebracht worden — und nehmen das Wort „Blockflöte" zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Rudolf Dreßler [SPD]: Gucken Sie sich mal Ihre Biographie an! Da kann ich doch nur lachen!)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Petra Bläss.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vergangene Sommer war für Ostleute einer mit Neuigkeiten. Zwar boomten Reise- und Sommerschlußgeschäfte, aber die Kindergärten machten Pause. Für die Schulkinder gab es keine Ferienspiele mehr. Ihre Eltern kriegten neue Mietbescheide, und die Zeiten der 20-Pfennig-Fahrten im öffentlichen Nahverkehr gingen zu Ende. Warteschleifler sind am Schleifenende angekommen. Abwickler haben abgewickelt, was sie nur konnten. Kurzarbeiter wurden auch ihr bißchen Arbeit los. Manch eine geht mit Sorgen in den Herbst; denn arbeitslos zu sein ist vor allem auch ein Frauenlos. — Das ist das Editorial der neuesten Ausgabe von „Ypsilon" , der Zeitschrift aus Frauensicht, im übrigen ein Produkt des auch von Ihnen so viel gerühmten Herbstes '89.
    Ich halte diesen Blick auf den Alltag in den neuen Bundesländern für sehr gelungen und will ihn im Rahmen der laufenden Haushaltsdebatte ins Blickfeld rücken.
    Der großen Worte sind bereits reichlich ausgetauscht. Die unzähligen Einzelschicksale verschwinden dahinter, die ca. 50 000 Alleinerziehenden ohne Anspruch auf eine Kinderbetreuung und auf Arbeitslosengeld, da sie dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stehen, ebenso wie die 200 000 Erwerbsarbeitslosen im Vorrentenalter ohne Chance auf eine Berufstätigkeit, die mit der Gewißheit leben müssen, nur eine kleine Rente zu bekommen.
    Finanzminister Waigel erklärte am Dienstag — Zitat — : Wir sorgen mit unserer Politik für die gerechte Verteilung der Lasten aus der deutschen Einheit. — Wohlgemerkt: gerechten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat die Lasten verursacht?)

    Wenn der sächsische Wirtschaftsminister angesichts der Massenarbeitslosigkeit fordert, doch endlich den notwendigen Strukturwandel zu akzeptieren, und damit gewiß auf die hohe Zahl der berufstätigen Frauen anspielt, wird ein weiteres Mal deutlich, was die CDU/CSU unter „gerecht" versteht. Zu der Verteilung der Vorteile aus der deutschen Einheit schweigen Sie sich allerdings aus.
    Nun, wer die Lasten vor allem zu tragen hat, die wirtschaftliche Umstrukturierung in erster Linie zu bezahlen hat, das sind die Frauen in Ost und — ich fürchte — perspektivisch auch in West.
    Die Zahlen sprechen für sich. Von November 1989 bis April 1991 hat sich die Zahl erwerbstätiger Frauen in den neuen Bundesländern um 27% verringert, und der Anteil von Frauen an den Arbeitslosen ist mit 58,5 % überdurchschnittlich hoch. Die Arbeitslosenquote der Frauen liegt mit 14,5 % weit über der der Männer. Dagegen liegt der Anteil der Frauen bei der Vermittlung in ABM bei nur 34 %. Selbst das Frauenministerium sah sich genötigt, eine Quote von 75 bei der Vergabe der noch verbleibenden Plätze zu fordern.
    Die geschlechtsrollenspezifische und hierarchische Arbeitsteilung, die Verantwortlichkeit für Kinder, den Haushalt und die Familie blieben auch in der DDR unverändert. Aber die eigenständige Existenzsicherung und das Recht auf Arbeit waren garantiert.
    Die berechtigte Kritik an der Doppel- und Dreifachbelastung von Frauen und an Unzulänglichkeiten in der Kinder-, aber auch der Kleinstkinderbetreuung wird dazu genutzt, Frauen wieder in die Rolle der Hausfrau, Ehefrau, Mutter und Zuverdienerin zu drängen. Nachgeholfen wird, indem die sozialpolitischen Maßnahmen und die soziale Infrastruktur einfach gestrichen werden. Es wird gar nicht daran gedacht, optimale Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu schaffen, die Vereinbarkeit von Beruf- und Familie oder egal, welcher Lebensform durch radikale Verkürzung der täglichen Arbeitszeit zu ermöglichen, die Teilzeitarbeit der Vollzeitarbeit gleichzustellen, wie es in der ehemaligen DDR war, wo es keine ungeschützten Arbeitsverhältnisse gab, ein Recht auf Arbeit oder einen Rechtsanspruch auf ein Mindesteinkommen und damit Existenzsicherung zu garantieren.
    Frauen in den neuen Bundesländern sehen sich mit dem Verlust bisher verbriefter Rechte auf eine relativ eigenständige Lebens- und Berufsplanung konfrontiert. Ihnen werden wichtige, in der DDR geregelte Grundlagen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entzogen.
    Der im Vergleich zur BRD weitaus großzügigere Schwangerschafts- und Wochenurlaub wurde bereits gekürzt. Andere Regelungen wie die zur Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder, zum Hausarbeitstag, zum besonderen Kündigungsschutz für Alleinerziehende und zu kürzeren Arbeitszeiten für Frauen mit Kindern fallen weg oder werden durch schlechtere bundesdeutsche Regelungen ersetzt. Alles wird auf das weit schlechtere bundesdeutsche Niveau reduziert. Besonders dramatisch wirkt sich dies für alleinerziehende und ältere, für behinderte und ausländische Frauen aus. Für sie ist die Gefahr groß, in Armut und Abhängigkeit zu stürzen.
    Aber Finanzminister Waigel hat ja verkündet, die soziale Verantwortung, die Sorge um die Familien, um die Arbeitslosen, um die wirtschaftlich Schwachen in unserer Gesellschaft würden im Mittelpunkt der Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung stehen. Frauen kommen da übrigens nicht vor.



    Petra Bläss
    Klartext geredet: Die mit 32,3 % mit Abstand stärkste Kürzung eines Einzelplans betrifft ganz gewiß nicht rein zufällig den Geschäftsbereich der Bundesministerin für Frauen und Jugend. Einmal mehr zeigt sich, daß hier nicht viel mehr als ein Alibiressort geschaffen wurde und die Frauen mal wieder hintanstehen, bis zur Unkenntlichkeit in der Familie versinken. Die Lobeshymnen ob der Aufstockung des Einzelplans 18, des Haushalts der Bundesministerin für Familie und Senioren, werden angesichts dieser Tatsache zur Farce, zumal auch hier der Rotstift am Werk war, bezeichnenderweise am Kostenpunkt „Förderung besonderer Hilfsmaßnahmen für Familien und ältere Menschen im Beitrittsgebiet".
    Die eklatante Reduzierung des Haushalts des Frauen- und Jugendministeriums wird vor allem mit dem ab 1. Juli bestehenden Wegfall der Bundeszuschüsse für den Erhalt von Kindereinrichtungen in den neuen Bundesländern begründet. Gekürzt wird also genau da, wo das Geld so dringend gebraucht wird, damit Frauen eine realistische Chance zur Wahl bzw. zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben.
    Statt die Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Kindertagesstätten in der ehemaligen DDR über den 30. Juni hinaus zu verlängern, zieht sich der Bund aus der Verantwortung und überläßt Länder und vor allem Kommunen ihrem Schicksal,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch der Bund trägt!)

    obwohl deren finanzielle Situation genau bekannt ist. Damit wird billigend in Kauf genommen, daß eine bedarfsgerechte Versorgung vor allem bei kleineren Gemeinden und in ländlichen Gebieten nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

    Der Wegfall der Bundeszuschüsse bringt nicht nur die Kommunen in finanzielle Bredouille. Insbesondere einkommmensschwache Eltern und Alleinerziehende sind davon betroffen, weil der von ihnen selbst zu erbringende Kostenanteil für sie zum Problem wird.
    Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem zunächst zweifellos als große Entlastung wirkenden Runderlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 3. Juli 1991 zum Einsatz von ABM-Kräften in Tageseinrichtungen für Kinder machen. Diese Maßnahme stellt in der Tat nicht mehr als eine kurzfristige Entspannung der Lage und damit keine wirkliche Lösung des Problems dar; denn die Betroffenen haben bei weitem keine Garantie für eine spätere Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis. Im übrigen ist der Griff in die Kasse der Arbeitslosenversicherung eigentlich schon ein Skandal für sich, denn die Versicherten müssen mit ihren für Lohnersatz bei Arbeitslosigkeit und für Qualifizierung eingezahlten Beiträgen herhalten, um eine staatliche Regelaufgabe, die Kinderbetreuung, zu finanzieren.
    Meine Damen und Herren, was könnte das von der Bundesregierung geprägte konservative Frauenbild mehr entlarven als die jüngsten, wenn auch keinesfalls überraschend kommenden Vorschläge der Union zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Ost und West? Trotzdem bin ich immer wieder erschüttert, wie selbstverständlich mittels staatlicher Gewalt in das Leben von Frauen eingegriffen und über sie verfügt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht in das Leben von Kindern!)

    Mit ihrem starren Festhalten an einer grundsätzlichen Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs, der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arztes bzw. der Ärztin und der beabsichtigten Indikationsverschärfung erweist sich die CDU/CSU einmal mehr als zutiefst frauenfeindlich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihre Frauen sind kinderfeindlich!)

    Frauen wird hier jede Entscheidungsmöglichkeit genommen.
    Die Ärztinnen und Ärzte sollen verpflichtet werden, wesentliche Gesichtspunkte schriftlich festzuhalten. De jure mag es noch den Anschein haben, daß es sich nur um eine geringfügige Änderung des bestehenden West-Rechts handelt. De facto ist die Indikation damit so weit verschärft, daß sich kaum ein Arzt und kaum eine Ärztin finden wird, einem legalen Schwangerschaftsabbruch zuzustimmen. Denn Memmingen hat eines klargemacht: was von den Gerichten zu erwarten ist. Die Zahl der Abtreibungen wird sich dadurch nicht verändern; die Zahl der illegalen Abtreibungen wird wieder zunehmen. Die Frauen werden auch hier bitter bezahlen müssen.
    In der Tat war und ist die Haltung zum Schwangerschaftsabbruch der Kristallisationspunkt für das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Denn das Recht, über die Anzahl ihrer Kinder sowie über den Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder selbst zu entscheiden, ist und bleibt der Indikator dafür, wieviel Entscheidungsfreiheit den Frauen für ihre gesamte Lebensgestaltung zugebilligt wird.
    Den Befürworterinnen und Befürwortern des § 218 ging und geht es doch nicht wirklich um die Verhinderung von Abtreibung. Ihr Ziel war und ist es, den Mythos der duldenden, aufopferungsvollen Mutter aufrechtzuerhalten,

    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Ach du meine Güte!)

    die es erträgt, daß sich der Staat mit dem Abtreibungsverbot den Zugriff auf die Gebärfähigkeit der Frau sichert.

    (Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Diesen Mythos haben Sie? — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Glauben Sie das, was Sie hier sagen?)

    — Ich glaube das, was ich sage. Das ist doch sehr deutlich.
    Im Rahmen der unmittelbar bevorstehenden parlamentarischen Debatte über die Neuregelung des § 218 wird sich die PDS/Linke Liste mit ihrem Gesetzentwurf zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und zur Sicherung von Mindeststandards für Frauen beim Schwangerschaftsabbruch mit diesen Positionen dafür einsetzen, daß ein altes Symbol pat-



    Petra Bläss
    riarchalischer Herrschaft abgeschafft wird und eine Regelung geschaffen wird, die sich strikt an Würde und Wohl der Frau orientiert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch im Matriarchat gab es keine Abtreibung! Das ist Unsinn!)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Ausführung machen: Angesichts der jetzt massiv auf die Frauen in den neuen Bundesländern einwirkenden Tendenzen einer systematischen Herausdrängung aus dem Berufsleben, einer eindeutigen „Zurück-an-Heim-undHerd-Ideologie", der Festschreibung ihrer alleinigen Verantwortung für Kinder, Familie und Haushalt, einer damit verbundenen neuen Abhängigkeit vom Mann und dem Verlust an ökonomischer Selbständigkeit sowie der akuten Gefahr einer Fremdbestimmung über den eigenen Körper bleibt nur zu hoffen, daß sich die Frauen zur Wehr setzen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ungeborene können sich leider nicht zur Wehr setzen!)

    dies alles nicht widerstandslos hinnehmen, sich gemeinsam zur Wehr setzen, ihre Rechte einfordern.
    In diesem Sinne möchte ich mit einem Zitat aus der Frauenzeitschrift „Y" schließen: „Erfraut euch, erfrecht euch zum Widerspruch, als da heißt: Frauen, macht deutlich, daß eine solche frauenfeindliche Politik nicht hingenommen wird, und zwar überall in der Republik."
    Danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und der SPD sowie der Abg. Christina Schenk [Bündnis 90/GRÜNE])