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ID1203806500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/38 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Inhalt: Bestimmung der Abg. Anke Fuchs als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier 3121A Bestimmung der Abg. Gudrun Weyel als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der zum ordentlichen Mitglied bestimmten Abg. Anke Fuchs . . 3121A Wahl des Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier . . . 3121 B Wahl des Abg. Gunter Huonker als stellvertretendes Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des zum ordentlichen Mitglied gewählten Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) 3121 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 3121C, 3145C Wolfgang Roth SPD 3125 B Michael Glos CDU/CSU 3128C Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 3129D, 3212C, 3217B, 3226A Werner Zywietz FDP 3132 D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3134 C Bernd Henn PDS/Linke Liste 3136B Klaus Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3138B Michael Glos CDU/CSU 3138C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 3141C, 3219 D Bernd Neumann (Bremen) CDU/CSU . . 3142C Manfred Richter (Bremerhaven) FDP . . 3144 C Matthias Wissmann CDU/CSU 3146A Wolfgang Roth SPD 3148C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 3148D Rudolf Dreßler SPD 3152A, 3159A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 3158D Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) FDP 3159B Christina Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . 3159D, 3200 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . . 3161 B Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . 3163D, 3196A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 3166C Ottmar Schreiner SPD 3168A, 3172B Volker Kauder CDU/CSU 3172 A Ina Albowitz FDP 3172 D Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 3176B Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . 3177 C Klaus Kirschner SPD 3180A Dr. Dieter Thomae FDP 3183 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 3184 D Ottmar Schreiner SPD 3185B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 3186D Hanna Wolf SPD 3189B Dr. Edith Niehuis SPD 3190A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Ingrid Becker-Inglau SPD 3190 C Susanne Jaffke CDU/CSU 3194 B Dr. Gisela Babel FDP 3198B Maria Michalk CDU/CSU 3202 A Margot von Renesse SPD 3204 D Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3207 D Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3209 B Norbert Eimer (Fürth) FDP 3211A Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 3212 B Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3212D Ingrid Becker-Inglau SPD 3213D Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3215D Dr. Peter Struck SPD 3218 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 3220 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3220 D Carl-Ludwig Thiele FDP 3224 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 3227 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3229 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 3232 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 3233 D Dr. Hans-Jochen Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3238 A Friedrich Bohl CDU/CSU 3239 B Friedrich Bohl CDU/CSU (zur Geschäftsordnung) 3239D Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 3176B Nächste Sitzung 3240 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3241* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3121 38. Sitzung Bonn, den 5. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3241* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 05. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 05. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 05. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 05. 09. 91 * Eppelmann, Rainer CDU/CSU 05. 09. 91 Erler, Gernot SPD 05. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 05. 09. 91* Francke (Hamburg), CDU/CSU 05. 09. 91 Klaus Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 05. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 05. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 05. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 05. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 05. 09. 91 * Dr. Mertens (Bottrop), SPD 05. 09. 91 Franz-Josef Dr. Müller, Günther CDU/CSU 05. 09. 91 * Niggemeier, Horst SPD 05. 09. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch, Johannes CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 05. 09. 91* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 05. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 05. 09. 91 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 05. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 05. 09. 91 Ingrid Schäfer (Mainz), Helmut FDP 05. 09. 91 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 05. 09. 91* Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 05. 09. 91* Dr. Sperling, Dietrich SPD 05. 09. 91 Terborg, Margitta SPD 05. 09. 91* Verheugen, Günter SPD 05. 09. 91 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 05. 09. 91 Gert Wieczorek-Zeul, SPD 05.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 05. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alexander Warrikoff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Wiedervereinigung hat den Gesetzgeber, die Regierung, aber auch das ganze Volk vor ungewöhnliche Herausforderungen gestellt. Auf diesem Hintergrund bedarf es einer grundsätzlichen Auffassung, die sich der Zukunft positiv zuwendet. Deswegen bedauere ich es, Herr Dreßler, wenn Sie hier Mutlosigkeit, Perspektivlosigkeit verbreiten, wenn Sie den Menschen in den neuen Ländern sagen, es geht abwärts und nicht aufwärts, wenn Sie ihnen nicht Mut machen, sondern genau das Gegenteil.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Klaus Kirschner [SPD]: Psychologie statt Taten!)

    Heiner Geißler hat vor einigen Monaten von dieser Stelle aus bei diesem Thema gesagt: Herr Dreßler, das ist verantwortungslos. Ich schließe mich dem an.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ist von diesen Herausforderungen ganz besonders betroffen. Ich möchte hier zwei wichtige Bereiche unterscheiden: das Gebiet, das der Gesetzgeber mit der Regierung, mit der Verwaltung bewältigen kann, und das Gebiet, auf dem Politik allein nicht genügt, auf dem die Wirtschaft, Arbeitgeber, Arbeitnehmer — kurz: die ganze Gesellschaft — gefordert sind.
    Zunächst zum Gesetzgeber: Herr Bundesminister Blüm, Ihr Haus, Sie und auch dieses Haus haben dafür gesorgt, daß auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung alles Wesentliche in kurzer Zeit — die deutsche Wiedervereinigung ist elf Monate und drei Tage her — vollzogen wurde: Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und zuletzt die Rentenversicherung und Unfallversicherung im Juni, übrigens im Einvernehmen mit der Opposition.
    Die Bedeutung der Rentenversicherung kann überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden: sowohl für die, die in den neuen Ländern jetzt Rente bekommen, als auch für die, die eines Tages alle einmal, wie wir hoffen, gesunde und fröhliche Rentner sein werden. Die Rentner bekommen eine Rente, die sich nicht an den Willkürentscheidungen des ZK der SED — oder wer auch immer das festgelegt hat — orientiert, sondern sie bekommen eine Rente, die sich an der Produktivität der arbeitenden Menschen und an deren Einkünften orientiert. Diese Einkünfte werden nicht vom Ministerium für Arbeit und Löhne — so hieß das — festgelegt, sondern sie werden von freien Gewerkschaften und freien Arbeitgeberverbänden festgelegt; sie liegen dann den Renten zugrunde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Haushalt haben wir aus diesen wichtigen, großen Veränderungen die Konsequenzen zu ziehen, die Sie, Herr Bundesarbeitsminister Blüm, vorhin dargestellt haben.
    Ich möchte diese Gelegenheit zu einem Wort des Dankes und einem Wort des Respekts benutzen. Wenn man sich unser Sozialgesetzbuch ansieht, dann ist man von der Fülle der Vorschriften schon tief beeindruckt; sie sind auch notwendig. Man ist auch tief beeindruckt, wie es den Beamten und anderen Mitarbeitern, z. B. der Sozialversicherungsträger, gelungen



    Dr. Alexander Warrikoff
    ist, dieses überaus komplizierte Werk in so wenigen Monaten in den neuen Ländern umzusetzen. Ich finde, das ist eine hervorragende Leistung. Wir sollten all denen, die daran mitgewirkt haben, Dank aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das zweite Wort ist ein Wort des Respekts vor den Menschen in den neuen Ländern. Wenn man sich einmal überlegt, was wir ihnen alles an Neuem zumuten mußten, wie unendlich viel diese Menschen in sich aufnehmen, verarbeiten mußten, damit fertig werden mußten, dann kommt man zu dem Schluß, daß es überwältigend ist, wie gut sie das geschafft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Der zweite Arbeitsbereich, den ich hier anspreche, betrifft weniger den Gesetzgeber als vor allem die Gesamtgesellschaft und da ganz besonders — im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung — den Arbeitsmarkt. Hier kommt es nicht darauf an, Gesetze zu verändern, sondern die dreidimensionale Wirklichkeit. Diese dreidimensionale Wirklichkeit, die verändert werden muß, besteht aus heruntergekommenen Betrieben, aus veralteter Technik, aus Verzicht auf zukunftsgerichtete Investitionen über Jahrzehnte hinweg

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das alles scheint Herr Dreßler nicht zu wissen!)

    — das nimmt er alles nicht zur Kenntnis — und aus Produkten, die der erste Hauch des Wettbewerbs am Weltmarkt weggeblasen hat.
    Daran, meine Damen und Herren, sind nicht etwa die Menschen schuld, die dort gearbeitet haben. Die Arbeitnehmer in Zwickau, die Autowerker dort, hätten ihren Trabi von Jahr zu Jahr sehr gern so weiterentwickelt, daß er im Jahre 1991 oder 1992 dem Weltmaßstab standgehalten hätte. Sie durften es aber nicht, weil eine starre staatliche Zwangswirtschaft sie daran gehindert hat. Auch hätten sie gern genug Trabis gebaut; aber auch dazu hat man ihnen nicht die Möglichkeit gegeben.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Was hat das mit dem Haushalt zu tun?)

    — Herr Dreßler, wenn ich mir überlege, was Sie alles in Ihrer Rede angesprochen haben, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß das unendlich viel weniger mit dem Haushalt zu tun hatte als das, was ich hier jetzt sage.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das hat sehr viel mit dem Haushalt zu tun. Aber es dürfte Ihrer Aufmerksamkeit vielleicht entgangen sein, daß wir es hier mit dem Haushalt des Bundesministers für Arbeit zu tun haben. Und da geht es ganz zentral um die Frage der Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Herr Dreßler nicht versteht, daß die Produktivität der Wirtschaft in den neuen Ländern etwas mit dem Haushalt dieses Ministeriums zu tun hat, dann hat er das Gesamtproblem nicht verstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Problem besteht übrigens nicht nur im Zusammenbruch der Produktionseinrichtungen, sondern auch in ganz neuen Herausforderungen an die Menschen selbst, die ja in den vergangenen Jahrzehnten nicht zu Verantwortungsbewußtsein, zu Leistungsbereitschaft, zu Ideenreichtum gebracht wurden, sondern wo dieses ausdrücklich unterbunden wurde.
    Nun stehen wir vor den Trümmern dieser Wirtschaft, mit der Folge, daß natürlich unvermeidbar in all diesen Betrieben, die nicht mehr weiterbestehen können, Arbeitslosigkeit entsteht.
    Wenn ich Herrn Dreßler richtig verstanden habe
    — wenn es nicht ein so ernstes Thema wäre, hätte ich wahrscheinlich laut gelacht — , haben Sie den Versuch unternommen, dem Herrn Bundesarbeitsminister Blüm die Schuld an diesen Arbeitslosen zu geben. Das ist eine bemerkenswerte Leistung — eine bemerkenswerte Leistung.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Sie haben, wie immer, Watte in den Ohren!)

    — Sie haben in Ihrer Rede darauf abgehoben.
    Nun kommt es darauf an, neue Arbeitsplätze zu schaffen, weil das Schicksal der Arbeitslosigkeit ganz besonders bitter ist, ganz besonders bitter übrigens auch in den neuen Ländern, weil es da ein neues Lebensrisiko ist.
    Ich appelliere an alle, die davon betroffen sind, um ein wenig Verständnis, daß es sehr viel schwerer ist, Arbeitsplätze zu schaffen, die am Markt ein Einkommen von 2 200 DM im Monat, was wir für das nächste Jahr erwarten, rechtfertigen, als Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, die mit etwa 1 000 Mark der DDR bezahlt worden sind. Ich appelliere bei der künftigen Entwicklung der Löhne und Arbeitnehmereinkommen an die Tarifvertragsparteien, damit Produktivität erreicht wird, denn nur dann entstehen sichere Arbeitsplätze.
    Es wäre sehr bedenklich, wenn wir eine Situation hätten, die darin besteht, daß die Löhne hoch und die Arbeitsplätze weg sind. Wir sind für Übergangslösungen. Ich brauche diese ganzen Übergangslösungen nicht aufzuzählen — das hat der Herr Bundesarbeitsminister getan — , die auch wirken, die aber keine Dauerlösung sind.
    Wenn allerdings die SPD auf diesem Hintergrund jetzt den Vorwurf macht, wir würden keine aktive Arbeitsmarktpolitik machen, dann muß ich sagen, daß ich einigermaßen verblüfft bin. Das Gesamtausmaß der Maßnahmen geht bei weitem über alles hinweg, was je in den alten Bundesländern gemacht wurde. Es geht vor allem unendlich weit über das hinweg, Herr Dreßler, was Sie als Staatssekretär im Jahre 1982 zu vertreten hatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Jahr 1982 hatte die alte Bundesrepublik einen Stand von 2 Millionen Arbeitslosen mit dramatisch steigender Tendenz; Sie waren Staatssekretär.

    (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: 2 Millionen!)

    Ihre „aktive Arbeitsmarktpolitik" bestand darin, daß
    Sie 29 000 ABM-Stellen hatten, ganze 29 000. Heute



    Dr. Alexander Warrikoff
    haben wir eine Arbeitslosigkeit von 1,6 Millionen in den alten und von 1 Million in den neuen Bundesländern.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg)

    In den neuen Bundesländern gibt es ein Programm, das 261 000 ABM-Stellen vorsieht. 29 000 Stellen waren es damals bei Ihnen, 261 000 sind es in den neuen Bundesländern bei uns!

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Mit steigender Tendenz!)

    — Genau. Die Zahl der ABM-Stellen in den neuen Ländern weist eine steigende Tendenz auf.
    Damit das ganze Ausmaß des Unterschieds in der Qualität zwischen der Politik von Norbert Blüm und der damaligen Politik von Herrn Dreßler klar wird, möchte ich hinzufügen: Norbert Blüm hat die Folgen eines katastrophalen Zusammenbruchs des sozialistischen Wirtschaftssystems zu verkraften; das hatten Sie, Herr Dreßler, damals nicht. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, was man von Ihren Bemerkungen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik zu halten hat.
    Im Gegensatz zur SPD begrüßen wir die Erfolge. Es gibt in den neuen Bundesländern eine Million neue Arbeitsplätze und einige hunderttausend Betriebsgründungen. Vor allem gibt es dort eine ganz großartige Lernbereitschaft. Ich stelle mit großer Freude fest, daß 536 000 Menschen — Sie nannten die Zahl ebenfalls — die Fortbildungs-, Umschuldungs- und Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen. Davon sind übrigens 56 % Frauen. Das ist eine sehr wichtige und erfreuliche Zahl.
    Diese Qualifizierung wird sicherstellen, daß die Arbeitnehmer in den neuen Ländern genauso schnell und genauso überzeugend die Spitzenklasse an Qualität in der Welt erreichen werden, wie das hier bei uns der Fall ist. „Made in Germany” ist schon heute, und zwar mit Recht, nicht mehr „Made in West-Germany” , sondern auch hier haben wir das eine Deutschland.
    Unsere Arbeits- und Sozialpolitik bezieht sich natürlich auch auf die alten Bundesländer. Ich stelle hier gern fest, daß sich beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitisch die Einigung zunächst für die alten Bundesländer positiv ausgewirkt hat. Die Einigung hat in den alten Bundesländern einen Zuwachs von 900 000 Beschäftigten innerhalb eines Jahres gebracht. Die Arbeitslosigkeit ist stark zurückgegangen.
    Ich darf übrigens auch an dieser Stelle an die neuesten Zahlen erinnern, die wir aus Nürnberg bekommen haben, die ermutigend sind, übrigens ganz besonders ermutigend in bezug auf den sehr hohen Rückgang der Teilzeitarbeit. Hier habe ich bezüglich der neuen Länder die Zahl von 134 000 in Erinnerung.
    Ohne die Einigung wäre Deutschland wahrscheinlich stärker in den weltwirtschaftlichen Sog einer doch gedämpften Konjunktur gezogen worden, als dies jetzt der Fall ist. Ich stelle aber vor allem und zusätzlich mit Nachdruck und mit Befriedigung fest, daß die Kosten der deutschen Einheit, Herr Bundesarbeitsminister, nicht zu Lasten der Sozialsysteme gegangen sind. Alle großen Programme werden weitergeführt. Die Rentner haben am 1. Juli 5,04 % mehr bekommen. Alle Sicherungssysteme halten, sind stabil und werden zuverlässig weitergeführt.
    Daüber hinaus ist es keineswegs so, daß wir nur das, was vorhanden ist, erhalten, sondern wir bauen weiter aus. Der Sozialstaat Deutschland wird weiterentwikkelt. Es besteht Konsens, daß auf dem Gebiet der Pflegeversicherung, einem ganz neuen und wichtigen Gebiet, etwas Entscheidendes geschehen muß.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Was denn? Erzählen Sie uns doch einmal, was geschehen muß! — Gegenruf von der CDU/CSU: Sie haben 40 Jahre nichts gemacht!)

    Das die sozialen Sicherungssysteme nicht nur standhalten, sondern fortentwickelt werden, könnten manche als selbstverständlich bezeichnen.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Was muß denn nun geschehen? — Julius Louven [CDU/CSU]: Herr Dreßler, warten Sie doch noch ein paar Wochen!)

    Das fällt in Zeiten äußerster Kraftanstrengung, wenn unendlich viel Energie, auch wirtschaftliche Energie und finanzielle Mittel, in die Verwirklichung des Ziels der Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse gesteckt werden muß, nicht vom Himmel. Eine gesunde Wirtschaft und, daraus folgend, eine soziale Sicherheit sind nicht selbstverständlich. Sie beruhen vor allem auf der Leistung aller, die anpacken und etwas bewegen; aber sie beruhen natürlich auch und ganz besonders auf der großartigen Politik unserer Bundesregierung unter Helmut Kohl und unseres Bundesarbeitsministers Norbert Blüm.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Bläss.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr Anschlußpolitik heißt für mich Bilanz zu ziehen über die Situation der Menschen in den neuen Bundesländern, und zwar ohne Heuchelei und Beschönigung. Dabei will ich auch nicht diejenigen vergessen, die im Westen die Zeche dieser Politik zu bezahlen haben; denn von „gleicher Lastenverteilung", wie uns der Herr Finanzminister glauben machen will, kann nun wirklich nicht die Rede sein, weder in Ost noch in West.
    Immer noch gilt die Devise, die Kosten der Einheit auf die sozial Schwächsten abzuwälzen, hüben wie drüben. Daran zu zweifeln, daß diese Absicht auch künftig fortbesteht, gibt der eingebrachte Haushalt, insbesondere Einzelplan 11, überhaupt keinen Anlaß. Die Prioritäten werden nicht neu gesetzt, die Gelder nicht vorrangig dort eingebracht, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
    Typisch dafür ist, daß bei aller Veränderung der weltpolitischen Lage — mein Kollege Uli Briefs hat schon darauf verwiesen — der Verteidigungshaushalt unangetastet bleibt und mit 52 Milliarden DM immer noch einen der dicksten Brocken in diesem Haushalt ausmacht. Hier sind für mich die von Bun-



    Petra Bläss
    desminister Waigel in Abrede gestellten Spielräume des vorgelegten Haushaltsentwurfs, die so bitter nötig wären, um zu verhindern, daß die Kosten des Anschlusses — wohlgemerkt, das sind neue Kosten, die dem Crash-Kurs des Anschlusses geschuldet sind — vor allem zu Lasten der Menschen in den neuen Ländern gehen. Es mag zwar sein, daß die Wiedervereinigungsaufgaben finanzpolitisch bewältigt sind, wie es in der Haushaltsrede von Herrn Waigel lapidar heißt, aber hinter dieser haushaltstechnischen Floskel verbergen sich Hunderttausende von Menschenschicksalen, verbirgt sich Existenzangst, Mutlosigkeit und Verzweiflung von Frauen, von Jugendlichen, von alten Menschen. Finanzpolitik alleine reicht eben nicht, Herr Waigel, wenn es um Menschen geht.
    Welche Anforderungen bestehen, um die Wiedervereinigungsaufgaben unter sozialen Gesichtspunkten zu bewältigen, darüber geben die gestrigen Arbeitslosenzahlen ebenso Auskunft wie die Bilanz der Kosten, die aufzubringen wären, um die durch skandalöse Abwicklungen gerissenen Löcher bei zentralen Aufgaben der öffentlichen Hand stopfen zu können — wie etwa bei den Kindereinrichtungen, in der Gesundheitsversorgung, bei Beratungs- und Kulturangeboten, um nur einiges zu nennen, was für mich Mindeststandards sozialen Besitzstandes von Bürgerinnen und Bürgern aus der ehemaligen DDR sind. Weder der Einzelplan 11 des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung noch der Gesundheitsetat und schon gar nicht der Ansatz für Frauen und Jugend oder der für Familien und Senioren sind so ausgestattet, daß die anstehenden sozialen Aufgaben in diesem reichen Land BRD wirklich zu bewältigen sind, um die alten und neuen gesellschaftlichen Probleme radikal, nämlich an der Wurzel, anpacken zu können.
    Mit 128,8 Milliarden DM machen zwar diese vier Ministerienbereiche etwa ein Drittel des Gesamtetats aus, aber bei genauerer Betrachtung der Einzelansätze wird deutlich, daß davon der Löwenanteil von über 100 Milliarden DM für Individualleistungen aufgewandt werden muß, die nach dem Gesetz zwingend geregelt sind. Dies sind vor allem Zuweisungen an die Rentenversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit sowie die Mittel für das Kinder- und Erziehungsgeld oder die Ausgaben für Zivildienstleistende, um nur die dicksten Brocken zu nennen. Nur ganze 20 Milliarden DM sind frei.
    Das Dilemma dieser Situation ist, daß mit diesen Haushaltsansätzen lediglich an den Folgen des Anschlusses und anderer gesellschaftlicher Fehlentwicklungen herumgedoktert werden kann, nicht aber Raum ist für wirklich gestaltende

    (Zuruf von der FDP: Ist die Einigung Deutschlands eine gesellschaftliche Fehlentwicklung?)

    sozialpolitische Maßnahmen, für Maßnahmen, die ein sozialpolitisches Umdenken, die tatsächliche strukturelle Veränderungen unserer Sozialpolitik zulassen.
    Ich will ein kleines Beispiel aus dem Einzelplan 11 nennen, das dieses Problem eindrucksvoll symbolisiert. Der Titel mit dem klangvollen Namen „Förderungen der Erprobung neuer Wege in der Arbeitsmarktpolitik" wurde trotz der sich anbahnenden Beschäftigungskatastrophe in den neuen Bundesländern und einem Sockel von Arbeitslosen in den alten Bundesländern, den man ja wohl immer noch Massenarbeitslosigkeit nennen muß, mit 3,5 Millionen DM auf dem niedrigen Stand des Jahres 1990 eingefroren. Dem stehen in diesem Haushalt 8,5 Milliarden DM, die zur Finanzierung der Arbeitslosenhilfe aufgebracht werden müssen, gegenüber.
    Das ist meines Erachtens die Crux: Seit Jahren ist es völlig selbstverständlich geworden, daß statt einer wirkungsvollen Struktur- und Beschäftigungspolitik mit etlichen Milliarden des Sozialetats die Folgen von Arbeitslosigkeit abgefedert werden. Mit den Folgen des Anschlusses kommt eben genau dieser Seite der Sozialpolitik eine Schlüsselrolle zu. Statt, daß in neue beschäftigungspolitische Konzepte mit Zukunftsperspektive investiert wird, wird die Zwei-Drittel-Gesellschaft gesamtdeutsch etabliert. Sage keiner den Menschen in Ostdeutschland, das sei ein Übergangsproblem! Ebenso wie in den alten Bundesländern werden auch wir es mit dem Phänomen zu tun bekommen, daß ganze Bevölkerungsgruppen auf Dauer marginalisiert sind, daß Armut und Obdachlosigkeit zum gesellschaftlichen Alltag gehören.
    Meine Sorge, daß die Frauen hier wieder eine Spitzenposition einnehmen, ist angesichts der besonders brutalen Verdrängung der Frauen aus dem Erwerbsleben mehr als begründet. Schon heute sind 58,5 % der Erwerbslosen in den neuen Bundesländern Frauen; in einzelnen Regionen wie Thüringen und Sachsen liegt dieser Anteil bei bis zu 70 % Produktionsstandorte mit traditionell — auch für die ehemalige DDR — hohem Frauenanteil und wesentliche Teile der Landwirtschaft sind dafür ausschlaggebend.
    Aber Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern ist nicht allein ein Problem von Frauen. Fast eine halbe Million Männer sind davon betroffen. Mit dem Auslaufen der Kurzarbeiterinnen- und Kurzarbeiterregelung werden noch Hunderttausende dazukommen. Das Problem ist erst in seiner Gesamtheit erfaßbar: wenn Vorruheständler und Vorruheständlerinnen, Bezieher und Bezieherinnen von Altersübergangsgeld und auch diejenigen einbezogen werden, die — entgegen den Versprechungen des Bundeskanzlers — bei der Lehrstellensuche leer ausgegangen sind.
    Die einzige Antwort aus dem Hause Blüm sind Qualifizierungsmaßnahmen und ABM. Natürlich ist eine Beschäftigung in AB-Maßnahmen besser, als schon jetzt auf der Straße zu stehen. Aber klar ist doch auch: Wenn daraus keine Arbeitsplätze entstehen — was ich im Moment ernsthaft befürchte — , kann keine zukunftsträchtige Standortpolitik betrieben werden, wird der Kahlschlag nur zeitlich verschoben.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Was schlagen Sie denn vor, Frau Kollegin?)

    Das Arbeitslosengeld betrug Ende Juni 1991 in den neuen Bundesländern durchschnittlich 627 DM, für Frauen nur rund 562 DM. Wenn sich die Wohnkosten ab 1. Oktober von durchschnittlich 63 DM auf durchschnittlich 295 DM erhöhen und Anspruchsberechtigte im Durchschnitt nur 70 DM Wohngeld erhalten,



    Petra Bläss
    ist für viele ein Abgleiten in die Sozialhilfe bereits vorprogrammiert. Eine alleinerziehende Frau beispielsweise müßte — nach diesen Durchschnittswerten berechnet — mit 337 DM monatlich zurechtkommen. Wie heißt es doch so schön in einer deutschen Spruchweisheit: Zum Leben zu wenig .. .
    Wie die finanziellen Spielräume für Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger aussehen, brauche ich sicher nicht weiter auszurechnen, abgesehen davon, daß bei der Arbeitslosenhilfe soziale Relikte wie die Bedürftigkeitsprüfung greifen, was dazu führt, daß mehr als zwei Drittel der Frauen, die Arbeitslosenhilfe beantragen, leer ausgehen und damit existentiell in völlige Abhängikeit von ihren Ehemännern oder von Transferleistungen Dritter geraten — für die übergroße Mehrheit der Frauen aus den ostdeutschen Ländern eine bittere Erfahrung. Sie sind die großen Verliererinnen des Anschlusses. Ihre strukturelle Benachteiligung hat deutlich zugenommen. Die Verstärkung patriarchalischer Tendenzen ist unübersehbar.

    (Dr. Hans-Peter Voigt [Northeim] [CDU/ CSU]: Wo denn?)

    — Zum Beispiel erkennbar an den Zahlen, die ich brachte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das müssen Sie aber erklären!)

    Die weiträumige Schließung von Kindertagesstätten und die drastische Erhöhung der Kosten für diese Einrichtungen sind eine weitere Möglichkeit, auch Frauen in den neuen Bundesländern auf ihre Rolle in der Familie festzulegen. Und dahinter, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsbank — ich muß es leider sagen — , steckt Methode.

    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Denken Sie einmal an die Methoden der Vergangenheit!)

    Es ist beabsichtigt, das traditionelle Frauenbild auch in den neuen Bundesländern durchzusetzen und Frauen als sogenannte Manövriermasse für konjunkturelle Schwünge uneingeschränkt zur Verfügung zu haben.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen das wohl aufgeschrieben?)

    — Das habe ich selber geschrieben.
    Dem Widerstand der westdeutschen Frauenbewegung ist es zu danken, daß dies nicht mehr so ungebrochen funktioniert. Selbst Frau Rönsch muß heute zur Kenntnis nehmen, daß Berufstätigkeit zum festen Bestandteil weiblicher Lebensplanung auch im Westen geworden ist. Ihre Angebote zur finanziellen Abgeltung von Erziehungsarbeit und die Ausdehnung des Erziehungsurlaubs sind allerdings nur ein halbherziger Schritt, wenn auf Grund der miesen finanziellen Ausstattung doch nur wieder Frauen diese Möglichkeit wahrnehmen.

    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sie haben große Informationsdefizite!)

    Ein weiteres Beispiel dafür, daß der endlose Kreislauf weiblicher Benachteiligung laufend reproduziert wird, sind die sogenannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. In der Regel sind das solche, die jenseits der Versicherungspflicht liegen. Nach jüngst veröffentlichten Zahlen gibt es davon in der Bundesrepublik allein 6 Millionen. Daß überwiegend Frauen in solche Arbeitsverhältnisse gedrängt werden, läßt sich jeder Teilzeitarbeitsstatistik entnehmen. Die Folge: keine Absicherung bei Krankheit oder im Falle von Arbeitslosigkeit, und für die Rente ist auch nichts anrechenbar.
    Meine Damen und Herren, ich habe meinen Standpunkt zu dem im Rentenüberleitungsgesetz festgeschriebenen sogenannten Rentenkompromiß hier schon ausreichend dargelegt. Ich finde ihn nach wie vor zutiefst unsozial und werde die Betroffenen weiter ermuntern, ihre Ansprüche gerichtlich einzuklagen.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!)

    Zwar ist der Zuschuß von 60,6 Milliarden DM in die Rentenkassen enorm, aber die einzelne Rentnerin, der einzelne Rentner, insbesondere in den neuen Bundesländern, schaut voll Sorge auf die bevorstehenden Mietsteigerungen, auf Tarif- und Gebührenerhöhungen und die sonstige Zunahme der Lebenshaltungskosten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Über die Zunahme der Renten sagen Sie nichts!)

    Der alleinstehenden Rentnerin beispielsweise stehen trotz Wohngeld durchschnittlich nur 491 DM zur Verfügung, und eine solche Summe bedeutet jetzt natürlich wirklich etwas anderes als vorher.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Geht es denn nun den Rentnern besser oder schlechter als vorher?)

    — Fragen Sie doch bitte die Rentnerinnen und Rentner.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Ich frage Sie!)

    Ich habe sie im Sommer sehr oft gefragt.
    Noch ein Wort zum Gesundheitsetat: Hier wird gar nicht mehr der Versuch unternommen, den weiteren Abbau sozialer Leistungen zu verschleiern. Kürzungen von 10,6 % bei gleichzeitiger Zerschlagung eines gut funktionierenden Systems gesundheitlicher Vor-und Fürsorge in den neuen Bundesländern

    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Die ist unbelehrbar!)

    empfinde ich als sozialpolitischen Skandal.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was wird denn zerschlagen?)

    — Ich habe ja wohl das Recht, hier meine Meinung zu sagen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Keine einzige wissenschaftliche Einrichtung der Medizin in Ostdeutschland wird derzeit vom Bund gefördert. Dies gilt z. B.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Für die Charité?)

    für die Auflösung des Zentralinstituts für Herz- und Kreislaufkrankheiten und für die Krebsforschung. Weder das Krebsregister der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR noch das zweifellos her-



    Petra Bläss
    vorragende Vorsorgeprogramm für Schwangere, die an Diabetes erkrankt sind, mit einem Zentralinstitut in Karlsburg bei Greifswald werden fortgeführt. Das entspricht der Strategie einer bewußten Schleifung analog der Charité, wenn es gar nicht anders geht, auch mit unlauteren Mitteln. Das haben die letzten Tage deutlich gezeigt.
    Gesundheit wird also mehr und mehr zur Privatangelegenheit deklariert. Die hitzigen Debatten um die Absicherung von Pflegebedürftigkeit sind dafür ein beredtes Beispiel.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Dann kommen Sie doch mit einem Vorschlag!)

    Unter dem Stichwort „gestaltende Sozialpolitik" spricht sich die PDS/Linke Liste für die Einrichtung eines Pflegefonds aus, für den 25 Milliarden DM an Haushaltsmitteln bereitzustellen sind.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: 25 Milliarden? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Aus SED-Vermögen finanziert! Da stimmen wir zu!)

    — Wo die herzukriegen sind, habe ich am Anfang gesagt.
    Sozialpolitisch gestaltend eingreifen heißt für uns auch, in Anlehnung an den Vorschlag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Forderung zu erheben, daß sich der Bund zur Hälfte an den Kosten für den Erhalt von Krippen, Kindergärten und Horten in den neuen Bundesländern beteiligt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie viele Milliarden?)

    Damit wollen wir der massiven Mobilitätseinschränkung von Frauen entgegenwirken.
    Wir halten es für erforderlich, daß Struktur- und Beschäftigungsprogramme aufgelegt werden, die Beschäftigung von Frauen zum Schwerpunkt haben. Dabei muß gelten, daß keine Stunde Arbeit ohne ausreichenden Versicherungsschutz geleistet werden darf.
    Die Abgeordnetengruppe der PDS/Linke Liste wird darüber hinaus in den kommenden Monaten Initiativen zu folgenden Bereichen in den Bundestag einbringen: Antrag zur Bildung einer Enquete-Kommission „Soziale Katastrophe in Ostdeutschland"

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Diese Enquete-Kommission kommt aber 30 Jahre zu spät!)

    — daß das notwendig ist, zeigen die Zahlen — , Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf mindestens 75 % des Nettogehalts, Abschaffung der menschenunwürdigen Bedürftigkeitsprüfung

    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU] : Und der PDS!)

    und der Zumutbarkeitsregeln im Arbeitsförderungsgesetz,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Davor habt ihr Angst! — Rückkehr zum Sozialismus!)

    gezielter Einsatz öffentlicher Mittel für Umschulungen und Schaffung von Qualifikations- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Frauen,

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Also noch einmal 30 Milliarden DM!)

    Sicherung und Ausbau von Arbeitsplätzen durch Förderung ostdeutscher Erzeugnisse,

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Hoffentlich kaufen wenigstens Sie die!)

    Erhalt und Ausbau der sozialen Infrastruktur sowie Förderung regionaler Struktur- und Beschäftigungsprogramme.
    Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und beim Bündnis 90/GRÜNE)