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ID1203806300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/38 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Inhalt: Bestimmung der Abg. Anke Fuchs als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier 3121A Bestimmung der Abg. Gudrun Weyel als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der zum ordentlichen Mitglied bestimmten Abg. Anke Fuchs . . 3121A Wahl des Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier . . . 3121 B Wahl des Abg. Gunter Huonker als stellvertretendes Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des zum ordentlichen Mitglied gewählten Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) 3121 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 3121C, 3145C Wolfgang Roth SPD 3125 B Michael Glos CDU/CSU 3128C Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 3129D, 3212C, 3217B, 3226A Werner Zywietz FDP 3132 D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3134 C Bernd Henn PDS/Linke Liste 3136B Klaus Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3138B Michael Glos CDU/CSU 3138C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 3141C, 3219 D Bernd Neumann (Bremen) CDU/CSU . . 3142C Manfred Richter (Bremerhaven) FDP . . 3144 C Matthias Wissmann CDU/CSU 3146A Wolfgang Roth SPD 3148C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 3148D Rudolf Dreßler SPD 3152A, 3159A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 3158D Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) FDP 3159B Christina Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . 3159D, 3200 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . . 3161 B Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . 3163D, 3196A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 3166C Ottmar Schreiner SPD 3168A, 3172B Volker Kauder CDU/CSU 3172 A Ina Albowitz FDP 3172 D Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 3176B Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . 3177 C Klaus Kirschner SPD 3180A Dr. Dieter Thomae FDP 3183 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 3184 D Ottmar Schreiner SPD 3185B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 3186D Hanna Wolf SPD 3189B Dr. Edith Niehuis SPD 3190A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Ingrid Becker-Inglau SPD 3190 C Susanne Jaffke CDU/CSU 3194 B Dr. Gisela Babel FDP 3198B Maria Michalk CDU/CSU 3202 A Margot von Renesse SPD 3204 D Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3207 D Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3209 B Norbert Eimer (Fürth) FDP 3211A Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 3212 B Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3212D Ingrid Becker-Inglau SPD 3213D Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3215D Dr. Peter Struck SPD 3218 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 3220 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3220 D Carl-Ludwig Thiele FDP 3224 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 3227 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3229 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 3232 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 3233 D Dr. Hans-Jochen Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3238 A Friedrich Bohl CDU/CSU 3239 B Friedrich Bohl CDU/CSU (zur Geschäftsordnung) 3239D Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 3176B Nächste Sitzung 3240 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3241* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3121 38. Sitzung Bonn, den 5. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3241* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 05. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 05. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 05. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 05. 09. 91 * Eppelmann, Rainer CDU/CSU 05. 09. 91 Erler, Gernot SPD 05. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 05. 09. 91* Francke (Hamburg), CDU/CSU 05. 09. 91 Klaus Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 05. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 05. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 05. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 05. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 05. 09. 91 * Dr. Mertens (Bottrop), SPD 05. 09. 91 Franz-Josef Dr. Müller, Günther CDU/CSU 05. 09. 91 * Niggemeier, Horst SPD 05. 09. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch, Johannes CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 05. 09. 91* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 05. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 05. 09. 91 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 05. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 05. 09. 91 Ingrid Schäfer (Mainz), Helmut FDP 05. 09. 91 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 05. 09. 91* Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 05. 09. 91* Dr. Sperling, Dietrich SPD 05. 09. 91 Terborg, Margitta SPD 05. 09. 91* Verheugen, Günter SPD 05. 09. 91 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 05. 09. 91 Gert Wieczorek-Zeul, SPD 05.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 05. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christina Schenk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte über den Haushaltsplan des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung wird von Regierungsseite regelmäßig mit dem Hinweis eingeleitet, daß der Sozialhaushalt den größten Etatposten darstelle. Bei den veranschlagten 92,8 Milliarden DM ist das in der Tat der Fall. Wer sich allerdings als Minister damit rühmt, gleicht einem Hausbesitzer — oder einer Hausbesitzerin —, der da sagt, mein Haus ist wunderbar, die Reparaturkosten steigen von Jahr zu Jahr. Eine Steigerung des Sozialetats ist nicht per se ein Ruhmesblatt für die Politik dieser Regierung. Sie kann auch — und das ist ja gegenwärtig zweifellos der Fall — ein Indiz sein für die Zunahme sozialer Probleme.
    In der Ex-DDR steigen Erwerbslosigkeit und Armut. Die neu geschaffene Sozialhilfeabhängigkeit alter Menschen in Heimen, die demnächst rapide steigen-



    Christina Schenk
    den Mieten usw. sind weitere zentrale Aspekte. Die Lebensverhältnisse haben sich drastisch verändert. Für einige wurden sie besser, für viele wesentlich schlechter.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Für fast alle besser!)

    Meine Damen und Herren, Sozialpolitik kann an den Resultaten des Anschlusses und einer Zerstörung der Wirtschaft der DDR nichts ändern. Sie könnte jedoch durch aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik abfedernd wirken. Entscheidend für die Effizienz derartiger Maßnahmen ist allerdings ihre konzeptionelle Ausgestaltung, d. h. die Frage, ob daraus auch längerfristige Perspektiven resultieren. Es ist heute hier schon festgestellt worden: Die Talsohle der Arbeitslosigkeit, insbesondere in den östlichen Bundesländern, ist keineswegs erreicht. Die offizielle Arbeitslosenzahl ist zwar saisonbedingt in diesem Monat nicht gestiegen, aber Grund für eine Entwarnung gibt es absolut nicht. Selbst die Bundesanstalt für Arbeit rechnet bis Ende des Jahres mit einer Zahl von 1,5 Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen. Aber ein vollständiges Bild, meine Damen und Herren, ergibt sich erst, wenn mitberücksichtigt wird, daß gleichzeitig ca. 1,5 Millionen in Kurzarbeit sind, bis Ende des Jahres 400 000 in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen untergebracht werden sollen, bis dahin fast ebensoviele in den Vorruhestand geschickt werden und einige hunderttausend mit Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen beschäftigt werden. Im Klartext bedeutet das, daß bestenfalls die Hälfte aller Erwerbstätigen in der Ex-DDR beschäftigt sein wird. Wann, wie und ob die andere Hälfte in den Bereich der Beschäftigten wieder integriert werden kann, ist heute noch nicht absehbar.
    Arbeitsbeschaffungs-, Umschulungs- und auch Fortbildungsmaßnahmen haben für Menschen, die sonst auf der Straße stehen würden, zwar zunächst eine wichtige Auffangfunktion — das ist absolut unbestritten —, aber im Grunde genommen ist die Frage eine ganz andere, nämlich die: Wie soll es weitergehen, wenn die AB-Maßnahmen auslaufen, zumal die Laufzeit künftig auf ein Jahr begrenzt, die Verlängerungsmöglichkeiten drastisch eingeschränkt und die finanzielle Ausstattung reduziert werden sollen? Wie soll es weitergehen, wenn sich herausstellt, daß viele Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen keine Perspektiven bieten?
    In diesem Zusammenhang ist es eine der größten Gemeinheiten, die gemacht werden, daß gegenwärtig Hauswirtschaftskurse in großer Zahl für Mädchen angeboten werden. Die sind kontraproduktiv und absolut kein Beitrag für zukünftige Berufschancen. Sie wären höchstens dann erträglich, höchstens dann akzeptabel, wenn sie Jungen vorbehalten blieben, zur Verbesserung der Chancengleichheit des männlichen Geschlechts bei der Arbeitsteilung im Haushalt.
    Als es im Zuge der Einigung endlich auch um die sogenannte Sozialunion ging, bestanden im Grunde genommen zwei Optionen: Die einen hofften darauf, daß sich gerade im sozialen Bereich positive Elemente aus der DDR übernehmen ließen. Das hätte bedeutet, daß die Einheit in Gestalt eines beiderseitigen sozialen Reformprozesses vollzogen worden wäre, der auch im Westen einiges in Bewegung gebracht hätte. Derartige Vorstellungen sind jedenfalls damals vom Unabhängigen Frauenverband und auch von einem Großteil der Bürgerbewegungen bei den Verhandlungen am Runden Tisch vertreten worden. Das Ziel der anderen, voran die politischen Kräfte der derzeitigen Regierungskoalition, war hingegen die möglichst reibungslose Übertragung des altbundesrepublikanischen Systems auf das Beitrittsgebiet. Das hat sich durchgesetzt, was sehr negative Konsequenzen hat, wie jeder sieht, der nicht absichtlich wegsieht.
    Was das nahezu ausschließlich lohn- und beitragsbezogene soziale Sicherungssystem im Westen nicht leisten kann, vermag es im Osten erst recht nicht. Im Gegenteil, die eklatanten Mängel dieses Sozialsystems werden auf Grund des nach wie vor gegebenen wirtschaftlichen und sozialen Ost-West-Gefälles besonders augenfällig. Im Beitrittsgebiet zeichnet sich ein Prozeß der zunehmenden Verarmung ab, von dem sowohl junge Erwerbslose als auch viele ältere Menschen betroffen sind. Erst kürzlich hat der DGB eine Studie zur Armutsentwicklung in den neuen Bundesländern veröffentlicht, die in seinem Auftrag erstellt worden ist. Dieser Studie zufolge ist bis Ende dieses Jahres mit ca. 200 000 Sozialhilfeempfängern und -empfängerinnen in der Ex-DDR zu rechnen. Dabei handelt es sich vorrangig um Menschen, die aus dem sozialen Sicherungsnetz von Arbeitslosenversicherung und Rente herausfallen. Darüber hinaus sind es weitere 800 000 Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner, deren Situation nur auf Grund des Sozialzuschlages, der derzeit im Osten noch gezahlt wird, gerade noch erträglich gemacht wird. Auch im Westen steigt die Zahl der Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen stetig an und liegt inzwischen bei über 3 Millionen. Insgesamt leben damit in Deutschland, einem der reichsten Länder dieser Erde, mehrere Millionen Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Dabei ist die Dunkelziffer noch nicht mal berücksichtigt.
    Mit Sicherheit werden demnächst im Osten auf Grund der bevorstehenden Mietsteigerungen noch mehr Menschen ergänzende Sozialhilfe beziehen müssen, nicht zu vergessen die 90 % der in Heimen lebenden alten Menschen, die seit dem Auslaufen der staatlichen Finanzierung die Pflegesätze nicht mehr mit ihrer niedrigen Rente bestreiten können, die jetzt ebenfalls auf die entwürdigende Sozialhilfe verwiesen wurden.
    Diese Entwicklung war auch mit wenig Phantasie vorhersehbar, und sie begründet ein weiteres Mal die Notwendigkeit einer grundlegenden strukturellen Reform des sozialen Sicherungssystems. Kernpunkt der Reform muß die Einführung eines Grundeinkommens sein, das existenzsichernd ist, unabhängig von Antragstellung und Bedürftigkeitsprüfung, gewährt wird. Dabei sollte dann nicht nur das Erwerbseinkommen berücksichtigt werden, sondern ebenso gesellschaftlich notwendige Arbeiten, wie das Aufziehen von Kindern und die Pflege von Alten und Kranken.
    Wir haben bereits anläßlich der Verabschiedung des Rentenüberleitungsgesetzes darauf hingewiesen, daß längerfristig vor allem Frauen in der Ex-DDR zu den Verliererinnen dieser einseitigen Anschlußpolitik zählen werden. Dabei darf allerdings nicht vergessen



    Christina Schenk
    werden, daß auch im Westen nach wie vor ausschließlich Frauen von Altersarmut betroffen sind.
    95 % der Menschen im Osten, deren Rente durch den Sozialzuschlag aufgestockt werden muß, sind Frauen. Insgesamt sind 30 % der ostdeutschen Rentnerinnen auf Sozialhilfe angewiesen. Damit wird im Osten jetzt das Realität, was im Westen schon lange gang und gäbe ist. Wenn Altersarmut im bestehenden System verhindert werden soll, ist die Einführung eines existenzsichernden Mindesteinkommens unverzichtbar.
    In der Debatte um die Verabschiedung des Rentenüberleitungsgesetzes haben selbst die Regierungsparteien nach langer und zäher Auseinandersetzung einem Entschließungsantrag zugestimmt, der sich für eine Ausweitung der eigenständigen Alterssicherung von Frauen ausspricht. Ich meine, man darf gespannt sein, was daraus wird.
    Abschließend möchte ich noch ein weiteres, brisantes sozialpolitisches Problem ansprechen, nämlich die Pflegeversicherung. Hier droht der Koalitionsstreit die Lösung des längst überfälligen Problems ein weiteres Mal hinauszuzögern. Der Streit geht dabei vor allem um die Frage, ob die Pflege eine allgemeine gesellschaftliche Aufgabe darstellt und als solche auch sozial abgesichert werden soll, oder ob Pflegebedürftigkeit als privates Risiko selbst getragen und privat versichert werden muß.
    Wir unsererseits vom Bündnis 90/DIE GRÜNEN könnten uns der Position derer anschließen, die für ein Sozialversicherungsmodell plädieren, vorausgesetzt, Beamte und Beamtinnen sowie Selbständige werden in die Beitragspflicht mit einbezogen, vorausgesetzt weiterhin, daß qualitative Fragen der Pflege endlich Priorität bekommen. Dabei muß an die Impulse angeknüpft werden, die in den letzten Jahren von der Selbsthilfebewegung Behinderter und alter Menschen ausgegangen sind. Es geht dabei um solche Aspekte, wie Wahlfreiheit, selbstbestimmtes Leben auch im Alter, um den Vorrang aktivierender und präventiver Hilfe und nicht zuletzt um die existenzsichernde finanzielle und soziale Absicherung derer, die die Pflegearbeit leisten.
    Es kann nicht vorausgesetzt werden, daß Frauen, auf deren Schultern diese Aufgabe bis jetzt vorrangig lag, noch lange weiter bereit sind, diese gesellschaftliche Arbeit allein und weitgehend unentgeltlich zu tragen. Dies und der bereits existierende Pflegenotstand machen ein sofortiges Handeln und klare Entscheidungen erforderlich.
    Hauptmotiv der gegenwärtigen Diskussion scheint hingegen allein der Finanzierungsaspekt zu sein. Hören Sie endlich auf damit! Fangen Sie damit an, über Inhalte der Pflegeproblematik zu diskutieren! Denn daraus ergeben sich die Prämissen zukünftiger Regelungen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Alexander Warrikoff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alexander Warrikoff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Wiedervereinigung hat den Gesetzgeber, die Regierung, aber auch das ganze Volk vor ungewöhnliche Herausforderungen gestellt. Auf diesem Hintergrund bedarf es einer grundsätzlichen Auffassung, die sich der Zukunft positiv zuwendet. Deswegen bedauere ich es, Herr Dreßler, wenn Sie hier Mutlosigkeit, Perspektivlosigkeit verbreiten, wenn Sie den Menschen in den neuen Ländern sagen, es geht abwärts und nicht aufwärts, wenn Sie ihnen nicht Mut machen, sondern genau das Gegenteil.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Klaus Kirschner [SPD]: Psychologie statt Taten!)

    Heiner Geißler hat vor einigen Monaten von dieser Stelle aus bei diesem Thema gesagt: Herr Dreßler, das ist verantwortungslos. Ich schließe mich dem an.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ist von diesen Herausforderungen ganz besonders betroffen. Ich möchte hier zwei wichtige Bereiche unterscheiden: das Gebiet, das der Gesetzgeber mit der Regierung, mit der Verwaltung bewältigen kann, und das Gebiet, auf dem Politik allein nicht genügt, auf dem die Wirtschaft, Arbeitgeber, Arbeitnehmer — kurz: die ganze Gesellschaft — gefordert sind.
    Zunächst zum Gesetzgeber: Herr Bundesminister Blüm, Ihr Haus, Sie und auch dieses Haus haben dafür gesorgt, daß auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung alles Wesentliche in kurzer Zeit — die deutsche Wiedervereinigung ist elf Monate und drei Tage her — vollzogen wurde: Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und zuletzt die Rentenversicherung und Unfallversicherung im Juni, übrigens im Einvernehmen mit der Opposition.
    Die Bedeutung der Rentenversicherung kann überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden: sowohl für die, die in den neuen Ländern jetzt Rente bekommen, als auch für die, die eines Tages alle einmal, wie wir hoffen, gesunde und fröhliche Rentner sein werden. Die Rentner bekommen eine Rente, die sich nicht an den Willkürentscheidungen des ZK der SED — oder wer auch immer das festgelegt hat — orientiert, sondern sie bekommen eine Rente, die sich an der Produktivität der arbeitenden Menschen und an deren Einkünften orientiert. Diese Einkünfte werden nicht vom Ministerium für Arbeit und Löhne — so hieß das — festgelegt, sondern sie werden von freien Gewerkschaften und freien Arbeitgeberverbänden festgelegt; sie liegen dann den Renten zugrunde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Haushalt haben wir aus diesen wichtigen, großen Veränderungen die Konsequenzen zu ziehen, die Sie, Herr Bundesarbeitsminister Blüm, vorhin dargestellt haben.
    Ich möchte diese Gelegenheit zu einem Wort des Dankes und einem Wort des Respekts benutzen. Wenn man sich unser Sozialgesetzbuch ansieht, dann ist man von der Fülle der Vorschriften schon tief beeindruckt; sie sind auch notwendig. Man ist auch tief beeindruckt, wie es den Beamten und anderen Mitarbeitern, z. B. der Sozialversicherungsträger, gelungen



    Dr. Alexander Warrikoff
    ist, dieses überaus komplizierte Werk in so wenigen Monaten in den neuen Ländern umzusetzen. Ich finde, das ist eine hervorragende Leistung. Wir sollten all denen, die daran mitgewirkt haben, Dank aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das zweite Wort ist ein Wort des Respekts vor den Menschen in den neuen Ländern. Wenn man sich einmal überlegt, was wir ihnen alles an Neuem zumuten mußten, wie unendlich viel diese Menschen in sich aufnehmen, verarbeiten mußten, damit fertig werden mußten, dann kommt man zu dem Schluß, daß es überwältigend ist, wie gut sie das geschafft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Der zweite Arbeitsbereich, den ich hier anspreche, betrifft weniger den Gesetzgeber als vor allem die Gesamtgesellschaft und da ganz besonders — im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung — den Arbeitsmarkt. Hier kommt es nicht darauf an, Gesetze zu verändern, sondern die dreidimensionale Wirklichkeit. Diese dreidimensionale Wirklichkeit, die verändert werden muß, besteht aus heruntergekommenen Betrieben, aus veralteter Technik, aus Verzicht auf zukunftsgerichtete Investitionen über Jahrzehnte hinweg

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das alles scheint Herr Dreßler nicht zu wissen!)

    — das nimmt er alles nicht zur Kenntnis — und aus Produkten, die der erste Hauch des Wettbewerbs am Weltmarkt weggeblasen hat.
    Daran, meine Damen und Herren, sind nicht etwa die Menschen schuld, die dort gearbeitet haben. Die Arbeitnehmer in Zwickau, die Autowerker dort, hätten ihren Trabi von Jahr zu Jahr sehr gern so weiterentwickelt, daß er im Jahre 1991 oder 1992 dem Weltmaßstab standgehalten hätte. Sie durften es aber nicht, weil eine starre staatliche Zwangswirtschaft sie daran gehindert hat. Auch hätten sie gern genug Trabis gebaut; aber auch dazu hat man ihnen nicht die Möglichkeit gegeben.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Was hat das mit dem Haushalt zu tun?)

    — Herr Dreßler, wenn ich mir überlege, was Sie alles in Ihrer Rede angesprochen haben, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß das unendlich viel weniger mit dem Haushalt zu tun hatte als das, was ich hier jetzt sage.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das hat sehr viel mit dem Haushalt zu tun. Aber es dürfte Ihrer Aufmerksamkeit vielleicht entgangen sein, daß wir es hier mit dem Haushalt des Bundesministers für Arbeit zu tun haben. Und da geht es ganz zentral um die Frage der Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Herr Dreßler nicht versteht, daß die Produktivität der Wirtschaft in den neuen Ländern etwas mit dem Haushalt dieses Ministeriums zu tun hat, dann hat er das Gesamtproblem nicht verstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Problem besteht übrigens nicht nur im Zusammenbruch der Produktionseinrichtungen, sondern auch in ganz neuen Herausforderungen an die Menschen selbst, die ja in den vergangenen Jahrzehnten nicht zu Verantwortungsbewußtsein, zu Leistungsbereitschaft, zu Ideenreichtum gebracht wurden, sondern wo dieses ausdrücklich unterbunden wurde.
    Nun stehen wir vor den Trümmern dieser Wirtschaft, mit der Folge, daß natürlich unvermeidbar in all diesen Betrieben, die nicht mehr weiterbestehen können, Arbeitslosigkeit entsteht.
    Wenn ich Herrn Dreßler richtig verstanden habe
    — wenn es nicht ein so ernstes Thema wäre, hätte ich wahrscheinlich laut gelacht — , haben Sie den Versuch unternommen, dem Herrn Bundesarbeitsminister Blüm die Schuld an diesen Arbeitslosen zu geben. Das ist eine bemerkenswerte Leistung — eine bemerkenswerte Leistung.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Sie haben, wie immer, Watte in den Ohren!)

    — Sie haben in Ihrer Rede darauf abgehoben.
    Nun kommt es darauf an, neue Arbeitsplätze zu schaffen, weil das Schicksal der Arbeitslosigkeit ganz besonders bitter ist, ganz besonders bitter übrigens auch in den neuen Ländern, weil es da ein neues Lebensrisiko ist.
    Ich appelliere an alle, die davon betroffen sind, um ein wenig Verständnis, daß es sehr viel schwerer ist, Arbeitsplätze zu schaffen, die am Markt ein Einkommen von 2 200 DM im Monat, was wir für das nächste Jahr erwarten, rechtfertigen, als Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, die mit etwa 1 000 Mark der DDR bezahlt worden sind. Ich appelliere bei der künftigen Entwicklung der Löhne und Arbeitnehmereinkommen an die Tarifvertragsparteien, damit Produktivität erreicht wird, denn nur dann entstehen sichere Arbeitsplätze.
    Es wäre sehr bedenklich, wenn wir eine Situation hätten, die darin besteht, daß die Löhne hoch und die Arbeitsplätze weg sind. Wir sind für Übergangslösungen. Ich brauche diese ganzen Übergangslösungen nicht aufzuzählen — das hat der Herr Bundesarbeitsminister getan — , die auch wirken, die aber keine Dauerlösung sind.
    Wenn allerdings die SPD auf diesem Hintergrund jetzt den Vorwurf macht, wir würden keine aktive Arbeitsmarktpolitik machen, dann muß ich sagen, daß ich einigermaßen verblüfft bin. Das Gesamtausmaß der Maßnahmen geht bei weitem über alles hinweg, was je in den alten Bundesländern gemacht wurde. Es geht vor allem unendlich weit über das hinweg, Herr Dreßler, was Sie als Staatssekretär im Jahre 1982 zu vertreten hatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Jahr 1982 hatte die alte Bundesrepublik einen Stand von 2 Millionen Arbeitslosen mit dramatisch steigender Tendenz; Sie waren Staatssekretär.

    (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: 2 Millionen!)

    Ihre „aktive Arbeitsmarktpolitik" bestand darin, daß
    Sie 29 000 ABM-Stellen hatten, ganze 29 000. Heute



    Dr. Alexander Warrikoff
    haben wir eine Arbeitslosigkeit von 1,6 Millionen in den alten und von 1 Million in den neuen Bundesländern.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg)

    In den neuen Bundesländern gibt es ein Programm, das 261 000 ABM-Stellen vorsieht. 29 000 Stellen waren es damals bei Ihnen, 261 000 sind es in den neuen Bundesländern bei uns!

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Mit steigender Tendenz!)

    — Genau. Die Zahl der ABM-Stellen in den neuen Ländern weist eine steigende Tendenz auf.
    Damit das ganze Ausmaß des Unterschieds in der Qualität zwischen der Politik von Norbert Blüm und der damaligen Politik von Herrn Dreßler klar wird, möchte ich hinzufügen: Norbert Blüm hat die Folgen eines katastrophalen Zusammenbruchs des sozialistischen Wirtschaftssystems zu verkraften; das hatten Sie, Herr Dreßler, damals nicht. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, was man von Ihren Bemerkungen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik zu halten hat.
    Im Gegensatz zur SPD begrüßen wir die Erfolge. Es gibt in den neuen Bundesländern eine Million neue Arbeitsplätze und einige hunderttausend Betriebsgründungen. Vor allem gibt es dort eine ganz großartige Lernbereitschaft. Ich stelle mit großer Freude fest, daß 536 000 Menschen — Sie nannten die Zahl ebenfalls — die Fortbildungs-, Umschuldungs- und Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch nehmen. Davon sind übrigens 56 % Frauen. Das ist eine sehr wichtige und erfreuliche Zahl.
    Diese Qualifizierung wird sicherstellen, daß die Arbeitnehmer in den neuen Ländern genauso schnell und genauso überzeugend die Spitzenklasse an Qualität in der Welt erreichen werden, wie das hier bei uns der Fall ist. „Made in Germany” ist schon heute, und zwar mit Recht, nicht mehr „Made in West-Germany” , sondern auch hier haben wir das eine Deutschland.
    Unsere Arbeits- und Sozialpolitik bezieht sich natürlich auch auf die alten Bundesländer. Ich stelle hier gern fest, daß sich beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitisch die Einigung zunächst für die alten Bundesländer positiv ausgewirkt hat. Die Einigung hat in den alten Bundesländern einen Zuwachs von 900 000 Beschäftigten innerhalb eines Jahres gebracht. Die Arbeitslosigkeit ist stark zurückgegangen.
    Ich darf übrigens auch an dieser Stelle an die neuesten Zahlen erinnern, die wir aus Nürnberg bekommen haben, die ermutigend sind, übrigens ganz besonders ermutigend in bezug auf den sehr hohen Rückgang der Teilzeitarbeit. Hier habe ich bezüglich der neuen Länder die Zahl von 134 000 in Erinnerung.
    Ohne die Einigung wäre Deutschland wahrscheinlich stärker in den weltwirtschaftlichen Sog einer doch gedämpften Konjunktur gezogen worden, als dies jetzt der Fall ist. Ich stelle aber vor allem und zusätzlich mit Nachdruck und mit Befriedigung fest, daß die Kosten der deutschen Einheit, Herr Bundesarbeitsminister, nicht zu Lasten der Sozialsysteme gegangen sind. Alle großen Programme werden weitergeführt. Die Rentner haben am 1. Juli 5,04 % mehr bekommen. Alle Sicherungssysteme halten, sind stabil und werden zuverlässig weitergeführt.
    Daüber hinaus ist es keineswegs so, daß wir nur das, was vorhanden ist, erhalten, sondern wir bauen weiter aus. Der Sozialstaat Deutschland wird weiterentwikkelt. Es besteht Konsens, daß auf dem Gebiet der Pflegeversicherung, einem ganz neuen und wichtigen Gebiet, etwas Entscheidendes geschehen muß.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Was denn? Erzählen Sie uns doch einmal, was geschehen muß! — Gegenruf von der CDU/CSU: Sie haben 40 Jahre nichts gemacht!)

    Das die sozialen Sicherungssysteme nicht nur standhalten, sondern fortentwickelt werden, könnten manche als selbstverständlich bezeichnen.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Was muß denn nun geschehen? — Julius Louven [CDU/CSU]: Herr Dreßler, warten Sie doch noch ein paar Wochen!)

    Das fällt in Zeiten äußerster Kraftanstrengung, wenn unendlich viel Energie, auch wirtschaftliche Energie und finanzielle Mittel, in die Verwirklichung des Ziels der Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse gesteckt werden muß, nicht vom Himmel. Eine gesunde Wirtschaft und, daraus folgend, eine soziale Sicherheit sind nicht selbstverständlich. Sie beruhen vor allem auf der Leistung aller, die anpacken und etwas bewegen; aber sie beruhen natürlich auch und ganz besonders auf der großartigen Politik unserer Bundesregierung unter Helmut Kohl und unseres Bundesarbeitsministers Norbert Blüm.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)