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    Plenarprotokoll 12/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage und Entwicklung in der Sowjetunion und Jugoslawien Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3015 B Björn Engholm, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 3020 A Dr. Alfred Dregger CDU/CSU 3025 D Dr. Hermann Otto Solms FDP 3031 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3035 C Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 3038 C Ortwin Lowack fraktionslos 3041 D Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 3043 A Hans Koschnick SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3046 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Dr. Hans-Jochen Vogel SPD 3047 C Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 3057 B Dr. Burkhard Hirsch FDP 3058C, 3100B, 3104 C Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 3062 C Ingrid Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . . 3068 D Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 3070 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3072 B Peter Conradi SPD 3082 B Dr. Lutz G. Stavenhagen CDU/CSU . . 3082 C Christel Hanewinckel SPD 3082 D Dr. Burkhard Hirsch FDP 3085 D Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI 3086A Dr. Willfried Penner SPD 3087 A Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3089D, 3106A Dr. Sigrid Hoth FDP 3089 D Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 3091 D Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 3092 B Dr. Paul Laufs CDU/CSU 3093 A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3095 B Dr. Willfried Penner SPD 3097 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . 3102A Karl Deres CDU/CSU 3104A Dr. Hans de With SPD 3108 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 3109A Dr. Conrad Schroeder (Freiburg) CDU/CSU 3110D Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . . 3112D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 3115D Nächste Sitzung 3117D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3119* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 — Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 — (Michael von Schmude CDU/CSU) . . . . 3119* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 3015 37. Sitzung Bonn, den 4. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 04. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 04. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 04. 09. 91 * Erler, Gernot SPD 04. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 04. 09. 91 * Francke (Hamburg), CDU/CSU 04. 09. 91 Klaus Hilsberg, Stephan SPD 04. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 04. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 04. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 04. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 04. 09. 91 * Michels, Meinolf CDU/CSU 04. 09. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 04. 09. 91 Müller (Düsseldorf), SPD 04. 09. 91 Michael Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 04. 09. 91 Pfuhl, Albert SPD 04. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 04. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 04. 09. 91 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 04. 09. 91 * Schmidt-Zadel, Regina SPD 04. 09. 91 Sielaff, Horst SPD 04. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 04. 09. 91 * Dr. Sperling, Dietrich SPD 04. 09. 91 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 04. 09. 91 * Verheugen, Günter SPD 04. 09. 91 Vosen, Josef SPD 04. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 04. 09. 91 Gert Welt, Hans-Joachim SPD 04. 09. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 04.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 04. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 - Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 - Michael von Schmude (CDU/CSU): Diese erste Lesung des Haushalts 1992 gibt uns willkommenen Anlaß zu einer Bestandsaufnahme, nämlich: wie weit sind wir beim Aufbau des freiheitlichen Rechtsstaates in den neuen Bundesländern vorangekommen, wo stehen wir, was muß noch getan werden? Anlagen zum Stenographischen Bericht Uns ist allen bewußt, daß die Glaubwürdigkeit der Justiz und das damit verbundene Vertrauen in den Rechtsstaat unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West sind. Die Verwirklichung der Einheit auf dem Gebiet des Rechts ist eine Mammutaufgabe und braucht demzufolge auch Zeit. Dennoch gehöre auch ich zu jenen, die ungeduldig sind, und in der Tat könnte und müßte das eine oder andere zügiger verwirklicht werden. Das Justizwesen der früheren DDR war Werkzeug des Unterdrückerstaates und muß deshalb mehr als jede andere Verwaltung auch personell von Grund auf erneuert werden. Das bedeutet, daß Richter und Staatsanwälte nur in einem geringen Umfang übernommen werden können. Um eine Richterdichte wie in den alten Bundesländern herzustellen, benötigen wir etwa 4 500 Richter, 1 000 Staatsanwälte und 2 000 Rechtspfleger. Letztere waren in der früheren DDR überhaupt nicht vorhanden. Die Überprüfung der Richter und Staatsanwälte, die bereits in der ehemaligen DDR tätig waren, wird intensiv betrieben (von 2 600 = 1990 sind jetzt noch 1 300 im Amt). Unabhängig davon sollten jene Juristen, die sich schuldig gemacht haben, nicht erst auf das Ergebnis ihrer Überprüfung warten, sondern durch freiwilliges Ausscheiden ein Zeichen der Einsicht und damit einen Beitrag zum Neubeginn leisten. Gleiches gilt auch für diejenigen Juristen, die sich noch kurz vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als Rechtsanwälte niedergelassen haben, obwohl sie auf Grund ihrer Vergangenheit dieses besser hätten unterbleiben lassen sollen. Überprüfungen sind notwendig, wobei erforderlichenfalls die bisherigen gesetzlichen Grundlagen ergänzt werden müssen. Auch hier gilt: Jeder Einzelfall muß auf die persönliche Verantwortung hin untersucht werden, Pauschalverurteilungen sind fehl am Platze. Unser 1991 beschlossenes dreijähriges Hilfsprogramm zum Aufbau des Rechtsstaates im Beitrittsgebiet sieht die Entsendung von insgesamt 2 300 Juristen und Rechtspflegern vor. Dabei handelt es sich um 1 000 Richter und Staatsanwälte, von denen bis Ende Juni etwa die Hälfte abgeordnet waren. Die Länder haben erneut versprochen, die angestrebte Zahl per Ende dieses Jahres annähernd sicherzustellen. Ein größeres Defizit tut sich bei den Rechtspflegern auf. Zwischen Bund und Ländern war vereinbart, in diesem Jahr 500 Rechtspfleger abzuordnen. Per Ende August lag diese Zahl mit 211 weit zurück. Angesichts des großen Arbeitsanfalls bei den Grundbuchämtern - bekanntlich liegen über 1 Million Ansprüche auf Rückübertragung vor - ist dieser Zustand besonders bedauerlich. Am Geld kann es nicht liegen, denn im Rahmen des gesamten Hilfsprogramms von 120 Millionen sind für diesen Bereich der Abordnung allein 65,4 Millionen DM vorgesehen. Die neuen Bundesländer machen von dem finanziellen Hilfsangebot des Bundes zur Einstellung von bis zu 300 Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern regen Gebrauch. Hier sind kurzfristig bereits 200 Stellen besetzt worden. 3120* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Außerordentlich unbefriedigend und schleppend verläuft dagegen die Ausschöpfung unseres sog. Seniorenmodells. Hier waren Haushaltsmittel in Höhe von 17,5 Millionen DM im Haushalt 1991 vorgesehen zur Entsendung von 500 pensionierten Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern. Mehr als 100 Interessenten haben sich bei den Justizministern der alten Bundesländer beworben und ganze drei sind inzwischen erst tätig: ein Richter in Sachsen und jeweils ein Richter und ein Rechtspfleger in Thüringen. Diesem Mißstand muß durch den Bundesjustizminister dringend nachgegangen werden. Sollten die alten Bundesländer mit dieser Aufgabe der Bewerberauswahl überfordert sein, so wäre dringend eine Übertragung auf ein anderes Gremium erforderlich. Insgesamt bleibt ohnehin festzuhalten, daß einige Bundesländer sehr vorbildlich den Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Bundesländern unterstützen, andere hingegen, oft entgegen großer Ankündigungen, nur sehr halbherzig. Ein negatives Beispiel ist dafür leider auch Herr Engholm, der 1990 ganze vier Richter nach Mecklenburg-Vorpommern abgeordnet hat und die ohnehin knappen Ressourcen an Richtern durch die parteipolitisch motivierte Entscheidung zur Einrichtung eines neuen Oberverwaltungsgerichts weiter einengt. So sehen manche Solidarbeiträge aus! Die Vereinbarung des Bundesjustizministers mit seinen Länderkollegen zur Entsendung von 60 Staatsanwälten zur Aufdeckung der Regierungskriminalität in der früheren DDR ist von den Ländern bisher erst mit 10 Juristen teilerfüllt worden. Natürlich ist kein Schleswig-Holstein dabei. Zur Aufarbeitung der früheren SED-Diktatur hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Bereinigung von SED-Unrecht vorgelegt. Damit sollen die Aufhebung von Unrechts-Urteilen und die Entschädigungsregulierung beschleunigt werden. Wir müssen an diesen Komplex mit einem besonderen Augenmaß herangehen: In den mehr als 20 000 anstehenden Rehabilitierungsverfahren stecken erschütternde Einzelschicksale. Den Betroffenen muß Gerechtigkeit widerfahren. Allerdings müssen wir auch die Grenzen unserer Möglichkeiten erkennen, die einfach darin bestehen, daß geschehenes Unrecht weder finanziell noch sonst voll ausgeglichen werden kann. Bei den Finanzen ist zu berücksichtigen, daß dieses Gesetz mit etwa 1,5 Milliarden DM Kosten an die Grenzen unserer Möglichkeit heranführt. Mit einem noch zu beratenden Gesetz über die sogenannte Verwaltungsrehabilitation müssen Willkürakte der DDR-Organe im Verwaltungsbereich aufgearbeitet werden. Hier muß eine Möglichkeit geschaffen werden, auch abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen. Besonders gilt dies hinsichtlich der sogenannten Zwangsumsiedlungen. So wurden u. a. im ehemaligen Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze — auch direkt angrenzend an meinen Wahlkreis in Mecklenburg — Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Hab und Gut gegen ein Trinkgeld dem Staat zu übereignen. Für die Vergangenheitsbewältigung des SED-Schnüffler- und Spitzelstaates brauchen wir weitere juristische Grundlagen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ermöglicht uns entsprechende Informationen im Interesse betroffener Opfer. In Verbindung mit der Erfassungsstelle Salzgitter kann dann hoffentlich ein Großteil politisch motivierter Straftaten aus der DDR-Zeit verfolgt und gesühnt werden. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, daß einige SPD-regierte Bundesländer einen Läuterungsprozeß durchlaufen haben und sich wieder an den Kosten der Erfassungsstelle Salzgitter beteiligen. Es war schon beschämend, wie man hier in der Vergangenheit aus einer Gefälligkeitspolitik heraus sich aus der politischen Verantwortung davongestohlen hat. Ein ganz besonders negatives Beispiel gibt wiederum die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Ministerpräsident Engholm, die sofort nach der Regierungsübernahme 1987 ihren Anteil von nur 10 000 DM verweigerte. Der bisherige Aufbau der rechtsstaatlichen Justiz im Osten Deutschlands verdient Dank und Respekt vor allem gegenüber den neuen Bundesländern, denn der Alltag zeigt, daß inzwischen auch hier und da bereits Rückstände bei Gerichten und Grundbuchämtern abgearbeitet werden können. Allen Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums möchte ich an dieser Stelle ebenfalls meinen Dank für die von ihnen geleistete vorbildliche Arbeit sagen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schroeder, ich persönlich, aber auch für die Fraktion, wünsche Ihnen in Ihrem neuen verantwortungsvollen Amt alles Gute. Wir sind, wie Sie wissen, Nachbarn: Offenburg und Freiburg leben in der gemeinsamen Region SüdBaden. Es ist schon ganz gut, wenn Sie von Anfang an, wie Sie angedeutet haben, in Ihr Amt die Notwendigkeit einer auch bei uns ökologisch orientierten, grenzüberschreitenden Planung einbeziehen.
    Ich will hier, da wir gleichsam unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagen, zu Beginn ein kleines Geheimnis verraten, ein Geheimnis, unter dem Sie, wie ich weiß, zunächst gelitten hatten. — Kaum war er neu im Deutschen Bundestag, ist er von Kollegen meiner Fraktion stets, vor allem von hinten, als der Kollege Harald B. Schäfer angesprochen worden. Er ist jedesmal zusammengezuckt, weil ihm das doch zu weit ging. Er hat sich im Laufe der Zeit an die Verwechslung gut gewöhnt, und es ist für ihn immer mehr zur Auszeichnung geworden. Deswegen wollte ich Ihnen auch von daher alles Gute wünschen. Ich hoffe, daß Sie in Ihrem neuen Amt, zumindest was die politischen Inhalte angeht, gelegentlich weiterhin mit mir verwechselt werden, weil die Umwelt dann in guten Händen wäre.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den 90er Jahren steht die deutsche, aber auch die europäische Politik vor einer doppelten Herausforderung: Sie muß auf der einen



    Harald B. Schäfer (Offenburg)

    Seite die Länder Ost- und Mitteleuropas politisch und wirtschaftlich integrieren; auf der anderen Seite muß sie das marktwirtschaftliche System selber grundlegend ökologisch reformieren. Denn einerseits setzt sich — wir erleben das in den letzten Monaten in einem atemberaubendem Tempo — die Soziale Marktwirtschaft als das humanere, als das leistungsfähigere System durch. Andererseits wächst aber zunehmend die Erkenntnis, daß unsere Art zu produzieren und zu konsumieren, also unser Wirtschafts- und Wohlstandssystem, nicht auf die übrige Welt übertragbar ist. Wir leben also nicht in der besten aller denkbaren Welten. Auch wir in den westlichen Industrienationen müssen unser System grundlegend ökologisieren.
    Unsere Energieverschwendung, unser Rohstoffverbrauch, unsere Umweltverschmutzung, pro Kopf auf die Weltbevölkerung übertragen, würde nämlich — darüber besteht bei Fachkennern überhaupt kein Dissens und überhaupt keine unterschiedliche Bewertung — zum ökologischen Zusammenbruch unseres Planeten führen.
    Um ein Beispiel zu nennen: Würden wir z. B. den Motorisierungsgrad der Bundesrepublik Deutschland auf die derzeitige Weltbevölkerung übertragen, würde sich der Bestand an Personenkraftwagen von heute 400 Millionen weltweit auf rund 2,5 Milliarden versechsfachen.
    Wenn eine solche Entwicklung bei konstantem Energieverbrauch, bei konstanter technischer Ausstattung und bei konstanter Umweltbelastung erfolgte, müßte der durchschnittliche Verbrauch eines Autos um rund 85 % abgesenkt werden, d. h. von heute rund 101 pro 100 km auf 1,51 pro 100 km, wenn man die Umweltbelastung konstant halten wollte. Wir wissen aber, daß selbst bei konstanter Umweltbelastung eine Versechsfachung des heutigen Pkw-Umfangs beinahe wenn nicht direkt zum ökologischen Kollaps führen würde.
    Eine ökologische Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft ist darum in Wirklichkeit unverzichtbare Voraussetzung dafür, daß sie sich weltweit erfolgreich durchsetzen kann. Mehr noch, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Eine ökologische Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft ist auch Voraussetzung für das Überleben der Menschheit.
    Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, wenn wir wegen der schwierigen und kostspieligen Aufgaben, die soziale und wirtschaftliche Einheit Deutschlands zu gestalten sowie den Wiederaufbau und die Integration Europas zu fördern, die ökologische Erneuerung zu einem nachrangigen Ziel der deutschen, der europäischen und der internationalen Politik erklären würden. Das neue Deutschland und das neue Europa werden nur als ökologisch-soziale Marktwirtschaft eine Zukunft haben. Wir dürfen die dringend notwendigen umweltpolitischen Aufgaben, die schnelle weitere Verringerung des Energieverbrauchs sowie die Förderung von umweltverträglichen Produkten und Produktionsverfahren weder verdrängen noch verschieben.
    Fast 20 Jahre auf den Tag genau nach der Veröffentlichung des ersten Berichtes des Club of Rome, „Die Grenzen des Wachstums" , am 18. September 1971 hat die Frage, wie wir die natürlichen Ressourcen langfristig schonen, erhalten und ihre Nutzung gerecht verteilen können, nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. Im Gegenteil: Sie stellt sich angesichts der drohenden Klimakatastrophe eher noch nachdrücklicher als zu Beginn der siebziger Jahre.
    Auch die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juli 1992 in Rio de Janeiro wird zeigen, welch gewaltige Aufgaben, welch gewaltige Anforderungen auf die Industrienationen zukommen. Wir, die Industrienationen, müssen nämlich unsere Anstrengungen erheblich verstärken, weniger energieintensiv und viel umweltverträglicher zu produzieren, als es gegenwärtig der Fall ist. Wir müssen den weniger entwickelten Ländern mit Geld und Wissen helfen, ihre wirtschaftliche Entwicklung umweltverträglich zu gestalten. Es sind nicht die Entwicklungsländer, von denen die großen Klimagefahren ausgehen. Wir, die Industrieländer, sind es, die 80 % der Schadstoffe ausstoßen und damit die Klimakatastrophe anheizen.
    Leider sind und — soweit gegenwärtig erkennbar — bleiben die Weichen bei uns falsch gestellt. Die Bundesregierung hat keines ihrer ohnehin bescheidenen ökologischen Reformprojekte vorangebracht. Der Umweltschutz droht bei uns gegenwärtig buchstäblich unter die Räder zu geraten. Die unsolide Finanzpolitik läßt den Spielraum für dringend notwendige Reformen angeblich schrumpfen. Die Bundesregierung hat vor den letzten Bundestagswahlen den Bürgern eine heile Welt vorgegaukelt. Jetzt fehlt ihr der Mut, zu sagen, daß nicht nur für die deutsche Einheit, sondern auch für die Erhaltung und für die Wiedergewinnung von Natur und Umwelt Opfer nötig sind.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr!)

    Der finanzpolitische Sprecher Ihrer Fraktion — Faltlhauser heißt er — hat für die CDU/CSU bereits erklärt, daß er die CO2-Abgabe und auch andere Umweltabgaben ablehne. Die CDU/CSU gegen eine CO2-Abgabe! Die Koalitionsvereinbarung ist offenbar das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist.
    Die Entscheidung der Bundesregierung vom November 1990, die CO2-Emissionen, den Ausstoß von Kohlendioxid, bis zum Jahre 2005 im Vergleich zum Basisjahr 1987 um 25 % zu reduzieren, ist ein richtiger Schritt. Wir haben ihn damals begrüßt. Es bleibt auch ein richtiger Schritt. Aber, so müssen wir fragen, wo bleiben ein Jahr später die konkreten Maßnahmen?
    Seit dem Bezugsjahr 1987 sind bereits vier Jahre vergangen, in denen de facto nichts gegen die drohenden Klimagefahren geschehen ist, in denen de facto nichts umgesetzt, eingeleitet und durchgesetzt worden ist, um das Ziel, bis zum Jahre 2005 die klimaschädlichen CO2-Emissionen um 25 % zu reduzieren, zu erreichen.
    Selbst wenn Sie sich jetzt, lieber Herr Schmidbauer und werter Herr Töpfer, zu Sofortmaßnahmen durchringen könnten, würden mindestens vier weitere Jahre vergehen, ehe die Maßnahmen wirksam wer-



    Harald B. Schäfer (Offenburg)

    den könnten. In dieser Zeit steigen Energieverbrauch und Kohlendioxidemissionen weiter an.
    Wundert es Sie da eigentlich noch, daß Ihnen niemand mehr im Lande und — was noch schlimmer ist, wie ich auf Grund von vielen Gesprächen auch mit Kollegen von Ihnen, Herr Töpfer, erfahren mußte — niemand international mehr glaubt, daß die Bundesrepublik das 25-%-Ziel bis zum Jahre 2005 auch tatsächlich erreichen wird?
    Wann legen Sie endlich die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes vor, wann endlich eine anspruchsvollere Wärmeschutzverordnung? Warum entschließen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich nicht zu einem Crashprogramm zur Förderung von Energieeinsparung, von rationeller Energieverwendung und von erneuerbaren Energiequellen? Das sind Maßnahmen, die gerade in den neuen Ländern gleichzeitig die Natur entlasten, das Baugewerbe ankurbeln und der Umwelt zu ihrem Recht verhelfen würden sowie zudem noch jede Menge Arbeitsplätze schaffen würden.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Wenn Sie es mir nicht glauben, lesen Sie den Bericht der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre". Dort können Sie das genauso klug finden, wie eben formuliert.
    Wo bleibt — der Verkehrsminister ist nicht da, was auch typisch ist — Ihr Konzept gegen die ab 1992 drohende Verkehrslawine und die damit verbundenen Umweltbelastungen? Die Antwort kann doch im Ernst nicht darin liegen, daß wir weitermachen wie bisher und vorrangig in den Bau von neuen Straßen investieren wollen, wie es Herr Krause vorhat. Darum sollte sich der Verkehrsminister Krause kümmern, nicht um das dumme Gequatsche von Herrn Rühe. Das ist seine eigentliche Aufgabe.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich frage Sie: Haben Sie wirklich den Ernst der Umweltbedrohung erkannt, wenn Sie sich gleichzeitig soviel Zeit mit längst überfälligen Maßnahmen lassen? Ist so viel kleinkarierter Streit darüber innerhalb der Bundesregierung nicht gerade erschreckend angesichts der Dimension des Problems?
    Eines der größten Investitionshemmnisse und drängendsten Probleme in den neuen Bundesländern bleibt nach wie vor die Altlastensanierung. Wenn ich mir die Papiere aus Ihrem Hause vorhalte und sie kritisch bewerte, dann kann ich nur sagen, Herr Töpfer, da kann man zu 90 % zustimmen. Freilich frage ich: Wo ist das umfassende Konzept zur Altlastensanierung? Wo ist das Konzept? Ich habe mir Ihren Haushalt daraufhin kritisch angeschaut. Wo ist das Konzept zur Sanierung der schwierigen militärischen Altflächen?
    Sie, Herr Töpfer, haben zur Finanzierung der Altlastenregelung eine Abfallabgabe angekündigt. Diesen Ansatz unterstützen wir grundlegend. Er ist, was die Sonderabfallabgabe angeht, aus unserem Programm „Fortschritt 90" in das Regierungsprogramm übernommen worden. Das können wir nur gutheißen. Aber wo bleibt der bereits für März angekündigte Gesetzentwurf? Er sollte schon lange diesem Parlament vorgelegt sein. Ehe also aus dieser Abgabe Mittel für die Altlastensanierung fließen, werden noch einige Jahre ins Land gehen.
    Wenn Sie nicht mehr den Mut haben — nicht Sie, Herr Töpfer; den Mut haben Sie vielleicht, aber an der Durchsetzungskraft mangelt es —, wenn Sie von der Koalition nicht mehr den Mut haben, die Abgabe einzuführen, dann sagen Sie es wenigstens, damit die Menschen wissen, woran sie mit Ihnen sind. Die Zeit der leeren, hohlen Ankündigungen müßte doch endlich auch in Ihren Augen vorbei sein.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Ich nehme mich sehr zurück, daß ich nicht zu Ihrem stupiden Nein — das ist ein kleines Beispiel für Ihr Denken von gestern — zu dem auch dem letzten immer notwendiger erscheinenden Schritt hin zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung etwas sage. Sie ist energiepolitisch, sie ist umweltpolitisch, sie ist aus Gründen der Verkehrssicherheitspolitik unabdingbar. Die einzige Geschwindigkeitsbegrenzung, die Sie offenbar akzeptieren und auch praktizieren können, ist die Begrenzung der Geschwindigkeit, mit der sie an umweltpolitischen Vorhaben arbeiten. Das ist im Grunde das Dilemma, das uns bedrückt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Sie wollen Beispiele, Herr Kollege Schroeder und Herr Kollege von Schmude; wir bleiben freundlich zueinander. Ich nenne Ihnen gleich eines. Das Gesagte gilt beispielsweise für die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes. Diese Novelle war bereits für die vorletzte und die letzte Legislaturperiode angekündigt. Das Projekt schlummert aber immer noch in den Bonner Amtsstuben. Dabei ist eine Novellierung zumindest aus drei Gründen dringend erforderlich.
    Die Landwirtschaft muß gesetzlich zu einer umweltverträglicheren Produktionsweise verpflichtet werden.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was heißt das konkret?)

    Auch hierüber besteht unter den Sachkundigen in diesem Hause Übereinstimmung. Mindestens 10 % der Fläche der Bundesrepublik müssen zu einem Biotopverbundsystem verknüpft und entsprechend geschützt werden. Darüber gibt es unter denen, die sich mit ökologischen Fragen und mit Fragen von Landschafts- und Naturschutzsystemen und ihrer notwendigen Einrichtung auseinandersetzen, keinen Streit.
    Schließlich, meine Damen und Herren, muß das Naturkapital, das die neuen Bundesländer im Zuge der deutschen Einheit mit ihren Naturschutzgebieten und Biosphärenreservaten in das neue Deutschland eingebracht haben, erhalten und gepflegt werden.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das Naturkapital in Bitterfeld!)

    Auch in der Energiepolitik mahlen die Regierungsmühlen schrecklich langsam, zu langsam.

    (Dr. Gerhard Friedrich [CDU/CSU]: Reden geht schneller!)




    Harald B. Schäfer (Offenburg)

    Vom groß angekündigten energiepolitischen Konzept sind nicht einmal Umrisse erkennbar.
    Herr Friedrich, ich empfehle Ihnen, den Entwurf eines Umweltgrundsatzprogramms, das aus den Reihen der CSU stammt, zu lesen. Darin werden Sie viele Bekannte finden, gegen die Sie hier von diesem Pult aus polemisiert haben. Auch bei Ihnen sollte umweltpolitisches Nachdenken einsetzen und in die Wirklichkeit umgesetzt werden, bevor es zu spät ist.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Gerhard Friedrich [CDU/CSU]: Ich habe es mitgeschrieben!)

    Wenn Sie es nicht gelesen haben, kommen Sie nachher mit in mein Büro; dann gebe ich es Ihnen.
    Der Bundeswirtschaftsminister, der sich mit großem Getöse in die energiepolitische Diskussion gestürzt hat, scheint zwischenzeitlich — für ihn völlig überraschend und verwunderlich — eine Art energiepolitisches Schweigsamkeitsgelübde abgelegt zu haben. Die aus Umweltschutzgründen notwendigen Energieeinsparungen werden aber nur in einer nationalen Kraftanstrengung unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen erreichbar sein. Die Bundesregierung muß endlich die Initiative dazu ergreifen. Ich sage noch einmal: Bei der Umsetzung eines vernünftigen gesamtenergiepolitischen Konzepts, das dem Energieeinsparen und der Förderung erneuerbarer Energieträger wirklich den Vorrang gibt, werden Sie unsere Unterstützung haben, auch dann, wenn es nicht überall auf den ersten Blick populär zu sein scheint.
    Meine Damen und Herren, Energie ist bei uns immer noch zu billig. Dies schreibt auch die Bundesregierung in ihre Papiere. Es steht sogar in den Papieren des Wirtschaftsministers und des Umweltministers. Aber sie sagt es nicht öffentlich.
    Lassen Sie uns doch gemeinam versuchen, die Einkommensteuer zu senken und die Sozialleistungen zu verbessern und dafür die Energiesteuern anzuheben. Also, runter mit der Besteuerung der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit; hoch mit der Besteuerung des Produktionsfaktors Natur! Machen Sie mit uns mit! Das ist doch eine Maßnahme, damit es sich für den einzelnen Unternehmer betriebswirtschaftlich rentiert, umweltfreundlich zu produzieren.

    (Dr. Paul Laufs [CDU/CSU]: Wie teuer wird dann das Benzin?)

    Zusammen mit einer Entfernungspauschale und einer erhöhten Kilometerpauschale für Fernpendler ergäbe dies ein sozial ausgewogenes Paket von Anreizen zum Energieeinsparen, zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung.
    Aber Sie, meine Damen und Herren — dies ist die bittere Wahrheit, auch für Ökologiepolitiker der Opposition —, haben durch die Steuerlüge und durch das schamlose Hintergehen des Wählers so viel an Glaubwürdigkeit, an Kredit bei den Bürgern verloren, daß mit Ihnen eine ökologische Steuerreform wohl nicht mehr zu machen ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Es tut zwar weh; aber die Wahrheit ist so. Bei Tische unter vier Augen geben Sie es doch selber zu.
    Meine Damen und Herren, ich will hier vor dem Plenum des Deutschen Bundestages auch kein Hehl aus meiner persönlichen Meinung zur aktuellen Steuerdiskussion machen. Sollte sich nach Ausschöpfung aller vertretbaren, aber notwendigen Einsparungsmöglichkeiten und nach dem Verzicht auf die Senkung der Vermögen- und Unternehmensteuern eine weitere Steuererhöhung als unvermeidlich erweisen, hielte ich persönlich dann eine weitere Erhöhung der Energiesteuern für besser als eine Mehrwertsteuererhöhung. Freilich müßte aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit die Kilometerpauschale für Fernpendler entsprechend aufgestockt werden.

    (Jochen Borchert [CDU/CSU]: Was sagt die Partei dazu? — Dr. Peter Struck [SPD]: Vorsicht! Vorsicht!)

    Eine allgemeine Mehrwertsteuer entwickelt keine ökologische Lenkungswirkung. — Lieber Herr Kollege Struck, lieber Peter, ich sage meine Meinung. — Darüber hinaus tragen höhere Energiesteuern zur mittelfristigen Umorientierung hin zu energiesparenden Techniken bei.
    Warum, so frage ich Sie, die Finanz-, die Umwelt-, aber auch die Wirtschaftspolitiker bei Ihnen, sollten wir dann nicht das finanzpolitisch Notwendige mit dem ökologisch Sinnvollen verbinden?
    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, für uns Sozialdemokraten muß die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen Leitziel der Politik in allen Bereichen sein. Wenn in diesen Tagen der neue Bericht des Club of Rome erscheint, wird er hoffentlich einen heilsamen Schock auslösen, einen Schock, der auch in der Bundesregierung den Elan erzeugt, den wir brauchen, wenn wir die ökologischen Probleme wirklich lösen wollen.
    Ich bedanke mich bei Ihnen für das Zuhören.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun erteile ich dem Bundesminister Dr. Töpfer das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Klaus Töpfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Übereinstimmung ist zunächst gefragt. Wir stimmen darin überein, Herr Kollege Schäfer, daß sich die Umweltpolitik, die wir zu betreiben haben, auf drei wesentliche Säulen zu beziehen hat: erstens auf das, was wir auch noch in der hochentwickelten Marktwirtschaft ökologisch zu gestalten haben, zweitens auf das, was wir an Sanierungsaufgaben angesichts der gewaltigen Hinterlassenschaften des real existierenden Sozialismus in den neuen Bundesländern und zunehmend auch in den anderen Staaten Mittel- und Osteuropas zu tun haben, und drittens darauf, daß wir eine weltweite Umweltpartnerschaft zu gestalten hab en, weil viele der Aufgaben, die vor uns stehen, und der Fragen, die zu lösen sind, nur in globalem Zusammenhang zu bewältigen sind. Dies ist sicher unstrittig. Daß darin gerade eine technologisch führende Nation mit einer, was Sie bei alldem, was Sie verteilen und anbieten, leider nicht dazusagen, auf Grund einer guten



    Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
    Wirtschafts- und Finanzpolitik stabilen Wirtschaft leisten kann, ist sicherlich mitentscheidend dafür.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube, daß wir deswegen zunächst einmal festhalten müssen: Wir erweisen der Umweltpolitik sowohl in ihren internationalen Dimensionen als auch hier bei uns immer dann den schlechtesten Dienst, wenn wir die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft überstrapazieren und damit den Ast, auf dem wir sitzen, absägen. Hier gibt es keinen Widerspruch, sondern eine Harmonie zwischen der Umweltpolitik und einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung, die aber ökologisch begleitet werden muß.
    Ich konzentriere mich heute bewußt auf den zweiten von mir genannten Punkt, auf unsere Aufgaben in den neuen Bundesländern. Diese haben natürlich auch sehr viele Rückwirkungen auf den Bereich der alten Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich mir die Zahlen ansehe, so haben wir umweltpolitisch bedeutsame Erfolge zu vermelden. Die Elbe enthält nicht mehr über 20 t Quecksilber pro Jahr, sondern deutlich unter 10 t. Die Emissionen bei Schwefeldioxid sind in den neuen Bundesländern um 26 % zurückgegangen, bei Staub um 39 %, bei Schwermetallen um 54 %; all diese Zahlen ergeben sich aus einem Vergleich mit 1989.

    (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Stillegung! Produktionsreduzierung!)

    — Jawohl. — Dies sind die richtigerweise zu ziehenden Konsequenzen aus der Stillegung solcher Betriebe, die ökonomisch und ökologisch völlig unvertretbar produziert haben. Hier mußten wir aus ökologischen und gesundheitspolitischen Gründen handeln, um die Gesundheit der Menschen zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dies ist Faktum. Das werden wir uns nicht umweltpolitisch anrechnen, sondern das ist einer dieser Kombinationseffekte. Es geht jetzt ganz eindeutig darum, daß wir die Schaffung von Arbeitsplätzen mit einer gleichbleibend abgesenkten Belastung der Umwelt verbinden. Das ist die Herausforderung, um die es geht. Ich glaube, daß wir in diesem Bereich wirklich gehandelt haben.
    Sie fragen: Wo bleibt Ihr Altlastenprogramm?

    (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Finanzierung!)

    Herr Kollege Schäfer, ich nutze gern die Gelegenheit, hier noch einmal folgendes deutlich zu machen: Für uns bestand die erste Schwerpunktaufgabe natürlich darin, die die menschliche Gesundheit aktuell gefährdenden Mißstände abzustellen. Deshalb haben wir 1990 erstmals 500 Millionen DM in über 600 kleinen Einzelprojekten eingesetzt, um Trinkwasser und Abwasser so zu verbessern, daß jeder die Sicherheit hat, dadurch keinen gesundheitlichen Gefahren mehr ausgesetzt zu sein. Daran arbeiten wir weiter.
    Ich muß Ihnen sagen — und ich sage das mit Respekt — : Greenpeace hat unsere Außenstelle in Berlin besetzt und gesagt, man werde erst gehen, wenn Töpfer die Trinkwasserdaten rausrücke. Vier Stunden später war die Besetzung zu Ende, weil wir nämlich
    nachprüfbar und nachweisbar mitteilen konnten, daß wir — Kollege Schmidbauer — das bereits in der Pressekonferenz Anfang August getan hatten. Und ich werde das so weitermachen; denn ich kann überhaupt kein Interesse daran haben, das, was für die Menschen in der ehemaligen DDR geradezu ein Zeichen der Unfreiheit gewesen ist, daß sie an Daten über die Belastungssituation in ihrer Heimat nicht herankamen, jetzt möglicherweise aus falschen Gründen weiterzuführen. Genau das Gegenteil machen wir: Information und Offenheit selbst dann, wenn wir noch nicht alle Ziele erreicht haben, ist die Gewähr dafür.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben das mit den 500 Millionen DM gemacht. Ich lade den Umweltausschuß wirklich herzlich gerne ein, daß wir einmal einzelne dieser Projekte in den neuen Bundesländern anfahren, um fernab jeder parteipolitischen Polemik und Diskussion zu fragen: War das richtig, oder war das nicht richtig, können wir das so weitermachen oder nicht?
    Wir machen das so weiter. Wir haben im Haushalt für 1991 und 1992 insgesamt 800 Millionen DM. Auch diese Mittel sind wiederum — und ich muß ein herzliches Dankeschön an meine Mitarbeiter sagen, die unglaublich daran gearbeitet haben — fast schon verausgabt. Ich sage das mit großem Stolz; denn da ist außerordentlich viel Kleinarbeit zu machen gewesen, und die ist hervorragend gemacht worden. Und ich lobe Mitarbeiter auch dafür, daß sie in der einen oder anderen Vergabe einer Maßnahme auch einmal ein Risiko eingehen, wenn in einer Maßnahme möglicherweise noch ein Problem drinsteckt. Wenn wir dies in einer solchen außergewöhnlichen Zeit nicht machten, würden wir uns fragen müssen, wofür wir eigentliche politische Legitimität verlangen wollen. Das müssen und wollen wir tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch hier bin ich sehr gern bereit, das in aller Breite vorzutragen. Wir haben für Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen noch einmal 250 Millionen DM. Auch die gehen schwerpunktmäßig in die neuen Bundesländer.
    Jetzt kommt der wesentliche Sanierungseffekt hinzu. Wir haben — ich weiß, das wurde von vielen unterstützt — ein breites Programm der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unter der Federführung des Kollegen Blüm. Wir gehen jetzt über 300 000 AB-Maßnahmen hinaus, und es wird noch weiter gehen. Wir können nach all dem, was wir jetzt wissen, sagen, daß mindestens ein Drittel davon Sanierungsmaßnahmen im Umweltschutz sind. Das sind Sofortmaßnahmen der Altanlagensanierung.
    Herr Kollege Schäfer, wenn diese Bundesregierung erreicht hat, daß wir in weniger als Jahresfrist 100 000 Menschen in den neuen Bundesländern damit beschäftigen können, daß sie ihre Umwelt sanieren, dann ist das wirklich ein schnelles und konsequentes Handeln, das wir sicherlich fortführen sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dies ist ebenfalls nachvollziehbar.




    Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
    Ich rate Ihnen wirklich: Sprechen Sie z. B. doch einmal mit dem Kollegen Rappe.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Macht er jeden Tag! — Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Junger Freund, heute morgen! — Dr. Paul Laufs [CDU/CSU]: Von den ideologischen Spinnern sprach der!)

    — Ich muß schon sagen, der Kollege Schäfer hat heute seinen mir gegenüber besonders liebenswürdigen Tag. Werter Herr Kollege, „junger Freund" nehme ich natürlich gerne entgegen.

    (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Genau acht Tage!)

    — Ich freue mich, daß ich die acht Tage noch für mich gelten lassen kann. Von daher gesehen wollen wir uns gerne auch darüber verständigen.
    Wir machen also genau dies. Nur eines ist doch völlig klar: Wenn wir die Altlasten weiter sanieren wollen, brauchen wir Anlagen dafür. Ich wäre herzlich dankbar, wenn wir uns auf allen Seiten dieses Hohen Hauses klar und einig darin wären, daß wir etwa zur Sanierung des Teersees in Altenburg nicht eine Schippe und einen Spaten brauchen, sondern eine Hochtemperaturverbrennungsanlage und daß wir nicht aus Gegnerschaften heraus Sanierungsmöglichkeiten überhaupt nicht erst möglich machen sollten. Das ist auch eine Frage der Gemeinsamkeit, in der wir ein Stück weiterkommen sollten.
    Ich hatte heute die Freude, die 5. Entsorga, die Abfallmesse in Essen, zu eröffnen.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das hilft auch nichts! — Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Vorsicht, Vorsicht!)

    — Ich kann nur sagen: Interessanterweise hat der Kollege Schäfer auch den ganzen Abfallbereich ausgelassen, was sonst seiner Übung nicht entspricht. Das kann ich auch verstehen, weil wir da wirklich gezeigt haben, daß wir nachhaltig gehandelt haben. Wenn Sie sich heute angehört hätten, was die Vertreter der Entsorgungswirtschaft und der kommunalen Entsorger dort zu Beginn dieser Messe gesagt haben, dann wüßten Sie, daß wir damit wirklich Neuland betreten haben, nämlich die Kombination von Ordnungsrecht und Marktwirtschaft im Interesse derer, die davon betroffen sind.
    Wir werden die nächste, die sechste Entsorga, die in drei Jahren ist, mit Sicherheit durch solche Unternehmen mit ergänzen können, die Demontagetechniken für Konsumgüter anbieten, denn das ist die nächste Ebene der Entsorgungswirtschaft, die wir brauchen.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Er muß mal zum Ende kommen!)

    — Ich kann natürlich verstehen, daß Sie wollen, daß ich zum Ende komme. Ich sehe daraus, Herr Kollege, daß Sie schon so weit überzeugt sind, daß die Umweltpolitik, die diese Bundesregierung macht, nicht eine Umweltpolitik ist, die an irgendeiner Stelle etwas nur ankündigt, sondern sagt, wohin sie will, und das verwirklicht. Dies werden wir weitermachen.
    Ich habe dafür zu danken, daß wir an vielen Stellen sehr gute Unterstützung auch in den neuen Bundesländern bei den Regierungen haben. Ich habe Respekt vor den dortigen Umweltministern, die im Aufbau einer Verwaltung gleichzeitig diese schwierige Bearbeitung zu bewältigen haben. Ich glaube, daß wir dort viel mehr überparteiliche Gemeinsamkeiten vorfinden, als wir das manchmal hier in der Auseinandersetzung sehen können.
    Insgesamt also: Wir werden diesen ökologischen Subventionsabbau, diese Überwälzung von Kosten unseres Wohlstands auf Natur und Umwelt, weiterführen. Ich bin ganz sicher, daß Ihre Meinung nicht zutrifft, daß wir damit nämlich Vorbild und ein Stück Vorreiter für viele sind, die diese Probleme der Industriegesellschaft noch nicht so bewältigt haben.
    Ich danke Ihnen sehr herzlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)