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    Plenarprotokoll 12/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage und Entwicklung in der Sowjetunion und Jugoslawien Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3015 B Björn Engholm, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 3020 A Dr. Alfred Dregger CDU/CSU 3025 D Dr. Hermann Otto Solms FDP 3031 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3035 C Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 3038 C Ortwin Lowack fraktionslos 3041 D Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 3043 A Hans Koschnick SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3046 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Dr. Hans-Jochen Vogel SPD 3047 C Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 3057 B Dr. Burkhard Hirsch FDP 3058C, 3100B, 3104 C Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 3062 C Ingrid Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . . 3068 D Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 3070 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3072 B Peter Conradi SPD 3082 B Dr. Lutz G. Stavenhagen CDU/CSU . . 3082 C Christel Hanewinckel SPD 3082 D Dr. Burkhard Hirsch FDP 3085 D Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI 3086A Dr. Willfried Penner SPD 3087 A Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3089D, 3106A Dr. Sigrid Hoth FDP 3089 D Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 3091 D Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 3092 B Dr. Paul Laufs CDU/CSU 3093 A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3095 B Dr. Willfried Penner SPD 3097 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . 3102A Karl Deres CDU/CSU 3104A Dr. Hans de With SPD 3108 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 3109A Dr. Conrad Schroeder (Freiburg) CDU/CSU 3110D Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . . 3112D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 3115D Nächste Sitzung 3117D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3119* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 — Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 — (Michael von Schmude CDU/CSU) . . . . 3119* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 3015 37. Sitzung Bonn, den 4. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 04. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 04. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 04. 09. 91 * Erler, Gernot SPD 04. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 04. 09. 91 * Francke (Hamburg), CDU/CSU 04. 09. 91 Klaus Hilsberg, Stephan SPD 04. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 04. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 04. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 04. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 04. 09. 91 * Michels, Meinolf CDU/CSU 04. 09. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 04. 09. 91 Müller (Düsseldorf), SPD 04. 09. 91 Michael Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 04. 09. 91 Pfuhl, Albert SPD 04. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 04. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 04. 09. 91 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 04. 09. 91 * Schmidt-Zadel, Regina SPD 04. 09. 91 Sielaff, Horst SPD 04. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 04. 09. 91 * Dr. Sperling, Dietrich SPD 04. 09. 91 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 04. 09. 91 * Verheugen, Günter SPD 04. 09. 91 Vosen, Josef SPD 04. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 04. 09. 91 Gert Welt, Hans-Joachim SPD 04. 09. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 04.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 04. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 - Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 - Michael von Schmude (CDU/CSU): Diese erste Lesung des Haushalts 1992 gibt uns willkommenen Anlaß zu einer Bestandsaufnahme, nämlich: wie weit sind wir beim Aufbau des freiheitlichen Rechtsstaates in den neuen Bundesländern vorangekommen, wo stehen wir, was muß noch getan werden? Anlagen zum Stenographischen Bericht Uns ist allen bewußt, daß die Glaubwürdigkeit der Justiz und das damit verbundene Vertrauen in den Rechtsstaat unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West sind. Die Verwirklichung der Einheit auf dem Gebiet des Rechts ist eine Mammutaufgabe und braucht demzufolge auch Zeit. Dennoch gehöre auch ich zu jenen, die ungeduldig sind, und in der Tat könnte und müßte das eine oder andere zügiger verwirklicht werden. Das Justizwesen der früheren DDR war Werkzeug des Unterdrückerstaates und muß deshalb mehr als jede andere Verwaltung auch personell von Grund auf erneuert werden. Das bedeutet, daß Richter und Staatsanwälte nur in einem geringen Umfang übernommen werden können. Um eine Richterdichte wie in den alten Bundesländern herzustellen, benötigen wir etwa 4 500 Richter, 1 000 Staatsanwälte und 2 000 Rechtspfleger. Letztere waren in der früheren DDR überhaupt nicht vorhanden. Die Überprüfung der Richter und Staatsanwälte, die bereits in der ehemaligen DDR tätig waren, wird intensiv betrieben (von 2 600 = 1990 sind jetzt noch 1 300 im Amt). Unabhängig davon sollten jene Juristen, die sich schuldig gemacht haben, nicht erst auf das Ergebnis ihrer Überprüfung warten, sondern durch freiwilliges Ausscheiden ein Zeichen der Einsicht und damit einen Beitrag zum Neubeginn leisten. Gleiches gilt auch für diejenigen Juristen, die sich noch kurz vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als Rechtsanwälte niedergelassen haben, obwohl sie auf Grund ihrer Vergangenheit dieses besser hätten unterbleiben lassen sollen. Überprüfungen sind notwendig, wobei erforderlichenfalls die bisherigen gesetzlichen Grundlagen ergänzt werden müssen. Auch hier gilt: Jeder Einzelfall muß auf die persönliche Verantwortung hin untersucht werden, Pauschalverurteilungen sind fehl am Platze. Unser 1991 beschlossenes dreijähriges Hilfsprogramm zum Aufbau des Rechtsstaates im Beitrittsgebiet sieht die Entsendung von insgesamt 2 300 Juristen und Rechtspflegern vor. Dabei handelt es sich um 1 000 Richter und Staatsanwälte, von denen bis Ende Juni etwa die Hälfte abgeordnet waren. Die Länder haben erneut versprochen, die angestrebte Zahl per Ende dieses Jahres annähernd sicherzustellen. Ein größeres Defizit tut sich bei den Rechtspflegern auf. Zwischen Bund und Ländern war vereinbart, in diesem Jahr 500 Rechtspfleger abzuordnen. Per Ende August lag diese Zahl mit 211 weit zurück. Angesichts des großen Arbeitsanfalls bei den Grundbuchämtern - bekanntlich liegen über 1 Million Ansprüche auf Rückübertragung vor - ist dieser Zustand besonders bedauerlich. Am Geld kann es nicht liegen, denn im Rahmen des gesamten Hilfsprogramms von 120 Millionen sind für diesen Bereich der Abordnung allein 65,4 Millionen DM vorgesehen. Die neuen Bundesländer machen von dem finanziellen Hilfsangebot des Bundes zur Einstellung von bis zu 300 Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern regen Gebrauch. Hier sind kurzfristig bereits 200 Stellen besetzt worden. 3120* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Außerordentlich unbefriedigend und schleppend verläuft dagegen die Ausschöpfung unseres sog. Seniorenmodells. Hier waren Haushaltsmittel in Höhe von 17,5 Millionen DM im Haushalt 1991 vorgesehen zur Entsendung von 500 pensionierten Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern. Mehr als 100 Interessenten haben sich bei den Justizministern der alten Bundesländer beworben und ganze drei sind inzwischen erst tätig: ein Richter in Sachsen und jeweils ein Richter und ein Rechtspfleger in Thüringen. Diesem Mißstand muß durch den Bundesjustizminister dringend nachgegangen werden. Sollten die alten Bundesländer mit dieser Aufgabe der Bewerberauswahl überfordert sein, so wäre dringend eine Übertragung auf ein anderes Gremium erforderlich. Insgesamt bleibt ohnehin festzuhalten, daß einige Bundesländer sehr vorbildlich den Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Bundesländern unterstützen, andere hingegen, oft entgegen großer Ankündigungen, nur sehr halbherzig. Ein negatives Beispiel ist dafür leider auch Herr Engholm, der 1990 ganze vier Richter nach Mecklenburg-Vorpommern abgeordnet hat und die ohnehin knappen Ressourcen an Richtern durch die parteipolitisch motivierte Entscheidung zur Einrichtung eines neuen Oberverwaltungsgerichts weiter einengt. So sehen manche Solidarbeiträge aus! Die Vereinbarung des Bundesjustizministers mit seinen Länderkollegen zur Entsendung von 60 Staatsanwälten zur Aufdeckung der Regierungskriminalität in der früheren DDR ist von den Ländern bisher erst mit 10 Juristen teilerfüllt worden. Natürlich ist kein Schleswig-Holstein dabei. Zur Aufarbeitung der früheren SED-Diktatur hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Bereinigung von SED-Unrecht vorgelegt. Damit sollen die Aufhebung von Unrechts-Urteilen und die Entschädigungsregulierung beschleunigt werden. Wir müssen an diesen Komplex mit einem besonderen Augenmaß herangehen: In den mehr als 20 000 anstehenden Rehabilitierungsverfahren stecken erschütternde Einzelschicksale. Den Betroffenen muß Gerechtigkeit widerfahren. Allerdings müssen wir auch die Grenzen unserer Möglichkeiten erkennen, die einfach darin bestehen, daß geschehenes Unrecht weder finanziell noch sonst voll ausgeglichen werden kann. Bei den Finanzen ist zu berücksichtigen, daß dieses Gesetz mit etwa 1,5 Milliarden DM Kosten an die Grenzen unserer Möglichkeit heranführt. Mit einem noch zu beratenden Gesetz über die sogenannte Verwaltungsrehabilitation müssen Willkürakte der DDR-Organe im Verwaltungsbereich aufgearbeitet werden. Hier muß eine Möglichkeit geschaffen werden, auch abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen. Besonders gilt dies hinsichtlich der sogenannten Zwangsumsiedlungen. So wurden u. a. im ehemaligen Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze — auch direkt angrenzend an meinen Wahlkreis in Mecklenburg — Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Hab und Gut gegen ein Trinkgeld dem Staat zu übereignen. Für die Vergangenheitsbewältigung des SED-Schnüffler- und Spitzelstaates brauchen wir weitere juristische Grundlagen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ermöglicht uns entsprechende Informationen im Interesse betroffener Opfer. In Verbindung mit der Erfassungsstelle Salzgitter kann dann hoffentlich ein Großteil politisch motivierter Straftaten aus der DDR-Zeit verfolgt und gesühnt werden. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, daß einige SPD-regierte Bundesländer einen Läuterungsprozeß durchlaufen haben und sich wieder an den Kosten der Erfassungsstelle Salzgitter beteiligen. Es war schon beschämend, wie man hier in der Vergangenheit aus einer Gefälligkeitspolitik heraus sich aus der politischen Verantwortung davongestohlen hat. Ein ganz besonders negatives Beispiel gibt wiederum die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Ministerpräsident Engholm, die sofort nach der Regierungsübernahme 1987 ihren Anteil von nur 10 000 DM verweigerte. Der bisherige Aufbau der rechtsstaatlichen Justiz im Osten Deutschlands verdient Dank und Respekt vor allem gegenüber den neuen Bundesländern, denn der Alltag zeigt, daß inzwischen auch hier und da bereits Rückstände bei Gerichten und Grundbuchämtern abgearbeitet werden können. Allen Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums möchte ich an dieser Stelle ebenfalls meinen Dank für die von ihnen geleistete vorbildliche Arbeit sagen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Minister Kinkel, gestatten Sie, daß ich die den Sozialdemokraten verbliebene Zeit nutze, gewissermaßen in Form einer Kurzintervention auf Ihre Ausführungen zu antworten.
    Wir Sozialdemokraten unterstreichen mit großem Nachdruck, was Sie zum SED-Unrechtsstaat gesagt haben. Wir unterstreichen die Notwendigkeit des Aufbaus eines Rechtsstaates. Wobei einige lange Zeit gebraucht haben, um zu begreifen, daß ein Rechtsstaat notwendig ist, um die Wirtschaft anzukurbeln. Wir haben Ihnen unsere Unterstützung zugesagt. Wir haben auch einen Forderungskatalog vorgelegt, um Ihnen etwas an die Hand zu geben.
    Nur: Dabei gibt es eine profane Kritik, die vielleicht nicht so sehr Sie in Person trifft, die aber angebracht werden muß. Auf Grund der Zuschriften und der Beschwernisse, die ich erhalten habe, gibt es Hunderte von Bewerbungen von tüchtigen jungen Staatsanwälten und Richtern, auch von selbstlosen Pensionären.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei den Ländern Es gibt ja das Pensionärmodell, wie Sie wissen. Diese Leute haben zum Teil — nicht wissend, was sie bekommen — überhaupt keine Antwort erhalten, nicht einmal einen Eingangsvermerk. Es verbreitet sich Frust. Ich gehe sogar davon aus, daß es mehr Bewerbungen als zu vergebende Stellen gibt. Aus Zuschriften muß ich entnehmen, daß diese Bewerber zum Teil die Eigeninitiative ergriffen haben, hinübergefahren sind und Gespräche in den dortigen Landesministerien gesucht haben. Mir ist ein Fall bekannt, wo daraufhin einer sogar ein Zimmer angemietet hat und jetzt die Miete zu zahlen hat, aber bis heute nicht angestellt wurde. Das sind Mißhelligkeiten, die Sie bitte der Justizministerkonferenz und den JustizDr. Hans de With ministern, an die ich hier appelliere, unterbreiten mögen, denn ich glaube, dies sollte abgestellt werden. Wir müssen alles dafür tun, damit der gute Wille nicht durch eine schlechte praktische Handhabe getötet wird. Ich hoffe, ich stoße dabei auf Ihr Verständnis. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


    (Dr. Otto Graf Lambsdorff [FDP]: Richtig!)





    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich darf Sie um Ihr Einverständnis bitten, daß die Rede des Kollegen Michael von Schmude zu Protokoll gegeben wird. — Dagegen gibt es keinen Widerspruch.* )
Ich erteile nun dem Kollegen Dr. Heuer das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Osten Deutschlands vollzieht sich gegenwärtig ein sehr komplizierter Prozeß. Massenarbeitslosigkeit mit hohem Frauenanteil, Abwicklung, Berufsverbote bestimmen das Schicksal von Millionen. Mit ungeheurer Geschwindigkeit verändert sich das Leben, sicherlich für viele zum Besseren, aber für viele auch zum Schlechteren, jedenfalls völlig Ungewohnten. Viele verlieren mit der Arbeit den Lebensinhalt. Der Bundesjustizminister sprach heute vom „Elitenwechsel" .
    Die Verantwortung für diesen Prozeß ist in diesem Haus heftig umstritten. Teilweise wird das immer noch von der Situation in der DDR abgeleitet, von ihrem Wirtschaftssystem, ihrer unstreitigen weitgehenden internationalen Isolierung — mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen — , auch von gravierenden Fehlentscheidungen ihrer Führung. Dennoch sind wir uns sicher einig, daß wir heute von unserer Verantwortung, von der Verantwortung der Bundesregierung, für diese Prozesse ausgehen müssen.
    Ich möchte zu einer Frage sprechen, die ich für sehr gewichtig für die richtige Bewältigung dieser Probleme halte, nämlich der moralisch-ideellen Begleitmusik der Strukturzerschlagung und der Entlassung in die Arbeitslosigkeit. Je mehr Arbeitslose es gibt, je mehr Professoren, Künstler, Lehrer, Ärzte, Leiter und Ingenieure entlassen werden, desto lauter werden die Stimmen, die sie alle zu Akademikern zweiter Klasse erklären und so den Elitenwechsel legitimieren.
    Wenn das Forschungs- und Entwicklungspotential im Osten in zwei Jahren von 132 000 auf 52 000 Personen zusammenschrumpfen soll, wenn allein an OstBerliner Hochschulen von 7 000 dort Beschäftigten 3 500 im Haushalt nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die Institute der ehemaligen Akademie der Wissenschaften nach Empfehlung des Wissenschaftsrates von 19 000 auf 7 000 bis 10 000 heruntergefahren werden, wenn mit 20 000 arbeitslosen Wissenschaftlern allein in Ost-Berlin gerechnet wird, dann muß Herr Wurlitzer eben schreiben: Was ist aus den Gesellschaftswissenschaften geworden? Denn sie gibt es nicht mehr. Das Hochschulwesen hätte nicht die Kraft zur Erneuerung, speziell nicht in Leipzig als der ehemaligen Hochburg der stalinistischen Erziehung.
    * Anlage 2
    In Berlin gibt es drei Universitäten; eine soll verschwinden. Herr Arnulf Baring bewirbt sich mit der Forderung auf „Konzentration aller ernsthaften wissenschaftlichen Kräfte an einer leistungsfähigen freien Universität". „Die notwendigen Grausamkeiten", so die Überschrift eines Artikels von Herrn Bräutigam in der „Zeit" vom 28. Juni 1991, werden immer mit dem gleichen Schema begründet: mehr oder weniger schuldhafte Verstrickung mit dem alten politischen System, fachwissenschaftliche Zweitrangigkeit und schließlich — wenn alles nicht hilft — Geldmangel.
    Der erste Versuch war die Abwicklung. Als das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dem teilweise einen Riegel vorschob, wurden Bewerbungen verlangt; schließlich gab es dann ungenügend Geld. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Simon, klagte nach getaner Arbeit: „Wir müssen Übergangslösungen schaffen und dabei die Leute drüben bei Laune halten. Der Wissenschaftsrat hat mit Abschluß der Evaluation seine Schuldigkeit getan ... Jetzt müssen die Politiker handeln ... Wenn sie versagen, dann sind wir rasch auf dem Weg zur wissenschaftlichen Bananenrepublik. " Dann liefen die Forscher fort „ — natürlich nicht der Altphilologe, der bleibt in Dresden oder in Leipzig, und wenn nichts für ihn getan wird, verhungert er halt. Aber der Informatiker oder der Biochemiker ..."
    Bei den Museen wird ein Konzept entwickelt, das das gesamte historisch gewachsene System zerstört. Auf der Ost-Berliner Museumsinsel sollen die archäologischen Sammlungen konzentriert werden. Das „Handelsblatt" vom 1. Februar 1991 sprach in diesem Zusammenhang von einer „gewissen KolonialherrenMentalität der Neuordner". Der Verteidiger des Konzepts hält dem natürlich Hoffnungen entgegen, nun würde auch hier — eben bei den Museen — mit den Vertretern des Honecker-Regimes abgerechnet.
    Es gibt in Berlin — noch — zwei Akademien der Künste: die eine 1950 unter Präsidentschaft von Arnold Zweig gegründet; die andere entstand als bewußte Gegengründung 1954. Die Ost-Berliner Akademie und ihre Zeitschrift „Sinn und Form" standen im Westen jahrzehntelang für Systemkritik in der DDR.
    Jetzt erklärt Walter Jens, Präsident der West-Berliner Akademie, seit 1986 auch korrespondierendes Mitglied der Ost-Berliner Konkurrenz: „Wir können unserem Mitglied Günter Kunert nicht zumuten, plötzlich neben einem alten SED-Hasen zu sitzen, der sich mit seinem Nachbarn über glorreiche Zeiten unterhält, als er bei Erich persönlich anrief".

    (Dr. Otto Graf Lambsdorff [FDP]: Das finde ich sehr vernünftig!)

    „Von außen mußte es so aussehen", schrieb Zimmer in der „Zeit", Nr. 36/91, dazu, „als sei die Akademie im Westen nur scharf darauf, sich die wertvollen Sammlungen der Akademie Ost anzueignen".

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Was meinen Sie denn nun dazu? Sie zitieren immer nur die anderen!)

    Im Rundfunk läuft es nicht anders. Der Deutschland-Sender „Kultur" hat versucht, dem Regime



    Dr. Uwe-Jens Heuer
    Herrn Mühlfenzls zu widerstehen. Herr Mühlfenzl beorderte die Chefredakteure zu sich, erklärte ihnen, daß sie die Ghostwriter Eduard von Schnitzlers gewesen seien und ging wieder. Übrig bleibt jetzt eine Bitte der Regierungschefs der Länder an das ZDF, Mitarbeiter des Senders in Form von Einzelverträgen zu übernehmen.
    Nach dem Staatsvertrag, Artikel 38, sollte die Entscheidung darüber, wie die Gelehrtensozietät der Akademie der Wissenschaften fortgeführt wird, landesrechtlich getroffen werden. Trotz dieser eindeutigen Regelung hat der Senat von Berlin ein Gutachten von Herrn Werner Thieme aus Hamburg erbeten, das diese Gelehrtensozietät dadurch aus dem Weg räumen will, daß die alte preußische Akademie durch Senatsbeschluß wiederbelebt wird. — Heinemann, „Die Zeit", 30. August. — Dabei hat diese Akademie unzweifelhaft seit 1946 keine Mitglieder gehabt — ein für eine Körperschaft doch wohl wichtiges Faktum —, und niemand hat sich um sie gekümmert. Der Westberliner Senat hat 1955 einen Rechtsanwalt als Notvertreter zum Erteilen von Löschungsbewilligungen bestellt.
    In die Akademie sollen jetzt der Daimler-Chef Edzard Reuter und Markus Bierich von Bosch. Nichts, was einmal mit dem Kainszeichen „DDR" versehen war, darf nach den Worten des Präsidenten, Horst Klinkmann, das Reinheitsgebot politischen Vordenkens für wissenschaftliche Strukturen der größer gewordenen Bundesrepublik stören.

    (Dr. Otto Graf Lambsdorff [FDP]: Wollten Sie da rein?)

    Preußische Leichen werden nicht nur nach Potsdam, sondern auch in die Berliner Otto-Nuschke-Straße überführt, ja sogar zum Leben erweckt.
    Professor Dieter Simon hatte keinen Zweifel an der ganz hervorragenden Qualität der medizinischen Forschung in der DDR gelassen. Aber auch hier wird jetzt aufgeräumt. Von einem Virus namens Angst sprach das „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" vom 23. August in bezug auf die traditionsreiche Charité in Ostberlin.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gerade die Charité!)

    In den letzten Wochen, als die Überlegungen des Berliner Senats bekannt wurden, nur zwei der drei Universitätskliniken in der Bundeshauptstadt zu erhalten, lief eine Medienkampagne mit unverkennbaren Zügen einer Hexenjagd gegen die Charité. CharitéÄrzte, so konnten wir lesen, waren ideologisch belastet, Stasi-Spitzel, in schmutzige Geschäfte mit westdeutschen Pharmakonzernen verwickelt, dopten junge Sportlerinnen mit männlichen Hormonen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Noch mehr haben die gemacht!)

    Die „Bild"-Zeitung schrieb: Im Dienste der Stasi schnitten sie die Herzen gesunder Regimegegner heraus und pflanzten die Organe alternden Stasi-Bonzen ein. — Bei näherem Hinsehen dann: ein einziges gigantisches Gewebe von Lügen und Verdrehungen. Aber etwas bleibt immer hängen. Entscheidend sind die Wirkungen.
    Heute lese ich, daß Heide Simonis, Kieler Finanzminister,

    (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Ministerin! — Keine Diskriminierung!)

    die Nichtanerkennung von Dienstjahren im DDR-Gesundheitswesen mit der Verflechtung dieses Gesundheitswesens mit der Stasi begründete.
    Meine Damen und Herren, das alles ist nicht nur weltanschaulich bedingt, ist nicht nur ein Akt konservativer Revanche;

    (Zuruf von der CDU/CSU: „Konservative Revanche" — es darf nicht wahr sein!)

    es ist in vielem auch einfacher Konkurrenz- und Verteilungskampf. Das gesamtdeutsche Wissenschafts-
    und Kulturboot ist übervoll, und die Ossis sollen über Bord gehen.
    Gerade deshalb ist politische Vernunft anzumahnen. Eine Voraussetzung vernünftiger, humaner Entscheidungen ist der Abbruch der unterschiedslosen — der unterschiedslosen! — moralischen Abwertung, ja Zerstörung, an der journalistische Verantwortungslosigkeit einen wesentlichen Anteil hat.
    Begonnen hat dieser Prozeß mit der Kampagne gegen Christa Wolf, wie sie Mitte vorigen Jahres in „Welt", „Spiegel" , „Bild" und „Zeit" geführt wurde. Es verlief immer nach demselben Schema: Aufdekkung von MfS-Beziehungen, Auflösung marxistischleninistischer Einrichtungen und schließlich der Kahlschlag. „Wer wird sich heute noch an der Charité operieren lassen?" fragte „Die Welt" . Es ist eigentlich nicht mehr von Bedeutung, was die Justiz später entscheidet, wenn der Rufmord bereits erfolgt ist.

    (Zuruf des Abg. Dr. Otto Graf Lambsdorff [FDP])

    Die Medien sind bereits das Gericht.
    Die Freude über den Sieg sollte aber nicht den Blick für neues Unrecht trüben. Eine Entwürdigung Hunderttausender kann kein Weg für ein Zusammenwachsen beider Teile Deutschlands sein. Man kann nicht einer ganzen Generation deutscher Intellektueller als einzige Alternative bieten, Wendehals oder unbelehrbarer Dogmatiker zu sein. Bestrafung von Unrecht — jawohl, aber gerechte Beurteilung dieser Zeit, gerechte Beurteilung unserer Arbeit, unseres Lebens können allein eine Bereicherung Deutschlands durch das Erbe, das Erbe beider Teile, gewährleisten.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Dr. Otto Graf Lambsdorff [FDP]: Aber Ihr Erbe wollen wir nicht, Herr Heuer! — Zuruf von der CDU/ CSU: Das war wohl nichts, Herr Heuer!)